Bob Dylan: Bilder Eines Lebens – Die Frühen Jahre
Schwarzkopf & Schwarzkopf Verlag
VÖ: 25.05.2011
Wertung: 10/12
Tipp!
Die Bob Dylan Festspiele und Wochen sind eröffnet. Der Mann wird 70 Jahre jung und das ist natürlich Grund genug um dies gebührend zu feiern. Ihm zu Ehren kommen nun gleich mehrere Publikationen auf den Markt, die diesem wunderbaren Poeten und einflussreichen Musiker huldigen. Es ist dabei gar nicht so einfach sich durch den Wust der verschiedensten Veröffentlichungen zu wühlen. Die Fans haben dann oftmals das Nachsehen, denn schließlich sind es eben die Anhänger, die dabei tief in die Tasche greifen müssen und deren Geldbeutel geschröpft wird.
Zweifelsohne kann man den vorliegenden Bildband ruhigen Gewissens empfehlen. „Bilder Eines Lebens – Die Frühen Jahre“ ist schon alleine von der Aufmachung her ein wahrer Augenschmaus. Das Großformat sprengt dabei mal wieder den Rahmen. Wer will aber schon solch ein Prachtwerk im Rucksack oder der Handtasche mit sich tragen? Eben! Umso schöner ist es, dass man sich für das 24 x 30 cm Format entschieden hat. Premium-Hardcover und schweres Bilddruckpapier von 200g sorgen ebenfalls dafür, dass diese Aufmachung und Gestaltung absolut gelungen ist. Das Preis-Leistungsverhältnis stimmt jedenfalls. Man wundert sich gar, dass dieses Buch am Markt für günstige 29,95 EUR angeboten werden kann.
Aber was nützt die beste Aufmachung, wenn der Inhalt nicht stimmt? Aber auch da besteht kein Grund zur Sorge, denn auch in dieser Hinsicht gibt es nichts zu meckern. Im Gegenteil, auch hier staunt man aufgrund der vielen Abbildungen, die man hier ausgegraben hat. Mit großen Augen kann man die frühen Jahre von Bob Dylan bestaunen. Man kann dabei ebenso flüchtig eintauchen, wie sich eben auch über Stunden darin verlieren. Man hat viele Fotos der bedeutendsten Fotografen dieser Zeit zusammengetragen. Darunter sind Elliott Landy, Barry Feinstein und Dezo Hoffmann zu finden. Daneben gibt es noch begleitende Texte von Rainer Bratfisch, die diese Bilder noch zusätzlich mit Leben füllen. Formidabel!
In der Einleitung von Rainer Bratfisch gibt es nicht nur ein paar warme Worte zu und über Bob Dylan und die unglaubliche Flut an Publikationen zu lesen, sondern auch etwas über die Fotografie dieser Zeit und wie die Fotografen arbeiten mussten. In den 60ern gab es eben noch keine große Gefolgschaft, auf die sich ein Fotograf verlassen konnte. Ebenfalls konnte man damals noch nicht auf die heute übliche Bildoptimierung zurückgreifen.
Der Autor beschreibt die vorliegenden Bilder mit den Worten nachdenklich, genervt, locker, lustig, cool und übermütig. Müsste man eine Schublade aufmachen, dann wäre dies unter „Street Photography“ zu sortieren. Besser könnte man den Inhalt nicht auf den Punkt bringen. Man muss dieses Buch sowieso selber in seiner vollen Schönheit erleben!
Biografien über Dylan gibt es viele. Der vorliegende Bildband ist in gewisser Weise durch die Fotos - in Zusammenhang mit den Texten - nichts anderes. Man erhält schon einen recht intensiven Einblick in das Leben von Dylan und welcher Mensch dahinter steckt. So erfährt man beispielsweise, dass er in seinen frühen Jahren quasi nie das Haus ohne seine Mütze, seine Gitarre und seine Mundharmonika verlassen hat. Die Bilder dazu zeigen einen jungen Musiker, der noch recht unbekümmert in die Kamera blinzelt. Ebenfalls gibt es Einblicke in die Studioarbeit und wie schnell die Alben damals im Kasten waren.
Anhand einer chronologischen Anordnung und der Jahreszahlen kann man als Betrachter übrigens die verschiedenen Bilder sehr gut einordnen. Die Veränderung von Dylan kommt so auch sehr gut zum Vorschein. Hier ist gar die Rede davon, dass er sich in einen Egozentriker verwandelte. Besonders intensiv wirken hier die Bilder die Dylan bei der Arbeit mit der Schreibmaschine zeigen. Die Haare werden länger und Dylan wird immer mehr zum Star. Es gibt dann übrigens viele Fotos mit Joan Baez zu bewundern. Es endet schließlich mit einem ernsten, bärtigen Dylan, der eine elektrische Gitarre umgeschnallt hat. Das wollte damals keiner – gut, dass es dann doch so gekommen ist!
Fazit: „Bob Dylan: Bilder Eines Lebens – Die Frühen Jahre“ ist ein Prachtband über die Anfänge eines der größten musikalischen Talente der Populärmusik. Die Bilder bestechen mit einer unglaublichen Intensität und sind künstlerisch immens wertvoll. Es handelt sich hierbei selbstverständlich jetzt nicht um komplett unbekanntes Material, aber was man hier zusammengetragen hat, gehört zu den besten Fotografien jener Zeit. Der begleitende Text von Rainer Bratfisch unterstützt und erklärt die Bilder nicht nur, sondern ist das fehlende Mosaiksteinchen, um dieses Buch auch als Biografie durchgehen zu lassen. Empfehlenswert!
http://www.schwarzkopf-verlag.de/
Text: Torsten Schlimbach
Christof Graf: America oder Der Tag, an dem Bob Dylan durch Saarbrücken fuhr
Schardt Verlag
VÖ: 15.03.2011
Wertung: 5,5/12
Christof Graf ist bekannt für seine besondere Affinität zu Leonard Cohen. Der Autor und Publizist für Hörfunk-, Print- und Online-Medien hat schon mehrere Bücher über den großen Poeten verfasst. An erster Stelle wäre hier sicher sein Referenzwerk „Titan der Worte“ zu nennen, welches man den deutschsprachigen Cohen-Fans ruhigen Gewissens empfehlen kann. Daneben hat er aber auch stets das Schaffen von Bob Dylan verfolgt und so war es nur eine Frage der Zeit, bis über einen der größten Songschreiber der letzten 50 Jahre ein weiteres Buch von Graf erscheinen wird.
Der jetzige Zeitpunkt bietet sich für eine derartige Publikation ja auch mehr als an, denn der Meister feiert dieser Tag nun immerhin seinen siebzigsten Geburtstag. Das vorliegende Buch reiht sich allerdings nicht in die große Biografie-Flut über Bob Dylan ein. Der Autor erspart seinen Lesern auch weitere Deutungen über den umfangreichen Backkatalog und einzelne Songs. Schon der Titel „America oder Der Tag, an dem Bob Dylan durch Saarbrücken fuhr“ lässt ja schon mehr als erahnen, dass dies das etwas andere Dylan-Buch ist.
Wie der Titel, ist auch der Inhalt höchst seltsam. Wohin das Buch den Leser führen soll, ist nicht so ganz klar. Eine Konzertkritik? Eine Rückbetrachtung der mit „Welcome America“ betitelten Musikfestspiele Saar im Jahre 2009 in Saarbrücken? Eine Aneinanderreihungen verschiedener Zeitungstexte von Graf? Ein paar Konzertfotos? Von allem ist ein bisschen dabei. Letztlich kommt das Buch so aber nicht richtig auf den Punkt und es gleicht gar einer großen Mogelpackung. Von den 175 Seiten bleibt nämlich nicht viel übrig. Wenn man die Fotos mal weglässt und die immens vielen Doppelungen, dann schrumpft das erheblich zusammen. Der gesamte Inhalt wird nämlich auch gleich in der englischen Übersetzung geliefert. Dazu gesellen sich dann noch die einzelnen Zeitungsausschnitte, die exakt auch als Buchtext vorliegen. Was dann noch bleibt, könnte auch eine umfangreiche Nachbetrachtung oder Kolumne für eine Zeitung sein. Die abgebildeten Konzertfotos überzeugen durch die schlechte Auflösung auch nur bedingt.
Was bleibt also? Es wird mehrmals auf den umfangreichen Backkatalog hingewiesen und die Neverending Tour kommt selbstverständlich auch immer wieder zur Sprache. Überhaupt hat die ganze Kiste bisweilen recht wenig mit dem Ereignis in Saarbrücken zu tun. Das kann für den Dylan-Einsteiger aber durchaus auch positiv sein. Die alphabetische Auflistung von Orten, Begebenheiten und Songs, die Dylan beeinflusst haben, bieten schon ein paar Einblicke in die Dylan-Welt. Der große Vorteil ist dabei die Gliederung, denn so eignet sich das Buch in dieser Hinsicht auch wunderbar als Nachschlagewerk und man kann es immer wieder schnell zur Hand nehmen, wenn man mal wieder etwas über den Meister nachschlagen möchte.
Daneben gibt es auch einige Intervies bzw. Auszüge aus Gesprächen mit Helen Schneider, Joan Baez und Wolfgang Niedecken. Der BAP-Chef erzählt dann auch, warum er Dylan so verehrt und wie er die Texte von Dylan für sein eigenes Projekt übersetzt hat und dies natürlich nicht immer 1:1 machbar war. Selbstverständlich werden auch die Hintergründe der Musikfestspiele unter die Lupe genommen und wie es schließlich zum Engagement von Dylan kam. Aber mal ehrlich, wer will schon wissen, wann Dylan wie und wo mit dem Nightliner auf welcher Autobahn gefahren ist. Das wurde zudem wie ein spannender Krimi aufbereitet „Fakt ist....“. Nun gut, vielleicht möchte der Beinhartfan die Strecke(n) auch noch mal abfahren. Immerhin weiß man nun, dass Dylan vermutlich schon in Frankreich war, als in Saarbrücken das Saallicht wieder anging – Bob Dylan und sein Tross hatten ja auch nur 9 KM zu bewältigen.
Fazit: So seltsam wie der Buchtitel ist auch der Inhalt von „America oder Der Tag, an dem Bob Dylan durch Saarbrücken fuhr“. Für Dylan-Fans ist das nur bedingt interessant, da es hier sehr wenig Neuigkeiten gibt. Zudem gibt es auch einige Fehler und ein besseres Lektorat hätte dem Buch ganz gut getan. Wer Dylan aber gerade erst entdeckt, kann dieses Buch durchaus anlesen, denn die vielen Stichpunkte, die sich mit Dylan beschäftigen, sind gerade für den Anfang ganz nützlich. Die englische Übersetzung und die vielen Abbildungen der Zeitungsartikel, die aber auch als Buchtext vorliegen, sind nett, schmälern aber den Inhalt ungemein. Unter dem Strich bleibt eine Art umfangreicher Zeitungsartikel.
Text: Torsten Schlimbach
Bob Dylan: No Direction Home - Sein Leben, Seine Musik 1941-1978
von Robert Shelton
edel Rockbuch
VÖ: 11.04.2011
Wertung: 12/12
Tipp!
Eine Ikone feiert seinen 70. Geburtstag und als Geschenk gibt es jetzt eine Neuauflage von „No Direction Home", jenem legendären Buch von Robert Shelton. Elisabeth Thomson und Patrick Humphries geben
die Dylan-Bibel nun erneut heraus. Da ist der Mann nun schon seit so vielen Jahren eine große Konstante im Musikgeschäft und doch ist sein Mitwirken an Büchern über ihn rar gesät. Eigentlich
unverständlich, denn seine Musik und seine Person wirft doch so viele Fragen auf. Bücher gibt es zwar viele, aber nicht selten beruhen diese nur auf Mythen, Legenden und Gerüchten. Bob Dylan trägt
nur wenig bis gar nichts dazu bei, dort Licht ins viele Dunkel zu bringen. Seine Musik spricht für sich. Selbst die wenigen Interviews geben wenig Aufschluss über seine Person.
Unter der großen Flut an Publikationen sticht ein Band ganz groß heraus. Robert Shelton hat mit „No Direction Home" das einzige Buch verfasst, an dem Bob Dylan direkt beteiligt war. Wenn man sich
diesen Wälzer durchliest, muss man noch den Zusatz "gerne beteiligt" hinzufügen. Glaubt man verschiedenen Berichten, dann gilt Robert Shelton gar als Entdecker von Dylan. Wie es dazu kam, wird zu
Beginn des Buches noch mal beleuchtet. Shelton selber wies dies allerdings immer weit von sich und sah sich selber keineswegs als den Entdecker von Bob Dylan. Er sah sich lediglich als Kritiker, der
einen Artikel über einen Auftritt des damals 20-Jährige für die New York Times verfasste. Fakt ist, dass die beiden bis zu dem Tod von Shelton im Jahre 1995 Freunde waren.
Die vorliegende Biografie - der Titel deutet es schon an - befasst sich nur mit den Jahren bis 1978. Erstmals veröffentlicht wurde diese 1986. Erstaunlicherweise war Shelton damit alles andere als
glücklich. Er sah dieses Buch stets als Kompromiss an. Er hätte so viel mehr zu erzählen gehabt. Umso mehr hätte er sich vermutlich über die Neuauflage von Elizabeth Thomson und Patrick Humphries
gefreut. Inhaltlich ist doch eine ganze Menge dazu gekommen. Der Pressetext spricht gar von 20.000 neuen Wörtern! Diese wurde aber auch nicht wie wild zusammengeschustert, sondern streng nach
Sheltons Manuskript von 1977 ergänzt. Anderes wurde entfernt.
Das Ergebnis kann sich sehen und natürlich lesen lassen. „No Direction Home" dürfte zu den besten Biografien über einen Musiker gehören. Das ist alles sorgfältig recherchiert und die Informationen
kommen aus erster Hand. So gibt es auch O-Töne von Joan Baez, Allen Ginsberg oder Suze Rotolo, die für so ein Buch einfach unerlässlich sind. Eine sehr gute Diskografie und Bibliografie schließen
sich an. Der Aktualität wurde ebenfalls Rechnung getragen und somit reicht die ausführliche Chronologie bis ins Jahr 2011. Ausführliche Anmerkungen wurden ebenfalls hinzugefügt und somit kann man auf
knapp 700 Seiten einen umfassenden Blick hinter den Musiker Bob Dylan werfen.
„No Direction Home" ist sicher komplex, Shelton bezeichnet das Buch sogar als schwierig. Das trifft es meiner Meinung nach aber nicht so ganz. Man kann es schon recht flüssig lesen. Die vielen Zitate
und Bilder lockern den Lesefluss immer wieder auf. Man hat eher das Problem wie man es lesen soll. Das feine Teil ist nicht nur groß, sondern auch schwer. Man kann schließlich 2 kg nicht mal eben so
durch die Gegend tragen und beispielsweise in der Bahn lesen. Und ja, das Gewicht ist verifiziert und wurde eigenhändig gewogen! Man muss schon die Muße haben und sich damit an einen Tisch setzen,
denn alles andere erfordert schon so manche Verrenkung. Dieser Lebensabschnitt von Dylan lässt sich eben in kein Taschenbuchformat verpacken. Gut so!
Manche Passagen muss man immer wieder lesen. Die teilweise verschlüsselten und kryptischen Antworten von Dylan in den - hier auszugsweise vorliegenden - Interviews sind nicht immer direkt
verständlich. Anderes befasst sich mit den biografischen Eckpunkten. So wird seine Kindheit in Hibbing ebenso beleuchtet. Auch die provinzielle Kleinstadt wird unter die Lupe genommen. Oder später
Woodstock. An anderer Stelle ist Dylan konsterniert über seinen Ruhm und berichtet über die Schattenseite des Ruhms. Von Fans, die seinen Müll durchwühlen ist da die Rede. Mausefallen und Fäkalien in
der Tonne schafften da auch keine Abhilfe. Die Zeit als Student an der Universität in Minneapolis wird selbstverständlich auch thematisiert oder der Aufstieg zum Folkpoeten. Die spannende Zeit vom
Folksänger hin zum Rockstar, mit all seinen Kontroversen, kommt natürlich auch nicht zu kurz. Man kennt die Geschichten über den Hass, der ihm da teilweise entgegenschlug ja. Hier gibt es die
Hintergründe dazu. Natürlich wird auch der jüdische Herkunft und die Rolle von Dylan als Outlaw in vielen Facetten wiedergegeben. Im Grunde könnte man über jedes einzelne Kapitel eine eigene
Rezension verfassen und würde dem Werk damit immer noch nicht gerecht.
Fazit: Robert Shelton hat mit „No Direction Home" die ultimative Dylan-Bibel vorgelegt. Erstaunlich, dass es bis heute kein Buch geschafft hat, dies zu toppen. Umso erfreulicher ist der Umstand, dass
es nun eine Neuauflage davon gibt und einige Texte erweitert wurden. Durch die kritische Distanz erhält man einen umfassenden Einblick. Ganz greifbar wird Dylan aber immer noch nicht. Das gehört aber
auch dazu, es wäre ja regelrecht tragisch, wenn die Legenden und Mythen über einen der wichtigsten Vertreter seiner Zunft plötzlich verstummen würden.
Text: Torsten Schlimbach