Roger Cicero: Glück Ist Leicht – Das Beste Von 2006-2016

Roger Cicero: Glück Ist Leicht – Das Beste Von 2006-2016

Sony

VÖ: 17.03.2017

 

Wertung: 10/12

Tipp!

 

Roger Cicero hat sehr vielen Menschen unglaublich viele schöne Stunden und viel Freude bereitet. Seine Version des deutschsprachigen Swing war so besonders, so anders, dass er damit eine Art Ausnahmestellung einnahm. Sein viel zu früher Tod am 24. März 2016 hinterließ eine große Lücke – menschlich wie auch musikalisch. Als der Mann im Alter von 45 Jahren starb, hatte er noch ganz viele Pläne. Ein neues Studioalbum war bereits geplant, Songs wurden geschrieben und in diesem Jahr sollte das Album eigentlich veröffentlicht werden. Jetzt wird zwar ein Album veröffentlicht, aber leider ist da nur noch Platz für einen Rückblick: „Glück Ist Leicht – Das Beste Von 2006-2016“.

 

Die gängige Veröffentlichungspraxis wird auch für diese Rückschau eingehalten. Es wird auch eine erweiterte Version in den Handel gebracht. Die Premium Edition enthält noch ein paar Live-Versionen, die nachhaltig unterstreichen dürften, dass der Mann auf die Bühne gehörte und sein Big Band Sound und seine Gesang ganz speziell waren. Wer Cicero mit seiner famosen Band live genießen durfte, wird dies mit Sicherheit bestätigen.

 

„Glück Ist Leicht – Das Beste Von 2006-2016“ enthält in der vorliegenden Version zwanzig Songs, die das Schaffen von Cicero sehr schön abbilden. Die Bandbreite von Cicero war nämlich sehr groß. Man mag ihn zwar mit Swing und Big Band in Verbindung bringen, aber er hatte musikalisch stets so viel mehr zu erzählen. Beispielsweise mit „Glück Ist Leicht“. Ein toller und erwachsener Popsong mit einem klassischen Singer/Songwritererzählstil. Ganz großes Kino – auch textlich. Wohin die Reise weitergegangen wäre, kann man bei „Eine Nummer Zu Groß“ hören. Das ist seine letzte Studioaufnahme für sein bereits geplantes Studioalbum. Die gefühlvolle Ballade führt einem noch mal vor Augen (und Ohren), dass der Mann mit einer Stimme gesegnet war, der man sehr gerne zugehört hat.

 

Zugegeben, dies ist ein verhaltener Start in das Album gewesen. Getanzt werden darf dann aber zu „Du Bist Mein Sommer“. „Zieh Die Schuhe Aus“ darf natürlich ebenso wenig fehlen wie die Überballade „Ich Atme Ein“. Straight nach vorne geht es mit „Wenn Es Morgen Schon Zu Ende Wär´“. Ein Titel, der nun noch mal eine ganz neue Dringlichkeit und Bedeutung erhält. Aufgrund der feinen (Orchester)-Instrumentierung sind die Balladen bei Cicero stets jenseits der Kitschgrenzen angesiedelt. „Wovon Träumst Du Nachts“ ist da ein weiteres feines Beispiel. Das lässige „Murphys Gesetz“ bildet das ganze Swingverständnis von Cicero kongenial ab. „Die Liste“ und „Kompromisse“ lässt die Big Band nach alter Tradition von der Leine. Das nachdenkliche „In Diesem Moment“ hinterlässt beim Zuhörer nun ganz sicher einen dicken Kloß im Hals. „Frauen Regier´n Die Welt“ sorgt ja wieder für etwas Pepp, nur um dann mit „Ich Hätt´ So Gern Noch Tschüss Gesagt“ wieder in das Land der Tränen abzudriften. Viele Songs des guten Roger waren anders gedacht – hier geht es um den zu früh verstorbenen Vater – kriegen aber noch mal eine andere Bedeutung.

 

„Ein Kompliment“ liegt als Live-Version vor. Da können die Sportfreunde Stiller mal nachhören, was man aus ihrem Song auch machen kann. Tolles Arrangement! „Wenn Du Die Wahl Hast“ lädt – ebenfalls live – zum Tanzen ein. Ob die Fanta 4 „Geboren“ noch wiedererkennen? Das entspannte „I Was Brought To My Sense“ unterstreicht, dass der Mann live sehr intuitiv gesungen hat. Das kann man so nicht lernen, das wird einem in die Wiege gelegt. Die Sinatra-Klassiker „I´ve Got A Crush On You“ und „My Way“ runden dieses Album sehr schön ab.

 

Fazit: Man muss nicht alles von Roger Cicero mögen. „Glück Ist Leicht – Das Beste Von 2006-2016“ bildet die enorme musikalische Bandbreite des Mannes, der viel, viel zu früh von uns gehen musste, ab. Pop, Swing, Big Band und Spuren von Singer/Songwriter gibt es da zu hören. Dies alles wird in tolle Arrangements eingebettet. Abgesehen davon war der Mann mit einer sehr angenehmen Singstimme gesegnet. Wir verneigen uns und sagen: Danke Roger!

 

http://www.rogercicero.de/

 

Text: Torsten Schlimbach

Roger Cicero: Was Immer Auch Kommt

Roger Cicero: Was Immer Auch Kommt

Warner

VÖ: 28.03.2014

 

Wertung: 7,5/12

 

Die letzten drei Jahre im Leben von Roger Cicero waren wie eine Berg- und Talfahrt. Ein guter Freund erkrankte schwer und dann stand auch noch die Trennung von seiner Freundin an, mit der er ein gemeinsames Kind hat und bisher in Hamburg lebte. Plötzlich war sie da, diese gottverdammte Sinnkrise. Mit „In Diesem Moment“ aus dem Jahre 2011 schien doch noch alles in bester Ordnung zu sein und plötzlich steht er vor einem Scherbenberg. Dies alles hat sich natürlich auch auf sein neues Werk ausgewirkt. „Was Immer Auch Kommt“ ist in gewisser Weise ein Album, welches durch die berühmte Krise in der Lebensmitte ausgelöst wurde. Roger Cicero setzte zwar wieder auf das bewährte Produzententeam und auch sein Musikerstamm ist gleich geblieben - und doch ist der Sound anders und wesentlich reduzierter.

 

Cicero wird ja gerne als Jazzer verkauft. Big Band Sound und so. Stimmte so aber ja noch nie. Vocal Jazz passte auch nicht so richtig. Seine fröhlichen und schmissigen Platten sprachen mitunter eine Klientel an, die größtenteils dem Schlager sehr zugetan ist. Der Rest war dann eher im Mainstream zu finden, eingebettet im Popgewand. „Was Immer Auch Kommt“ ist nun mehr Pop als jemals zuvor. Melancholischer Pop gar. Dies ist ein sehr persönliches Trennungsalbum und wer um die Situation von Cicero und der Mutter seines 5-jährigen Sohnes weiß, muss nicht lange raten ob die Texte vielleicht einen persönlichen Bezug haben. Roger Cicero legt dem Hörer sein Inneres zu Füßen und somit erfüllt „Was Immer Auch Kommt“ einen therapeutischen Zweck. Derart die Hosen runter zu lassen ist mutig.

 

Wer auf den überbordenden Big Band Sound gesetzt hat, wird Bauklötze staunen. Dies gilt auch für all jene, die mit Roger Cicero bisher nichts anfangen konnten. „Glück Ist Leicht“ ist beispielsweise nichts anderes als handgemachte Popmusik. Die Bläser stehen dem ja nicht hinderlich im Weg und kommen auch nur ganz dezent zum Einsatz. Gibt es überhaupt ein Solo auf dieser Platte? Mit viel Wohlwollen kann man da vielleicht eines finden. Mitunter kann man das alles sogar im Singer/Songwriter-Genre verorten – nicht auf eine amerikanische und klassische Art und Weise, die Erzählstruktur der Songs geht aber eindeutig in diese Richtung.

 

Das Problem an diesem Album ist mitunter, dass man schon ein besonderes Faible für diese Bestandsaufnahme einer gescheiterten Beziehung haben sollte, denn sonst kriegt das schnell den Anstrich von Jammerei und Selbstmitleid. Im Titelstück „Was Immer Auch Kommt“ besingt Cicero das Ende der Beziehung und was das alles mitbringt, einschließlich der Überprüfung von Freundschaften. „Strasse“ soll wohl ein Neuanfang symbolisieren, fegt letztlich aber auch nur die Überreste der gescheiterten Beziehung zusammen und kommt resigniert zu dem Schluss, dass man es nun auch nicht besser wie die Eltern gemacht hat. Oha, da ist aber einer ganz tief im Tal der Tränen angekommen. Lyrik und Musik fungieren für Cicero hier als Tröster und heilende Helfer. Bis hierhin ist das übrigens kaum dem Jazz zuzuordnen, sondern ist mit seiner Schwermut und düsteren Melancholie vollends im Pop angesiedelt.

 

Und so zieht sich das alles weiter durch „Was Immer Auch Kommt“. „Endlich Wieder Frei“ trauert der Verflossenen immer noch nach, während „So Sieht Man Sich Wieder“ den Neustart aller besingt. Patchworkfamilie und so. Ist ganz nett umgesetzt und der Sound ist auch gleich etwas fröhlicher. „Knapp Daneben“ verfällt allerdings wieder in die Krise zurück. „Frag Nicht Wohin“ ist ganz zum Schluss der tränenreiche Abschied von diesem Album. Da kann man tatsächlich einen dicken Kloß im Hals haben, denn im Mittelpunkt des Songs steht der Sohn von Cicero.

 

Fazit: Roger Cicero meldet sich nach drei Jahren mit „Was Immer Auch Kommt“ zurück. Die vielleicht schwierigste Phase in seinem Leben verarbeitet er hier: die Trennung von der Mutter seines Sohnes. Dies tut er nicht nur ansatzweise, sondern sehr direkt und ausführlich. Das ist mitunter auch das klitzekleine Problem des Albums, denn wer selbst gerade in dieser Phase steckt, will davon mitunter nichts hören, denn dann wird man noch tiefer in das Tal der Tränen gestürzt und glückliche Paare wollen sich das gar nicht erst ausmalen. Musikalisch hat das im Grunde nichts mehr mit Jazz und Big Band zu tun. Schwermut und Melancholie liegen über dem poppigen Grundgerüst, welches handwerklich aber wunderbar in Szene gesetzt wurde und die nachdenklichen Texte sehr schön trägt. Der Mann mit dem Hut ist zurück und dies mit aller Stille und in sich gekehrt.

 

http://www.rogercicero.de/

 

Text: Torsten Schlimbach

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