Jimmy Page: Licht und Schatten (von Brad Tolinski)
Edel
VÖ: 08.10.2013
Wertung: 10/12
Tipp!
Led Zeppelin sind vermutlich der Prototyp einer Rockband und Jimmy Page der dazugehörige Gitarrenheld. Mythen, Legenden und unzählige Berichte gibt es über diese Band. Jede Menge halboffizielle und offizielle Bücher pflastern die Regale und doch fehlt etwas. Eine Autobiografie von oder über Jimmy Page scheint es nicht zu geben. Kann doch eigentlich nicht sein, der Mann hat schließlich Generationen von Musikern beeinflusst. Ist aber so! Es ist ja bekannt, dass Page den Medien und Journalisten gegenüber eher misstrauisch eingestellt ist. Das Verhältnis zur Presse war nach den anfänglich sehr kritischen Stimmen gegenüber der ersten beiden Platten von Led Zeppelin nachhaltig gestört und so erklärt sich wahrscheinlich, dass über all die Jahre nur sehr wenige Pressevertreter einen Zugang zu Jimmy Page gefunden haben. Einer davon ist Brad Tolinski, seines Zeichen Chefredakteur bei Guitar World. Über einen Zeitraum von 20 Jahren konnte Tolinksi Page immer wieder interviewen. Die gesammelten Werke liegen nun als Buch in „Licht und Schatten“ vor.
Eine gewisse Skepsis war vorab durchaus angebracht. Gespräche aus verschiedenen Epochen und die sich über einen derart langen Zeitraum ziehen, können doch eigentlich kein einheitliches Bild ergeben. Abgesehen davon ist das eigentlich schon dazu verurteilt zu scheitern, wenn das alles aneinandergereiht wird. Nach den einleitenden Worten des Autors schwant einem auch nichts wirklich Gutes. Dies klingt auf der einen Seite glatt wie eine Entschuldigung, was dieses Buch alles nicht ist und dann nach Beweihräucherung, dass er (Tolinski) als einer der Wenigen in die Welt von Jimmy Page gelassen wurde. Dem Herrn sei gedankt, dass dies die einzige Schwachstelle des Buches ist! Einen kleinen Hänger gibt es zwar noch mal nachdem das Ende von Led Zeppelin beschrieben wurde, aber insgesamt kommt dieses Buch schon einer kleinen Erleuchtung gleich. Es erweist sich als ganz großes Plus, dass Tolinski vom Fach ist. Eine kleine Einschränkung gibt es allerdings: wer auf den heutzutage üblichen Gossip aus ist, wird nicht fündig werden. Zwar werden auch immer mal wieder die Beziehungen der Musiker untereinander angesprochen, wer aber auf die große Sex, Drugs and Rock and Roll Sause hofft, wird bitter enttäuscht werden. Dies hier ist nicht „The Dirt“ von Mötley Crüe! Es ist gleichwohl eine Offenbarung für alle, die sich eingehender und tiefer mit der Musik von Jimmy Page befassen wollen! Led Zeppelin ist da nur eine Randerscheinung!
Tolinski hat sich etwas einfallen lassen und nicht nur seine Interviews lieblos aneinander geklatscht. Unterteilt ist das Buch in elf Kapitel und bevor es im jeweiligen Teil an das Eingemachte geht, also an die Gespräche, gibt es meist noch einen mehrseitigen Abriss über die jeweilige Karrierephase von Page. So ist man als Leser immer im Bilde wo sich die beiden Gesprächspartner gerade befinden. Abgesehen davon kriegt man mit „Licht und Schatten“ so tatsächlich eine Art Biografie an die Hand gegeben. Sehr aufschlussreich sind dabei auch die Interviews mit Weggefährten von Page. Chris Dreja ordnet so beispielsweise die verschiedenen Abschnitte der Yardbirds mit Clapton, Beck und Page ein. Sehr erhellend sind auch die Sequenzen mit John Paul Jones und das gemeinsame Interview mit Page und Jack White. Von den nicht mal 360 Seiten wird der Zeit vor Led Zeppelin erstaunlich viel Raum eingeräumt und so bekommen all jene einen tieferen Einblick, die den Mann immer nur mit Led Zeppelin in Verbindung bringen. Seine Mission als gefragter Studiomusiker wird in ebenso vielen Facetten zur Sprache gebracht, wie eben auch sein Engagement bei den Yardbirds.
Sehr vieles dreht sich hier aber um die Studioarbeit und wie akribisch Page doch zu Werke gegangen ist. So wurde die erste Platte in sensationellen 30 Stunden fertig aufgenommen, weil Page vorher schon alles ausgearbeitet hatte. Das zweite Werk wurde während der Tour eingespielt, auch hier hatte der man an der Axt im Vorfeld schon alles im Kopf. Page erklärt minutiös, wie die Mikrofone zu platzieren waren, wie er die Bassdrum von Bonham aufnahm oder mit einem Echo arbeiten konnte und Fehler in letzter Minute korrigierte. Es wird ziemlich schnell deutlich, dass Page ein Pionier war und sich selbst etablierte Bands wie die Rolling Stones an seinen Produktionen orientierten. Er selbst stellt sich dabei aber nie auf einen Sockel und es kommt ihm auch kein böses Wort über Kollegen über die Lippen. Das Buch arbeitet aber sehr gut heraus, dass der gute Jimmy ein Besessener war – vom Gitarrenspiel, der Musik allgemein und dem ganzen Aufnahme- und Produktionsprozess. Gerade letztere Geschichte wird immer noch unterschätzt und Page nur als Gitarrist gesehen. Insofern hat „Licht und Schatten“ auch einen gewissen Aufklärungscharakter. Dies liest sich übrigens alles sehr flüssig und hat man einmal angefangen, dann legt man dieses Buch so schnell nicht mehr aus der Hand.
Fazit: „Licht und Schatten“ ist ein sehr gutes Buch über Jimmy Page. Über viele Jahre und Interviews hat Brad Tolinski ein umfassendes Bild eines der bedeutendsten Gitarristen seiner Generation zusammengetragen. Besonders der musikalische Aspekt – sowohl die Studioarbeit, wie auch die Liveumsetzung – werden dabei eingehend aufgearbeitet. Selten durfte man einem Musiker mal derart über die Schulter gucken und wirklich etwas über dessen Arbeit erfahren. Insofern ist dieses Werk nicht nur für Led Zeppelin Fans interessant, sondern in erster Linie für alle, die sich tatsächlich für Musik interessieren.
Text: Torsten Schlimbach