Beginner: Advanced Chemistry

Beginner: Advanced Chemistry

Universal

VÖ: 26.08.2016

 

Wertung: 7/12

 

Wer im Musikgeschäft einmal weg vom Fenster war oder sich freiwillig abgemeldet hat, kann zwar wiederkommen und durchaus auch Erfolg haben, aber in den meisten Fällen ist der Zauber verflogen. Man springt dennoch aus alter Verbundenheit auf den langsam fahrenden Zug auf. Jetzt gibt es wieder so einen Fall. Die Beginner waren einst die Vorreiter eines ganzen Genres. Die Retter des deutschen Raps und Hip Hop. DJ Mad, Denyo und Eizi Eiz gaben den Ton an und alle anderen folgten. Dreizehn Jahre sind seitdem ohne Album ins Land gezogen. Jan Delay hat sich in diesen dreizehn Jahren zu einer Art Superstar gemausert, auf den sich alle einigen können. Braucht es da die Beginner noch? Macht eine Reunion überhaupt noch Sinn? Die Formel ist ziemlich einfach: Jan Delay braucht die Beginner nicht mehr, die Beginner aber Jan Delay und ein gesamtes Genre die Beginner sicher nicht mehr. „Advanced Chemistry“ erklärt warum das so ist.

 

Die Beginner machen zumindest schon mal nicht den Fehler, das Album zu überladen. Zwölf Tracks reichen da auch völlig aus. Füller können ja dann gerne andere auf ihren Alben unterbringen. Und ein Titel ist ihnen auch nicht mehr zu nehmen: das hässlichste Albumcover des Jahres 2016 ziert „Advanced Chemistry“. Was haben sich die Beginner denn nur dabei gedacht?

 

Die Gäste auf diesem Werk schlagen eine Brücke von der Vergangenheit bis ins Hier und Jetzt. Gentleman, Samy Deluxe und Dendemann sind schon lange dabei, Haftbefehl und Megaloh sind die nächste Generation. Einigen können sich alle auf die Beginner. Natürlich ist es auch ein ganz geschickter Schachzug der Beginner, wenn sie die heutigen Platzhirsche mit ins Boot holen, denn so kriegt man auch die jungen Hörer noch dazu „Advanced Chemistry“ auf dem Schirm zu haben.

 

Textlich darf und sollte man nicht zu viel erwarten. „Ahnma“ ist ja längst bekannt. Jaja, Hamburg wird wieder auf die Karte gepackt. Der Beat ist schon geil. Kopfnicker eben und guter, dunkler Start in das Album. Das Video zu „Es War Einmal“ hat bekanntlich jede Menge Gäste am Start, die man nicht unbedingt erwarten konnte. Die Kanzlerin wird sich jetzt noch ärgern, dass sie da abgesagt hat. Vermutlich abgesagt hat. Man weiß es ja nicht. Die Beginner erklären sich und ihren Werdegang hier noch mal auf die bekannte Art. Musikalisch ist das im Grunde ein typischer Jan Delay-Track. Das lässige Ding hätte auch auf seinen Soloscheiben eine gute Figur gemacht. „Meine Posse“ mit Samy Deluxe knallt, während Dendemann die Ballade „So Schön“ vor dem Totalausfall rettet. Das ist schon sehr kitschig meine Herren. Dazwischen ein bisschen Reggae gefällig? Bitteschön, „Schelle“ sorgt für die dopige Entspannung. Dennoch: cooler Electroteil. Wovon handelt das thematisch eigentlich? Egal, Hamburg ist am Start. Auch bei „Rambo No. 5“, jener Nummer, die ganz dreist bei Deichkind abgekupfert wurde. Oder charmant - kommt ja immer auf die Sichtweise an. „Kater“ erinnert an Sido in seiner entspannten Phase. Aha, es geht nicht um ein Tier, sondern den Morgen nach dem Suff.

 

„Rap & Fette Bässe“ klingt so, wie man sich das eben von einer Nummer mit dem Titel vorstellt. Moment mal! Warum ist das denn so minimalistisch? Da sind die Beginner wieder mit ihrer unnachahmlichen Art. Geiler Scheiß! Das Klavier bei „Spam“ dürfte für so manche kontroverse Diskussion sorgen. Es passt, es bringt den Track nach vorne und hat zudem eine verdammt gute Hookline. Megaloh ist zwar bei „Thomas Anders“ dabei, aber im Grunde ist das unnötig. Die Nummer zeigt nämlich ganz deutlich, dass die Beginner eine Ausnahmestellung inne haben und da kein Platz für andere ist. Das Trio hat seinen ganz eigenen Flow und das ist in Zeiten, da alles austauschbar geworden ist, unglaublich viel wert. „Mach Mach“ mit Haftbefehl hört sich eben nach – Überraschung – Haftbefehl an. Das bekiffte „Nach Hause“ entlässt einen dann aus dieser Platte.

 

Fazit: Die Beginner sind zurück. Das kann man zur Kenntnis nehmen. „Advanced Chemistry“ ist kein schlechtes Album. Es setzt aber auch keine Maßstäbe mehr. Natürlich hat das Trio immer noch einen eigenen Stil. Die Herren adaptieren im Grunde immer noch ganz geschickt den kompletten US-Markt. Das größte Ärgernis dieser Platte ist aber diese Inhaltslosigkeit. Die Herren haben überhaupt nichts zu sagen. Nicht mal im Ansatz – außer: wir waren einst die Größten und Geilsten. Dabei gibt alleine Hamburg derart viele Themen her, dass es für mehrere Alben reichen müsste. Haltung und so. Ist in der heutigen Zeit ja nicht unwichtig. „Advanced Chemistry“ hat keine und das ist schon enttäuschend, da kann dann auch so manch gelungener Beat nicht drüber hinwegtäuschen. Es war einst schön, die Zeit ist aber vorbei. Trotzdem rollt man mit dem Zug weiter. Verdammte Verbundenheit.

 

http://www.beginner.de/

 

Text: Torsten Schlimbach

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