Claudia Kohde-Kilsch: Regenpause

Claudia Kohde-Kilsch: Regenpause

Sibost Verlag

VÖ: 11.12.2024

 

Wertung: 10/12

Tipp!

 

In den 80ern und 90ern war Tennis ein richtiger Straßenfeger. Die Leute saßen stundenlang gebannt vor den TV-Geräten. Eine, die für alle den Weg bereitet und quasi die Pionierarbeit geleistet hat, ist Claudia Kohde-Kilsch. Sie war das erste Mädchen, welches als Teenager im Alter von knapp sechszehn Jahren beschloss Profi zu werden und mit dem Realschulabschluss in die große, weite und steinige Turnierwelt des Tennissports zu ziehen – und dies zum Unverständnis der Lehrer. Der Schuldirektor hätte ihr aber zwei Jahre den Weg zurück zum Abi ermöglicht.

 

Letztlich war Claudia Kohde-Kilsch 15 Jahre auf der Tour. Die Geschichte dazu erzählt sie nun in ihrer Autobiografie „Regenpause“. Im Einzel kletterte sie in der Weltrangliste bis auf Position 4, im Doppel sogar noch einen Platz höher, nämlich auf die 3. Für mich konnte Claudia Kohde-Kilsch ein ästhetisch unglaublich schönes Tennis spielen. Ihr Volleyspiel war wie gemalt – eine Kunst für sich. Martina Navratilova und Jana Novotná waren zwei weitere ganz Große, die das Spiel am Netz traumwanderlisch sicher beherrschten. Claudia Kohde-Kilsch brachte mit 1,87 Meter Körpergröße auch noch die entsprechende Voraussetzung mit. Athletisch war sie sowieso. Zusammen mit Helena Suková bildete sie eines der besten Doppel der Welt und die beiden bekamen den Namen „Twin Towers“ verliehen. Fast ehrfürchtig wurde diese Bezeichnung verwendet.

 

Natürlich erzählt die ehemalige Profispielerin auch davon. Zu meiner Überraschung hat sie nur 4 Jahre mit Suková ein Doppel gebildet – nachzulesen nun in „Regenpause“. Ich hätte Geld darauf verwettet, dass die beiden über ein Jahrzehnt Partner auf dem Platz waren. Im Doppel hat sie es letztlich bei allen 4 Grand Slams bis in das Finale geschafft. Die US Open und Wimbledon konnte sie gewinnen! Das waren natürlich nicht ihre einzigen Erfolge. Sie berichtet sehr anschaulich vom Gewinn des Fed Cups 1987. Klaus Hofsäss erzählt in seinem Vorwort ebenfalls von diesem besonderen Tag am 2. August 1987 in Vancouver. Man merkt in „Regenpause“ die gegenseitige Achtung und Wertschätzung des damaligen Bundestrainers und seiner Spielerin Kohde-Kilsch.

 

Unweigerlich kommt Claudia Kohde-Kilsch dann auch auf Steffi Graf zu sprechen. Sie hat nur bewundernde Worte für Graf, die voller Anerkennung sind, übrig. Es sind ehrliche und authentische Worte! Dies ist überhaupt die große Stärke des Werkes: Authentizität! Natürlich wird die Fehde der Väter Graf und Kohde-Kilsch angerissen, wer aber auf schmutzige Wäsche und Gossip aus ist, der wird mit „Regenpause“ nicht glücklich werden. Gut so! Dies hat Claudia Kohde-Kilsch nämlich immer ausgezeichnet, dass sie Dinge über andere dann auch privat gehalten hat. Man erfährt hier auch keine Dinge über ihre Ehe, die Scheidung oder wie sie ihren neuen Partner kennen- und lieben gelernt hat. Ihre Regelinsolvenz und wie es dazu kam, spricht sie natürlich an, denn das betraf ja nun sie und ihren (Stief-)Vater und damals gingen ja einige unschöne Geschichten durch die Presse.

 

Was für mich „Regenpause“ so herausragend und wertvoll macht, sind die Einblicke in den Tennissport – auch verbunden mit ihrer heutigen Aufgabe als Bundestrainerin Ost! Im Grunde sollten alle Kids, die diesen wunderbaren Sport ausüben, dieses Buch lesen! Noch mehr würde ich aber das Werk den Eltern dieser Kids ans Herz legen! Claudia Kohde-Kilsch verdeutlich hier sehr schön, was es heißt ein Leben auf der Tour zu führen. Ebenfalls spart sie auch nicht aus, was es überhaupt heißt schon im Kindesalter den Sport im Leistungsbereich auszuüben und worauf die Coaches – und sie im Speziellen – achten!

 

Ihre politische Tätigkeit für die Linke (später SPD) und Oskar Lafontaine werden in einem Extra-Kapitel behandelt. Wie nicht anders zu erwarten, wird da hinter den Kulissen mit harten Bandagen gekämpft und nicht immer fair gespielt. Auch hier ist Claudia Kohde-Kilsch ganz weit davon entfernt Namen zu nennen oder schmutzige Wäsche zu waschen. Ein sehr wichtiges Kapitel ist, wie ich finde, jenes über ihr soziales Engagement. Hier hat man übrigens zu keiner Zeit den Eindruck, dass sie sich damit irgendwie interessant machen möchte, sondern dass ihr „Sportler für Organspende“ „Kinderhilfe Organtransplantation“, „Saarländische Krebsgesellschaft“ oder die „Tour der Hoffnung“, um nur einige zu nennen, wirklich richtig, richtig am Herzen liegen!

 

Fazit: „Regenpause“ hat einen unglaublichen Vorteil gegenüber ähnlich gelagerten Büchern: man merkt hier zu jeder Zeit, dass Claudia Kohde-Kilsch dieses Buch und kein Ghostwriter geschrieben hat. Es gibt keine blumigen Worte oder eine gestelzte Sprache, nein, dies hier ist absolut authentisch. Schwachpunkt? „Regenpause“ ist zu kurz, man hätte gerne noch viel mehr von dem Fachwissen gelesen. Dieses Werk hier ist nämlich auch eine Art Ratgeber für alle jungen Tennisspieler! Letztlich zeigt dieses Buch ganz deutlich, dass sich die ehemalige Profispielerin immer treu geblieben ist – in den guten, aber auch ganz besonders während der schlechten Zeiten! Chapeau, liebe Claudia Kohde-Kilsch! Absolute Empfehlung! Und noch ein kleiner Hinweis: da junge Tennisspieler ja auch schon wenig Zeit für ein Buch haben, sei an dieser Stelle schon verraten, dass im Frühjahr 2025 ein Hörbuch von der Autobiografie erscheinen soll - kann gerne auf den Turnierfahrten oder zwischen den Matches gehört werden!

 

Text: Torsten Schlimbach

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