Adele: 25

Adele: 25

XL Beggars Group/Indigo

VÖ: 20.11.2015

 

Wertung: 10/12

Tipp!

 

Wie hält Adele das nur aus? Der Druck, der auf ihren Schultern lastet, muss unerträglich sein. Die Erwartungen an ihr drittes Album sind derart groß, dass sie - und letztlich ihre Musik - nur scheitern kann. Nun ist es also da, das mit großem Abstand wichtigste Album des Jahres. Die Branche lechzt schon lange nach „25“. Vier Jahre musste man auf ein neues, musikalisches Werk der Dame mit der großen Stimme warten. Als die Vorabsingle „Hello“ plötzlich veröffentlicht wurde, gab es kein Halten mehr. Natürlich brach das wieder alle Klick-Rekorde. Toppen kann die Dame ihre Erfolge der Vergangenheit aber sowieso nicht mehr. Wie denn auch, wenn man alle Preise abgeräumt hat, die es eben im Musikgeschäft als Staubfänger für die Fensterbank gibt? „25“ wird da aber sicher wieder für Nachschub sorgen.

 

Es heißt ja immer, dass Musiker kaum noch Alben verkaufen. Wetten, dass es im Falle von „25“ anders sein wird! Natürlich ist es nicht ganz ungeschickt die Songs (zunächst) nicht den Streaming-Diensten zur Verfügung zu stellen. Wer die Songs also auf legalem Weg hören will, muss sich selbige schon kostenpflichtig runterladen oder eben ganz altmodisch auf CD oder Vinyl kaufen. Die Verkaufszahlen sind somit gerettet. Viele Leute werden sowieso blind zuschlagen. Diesen Status hat sich die Dame auch mit den beiden Vorgängern erarbeitet und verdient. Und: „25“ wird nicht enttäuschen, denn sie macht natürlich wieder alles richtig!

 

Tobias Jesso Jr., Brian Burton, Bruno Mars und natürlich auch wieder Paul Epworth arbeiteten mit ihr zusammen. Der furchtbare Ryan Tedder – gemeint ist der Musiker und Produzent und nicht der Mensch – durfte auch ein bisschen herumfuhrwerken. Glücklicherweise hat er es mal geschafft nicht ganz so viel zu versauen. Das liegt aber in erster Linie an Adele. Am Ende des Tages ist es ihre Show und die ist ganz groß. Wer Angst vor großen Gefühlen hat, ist hier natürlich vollkommen falsch. Aber die Erkenntnis ist jetzt auch nicht sonderlich neu. Adele leidet wieder. Ganz doll sogar. Sehnsucht und Einsamkeit sind die beherrschenden Themen. Adele spendet keinen Trost, sie braucht selber Trost. Sie möchte ausbrechen. Raus aus dem goldenen Käfig und mal wieder unerkannt die Straße entlanggehen. Es sind eben manchmal die kleinen Dinge, die einen vom großen Glück trennen.

 

Musikalisch liegen die Änderungen im Detail. Wer meckern will, meckert jetzt eben darüber, dass eigentlich alles wie immer klingt. Also wie bei „19“ und „21“. Ist das ein Wunder? Nein! Die Musik von Adele lebt von dieser Stimme, von dem Pathos, der teilweise bombastischen Ausgestaltung des Sounds, den Gefühlen und dem Kitsch! Ist das verkehrt? Wieder nein! Das fängt ja schon bei „Hello“ an. Da ist sie wieder, diese Soulstimme. Egal wie reduziert die Musik zunächst ist und sich dann doch noch ein bisschen bombastisch aufschwingt, es ist diese Stimme. Diese Stimme, die im weiteren Verlauf auch viel Zerbrechlichkeit offenbart.

 

„Send My Love (To Your New Lover)“ hört sich vom Titel ja schon nach schwerer Kost an. Ist es aber gar nicht! Eine erstaunliche Leichtigkeit schwingt da mit. Zu verantworten hat das Max Martin, der Adele den Taylor Swift-Pop auf den Leib zimmerte. Er steht der Britin erstaunlich gut zu Gesicht! Es tut ihr mal ganz gut nicht ganz so bedeutungsschwangere Sounds gesanglich ausfüllen zu müssen. Sie hat ihren Frieden mit der Trennung gemacht, hat aber auch noch einen Ratschlag parat: behandle die Neue besser als mich. Rums.

 

„I Miss You“ ist dann aber wieder das komplette Gegenteil. Adele leidet. Und wie. Das erinnert dann wieder an die großen Soulstimmen der 70er. Vielleicht ist es gar das aggressive Drumming, welches Adele zu einer derartigen Wucht verleitet. Mit „When We Were Young“ schließt direkt eine große Ballade an. So schwelgerisch, so beladen – Taschentücher bereitlegen! „Remedy“ baut auf einem Klaviermotiv auf. Ryan Tedder ist dafür verantwortlich. So wie er gefühlt alle Klaviermotive des Mainstreams der letzten fünf Jahre zu verantworten hat. Immerhin ist der Song musikalisch genau darauf reduziert worden und der Stimme wird die Songführung überlassen.

 

„Water Under The Bridge“ ist, nun ja, ein Popstück. Also so ein richtiges Popstück der alten Schule. Mit allem Drum und Dran. Als wären die 80er noch nicht vorbei. Aber auch die Nummer gefällt – wie schon „Send My Love (To Your New Lover)“ – mit einer Leichtigkeit. Mit „River Lea“ – der Fluss, der ihre ersten neun Lebensjahre begleitet hat – ist dann erstmals ein Bluesthema vertreten, so als würde Adele wieder durch die Sümpfe waten. Mit „Love In The Dark“ folgt eine klassische Streicherballade, die mit sehr viel Pathos, aber auch einer Anmut vorgetragen wird, wie es zu Zeit eben nur diese Dame hier kann.

 

Mit „Million Years Ago“ hat „25“ dann einen der schönsten Adele-Songs überhaupt zu bieten. Diese sehnsuchtsvolle Melancholie wird musikalisch sehr reduziert begleitet. Das wunderschöne Gitarrenmotiv lässt diesen Track zum ersten Chanson der Dame werden! Ganz groß! „All I Ask“ ist die perfekte Pianoballade für die Konzertsäle dieser Welt. Nicht mehr, aber eben auch nicht weniger! Und dann? „Sweetest Devotion“ ist zum Schluss der ganz dick aufgetragene Gospel. Die Zeit des Leidens ist für Adele aber auch vorbei und jetzt gibt es die pure Erfüllung. Ein wuchtiger Abschluss eines wuchtigen Albums.

 

Fazit: Ja, „25“ ist das Mainstreamalbum des Jahres! Daran gibt es überhaupt nichts zu rütteln. Adele wird in kommerzieller Hinsicht allen anderen enteilen. Nicht mal Ferngläser werden da ausreichen. Jetzt kommt das Aber: sie hat aber auch aus künstlerischer Sicht abgeliefert und auch, wenn sie mit ihrem dritten Werk keine neue Richtung einschlägt (das hat ja wohl hoffentlich auch keiner erwartet?!), hat sie ihren Sound in Nuancen erweitern lassen. Adele und ihre Musik ist aus kommerzieller, aber eben auch aus künstlerischer Sicht für das Musikgeschäft immens wichtig und wertvoll! Gut gemacht und dem Druck standgehalten!

 

http://adele.com/

 

Text: Torsten Schlimbach

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