Konstantin Gropper aka Get Well Soon ist schwer im Stress. Am Freitag erscheint sein neues Album „Vexations“ und entsprechend groß ist der Presseandrang und ein jeder will etwas von dem neuen deutschen Wunderkind wissen. Entsprechend eng ist der Zeitplan gesteckt.
Hallo Konstantin, vielen Dank, dass Du Dir Zeit für uns nimmst.
Sehr, sehr gerne.
Dein zweites Album wird ja diese Woche veröffentlicht. Bist Du ein Mensch, der dem Veröffentlichungstermin und den daraus resultierenden Reaktionen gelassen entgegensieht oder bist Du eher freudig angespannt?
Ich bin schon ziemlich nervös.
Ja?
Auf jeden Fall. Ich bin viel, viel nervöser als beim ersten Album.
Wie kommt es?
Hm, gute Frage?! Ich weiß es nicht. Beim ersten Album war ich noch so unschuldig und unbedarft. Jetzt weiß ich allerdings wie das alles so abläuft. Wenn man einmal so einen Turnus durchgemacht hat, muss man sich ja auch immer an dem davor messen lassen. Eigentlich ist es ja kompletter Blödsinn, aber ich merke nur, dass ich nervös bin.
Dein Debütalbum wurde ja allerorten in den höchsten Tönen gelobt. Diese Aufmerksamkeit und Anerkennung – auch von der internationalen Presse – kann ja auch eine Bürde und Belastung sein. Hat Dich das beim Entstehungsprozess für Dein neues Werk beeinflusst?
Ähm, das hat mich vor dem Entstehungsprozess schon beeinflusst und da habe ich mir ein bisschen den Kopf zerbrochen über so Dinge wie Erwartungshaltungen. Ich bin für mich da aber nicht wirklich auf eine Lösung gekommen. Als ich dann aber letztendlich angefangen habe mit den Arbeiten, da war es dann aber auch wirklich weg. Ich habe dann nur gearbeitet und gearbeitet und wirklich keinerlei Druck mehr verspürt. Es war dann sogar wieder wie beim ersten Album und ich war da nur meinem eigenen Urteil unterworfen. Das dürfte aber wahrscheinlich auch das einzig richtig sein.
Du sprichst davon, dass Dein Zweitwerk ein Konzeptalbum über Stoiker sei. Hat sich dies erst nach und nach ergeben oder hast Du vorab diese Thematik festgelegt?
Ähm, ja, also zunächst ist das nicht wirklich ein Konzeptalbum über Stoiker. Es ist auf eine bestimmte Art und Weise schon ein Konzeptalbum, aber eher was die Arbeitsweise angeht. Das mit den Stoikern hat die ganze Geschichte so ein bisschen ausgelöst. Das stand ganz am Anfang, gerade bei den Texten und war so ein bisschen, was das ganze ins Rollen gebracht hat. Ein Konzeptalbum über Stoizismus wäre aber zu viel gesagt. Das Konzept war eben diesmal mit sehr vielen Zitaten und fremden Materialien zu arbeiten. Dieser lose Themenkomplex, der sich schon ein bisschen am Stoizismus orientiert, war eben das, wo ich mich dann auf eine gewisse Art und Weise entlang gehangelt habe.
Zwischen den beiden Alben liegt ein Zeitraum von zwei Jahren. Sind die neuen Songs während dieser Zeit kontinuierlich entstanden? Oder hast Du Dich nach der Tour hingesetzt und angefangen zu schreiben?
Ich habe mich tatsächlich hingesetzt und angefangen zu schreiben. Letztlich war es so, dass von diesem Zeitpunkt an bis zum Ende dies ein Zeitraum des Schreibprozesses war. Während der Tour habe ich eigentlich gar nicht geschrieben. Das hat nicht so richtig funktioniert. Ich habe ja auch noch ein paar andere Projekte gemacht, so Filmprojekte und so was. Ich hatte danach erst wirklich die Zeit das neue Album zu schreiben. Ich habe aber wirklich gemerkt, dass sich da zumindest Ideen angestaut hatten. Das ging dann doch relativ schnell mit dem Schreiben.
Du hattest ja nun erstmals die Möglichkeit Deine Visionen im Studio umzusetzen. Wie war das für Dich? Ist man da nicht geneigt etwas den roten Faden zu verlieren und sich mal richtig auszutoben?
Das war alles schon sehr zielorientiert, weil auch relativ die Zeit recht knapp war. Das lief auch erstmal ganz ähnlich ab wie beim ersten Album. Ich habe zunächst wirklich alleine zu Hause gearbeitet und Home-Recordings gemacht. Ich habe da auch schon sehr viele Sachen programmiert, wie jetzt Schlagzeug und Streicher. Im Prinzip war die Vorgehensweise also ziemlich ähnlich wie beim ersten Album. Erst als es dann richtig fertig und komplett ausformuliert und arrangiert war bin ich ins Studio gegangen. Da wurde eigentlich das, was ich schon hatte, ersetzt.
Für das erste Album hattest Du ja im Prinzip alle Zeit der Welt, jetzt gab es ja mit Sicherheit Deadlines. Haben die Dich belastet oder arbeitet man da eher zielorientierter?
Die gab es zwar, aber die habe ich mir selber gesetzt. Von außen gab es keine Deadlines. Für mich war das super, muss ich sagen. Ich fand das auch keine Belastung. Mir hat das sehr viel gebracht, weil ich da sehr konzentriert und kompakt arbeiten konnte und – wie gesagt – auch sehr zielstrebig. Das hat mir dann interessanterweise auch dabei geholfen, dass ich dann auch wirklich fertig war. Zu dem Zeitpunkt hatte ich dann auch das Gefühl, das war es jetzt.
Wie lange hat der ganze Entstehungsprozess der vierzehn Songs gedauert?
Drei Monate.
Drei Monate? Mehr nicht? Und im Studio?
Das ging dann wirklich schnell, das waren nur so knapp zehn Tage.
Welche Musik hat Dich eigentlich zu dem Album inspiriert? Scott Walker? Beach Boys? Radiohead? Bright Eyes?
So konkret war das jetzt nicht. Ich weiß jetzt nicht, was ihr da so konkret aus dem Album raushört. Ich hatte da allerdings sehr viel folkloristische Einflüsse, auch gerade im Hinblick auf die Instrumentierung. Ich habe da sehr viel mit Schlaginstrumenten herumexperimentiert, überhaupt so mit Instrumenten. Ich könnte jetzt nicht sagen, dass mich speziell zu dem Album bestimmte Bands oder Künstler inspiriert haben. Das könnte ich jetzt garnicht benennen.
Hm, ich höre in Songs wie “A Voice In The Louvre” oder “We Are Free” zumindest eine Menge Divine Comedy raus, täuscht dieser Eindruck und kannst Du mit solchen Vergleichen leben?
Das ist ja nicht unbedingt der schlechteste Vergleich, aber wie gesagt, das war keinesfalls von mir so gewählt oder hat mich dahingehend beeinflusst.
„We Are The Roman Empire“ beendet das Album mit dem Untergang des römischen Reiches. Dazwischen gibt es Werner Herzog, Satre, Büchner, Moby Dick und und und.
Siehst Du Dich eigentlich als klassischen Songschreiber oder bist Du vielmehr ein Lyriker und musikalischer Arrangeur und Philosoph?
Ich bin schon einfach ein Songschreiber, aber ich habe halt so ein paar Themen gewählt, die mich persönlich interessiert haben. Das ist schon mein Hobby mich mit diesen Themen auseinanderzusetzen. Wenn ich dann Songs schreibe, dann kommen mir eben auch diese Themen in den Sinn. Das hat jetzt nichts zu sagen. Das hat auch nichts damit zu tun, dass ich mich da in irgendeiner Tradition sehe oder so etwas in diese Richtung. Wenn ich ein anderes Hobby hätte – Volleyball oder keine Ahnung – dann würde ich darüber schreiben. Ich schreibe halt über die Dinge, die mich interessieren.
Mittlerweile hat das Musikgeschäft ja wieder mehr den Fokus auf Singles gelegt. Deine Musik funktioniert für mich nur als Einheit, sprich als Album und die vierzehn Songs sollte man nicht auseinander reißen. War das bewusst so gewählt? Und in welchem Genre und in welcher Nische würdest Du Dich selber einordnen?
Also mir ist schon auf jeden Fall das Format Album sehr, sehr wichtig. Wenn ich ein Album anfange, dann ist das schon als Einheit gedacht und hat auch schon eine gewisse Dramaturgie und einen Zusammenhalt. Ich finde, eigentlich sollte dies aber auch jedes Album haben, weil sonst ist das wirklich nur eine Zusammenstellung aus Singles. Ob dies jetzt überhaupt nicht alleine funktioniert weiß ich nicht, denn das sind ja schon einzelne Tracks und keine Stunde Musik und trotzdem ist mir das Album-Format schon sehr wichtig. Die Leute sagen zwar mittlerweile, dass dies immer weniger geworden ist, dass Künstler so richtige Alben machen, aber ich glaube, das gibt es immer noch. Mich persönlich interessiert das auch immer am meisten. Ich lege da schon wert auf ein Stück zusammenhängende Musik. Was mein Album betrifft, hoffe ich natürlich, dass die Leute das auch zusammenhängend hören, aber verlangen kann man das natürlich nicht.
„We Are Ghosts“ ist mein Lieblingssong der Scheibe! Der klingt ein bisschen wie die Essenz von Get Well Soon. Welche Nummer bedeutet Dir persönlich am meisten und warum?
Oh je. Das kann ich garnicht sagen. Was mir am meisten bedeutet? Hm…
Also gibt es auf dem Album keinen Song, wo Du sagen würdest, dass da besonders viel Herzblut reingeflossen ist oder der Dir vom Text besonders wichtig ist? “Da habe ich viel Energie rein gesteckt”?
Alle gleichermaßen. Da sind mir schon alle sehr wichtig. Es ist eben schon wieder das Ding mit dem Album. Im Prinzip soll dies ja alles zusammenhängen und da würde ich ungern einen raus heben. Konkret weiß ich das nicht und das wechselt bei mir auch immer wieder.
Was macht Du denn lieber? Im Studio rumfrickeln und neue Ideen entwickeln oder dann doch lieber Liveauftritte?
Ich mache beides gerne. Im Moment freue ich mich auf die Liveauftritte, weil ich wirklich sehr lange im Studio war. Und wenn ich lange auf Tour war, freue ich mich wahrscheinlich wieder auf das Studio. Das ist das tolle an der Tätigkeit, dass es beides gibt, dies macht es auch sehr abwechslungsreich. Was ich sagen kann ist, dass live spielen definitiv viel, viel anstrengender ist.
Wie schreibst Du denn Deine Songs? Zuerst die Musik oder die Texte?
Eigentlich ist das eher eine Mischung. Also am Anfang habe ich eine Idee, die kann sowohl Musik, wie auch ein Text sein. Ich stelle oft fest, dass es dann doch die Musik ist, die zuerst da ist. Ich schreibe, indem ich die Songs auch schon produziere. Ich schreibe die wirklich schon am Rechner. Ich bin keiner, der jetzt irgendwie auf der Gitarre schreibt, sondern wirklich vorm Rechner. Eigentlich ist das gesamte Arrangement schon relativ früh Teil der Idee.
Du hast aber keine festen Arbeitszeiten, oder? Da überrascht mich immer wieder Nick Cave, der anscheinend fest Bürozeiten hat.
Du wirst lachen, aber das ist bei mir zwangsläufig auch ein bisschen so. Ich habe ja relativ viel Auftragsarbeiten gemacht und da ist es schon so, dass man auch ein bisschen auf Abruf schreiben muss. Bei dem Album war das jetzt allerdings nicht so. Die Ideen kamen da relativ schnell zu Tage. Die hatten sich wahrscheinlich angestaut. Ich muss nicht jeden Tag ins Büro gehen und mir da was abringen, sondern das ging relativ schnell und zwanglos.
Hat Dich der Erfolg verändert? Und spürst Du mittlerweile auch Neid von Kollegen und sind evtl. alte Freundschaften zerbrochen?
Nö. Also ob ich mich verändert habe, kann ich selber ja nicht beurteilen, das müssen ja andere tun. Ich habe definitiv weniger Zeit, das muss man schon ganz klar sagen. Was aber eine echte Freundschaft ist, zerbricht daran ja nicht, auch wenn man sich für eine längere Zeit mal nicht sieht.
Wird man vorsichtiger? Entwickelt man besondere Antennen? Gerade in Interviews?
Ähm, so ein bisschen auf jeden Fall. Das ist ja auch so eine Erfahrung die man macht, was da funktioniert und was nicht. Gerade in Interviews. Am Anfang sind da schon ein paar Aussagen von mir instrumentalisiert worden. Eigentlich, wenn man dann mal herausgefunden hat, dass es ein authentisches Interview eh nicht gibt – das ist jedenfalls meine Erfahrung aus der letzten Zeit – stelle ich fest, dass ich sagen kann, was ich will, am Ende kommt es dann sowieso ganz anders rüber. Das ist eine Erleichterung, aber auch eine Erfahrung die man macht. Ich bin von daher wirklich auch entspannter.
Aber an dem gesagten Wort kann man ja nicht viel ändern, von daher sollten authentische Interviews schon möglich sein.
Aber man kann das dann schon in einen anderen Kontext stellen. Ich will damit auch nicht sagen, dass es an den Interviewern liegt, das liegt natürlich auch an mir. Ich rede mich ja auch teilweise um Kopf und Kragen, aber hey, das ist dann halt so.
Wie stehst Du zum Internet? Segen oder Fluch?
Ich kann mit meiner kurzen Erfahrung darüber jetzt nicht so viel sagen. Ähm, bisher läuft es bei mir eigentlich sehr gut. Ich kann mich jetzt auch nicht beschweren, dass ich durch das Internet keine Platten mehr verkaufen würde. Ich sehe dies schon eher positiv. Es ist eben ein enormes Verbreiterungsspektrum. Ich selbst bin kein ausgiebiger Nutzer…
Nein? Das hätte ich jetzt anders erwartet.
Mit solchen Sachen wie Facebook und so habe ich nichts am Hut. Ich bin mir durchaus bewusst, dass dies einen großen Effekt hat. Mir wird auch immer wieder gesagt, wenn einer das neue Video bei Facebook postet, dass das dann auf einen Schlag 500 Plays hat und das ist natürlich großartig.
Liest Du da in Foren etc. eigentlich durch, was da so über Dich geschrieben wird?
Ich habe das eine zeitlang mal gemacht, aber in letzter Zeit eigentlich nicht mehr. Ich weiß nicht, was das bringt.
Ist ja vielleicht ja manchmal ganz interessant was die Leute für einen Eindruck über einen gewonnen haben und speziell natürlich von Deiner Musik.
Das ist dann ja auch wieder ein bisschen wie bei den Interviews. Da gibt es dann plötzlich eine öffentliche Meinung von und über eine Person, mit der man nicht wahnsinnig viel zu tun hat. Aber das ist auch schön, dass die öffentliche Person mit mir selber gar nicht so viel zu tun hat.
Beim ersten Album haben Dich ja viele für diese DIY-Attitüde gelobt, da Du ja alles zu Hause gemacht hast. Jetzt werden einige wieder bemängeln, dass Du im Studio gearbeitet hast. Belastet es Dich, dass jetzt auch die Kritiker und Bewahrer des guten Geschmacks aus ihren Löchern gekrochen kommen?
Puh, ich versuche natürlich, dass mir das vollkommen egal ist, ob ich das schaffe, weiß ich nicht. Das ist aber auch ein ganz normaler Effekt, gerade weil das erste Album so gelobt worden ist. Das zweite ist da natürlich extrem auf dem Prüfstand. Das ist aber auch in Ordnung so. Mir ist es auch lieber, wenn es ein bisschen kontrovers behandelt wird. Was die DIY-Geschichte angeht, ist es beim zweiten Album nicht anders gewesen wie beim ersten. Ich habe alles alleine gemacht, auch im Studio.
Was steht denn als nächstes bei Dir an? Tour?
Genau! Also, am Freitag erscheint das Album und ab Mitte Februar eine Tour durch Europa, sechs Wochen lang. Und dann stehen schon die ersten Festivals an. Also ich denke schon, dass wir einige Festivals spielen werden.
Oh, unsere avisierte Zeit ist schon rum und der nächste Interviewer steht schon in den Startlöchern. Dann bleibt mir nur noch Dir für das nette Gespräch zu danken und viel Erfolg mit Platte und Tour zu wünschen.
Ich habe zu danken und wünsche noch einen schönen Tag!
(Torsten Schlimbach bedankt sich für die freundliche Unterstützung bei Isabel Sihler, City Slang, Universal und natürlich bei Konstantin Gropper aka Get Well Soon!)