Pearl Jam: MTV Unplugged

Pearl Jam: MTV Unplugged

Sony

VÖ: 23.10.2020

 

Wertung: 7,5/12

 

Beim MTV Unplugged-Format sind schon unzählige Musiker und Künstler aufgetreten. Die Sendung ist mittlerweile arg angestaubt und hat lange nicht mehr diese Wirkung, wie es noch vor knapp drei Jahrzehnten der Fall war. Am 16.03.1992 hievten Pearl Jam die Reihe auf eine neue Ebene. Wer diese Zeit miterleben durfte, saß mit offenem Mund und einer dicken Gänsehaut vor dem Fernseher. Am 18. November 1993 schloss sich mit dem legendären Auftritt von Nirvana in New York der Kreis von MTV Unplugged!

 

Jetzt wird „MTV Ungplugged“ von Pearl Jam, man mag es kaum glauben, erstmals auf CD veröffentlicht. Die Betonung liegt dabei allerdings auf CD! Der Neuauflage von „Ten“ lag der Auftritt vor elf Jahren schon als Bonus-DVD bei und zum Record Store Day gab es letztes Jahr schon eine Vinyl-Veröffentlichung. Warum es nun noch mal einer CD- Veröffentlichung bedarf, ist nicht so ganz klar. Zumindest nicht in dieser Form. Man hat nämlich erneut die Chance verpasst, der Welt endlich den kompletten Auftritt zu kredenzen. Es sind abermals nur die bekannten sieben Tracks, die es auf der CD zu hören gibt – zudem noch in der falschen Reihenfolge! Wie gerne hätte man „Leash“ endlich mal offiziell auf dieser Veröffentlichung gehört?! Jene Nummer, die zu dem damaligen Zeitpunkt noch gar nicht veröffentlicht war und erst auf dem zweiten Album „Vs.“ erscheinen sollte. Pustekuchen, ist nicht!

 

Die Aufmachung ist auch sehr spartanisch ausgefallen. Das kennt man aus dem Hause Legacy/Sony eigentlich ganz anders. Für diese „MTV Unplugged“-Veröffentlichung hat man nur ein dünnes Digipack zustande gebracht. Ein Booklet glänzt komplett durch Abwesenheit. Immerhin kann man sich das wunderbar in das CD-Regal mit den vielen offiziellen Bootlegs aus dem Jahre 2000 stellen, die von der Aufmachung ähnlich ausgefallen waren.

 

Die Musik, sprich die sieben Songs, sind natürlich über jeden Zweifel erhaben. Auch ohne Stecker erzeugten Pearl Jam damals eine unglaubliche Intensität, die auch im Jahre 2020 nichts, aber auch gar nichts eingebüßt hat. Nach dem ruhigen „Oceans“ kommt das mitreißende „State Of Love And Trust“, dem Song aus dem Film „Singles“, an zweiter Stelle genau richtig. „Alive“ ist auch in der Akustik-Variante mit Hitqualitäten ausgestattet. Der vielleicht beste Song von Pearl Jam – „Black“ – sorgt einfach immer für eine Gänsehaut. Wie Vedder die Nummer singt ist einfach unvergleichlich. Mit Strom ist „Black“ allerdings noch ein Stückchen zwingender. Mike McCready hat einen bei diesem Song durch sein Spiel auf der elektrischen Gitarre schon zu Tränen gerührt. „Jeremy“ verströmt auch nach fast drei Jahrzehnten immer noch eine beklemmende Atmosphäre. „Even Flow“ hat auch im Unplugged-Gewand einen Druck, der sich wie eine Welle über den Zuhörern entlädt. „Porch“ ist ein irrsinniger Ritt, der auch heute noch unterstreicht, warum die Band diesen ausgezeichneten Ruf als Live-Act geießt.

 

Fazit: Schade, hier wurde eine Chance vertan, der Welt endlich die zehn Songs, die Pearl Jam für „MTV Unplugged“ gespielt haben, zugänglich zu machen. Für die CD hat man erneut nur die sieben bekannten Tracks ausgepackt. Dies schlägt sich dann auch hier in der Wertung nieder. Diese sieben Songs sind allerdings mit das Beste, was es unter dem Banner von „MTV Unplugged“ je gegeben hat. Wer es nicht kennt, bitte unbedingt nachholen!

 

https://pearljam.com/

 

Text: Torsten Schlimbach

Pearl Jam: Gigaton

Pearl Jam: Gigaton

Universal

VÖ: 27.03.2020

 

Wertung: 8,5/12

 

Die Welt der Menschheit steht einmal mehr Kopf. Das Corona-Virus hat dafür gesorgt, dass das öffentliche Leben - mehr oder weniger -  lahmgelegt wurde. Tagtäglich erreichen uns schlimme Nachrichten und Bilder. Da wirken die Worte von Mike McCready vor der Veröffentlichung des elften Pearl Jam-Albums „Gigaton“ fast schon prophetisch. „Letztlich hat die gemeinsame Arbeit an „Gigaton“ meine Gefühle gestärkt und mir noch deutlicher gemacht, wie wichtig gerade in dieser Zeit ist, dass eine Verbindung zwischen den Menschen existiert.“ Wir sind noch nicht verloren, da es durchaus viele solidarische Aktionen gibt. Die Verbindung zwischen den Menschen existiert also noch. „Gigaton“ könnte dafür sorgen, dass für einige die Welt wieder ein bisschen bunter wird. Musik ist in diesen Tagen ganz sicher wieder Seelentröster und lenkt für ein paar Momente von der schwierigen Situation ab, in der wir uns gerade alle – auf die eine oder andere Art und Weise – befinden.

 

„Gigaton“ ist definitiv bunt. Die zwölf Songs sind teilweise völlig unterschiedlicher Natur. Wenn die Herren wollen, dann können sie sogar noch mal die Wucht der 90er entfalten. Wollen sie zwar nicht mehr so oft, aber das ist ja auch vollkommen in Ordnung so. Dafür erhält man dann oft epische Tracks, die in alle mögliche Schattierungen ausfransen. Man sollte auch nicht vergessen, dass die Herren ja nun auch nicht mehr die Jüngsten sind und so breitet sich an der einen oder anderen Stelle das Flair, welches Springsteen-Songs anhaftet, auch auf „Gigaton“ aus. Es ist übrigens kein Album, welches einen direkt anspringt und in Jubelstürme ausbrechen lässt. Es wächst aber mit jedem Durchlauf. Es gibt unglaublich viel zu entdecken und man geht sehr gerne auf Entdeckungsreise, weil das Ding größtenteils gut ist und man hört, dass die Band nach knapp sieben Jahren mal wieder Bock hatte ein neues Werk zu veröffentlichen.

 

Der Rock ist übrigens nicht vor der Studiotür geblieben. „Never Destination“ erinnert dabei an The Who und kommt ohne Umschweife und schnörkellos ins Haus gepoltert. Auch „Quick Escape“ ist eher von der lärmenden Sorte. Die Nummer ist etwas ausgefeilter. Matt Cameron treibt die Band vor sich her, was schließlich in amtlichen Gitarrensolos mündet. Auch der Opener „Who Ever Said“ ist ein kleines Rockmonster. Mit ordentlich Verve wirft sich die Kapelle in das Stück rein. Diese Dringlichkeit hat man auf den letzten Alben durchaus vermisst. Wenn man so will, dann kann man den Track mit all seinen Facetten durchaus als Reminiszenz an das erste Bandjahrzehnt verstehen. „Superblood Wolfmoon“ hält das Energielevel hoch und das Gaspedal durchgetreten. Ein bisschen Ramones-Flair breitet sich da aus. Der Einstieg in „Gigaton“ erinnert dabei unweigerlich an „Vs.“ und „Vitalogy“.

 

„Dance Of The Clairvoyants“ wurde ja bereits im Vorfeld veröffentlicht und kontrovers diskutiert. Ich mag diese experimentelle Nummer sehr gerne. Der gepresste Gesang von Vedder offenbart einen poetischen Text, den er in den Strophen wütend präsentiert, nur um im Refrain fast schon zärtlich und nachdenklich zu agieren. Der Beginn erinnert übrigens an „Cannonball“, den größten Hits der Breeders. Jeff Ament liefert hier einen guten Job ab. „Alright“, mit seinem zerbrechlichen Gesang, entfaltet seine volle Schönheit erst nach und nach. „Seven O´Clock“ ist eigentlich eine durch und durch kitschige Ballade. Pearl Jam sind aber eine der wenigen Bands, bei der das nicht peinlich klingt und die flirrenden Gitarren sorgen sowieso für wunderschöne Momente. Nach dem schon erwähnten „Destination“ gibt es mit „Take The Long Way“ einen Song in ähnlichem Fahrwasser.

 

Dann wird es ruhig. Die letzten vier Nummern sind allesamt zurückgenommen. „Buckle Up“ wirkt dabei wie eine fröhliche Variante von „Off He Goes“ – nur ohne die epische Ausdehnung. „Comes Then Goes“ ist eine nette bluesige Folknummer. „Retrograde“ bleibt auf dem Terrain hängen, bringt aber die für Pearl Jam typische Verspieltheit mit. Es wollen ja auch schließlich alle Bandmitglieder beschäftigt werden. „River Cross“ ist zum Abschluss das neue „I´m Open“ - ein leiser Ausklang.

 

Fazit: „Gigaton“ ist ein überraschend gutes Pearl Jam-Album geworden. In Teilen erinnert das mitunter an „No Code“, weil das neue Werk ebenso vielfältig und anders ist. Die Songs sind ein bunter Strauß der Möglichkeiten, die man sich aber auch teilweise erarbeiten muss. Jetzt hat man ja die Zeit dazu. Die Welt steht ein bisschen still und die Hektik hat Pause. Musik kann sehr viel Trost spenden, aber auch aufwühlen und inspirierend sein. Pearl Jam und „Gigaton“ sind all dies zugleich.

 

https://pearljam.com/

 

Text: Torsten Schlimbach

Pearl Jam: Let´s Play Two

Pearl Jam: Let´s Play Two

Universal

VÖ: 29.09.2017

 

Wertung: 12/12

Tipp!

 

Pearl Jam ist die letzte große Band aus der Grunge-Ära. Eigentlich sind sie diesem Etikett sowieso längst entwachsen. Die Band hat sich davon ja ein ganzes Stück entfernt. Band und Fans sind gemeinsam gealtert, neue Anhänger kommen aber nicht mehr viele dazu. Jede Veröffentlichung der Band wird somit zwar in diesen Kreisen freudig aufgenommen, aber eben auch nur dort. Das Schicksal teilen Pearl Jam mit vielen anderen Bands. Einen kleinen Unterschied gibt es allerdings, denn die Veröffentlichungen der Kapelle fliegen meistens unter dem Musikradar hindurch und werden kaum noch zur Kenntnis genommen. Dies ist insoweit schade, denn mit „Let´s Play Two“ wird nun quasi der Soundtrack zum gleichnamigen Dokumentarfilm veröffentlicht und dieser hätte es verdient von vielen, vielen Menschen gehört zu werden!

 

Pearl Jam sind eine der besten Live-Bands auf dem Planeten, wenn nicht sogar die beste! „Let´s Play Two“ werden die Fans sicher mitnehmen, aber natürlich bemängeln, dass es sich hierbei nicht um einen kompletten Mitschnitt handelt. Bekanntlich gibt es da bei Pearl Jam ja andere Möglichkeiten diese Lücke zu schließen. Diese Veröffentlichung hier richtet sich in erster Linie an die Nicht-Hardcorefans und solche Leute mit besonderer Musikaffinität ohne Anspruch auf Vollständigkeit. Man kann nur hoffen, dass genug Menschen aus diesem Kreise auf „Let´s Play Two“ aufmerksam werden. Der Soundtrack sollte auch außerhalb der Fanblase gehört werden! Diese siebzehn Songs sind ein Manifest der guten Rockmusik und dies auch noch mit ganz vielen Facetten, aber dazu gleich mehr.

 

Die DVD/Blu-ray Version des Films erscheint am 17. November. Am 20. und 22 August 2016 spielten Pearl Jam zwei ausverkaufte Konzerte in Wrigley Field Chicago. Dies ist die Heimat des Baseball-Teams Chicago Cubs World. Der Underdog gewann 2016 völlig überraschend die World Series. Eddie Vedder war entzückt. Man pflegt seit Jahren eine ganz besondere Beziehung und hier kommen Sport und Musik zusammen. Regisseur und Fotograf Danny Clinch hat der Geschichte als Produzent nun ein Denkmal gesetzt. Die Frage nach dem Warum stellt sich nicht! Es ist eher verwunderlich, warum das in dieser Konsequenz noch keiner zusammengeführt hat: die Reise von Musik und Sport. Die Reise einer ganz besonderen Band und eines ganz besonderen Vereins.

 

Die Aufmachung von „Let´s Play Two“ ist in der vorliegenden CD-Version schon mehr als nur nett. Das ist jetzt nicht die erste Veröffentlichung von Pearl Jam als kleines, dickes Buchformat, aber trotzdem immer wieder schön anzusehen. Das macht so schon einen wertigen Eindruck und hebt sich von anderen Veröffentlichungen deutlich ab. Im Inneren gibt es zwar nur wenig Text, ein Vorwort von Danny Clinch und die rudimentären Informationen zu den Songs, aber dafür sehr stilvolle Fotos der beiden Abende. Im Mittelteil offenbart sich sogar ein größeres ausklappbares Foto. Man sollte sich das Teil also unbedingt in physischer Form zulegen!

 

Musikalisch ist das selbstverständlich über jeden Zweifel erhaben! Das ganze Spektrum von Pearl Jam wird hier abgebildet. Die lange Karriere der Band und die vielen Phasen werden wundervoll wiedergegeben. Vom akustischen Einstieg „Low Light“ über das großartige „Better Man“ geht es mit einer famosen Version von „Elderley Woman Behind The Counter In A Small Town“ zum ruppigen „Last Exit“ weiter.

 

„Lightning Bolt“ wird stimmungsvoll eingeleitet, bevor der Song seine volle Eruption erfährt. Das rockige, gar punkige „Black, Red, Yellow“ schließt da sehr schön an. Die Nummer ist natürlich wie für die Bühne gemalt. Mit „Black“ folgt der Gänsehautsong schlechthin von Pearl Jam. Der Track wird nie gleich gespielt. Die Band baut da immer feine Nuancen ein, die sich von anderen Versionen unterscheiden. Wenn das Publikum einsteigt, dann kriegt man auch in den heimischen vier Wänden eine dicke Gänsepelle. Pearl Jam haben das Ding zwar schon epischer gespielt, aber auch die hier vorliegenden knapp acht Minuten sind herausragend. Bei „Corduroy“ ist die Stimmung hörbar grandios – auf wie vor der Bühne. „Given To Fly“ und „Jeremy“ sind die Songs aus der Klassikerabteilung – und immer wieder gut!

 

Das getragene „Inside Job“ ist live eine Wucht – Augen schließen und abheben! Die musikalische Reise, die die Band von Beginn des Soundtracks bis hierhin unternommen hat, ist schon beachtlich. Pearl Jam sind eben auch eine musikalisch extrem vielfältige Band. Mit „Go“ gibt es in direktem Anschluss ein Rockbrett auf die Ohren und die Coverversion des Victoria Williams Songs von „Crazy Mary“ hat sich mittlerweile als ein Höhepunkt einer Pearl Jam-Show etabliert. „Release“ wird in einer schönen Version gespielt, bevor es mit „Alive“ dann noch mal einen Griff in die Klassikerabteilung gibt. Kennen auch Leute, die sonst nichts von Pearl Jam kennen. Das akustische „All The Way“ von Eddie Vedder macht das riesige Rund zu einer Lagerfeuerveranstaltung. Es rücken alles ganz dicht zusammen. Das können auch nicht viele Musiker ein Stadion mit Lagerfeuerromantik beschallen. Und dann passiert ganz zum Schluss etwas, was auch nicht vielen Bands gelingt. Die Beatles kann und sollte man nicht covern. Entweder hält man sich zu sehr an das Original und bricht dabei vor Ehrfurcht zusammen oder es wird versucht unbedingt die eigene Note mit der Brechstange reinzuklöppeln. Pearl Jam spielen „I´ve Got A Feeling“ so, wie es die Beatles gespielt hätten, wenn sie eine amerikanische Band gewesen wären. Kann man live machen!

 

Fazit: Dass Pearl Jam live eine Wucht sind, wissen Fans natürlich seit mehr als zwei Jahrzehnten. Warum das so ist, können nun alle anderen auf „Let´s Play Two“ erfahren! Und staunen! Die Band ist extrem wandelbar und beherrscht von den lauten und ruppigen Tönen bis zu den leisen und nachdenklichen Momente die ganze Palette. Das Zusammenspiel ist traumwandlerisch sicher. Die Songauswahl durch alle Bandphasen ist auch sehr gelungen und bildet viele Facetten ab. Die Aufmachung ist sehr geschmackvoll und wertig ausgefallen! Die Abmischung ist übrigens auch sehr gelungen und da sind die musikalischen Feinheiten von jedem Instrument auszumachen – und zwar ohne, dass die Liveatmosphäre darunter gelitten hat! Kaufbefehl!

 

https://pearljam.com/

 

Text: Torsten Schlimbach

Pearl Jam: Yield (Vinyl)

Pearl Jam: Yield (Vinyl)

Sony/ Legacy

VÖ: 14.10.2016

 

Wertung: 10/12

Tipp!

 

„Yield“ ist vorerst das letzte Album, welches von Pearl Jam in der #MyVinylLove-Reihe veröffentlicht wird. Auch dieses Werk ist mittlerweile als legendär zu bezeichnen. Ursprünglich wurde die Platte im Februar 1998 veröffentlicht. Nach dem überragenden und teilweise experimentellen „No Code“ ging es zurück auf die geradlinige Rockstraße. Mitunter kann man da sogar von zugänglicher sprechen. Die Entwicklung von Pearl Jam, die die Band in den 90ern genommen hatte, war schon beachtlich. Grunge war vorbei, es lebte der Rock und Pearl Jam waren auch hier erneut ganz vorne dabei und die Taktgeber jener Tage.

 

Und auch hier gilt wieder, dass die Veröffentlichung in diesem Format absolut Sinn ergibt. Die Plattenhülle fungiert dabei auch Schuber. Das Cover zeigt ein Landstraße mit dem „Yield“-Schild. Selbiges ist allerdings nicht vorne drauf gedruckt, sondern auf der Schutzhülle der Platte zu finden. Zieht man diese nun heraus, dann steht dasselbe Straßenschild im Meer. Vorne drauf ist das Cover in Form des Schildes ausgestanzt, sodass dieses von der Schutzhülle eben zu sehen ist. Ein ganz netter Effekt. Es liegt zudem noch ein "Vorfahrt Achten" Aufkleber bei, auf dem allerdings nicht „Yield“ steht, denn dort ist der Bandname abgedruckt.

 

Auch dieses Album wird nun als 140g Pressung veröffentlicht. Im Gegensatz zu „No Code“ ist die hier vorliegende Pressung allerdings astrein. Keine Klebstoffreste! Auch Verformungen oder Wellen sind keine vorhanden. Flusen oder Staub ist ebenfalls keiner zu finden. Übrigens kein Gatefold und auch auf den Download-Code wurde verzichtet. Das macht aber nichts, denn diese Veröffentlichung richtet sich ja an Plattenliebhaber. Die Haptik ist mal wieder ein Fest für die Sinne.

 

„Yield“ wurde von Brendan O´Brien erstklassig produziert und dies spielt diesem Format natürlich in die Karten. Der Sound ist wie gemalt für Vinyl. Auch, wenn die Songs zugänglicher sind, so ist dies nicht gleichbedeutend mit langweilig. Man muss sich schon auf diese Musik einlassen, denn dann kann man mit jedem Durchgang etwas Neues entdecken, so vielfältig ist das Songwriting und die Ausarbeitung. „Brain Of J.“ ist der markante, zackige und krachige Opener, wie man es von Pearl Jam kennt. Das geht nach vorne und in die Ohren und Beine. „Faithfull“ ist anschließend eine schöne Hymne, die das Gaspedal weiter durchtritt. „No Way“ entpuppt sich als echte, kleine Perle. Das ist schon filigran ausgearbeitet und hat einen unwiderstehlichen Gitarrenrhythmus. „Given To Fly“ ist mittlerweile in der Klassikerabteilung angekommen. Ein fantastischer Song und eine große Hymne. Das schöne „Wishlist“ schließt nahtlos daran an. Eine Ballade? Irgendwie schon, aber eine von der guten Sorte!

 

Mit „Plate“ wird dann die Balance zwischen laut und leise, langsam und schnell sehr schön gehalten. „Do The Evolution“ genießt unter Fans ja einen hervorragenden Ruf und Legendenstatus. Für mich ist das allerdings der Totalausfall der Platte. Mit dem „Untitled Track“ geht es noch mal zurück zu „Vitalogy“, da hatte die Kapelle auch schon so einen Quatsch untergebracht. Mit „MFC“ folgt ein Song, der dann schon mehr als nur ein Fingerzeig für die Zukunft war. „Low Light“ ist ein wunderschöner - und im Grunde seines Herzens – ruhiger Song. Dies gilt auch für „In Hiding“ mit seiner überragenden Melodieführung. Über „Push Me Pull Me“ breiten wir dann mal den Mantel des Schweigens aus. Mit dem herrlich verschleppten Tempo kann das ruhige „All Those Yesterdays“ zum Schluss noch mal vollends überzeugen.

 

Fazit: „Yield“ ist eine weitere, tolle Platte von Pearl Jam. Die Texte sind poetischer und offener als auf den Vorgängern. Die Musik geradliniger. Vermehrt haben sich da auch ein paar ruhige Töne eingeschlichen. Die trockene Produktion tut den Songs insgesamt sehr gut. Auf diesem Album sind zudem einige der größten Hymnen der Band zu finden. Auf Vinyl ist das sowieso ein Fest, gerade auch aufgrund der tollen Haptik!

 

https://pearljam.com/

 

Text: Torsten Schlimbach

Pearl Jam: No Code (Vinyl)

Pearl Jam: No Code (Vinyl)

Sony/Legacy

VÖ: 14.10.2016

 

Wertung: 12/12

Tipp!

 

Mit „No Code“ hat Sony/Legacy ein ganz besonderes Schmankerl im #MyVinylLove-Reigen. Die Gelehrten können sich gerne darüber streiten, aber in diesem Magazin hier genießt „No Code“ eine Sonderstellung: das beste Album, welches Pearl Jam je veröffentlicht haben. Es ist – natürlich nicht unter Fans – das sträflich unterbewertete Album einer Ära. Der Grunge war zu dieser Zeit zwar schon mit Kurt Cobain gestorben und die Verbliebenen - wie Soundgarden oder die Stone Temple Pilots - hatten wenig bis nichts zu sagen, aber mit „No Code“ gelang Pearl Jam vor zwanzig Jahren das Glanzstück ihrer Karriere und war das letzte Ausrufezeichen einer Phase, die die Musikgeschichte letztlich nur für gut und gerne sechs Jahre prägte. Danach war Grunge endgültig vorbei und mit „Yield“ - erscheint nun ebenfalls wieder auf Vinyl – steuerte die Kapelle aus Seattle seichtere Gefilde an.

 

Auf Vinyl ist „No Code“ nun seit fast zwanzig Jahren nicht mehr veröffentlicht worden. Der aktuelle Boom hat somit sein Gutes, denn alleine die Aufmachung ist wie für dieses Format geschaffen. Das Cover wirkt erst durch die Größe und entfaltet so seine volle Wirkung. Man kann selbiges nicht nur wie üblich aufklappen, sondern auch nach oben weg. Das verschwommene Bild aus dem Studio, welches sich dem Betrachter nun offenbart, kriegt so noch mal eine ganz andere Dynamik verliehen. Auf der rechten Seite wird die Platte in einer Papierhülle aufbewahrt. Das ist der einzige, kleine Kritikpunkt, denn dabei handelt es sich lediglich um eine Papierhülle. Auf der linken Seite finden sich die Fotografien, die seinerzeit auch der CD beilagen, in einer eigens dafür vorgesehen Hülle wieder. Die Fotos sind zudem noch mal extra eingeschweißt worden! Die Haptik ist alles in allem einfach überragend!

 

Die Platte liegt hier übrigens nur als 140g Pressung vor! Das ist kurios, wo doch das meiste Zeug mittlerweile auf 180g gepresst wird. Leider ist das im Falle von „No Code“ nicht astrein über die Bühne gegangen, denn Klebstoffreste gehören sicher nicht zur Grundausstattung. Diese ließen sich zwar vorsichtig entfernen, aber auch „Around The Bend“ hat leider einige unschöne Knackser abbekommen. Der Rest der Platte läuft sauber durch. Wellen und Verformungen sind keine zu sehen. Das wird wohl ein einmaliger Produktionsfehler sein und dürfte somit nicht repräsentativ für die gesamte Auflage sein. Kann passieren.

 

Und die Musik? Groß! Ganz groß! Es ist ein Album voller Überraschungen und Widersprüche. Mit dem zerbrechlichen „Sometimes“ beginnt „No Code“ mit einer Ballade. Jeff Ament, der angeblich während der Aufnahmen mit seinem Abgang drohte, treibt das Stück sehr schön vorwärts. Mit „Hail, Hail“ gibt es danach zwar einen eher typischen Pearl Jam Song, aber anschließend stellt Vedder in „Who You Are“ die Frage nach (seiner) Identität und verbeugt sich musikalisch vor seinen Helden The Who. Der tolle Aufbau von „In My Tree“ sorgt auch heute noch für eine Gänsehaut.

 

Bemerkenswert an „No Code“ ist, dass alle Bandmitglied an den Songs ihren Anteil haben. Den größten hat aber einer, der überhaupt nicht dabei ist: Neil Young. Man hört schon noch sehr deutlich, dass die Band mit dem Meister das grandiose „Mirrorball“ aufgenommen hatte. „Smile“ lässt da kaum weitere Fragen offen. Jack Irons ist ein weiteres Puzzleteil, welches dem Album hörbar gut getan hat. Die schon erwähnten Songs „Hail, Hail“ und „Smile“ werden erst durch ihn so präzise und hart. Ein bisschen John Bonham schwingt da mit.

 

Mit „Off He Goes“ ist auf der Platte einer der ausgefeiltesten, ruhigsten, schönsten und traurigsten Stücke der gesamten Band-Historie vertreten. Und weil das Gesamtwerk so herrlich zerschossen ist, folgt mit „Habit“ ein Brecher vor dem Herrn. Danach geht es mit „Red Mosquito“ wieder in die Neil Young-Richtung, nur um im Anschluss den (Punk-)Kracher „Lukin“ rauszurotzen. Mit dem erhabenen „Present Tense“ baut die Band eine Intensität auf, wie es nur ganz Wenige können. Die Temposteigerung, die Gitarren, die Dramatik – Woah, Gänsehaut! Beim lärmigen „Mankind“ darf dann auch mal Stone Gossard singen. Dinosaur Jr. lassen grüßen.

 

„He’s Alive, But Feels Absolutely Nothing, So Is He?“ aus „I´m Open“ dürfte sehr viel aus dem Seelenleben von Herrn Vedder jener Tage verraten. Eine Soundcollage und ein Spoken Word-Beitrag der besonderen Art. Mit dem schönen „Around The Bend“ tanzt sich die Band dann zum Schluss in ihr eigenes, versöhnliches Ende. Und Schluss.

 

Fazit: Endlich gibt es „No Code“ wieder auf Vinyl. Ein kleiner Presswerkfehler trübt das Erlebnis aber etwas. Die Aufmachung ist schlichtweg grandios. Dies gilt auch für die Musik, die derart abwechslungsreich und vielseitig ist, dass es eigentlich für mehrere Alben reichen würde. Dies hat nichts anderes als die Höchstwertung verdient und da sich der kleine Fehler nur zum Schluss bemerkbar macht und wohl auch nicht auf die ganze Auflage zu übertragen ist, gibt es diese dann auch – mehr als verdient!

 

https://pearljam.com/

 

Text: Torsten Schlimbach

Pearl Jam: VS. (Vinyl)

Pearl Jam: VS. (Legacy Vinyl)

Sony/Legacy

VÖ: 15.04.2016

 

Wertung: 12/12

Tipp!

 

Es ist mal wieder Record Store Day. Am 16. April beginnt erneut die Jagd nach den Raritäten. Wie jedes Jahr werden sich die Sammler ärgern, da so manches Teil ihnen durch die Lappen gegangen ist und offensichtlich bei Wiederverkäufern gelandet ist, die nur den schnellen Dollar vor Augen haben. Braucht es überhaupt noch diesen Tag? Aber die Frage stellt man sich ja schon seit Jahren. Vinyl läuft ja mittlerweile wieder gut und Musikliebhaber wissen das Format mehr denn je zu schätzen. Das hat natürlich auch seinen Preis. Die Katalogabteilung von Sony ist nun einen etwas anderen Weg gegangen. Einen Tag vor dem Record Store Day werden die beiden Pearl Jam Alben „VS.“ und „Vitalogy“ erneut auf Vinyl veröffentlicht. Die Teile kamen zwar schon im Rahmen der 2011 Veröffentlichungsoffensive in den Handel, sind aber mittlerweile schon wieder vergriffen.

 

Natürlich sind die Alben remastered. Die Optik lässt nun wirklich jedes Liebhaberherz höher schlagen. Das berühmte Motiv von „VS.“ mit dem Schaaf ist in der Vinyl-Edition zwar aus einer anderen Perspektive zu bewundern, aber trotzdem ist das immer noch ikonenhaft. In diesem Großformat ist die Haptik schon als sensationell zu bezeichnen. Da schlägt der Puls gleich ein bisschen schneller und ein debiles Grinsen macht sich breit. Das Klappcover ist schon sehr aufwändig und verfestigt den sehr guten Eindruck, den man von der Optik gewonnen hat. Selbstverständlich liegt die Platte selber in heavy weight 180g vor. Das ist ja mittlerweile das gängige Standardformat.

 

Jetzt stellt sich natürlich die Frage nach dem Klang, denn das ist letztlich das A und O. Der Aufkleber auf der Hülle vermeldet Superior Audio Quality. Da stellt sich natürlich gleich die Frage, ob man da nicht etwas dick aufgetragen hat. Die remastered Version von 2011stieß ja nicht überall auf Wohlwollen. Der Klang wäre wenig druckvoll und nicht sonderlich klar. Es konnte einem ja ganz schwindelig werden, wenn man dann noch was von flach und einem Remastering von der digitalen Aufnahme und nicht der analogen las. Nun denn, wurde die 2016er Sause jetzt tatsächlich noch mal neu überarbeitet? Von alldem ist nämlich überhaupt nichts zu hören. „VS.“ ist in Teilen ein ruppiges und lautes Album. Der vielen Feinheiten des Remastering zeigen sich aber besonders stark bei „Indifference“. Der Bass zu Beginn sorgt schon gleich für wohlige Schauer auf der Haut. Das Gitarrenspiel – besonders zum Schluss – klang noch nie so fein austariert. Auch, wenn das Stück melancholisch und kühl ist, so ist der Klang doch von einer gewissen Wärme durchzogen. Flacher Sound? Gar Soundbrei? Das ist mitnichten der Fall!

 

Das harte „Go“ kommt nun auch wesentlich besser. Das Schlagzeug scheppert nicht mehr so blechern. „Animal“ steht da kaum hinten an. Gitarre, Bass und Schlagzeug mögen zwar funky sein, aber gleichzeitig ist das Stück auch ein Tritt in die Fresse – mit Anlauf. Auch hier ist der Klang endlich so wie er sein soll. Wer da jetzt immer noch seine CD aus den 90ern glorifiziert, sollte noch mal genauer hinhören. Das wesentlich ruhigere „Daughter“ lässt nun auch noch ein paar musikalische Feinheiten hören, die bei der digitalen Version bisher verborgen geblieben sind. Das ganze Album ist soundmäßig nun auf den Punkt. Man vergleiche da bitte auch noch mal die ursprüngliche Aufnahme von „Leash“ mit dieser hier. Die Drums kriegen endlich mal den nötigen Druck und nicht nur blecherne Lautstärke.

 

Und noch was zur Platte, da auch hier gemotzt wurde. Das Teil dreht ganz ruhig seine Runden auf dem Teller. Wellen gibt es keine und die Nadel darf sich in den tiefen Rinnen so richtig wohlfühlen. Das ganze Gemotze von 2011 kann zumindest an dieser Stelle nicht bestätigt werden.

 

Fazit: „VS.“  auf Vinyl von Pearl Jam erschien ursprünglich im Jahre 2011 im Rahmen der Wiederveröffentlichung des Album in einer teuren Box. Nun legt die Katalogabteilung von Sony die Platte – wie auch „Vitalogy“ - noch mal einzeln auf. Legacy hat in der Vergangenheit ja eigentlich immer ein feines Händchen für solche Geschichten bewiesen. Für „VS.“ gab es seinerzeit aber viel Kritik, da die Vinyl-Ausgabe von 2011 angeblich großer Mist gewesen sei. Das kann hier überhaupt nicht bestätigt werden. Noch nie klang „VS.“ so druckvoll, fein austariert und klar! Die Platte selber lässt keine Wellen oder dergleichen erkennen. Über diesen Meilenstein im Backkatalog von Pearl Jam muss man ja sowieso nicht mehr viele Worte verlieren. Das Album gehört in jeden Rockhaushalt! Punkt! Bitte auf Vinyl!

 

http://www.pearljam.com/

 

Text: Torsten Schlimbach

Pearl Jam: Lightning Bolt

Pearl Jam: Lightning Bolt

Universal

VÖ: 11.10.2013

 

Wertung: 8/12

 

Pearl Jam sind ein Relikt aus einer längst vergangenen Epoche. Vergessen, nein vergessen sind sie alle nicht, die ganzen Helden der 90er, die der Musik ein gänzlich neues Gesicht gegeben haben. Nach und nach strichen sie aber alle aus den verschiedensten Gründen die Segel, gründeten neue Bands oder verschwanden gänzlich in der Versenkung. Pearl Jam zogen stoisch ihr ganz eigenes Ding durch. Freud und Leid liegen für Fans da ganz dicht beieinander, denn dieses eigene Ding hat sich im Verlaufe der mehr als zwanzigjährigen Bandgeschichte doch sehr gewandelt. Die einst so mürrischen jungen Männer, die sich kompromisslos gegen die ganzen Mechanismen des Systems wehrten, sind natürlich nicht mehr da. Da wird dann von den Hütern des heiligen Grals schnell der Verrat der eigenen Ideale gewittert. Aus den wütenden Jungs sind aber erwachsene Männer mit Familienanschluss und einem netten Häuschen geworden. Mittlerweile haben die einzelnen Mitglieder derart viele Verpflichtungen und Projekte neben dieser Band laufen, dass Pearl Jam eher wie ein Hobby wirkt. Dies hat sich in der Vergangenheit mitunter auch auf die Musik ausgewirkt. Pearl Jam sind das amerikanische Pendant zu U2 geworden. Erschreckende Parallelen tun sich auch immer dann auf, wenn sich beide Bands versuchen musikalisch bei einem jungen Publikum anzubiedern.

 

Jetzt soll mit „Lightning Bolt“ alles besser werden – oder eben nicht. Produziert hat Brendan O´Brien, der im Pearl Jam Umfeld ja ein alter Bekannter ist und auch schon die großartigen „VS“ und „Vitalogy“, „Yield“, aber auch „Backspacer“ unter seinen Fittichen hatte. Mittlerweile ist er über den Produzentenstuhl aber längst hinausgewachsen und nimmt zumindest hörbar auf „Lightning Bolt“ fast den Platz eines weiteren Bandmitglieds ein. So viel Freiheit hat er vermutlich noch nie genossen. Das war mitunter keine gute Entscheidung, denn die Produktion ist butterweich und an vielen Stellen hat er einfach etwas zu viel Politur verwendet.

 

„Lightning Bolt“ fängt da an, wo „Backspacer“ aufgehört hat. „Getaway“ „Mind Your Manners“ oder „My Father´s Song“ rocken ziel- und belanglos vor sich hin. Für jeden dieser Songs kann man mindestens einen anderen aus dem Backkatalog hervorziehen der drei Klassen besser ist. Wofür braucht man „Mind Your Manners“, wenn man schon den großen Bruder „Last Exit“ hat? Eben! Trotzdem ist „Lightning Bolt“ keine Katastrophe, denn dafür liefern Pearl Jam hier einige Songs ab, die kompositorisch sehr stark sind und mindestens die letzten drei Alben in den Schatten stellen. Einer dieser Höhepunkte ist „Sirens“. Mitunter müsste man auch hier an der Produktion kein gutes Haar lassen, denn oberflächlich betrachtet ist das ein Radiopopsong der zu lang geraten ist. Darunter brodelt es aber. Diese eindringliche Nummer packt einen plötzlich mit der ganzen Wucht und dann öffnen sich alle Schleusen und man heult wie ein kleines Kind. Das ist die Art eines Pearl Jam Songs, der Leben retten kann und den man unbedingt alleine hören sollte! Gänsehaut! Der Aufbau und Spannungsbogen ist herausragend und dann ist da der Gesang von Eddie Vedder, der einem durch Mark und Bein fährt. In diesen Momenten sind Pearl Jam die beste Band des Planeten. Mindestens. Epischer Song!

 

Der rotzige, aber sehr durchschaubare Auftakt mit den ersten drei Songs war also alles andere als ein Wegweiser für die Platte. Nach „Sirens“ kommt der Titeltrack - „Lightning Bolt“ - zwar auch im Rockgewand, aber verspielter und verschnörkelter. Die Strophen erinnern mit einem fröhlichen Grundton gar an „Yield“ Zeiten. Schade, dass das Stück zum Schluss ausgeblendet wird, man hatte sich da schon auf einen Jampart der Güteklasse A eingestellt. „Infallible“ lässt das Grinsen im Gesicht noch weiter anwachsen. Diese Nummer ist mit vielen kleinen Widerhaken versehen. Während es in einem Moment den Zuhörer umgarnt, folgt in der nächsten Sekunde der Tritt in die Magengrube. Na also, geht doch! Pearl Jam sind immer noch zu solchen Großtaten fähig. Oder sollte man besser Ament/Gossard sagen? Dieses Doppel ist nicht nur hier für die Musik verantwortlich, nein auch „Pendulum“ stammt aus der Feder der Langzeitweggefährten. Dieser schwelgerische, träumerische und melancholische Song mag zunächst unspektakulär anmuten, entfaltet aber nach und nach eine Sogwirkung, der man sich nicht entziehen möchte. Der Ahahahah-Singsang hätte zwar nicht sein müssen und wirkt deplatziert, aber alles in allem ist das ein sehr erhabener Song. „Swallowed Whole“ holt einen danach in die Realität zurück. Das bedeutet in diesem Fall aber nichts Schlechtes. Eine große Portion Unbekümmertheit war an dieser Stelle genau der richtige Gegenpol. Ein Hauch von Tom Petty weht da durch die Szenerie.

 

Was soll man sagen? Die positiven Neuigkeiten reißen nicht ab. „Let The Records Play“ badet im Blues. Dieser Stone Gossard Track darf auch gerne den nächsten Tarantino beschallen. Danach muss man ganz stark sein, denn mit „Sleeping By Myself“ folgt die größte Vollkatastrophe des gesamten Backkatalogs. Warum nur hat man diesen Vedder-Track mit auf das Album genommen? Das Ding hat er doch schon auf seinem Ukulele Machwerk verbraten und da gehört es auch hin. Pearl Jam goes Schlager. Das sphärische „Yellow Man“ lässt diesen Aussetzer zum Glück schnell vergessen. Das Stück lebt größtenteils vom sehr starken Gesang. „Future Days“ ist ein typischer Vedder-Song, der einen wunderschönen Albumrausschmeißer darstellt.

 

Fazit: Pearl Jam haben zu Beginn von „Lightning Bolt“ die falsche Richtung eingeschlagen und sich versucht die eigene Jugend zurückzuholen – das klappt aber natürlich nicht. „Future Days“ ist zum Schluss der Aufbruch in das Alterswerk und so lange mittendrin auch noch solche Perlen wie „Sirens“, „Infallible“ und „Pendulum“ herauskommen, freut man sich auf das gemeinsame Altern mit der Band. Um die Zukunft muss einem nicht Bange sein, jeder hat ja mal eine Schwächephase! „Lightning Bolt“ hat letztlich ein bisschen Schatten, aber auch sehr viel Licht zu bieten und dieses strahlt derart hell, dass die dunkle Seite der Macht keine Rolle spielt. Nicht mehr!

 

http://pearljam.com/

 

Text: Torsten Schlimbach

Pearl Jam: Twenty (Original Motion Picture Soundtrack)

Pearl Jam: Twenty (Original Motion Picture Soundtrack)

Sony

VÖ: 16.09.2011

 

Wertung: 12/12

Tipp!

 

Das hätte man sich vor Jahren auch nicht träumen lassen, dass ein Album von Pearl Jam den Zusatz „Original Motion Picture Soundtrack“ schmücken wird. Die Verweigerer der kommerziellen Musikverwertung schlechthin haben sich im letzten Jahrzehnt wieder mehr geöffnet und so gibt es so ziemlich alles, was das Fanherz begehrt. Schuhe einer bekannten Skatermarke sind da nur die Sperrspitze. Es mag Leute geben, die das anprangern, aber was letztlich zählt ist ja nun das Ergebnis, also auf dem Platz – sprich live und natürlich auf den Studioalben.

 

Pearl Jam eilt ja nicht umsonst der Ruf voraus die legitimen Nachfolger von The Grateful Dead zu sein. Gerade live zählt die Band im Rockbereich zu den ganz Großen! Wie kaum eine andere Band würfeln sie jeden Abend ihre Setlist durcheinander, dass es eine Freude ist. Man weiß eben nie, was einen erwartet. Gut so! Wer jetzt denkt, dass es eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein sollte, dass Musiker ihre eigenen Songs spielen können und es somit ja keine große Sache ist, dass ein Pearl Jam Konzert schon alleine von der Songauswahl immer anders ist, der braucht sich nur andere Künstler anzugucken, die während einer Tour auf ein einmal bewährtes Konzept setzen. Wie das Kaninchen vor der Schlange scheuen leider viele das Risiko und somit wird immer wieder auf ein Neues diese Suppe am köcheln gehalten. Was das alles mit „Twenty“ von Pearl Jam zu tun hat? Ein ganze Menge, denn ein Rückblick auf diese einzigartige Karriere kommt natürlich nicht ohne reichlich Livematerial aus!

 

Es handelt sich bei dieser wunderbaren Doppel-CD um den Soundtrack zum gleichnamigen Film des preisgekrönten Musikjournalisten und Regisseurs Cameron Crowe. Zu sehen gibt es brandneue Interviews und Live-Mitschnitte. Pearl Jam haben es sich aber nicht nehmen lassen und die Archive geöffnet. So konnte Crowe auf über 1.200 Stunden seltenes bzw. unveröffentlichtes Material zurückgreifen. Und dies bei einer Band, wo so ziemlich alles irgendwo schon dokumentiert und veröffentlicht scheint – übrigens eine weitere Parallele zu The Grateful Dead! So entpuppt sich „Twenty“ natürlich auch als wahre Raritätenfundgrube für die Anhänger. Obskures Material darf dabei natürlich ebenso wenig fehlen. Sammler, Komplettisten und Chronisten dürften aufgrund der Auswahl ein paar Freudentränchen verdrücken.

 

Was zunächst auffällt ist natürlich die liebevolle Aufmachung und Gestaltung von „Twenty“. Die ganze Geschichte wird nämlich in einem feinen Hardcover-Buch geliefert. Zu den einzelnen CDs gibt es jeweils eine handgeschriebene Tracklist von Herrn Vedder. Ursprünglich sollten dann wohl noch „Porch“ und „Bugs“ mit auf den Songzug aufspringen, wurden aber wieder gestrichen. Ein Vorwort von Cameron Crowe ist ebenso enthalten, wie viele rare oder unveröffentlichte Fotos der einzelnen Bandmitglieder. Zu jedem Song gibt es dann noch nette Geschichten. Diese Liner-Notes machen das Gesamtpaket erst so richtig schön rund – Daumen hoch dafür! Zum Schluss des Buches gibt es die wichtigsten Informationen auch noch mal in komprimierter Form!

 

Wie schon erwähnt, handelt es sich beim Inhalt teilweise um ein Raritätenkabinett. Man darf und sollte hier vom Sound keine Wunderdinge erwarten. Teilweise kommt das nicht über Bootleg-Charakter hinaus. Es geht aber ja auch nicht darum Hightech-Rekorde zu brechen, sondern die Geschichte dieser faszinierenden Band zu erzählen. Man mag darüber streiten, wie ein Pearl Jam Konzert anfangen sollte. Für viele Fans ist da „Release“ gesetzt, da mit dieser Nummer die emotionale Spannung wunderbar aufgebaut wird. Schön, dass man das im Band-Lager auch so gesehen hat und „Twenty“ mit diesem erhabenen Monument eröffnet wird. Danach geht es zurück zu den Anfängen, sprich Mookie Blaylock. Die Aufnahme von „Alive“ vom 22.12.90 aus Seattle ist aber erstaunlich gut in Schuss. Das kann man leider von „Garden“ und „Why Go“ nicht unbedingt behaupten. Diese Mitschnitte datieren aus dem Jahre 92 und stammen aus Zürich bzw. Hamburg. Trotzdem kann man auch hier die unbändige Livekraft der Band nachvollziehen.

 

Der MTV-Unplugged Auftritt von Pearl Jam ist ja legendär und somit durfte ein Song daraus natürlich nicht fehlen, denn immerhin geht es ja um die Bandgeschichte. Ausgewählt wurde das wunderbare „Black“, welches allerdings seine komplette Schönheit erst in der Stromversion entfaltet. „Do The Evolution“ vom Monkeywrench Radio und besonders das Kleinod „Just Breathe“ vom Saturday Night Live Auftritt aus 2010 sind weitere Höhepunkte der ersten CD.

 

Bei der zweiten CD dürften dann so manche Fanherzen ein bisschen schneller schlagen. Mit „Say Hello 2 Heaven“ geht es gleich in die Raritätenkiste. Hierbei handelt es sich nämlich um ein Temple of the Dog Demo von 1990. Die Nummer wurde nicht nur von Chris Cornell geschrieben, sondern selbstverständlich auch gesungen. Mike McCready hat diesen Schatz der Legende nach bisher gehütet wie seinen Augapfel. Mit dem akustischen „Times of Trouble“ - ebenfalls von 1990 – geht es weiter mit dem nicht ganz alltäglichen Material. Es handelt sich hierbei ebenfalls um ein Demo von 1990. Der von Stone Gossard geschriebene Track, den er hier mit McCready, Ament und Cameron spielt, deutet noch nicht auf die Grunge-Zukunft hin, sondern ist vom Grundthema eher folkig. Was dann passierte kann man wunderbar in den Liner-Notes nachlesen. „Acoustic # 1“ geht in eine ähnliche Richtung, hier arbeiteten Vedder und Gossard 91 an ein paar Ideen. Das kurze Intermezzo „It Ain´t Like That“ geht anschließend allerdings schon in eine Heavy-Richtung.

 

Im krassen Gegensatz dazu steht „Need To Know“ - ein Demo von Matt Cameron aus 2007. Der Mann ist ja bekannt für seine Seitenprojekte – wir erinnern uns an Hater und The Wellwater Conspiracy. Überhaupt wird die Kreativität eines jeden Bandmitglieds hier zur Schau gestellt. Mike McCready ist so mit dem sphärischen, aber noch nicht ausgereiften „Need To Know“ vertreten. „Nothing As It Seems“ in der Demo-Version von Jeff Ament klingt gar wie ein Pink Floyd Song. Interessant, die Entwicklung dieses Songs so nachvollziehen zu können, denn eine Live-Version schließt sich direkt an. Die Soundchecks von Pearl Jam sind ja auch berühmt und berüchtigt, auf „Twenty“ gibt es „Faithfull von 2006 (in Pistoia aufgenommen). Da hätte man allerdings auch sicher interessantere Nummern nehmen können. Der Kreis schließt sich mit den beiden Live-Mitschnitten von „Better Man“ und „Rearviewmirror“.

 

Fazit: 20 Jahre Pearl Jam wollen gefeiert werden. Man hat sich nicht lumpen lassen und so gibt es einen Film, ein Buch, einen Soundtrack, Special Editions und vermutlich auch ein Kaffeeservice für die Oma. Im Falle von „Twenty“ kann man das nur befürworten. Der Soundtrack ist eine wahre Fundgrube für die Pearl Jam-Jünger. Die Aufmachung ist sehr gelungen und auch die Zusammenstellung der Songs über jeden Zweifel erhaben. Schön, dass man diesen auch den ursprünglichen Charme erhalten hat! „Twenty“ ist eine wunderbare Zeitreise der besten Liveband ihrer Generation! Freuen wir uns auf die nächsten zwanzig Jahre!

 

http://www.pearljam.com/

 

Text: Torsten Schlimbach

Pearl Jam: Vs. & Vitalogy (3-CD Deluxe Edition)

Pearl Jam: Vs. & Vitalogy (3-CD Deluxe Edition)
Sony Music

VÖ: 25.03.2011

 

Wertung: 12/12

Tipp!


Früher war alles besser! Wirklich! Zumindest in den 90ern. Da war das Musikgeschäft noch ganz anders strukturiert und Musik selber war noch ein Erlebnis. Ist es heute auch noch, ich weiß. Ist es denn noch derart intensiv? Können die vielen kleinen Filmchen bei youtube denn wirklich das Musikfernsehen ersetzen? Was waren das noch für Zeiten, als man nach Hause kam, den Ranzen in die Ecke schmiss und MTV anschaltete? Man konnte sicher sein, dass in der nächsten Viertelstunde mindestens ein Video gespielt wird, was einem Tränen des Glücks in die Augen treiben würde. Drei Videos, dann Werbung. Nahm man gerne in Kauf. Zu dieser Zeit begab es sich, dass man da öfters einen jungen, wütenden Mann zu Gesicht bekam. Lange Haare, verdrehte Augen und dann immer wieder diese intensiven Worte „Jeremy spoke in class today". Der junge, wütende Mann war Eddie Vedder und seine Band nannte sich Pearl Jam.


Es ist viel passiert seit diesen Tagen. Pearl Jam sind immer noch da. Allerdings haben sie sich kommerziell wesentlich mehr geöffnet und sind mittlerweile eine andere Band. Den Höhepunkt der kommerziellen Verweigerung gab es mit dem zweiten Album „Vs.". Nichts, rein gar nichts passierte, die Musik stand für sich alleine. Die Songs sprachen eine derart deutliche Sprache, dass diese Scheibe zu einem Meilenstein der US-Rockmusik mutierte und eine große Käuferschicht das Ding glücklich aus den Läden nach Hause trug. Man schrieb das Jahr 1993. Ein Jahr später folgte „Vitalogy" und festigte den Ruf von Pearl Jam als eine der besten Rockbands ihrer Generation.


Nun gibt es eine Menge zu feiern. Zunächst Pearl Jam selber, dass sie nun Jubiläum haben und dann die feinen Wiederveröffentlichungen von „Vs." und „Vitalogy"! Diese beiden Alben erscheinen als Legacy Edition nun mit Original-Artwork und können jeweils mit drei Bonus-Tracks punkten. Man muss von dem Kauf aber fast abraten. Bitte direkt zur Deluxe-Version greifen. In einer Box werden nicht nur beide Scheiben zusammen geliefert, sondern auch ein feiner Livemitschnitt. Pearl Jam zählen nicht umsonst zu den besten Livebands des Planeten und somit sollte man die paar Taler mehr investieren und sich die feine Box nach Hause holen. Der Livemitschnitt rechtfertigt dies allemal! Versprochen! Fans werden sowieso gleich zur Collector´s Edition greifen, die limitiert ist und die es nur über die bandeigene Homepage zu beziehen gibt.


„Vs." hat auch heute nichts von seiner Stahlkraft eingebüßt. „Go" und „Animal" wirken immer noch wie ein Schlag mitten in die - Verzeihung! - Fresse. Heute muss man lange suchen, wenn man derart druckvolle und treibende Rockmusik hören möchte. Jedenfalls, wenn es um ehrliche und erdige Musik geht. Aber auch das ruhige „Daughter" oder das klassische Rockthema „Dissident" überzeugen auf ganzer Linie. Überhaupt sind viele Tracks mittlerweile zu Klassikern mutiert, dazu kann man ganz sicher auch den Livekracher „Rearviewmirror" zählen. Fans setzen freilich auf andere Nummern und ziehen das düstere und ausgefeilte „Rats" vor, welches eine ungeheure Sogwirkung an den Tag legt oder setzen auf eine Mitgrölnummer wie „Leash". Kann ein Stück eigentlich mehr Intensität vermitteln wie „Indifference"? Ein Meilenstein - für das Album, aber auch für die Band! Als Bonustracks hat man das akustische „Hold On", den unveröffentlichten Instrumentalstampfer „Cready Stomp" und die Coverversion von „Crazy Mary" dazu gepackt. Das ist nicht viel, aber schön und gerade letztgenannte Nummer ist immer noch ein Hammer. Victoria Williams, von der das Original stammt, ist bei den Backing-Vocals dabei und begleitet die Band auch auf der Gitarre. Es gibt bekanntere Alben der 90er als „Vs.", aber nur wenige Rockalben, die besser sind - wenn überhaupt!


Mit „Vitalogy" gab es dann endgültig die Komplettverweigerung. Gab es Pearl Jam überhaupt noch? Warum muss man auch über etwas sprechen, wenn doch die Musik alleine Statement genug ist? Eben, dachten sich auch Pearl Jam. Die Platte ist noch sperriger, aber wenn man einmal einen Zugang gefunden hat, dann offenbart sich so manche Perle. „Last Exit" eröffnet mit einem Knall den Reigen, bevor das punkige „Spin The Black Circle" alles über den Haufen fegt, nur um anschließend in das düstere „Not For You" zu münden. Wie die heiligen drei Könige stehen diese Songs am Anfang von „Vitalogy". Zeit zum Luftholen gibt es kaum. Pearl Jam nehmen mit dem fragilen und an Lennon erinnernden „Tremor Christ" anschließend aber etwas den Fuß vom Gaspedal. Das wunderschöne „Nothingman" zeigt dann eine gänzlich andere Stimmung und wird noch heute auf den Konzerten von tausenden Kehlen mitgesungen. Selbiges gilt auch für „Better Man" welches im letzten Albumdrittel in ähnlichen Gefilden angesiedelt ist. Anderes wie „Whipping" bringt die Band ordentlich auf den Punkt. Allerdings gibt es auf dieser Platte leider auch solche Dinger, die das Werk komplett zerschießen. Manche mögen von Experimenten sprechen, aber mal ehrlich, was will uns „Pry To" „Bugs" oder „Aye Davanita" sagen? Das kann man getrost unter der Kategorie Totalausfälle verbuchen. Solche Tracks machen dann auch den Gesamtgenuss des Album schwierig. Einen an „Indifference" von „Vs." erinnernden Song gibt es noch ganz zum Schluss: „Immortality". Ein Meisterwerk! Als Bonustrack gibt es eine Version von „Better Man" nur mit Gitarre und Orgel auf die Ohren. „Corduroy" liegt als alternativ Take bei und präsentiert sich mit einem neuen Anfang und insgesamt in einem etwas anderen (unfertigen) Gewand. Die Demoversion von „Nothingman" klingt vom Text improvisiert und ist mit viel Hall unterlegt. Nett, braucht man nicht, nimmt man aber gerne mit.


Mal noch kurz ein kleiner Einwurf zum Klang. Einige werden sicher lächeln, wenn man remastert in die Runde wirft. Ja, das trifft sicher auf so ziemlich jede Wiederveröffentlichung zu. Bevor man aber bei diesem Set verächtlich abwinkt - was soll sich da klanglich schon verändern? - bitte Ohren spitzen und hinhören. Gerade bei „Vs." ist der Unterschied mehr als deutlich. Der Klang ist jetzt wesentlich satter und druckvoller, auch, wenn man das vorher gar nicht für möglich gehalten hätte.


Als besonderes Schmankerl liegt der Box ein Livemitschnitt vom 12. April 1994 vom Bostoner Orpheum bei. Es handelt sich hierbei leider nicht um das komplette Konzert. Insgesamt sind acht Tracks der Show nicht enthalten. Darunter befinden sich so Kracher wie „State Of Love And Trust", „Go" und „Animal". Reden wir doch lieber über das, was eben enthalten ist. Auf „Oceans" kann man eigentlich immer verzichten, egal ob Studio- oder Liveversion. Anschließend kommt ein ungemein treibendes „Even Flow" angerauscht, bevor es mit „Sonic Reducer" einen echten Höhepunkt gibt. Mark Arm von Mudhoney ist mit von der Partie und macht diese Aufnahme zu etwas ganz Besonderem. Nach diesem Brett folgt das Manifest „Immortality" und holt einen schmerzlich aus dem Rockerparadies zurück. Mit „Rats" und „Dirty Frank" hat man allerdings auch zwei weniger bekannte Stücke auf der Livescheibe gelassen. Gut so! Auch dem Hang zu Coverversionen wird mit dem Neil Young Song „Fuckin´ Up" gehuldigt.


Fazit: Dieses feine Boxset von „Vs." und „Vitalogy" kann sich sehen lassen. Der Inhalt beschäftigt sich mit einer der interessantesten Pearl Jam Phasen und zeigt die Band auf einem der vielen Höhepunkte. Von bretthart bis ganz sanft reicht die Songpalette. Ausgefeilt bis ins kleinste Detail und mit so manchem Klassiker an Bord sind das zwei Alben, die mit einer spröden Sperrigkeit überzeugen. Die Live-CD ist da das Sahnehäubchen - Pearl Jam sind live eben (fast) unschlagbar. Höchstwertung! Scheiße, waren die 90er geil!


http://pearljam.com/


Text: Torsten Schlimbach

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