Udo Lindenberg: Stärker Als Die Zeit – Live
Warner
VÖ: 02.12.2016
Wertung: 10/12
Tipp!
Udo Lindenberg ist schon ein Phänomen. Der Mann steht im Herbst seines Lebens mal wieder in der Blüte seiner Karriere. Die ganze (bunte) Republik liegt ihm zu Füßen. Wenn Udo ruft, kommen sie alle in die Stadien gerannt. Und es lohnt sich! Was der Mann da mit seinen Panik-Freunden abliefert, gehört sicherlich zum Besten auf dem deutschsprachigen Musikmarkt. Der Panik-Präsident war auf den vergangenen Konzert in Höchstform. Die Showelemente waren zudem spektakulär und seine Band erstklassig besetzt. Ein Höhepunkt der letzten Jahre war sicherlich die Open Air-Trilogie in der Leipziger Arena. Die ganze Sause des letzten Abends gibt es jetzt in verschiedenen Formaten zu kaufen. Ob bei sechs physischen Formaten und vier Download-Versionen überhaupt noch einer den Durchblick hat? So sind eben die Zeiten heutzutage, da wird für jeden Geschmack etwas aufgelegt und veröffentlicht.
Zur Besprechung liegt nun hier die 3-CD Version vor. Im fetten Digipack dürfte das im CD-Schrank in knalliger, roter Farbe durchaus auffallen. Ein Booklet mit vielen Fotos der beteiligten Protagonisten und den rudimentären Song-Informationen sowie zur Produktion rundet das Paket sehr schön ab. Grundsätzlich ist das CD-Paket schon recht nett, aber natürlich sollte man sich da schon für eine Anschaffung mit Blu-ray im Gepäck entscheiden.
Lindenberg hat nicht nur eine famose Band im Rücken - besondere Erwähnung verdient Carl Carlton - sondern hatte in Leipzig auch jede Menge Gäste auf die Bühne geholt. Von Bryan Adams über Till Brönner, Clueso, Jan Delay, Klaus Doldinger, Max Herre, Peter Maffay, Westernhagen bis hin zu Stefan Raab und Helge Schneider reicht da die vielfältige Künstlerpalette. Und das sind noch längst nicht alle. Bläser, Chor und Tänzer nicht zu vergessen!
„Stärker Als Die Zeit – Live“ bietet einen sehr schönen Streifzug durch die Karriere von Lindenberg. Der Mann ist glücklicherweise immer noch politisch unterwegs. Mit „Wozu Sind Kriege Da“, „Strassenfieber“ und „Sie Brauchen Keine Führer“ nimmt er kein Blatt vor den Mund. Auch die Ansagen sitzen. Da kriegt der ganze Nazidreck den Mittelfinger gezeigt. Gut so!
Und er hat den Blues wie mit „Kann Man Ja Auch Mal So Sehen“. Ausgerechnet Jazzer Helge Schneider ist hier dabei. Der Mann ist ja ein vorzüglicher Musiker, aber das sollte sich ja mittlerweile herumgesprochen haben. Danach wird der Rock And Roll mit „Ich Brech Die Herzen Der Stolzesten Frauen“ von der Leine gelassen. Auch hier gibt es mit Till Brönner und Stefanie Heinzmann – die hervorragend singt - zwei weitere Gäste zu hören. Der Sound ist übrigens über die volle Distanz brillant.
Die zweite CD wird dann mit der rührseligen Hommage an seinen Körper „Mein Body und Ich“ eingeläutet. „Gerhard Gösebrecht“ mit Axel Prahl passt natürlich wie Arsch auf Eimer. Da haben sich zwei gefunden. Zur „Honky Tonky Show“ werden die Kids wieder auf die Bühne geholt und verstärken Lindenberg gesanglich. Otto darf bei „Der Greis Ist Heiss“ als Showelement fungieren. Er macht das, was er immer macht. Mit „Horizont“ wird quasi der Klassikerteil eingeläutet. „Jonny Controletti“, Sonderzug Nach Pankow“ und „Alles Klar Auf Der Andrea Doria“ zählen ja zum deutschen Musikkulturgut.
Das Bonusmaterial umfasst 14 zusätzliche Tracks aus den letzten Jahren, von Auftritten in Berlin, Hamburg, Timmendorf . Bei „Ganz Anders“ hört man natürlich, wo Jan Delay auch seine Wurzeln hat. Die beiden Herren grooven schon ganz gut zusammen. „Cello“ mit Daniel Wirtz in Frankfurt – wo auch sonst? - ist natürlich anders, nämlich gesanglich härter als mit Clueso. Die Ballade „Wenn Du Gehst“ geht natürlich ans Herz. „We´v Gotta Get Out Of This Place“ hat mir Eric Burdon einen ganz speziellen Gast zu bieten. Das Ding groovt, das Ding rockt. „Jonny Controletti“ mit Stefan Raab hinter der Schießbude aus Hamburg 2016 ist schon fett, während „Bunte Republik Deutschland“ mit Adel Tawil, Max Herre und Bülent Ceylan die passenden Gäste am Start hat. Partytime. Mit dem Video Edit von „Der Einsamste Moment“ endet das Set dann mit einer melancholischen Note.
Fazit: „Stärker Als Die Zeit – Live“ bietet bei bestem Sound eine schönen Karriereüberblick von Udo Lindenberg. Der Meister ist bestens aufgelegt, hat tolle Gäste am Start und eine famose Band im Rücken. Das macht beim Anhören schon Laune, allerdings sollte man direkt zu einem Set mit der Blu-ray greifen! Die Show selber war ja auch sehr sehenswert!
Udo Lindenberg - Wenn du gehst (offizielles Musikvideo)
www.facebook.com/UdoLindenberg/
Text: Torsten Schlimbach
Udo Lindenberg: Stärker Als Die Zeit
Warner
VÖ: 29.04.2016
Wertung: 7,5/12
Acht Jahre musste man auf ein neues Lindenberg-Album nun warten. „Stark Wie Zwei“ war aber auch ein derart dickes Ausrufezeichen, dass es für den alten Mann des Deutschrocks sicherlich auch schwer war, daran anzuknüpfen. Wobei natürlich das eingeschobene „MTV Unplugged“ schon extrem herausragend war. Muss man schon sagen. Der Westfale hat auf „Stärker Als Die Zeit“ nun auch wieder auf Co-Songschreiber zurückgegriffen. Das kennt man ja schon vom Vorgänger, allerdings ist das immer noch mit einigen Bauchschmerzen verbunden. Kann man Lindenberg tatsächlich Lieder auf den Leib schreiben? Mit nunmehr fast 70 Jahren sei das aber auch zugestanden. Lindenberg verzeiht man ja sowieso alles. Auch „Stärker Als Die Zeit“!
Ja, das Album ist – gelinde gesagt – in musikalischer Hinsicht schon eine herbe Enttäuschung. Darf man das so über ein Lindenwerk schreiben? Ist das schon Blasphemie? Was unterscheidet beispielsweise „Plan B“ von den ganzen belanglosen Schnulzen im Radio? Genau, nichts! „Einer Muss Den Job Ja Machen“ ist Pseudorock, der zum Fremdschämen einlädt. Abgesehen davon wurde sich da am großen Baukasten bedient. Was haben wir da? Tone Loc(!), The Troggs, P!nk, Tic Tac Toe(!!) und natürlich die Stones. Ach Udo. Vieles unter den fünfzehn Tracks ist schlimmster Schnulzenpop. Die Produktion ist zudem unfassbar langweilig.
Dass dieses Werk nicht total abschmiert ist der Udo-Art und den Texten zu verdanken. Jetzt kommen wir nämlich mal zu den positiven Aspekten des Albums. „Stärker Als Die Zeit“ ist von den grünen Socken bis zur Hutkrempe durchaus authentisch. Lindenberg durch und durch. Mal singt er in der dritten Person und dann wird wieder das Ich heraufbeschworen. Aber eigentlich ist immer klar, dass hier Lindenberg ausschließlich über sich singt. Er blickt zurück. Dadurch weht über der gesamten Platte ein großer Hauch Melancholie. Uns Udo besingt in „Eldorado“ seine Sterblichkeit und dann darf auch mal eine sehnsuchtsvolle Mundharmonika die Szenerie durchschneiden. „Göttin Sei Dank“ ist ein nettes Liebeslied nach gutem Udo-Brauch. Musikalisch wurde sich da ganz fett bei Tom Petty bedient. Das ist grundsätzlich ja nicht verkehrt. Kein Aber! „Der Einsamste Moment“ ist auch ganz groß. Zunächst klingt das wie eine Selbstreflexion über seinen Konzertalltag – und nur Lindenberg selbst darf sich da als den Erfinder höchster Coolness bezeichnen – endet aber in einer bitterbösen Kritik über den Zustand dieser Gesellschaft. Sanfte Pianoklänge untermauern die Dringlichkeit.
„Blaues Auge“ ist furchtbarer Schunkelrock, während „Mein Body Und Ich“ eine wirkliche nette Hommage an den eigenen Körper ist. Auch hier gibt es einen Blick zurück und Lindenberg ist selbst verwundert über die Tatsache, dass sein Körper immer noch lebt. Da waren doch einige Gifte und ein ungesunder Lebensstil die letzten Jahrzehnte im Spiel. Mit „Wenn Du Gehst“ gibt es eine weitere, melancholische Klavierballade. „Coole Socke“ lässt anhand des Titels ja schon erahnen wohin die musikalische und textliche Reise geht. Das ist letztlich aber auch nur Lindenberg-Standard. Nicht mehr, vielleicht auch nicht weniger. „Muss Da Durch“ fährt jede Menge pathetischen Bombast auf, der aber auch unter Schunkelpop verbucht werden kann. „Wenn Die Nachtigall Verstummt“ könnte man – sofern man nur auf die Musik achtet – unter Schlager einsortieren. Der Sensenmann muss jedenfalls noch warten. Es seid Dir von Herzen gegönnt, Udo! „Kosmosliebe“ richtet den Blick nach oben, gen Himmel, Sterne, das Weltall. Im übertragenen Sinne. „Dr. Feel Good“ knüpft noch mal an frühere Lindenberg – soll man Rockmusik sagen? – an. Augenzwinkern inbegriffen. „Stärker Als Die Zeit“ trägt zum Schluss in jeglicher Hinsicht ganz dick auf. Ende.
Fazit: „Stärker Als Die Zeit“ ist zunächst eine herbe Enttäuschung. Hat man sich dann aber eingehört, dann stellt man fest, dass dies kein schlechtes Album ist. Es ist allerdings auch kein sehr gutes. Zu lang ist die Platte sowieso. Fünfzehn Songs hätte es nicht gebraucht. Der Gesangsstil und die Phrasierung von Lindenberg retten hier ganz viel, was der oftmals belanglose Schunkelpop bis hin zum Schlager versemmelt. Inhaltlich befasst er sich mit der eigenen Vergänglichkeit und vielen Blicken zurück und hier und da gibt es auch mal (versteckte) Gesellschaftskritik. Das ist authentisch und man nimmt das Lindenberg ab. Hat sich das Warten nun gelohnt? Da kann man nur mit einem herzhaften Jein antworten!
http://www.udo-lindenberg.de/countdown.php
Text: Torsten Schlimbach
Udo Lindenberg: MTV Unplugged (Live Aus Dem Hotel Atlantic) (Doppelzimmer Edition – 2 CD)
Warner
VÖ: 16.09.2011
Wertung: 8,5/12
Es gab mal eine Zeit, da kam es einem Ritterschlag gleich bei MTV Unplugged zu spielen. Mittlerweile ist die Hochzeit des Senders längst vorbei und mit Musik hat das schon lange nichts mehr zu tun. Trotzdem ist dieses Format immer noch legendär und mit Udo Lindenberg reiht sich nun der nächste deutsche Künstler in die Riege der ganz Großen ein. Im ebenfalls legendären Hotel Atlantic empfing die deutsche Sangesikone am 03.06.2011 die Fans. Oder doch nicht? Dazu später noch mehr. Aber nicht nur die! Lindenberg hat nicht nur sein berühmt berüchtigste Panikorchester dabei, sondern sich für diese Sause auch jede Menge deutsche Kollegen eingeladen.
Dieses wunderbare Ereignis kann man nun immer wieder aus der Konserve genießen. Die Doppel-CD dürfte da oberflächlich betrachtet kaum Wünsche offen lassen. Udo Lindenberg ist ja nicht nur Sänger und Komponist, sondern auch Schriftsteller und Maler. So sticht zunächst die liebevolle Gestaltung ins Auge. Das dicke Digi-Pack kann dann nämlich auch mit einem Selbstporträt von Lindenberg als Cover punkten. Das Booklet selber hat einen langen Text von Benjamin von Stuckrad-Barre zu bieten. Viele Fotos runden das Gesamtpaket wunderbar ab. Hier hat man sich jede nur erdenkliche Mühe gegeben!
Auf den beiden CDs gibt es viele Höhepunkte. Bei einem Unplugged-Auftritt ist die Instrumentierung ja nicht ganz unwichtig. Es soll ja schließlich trotzdem kraftvoll sein, zudem wird jeder kleine Fehler sofort hörbar bestraft. Die Mitstreiter von Lindenberg machen hier einen hervorragenden Job. Wenn es nötig ist, nehmen sie sich fast komplett zurück, wie beispielsweise beim leisen Auftakt „Die Bühne Ist Angerichtet“ oder es wird das ganz große Instrumenten-Besteck („Mein Ding“) aufgefahren.
Die Band und die immense Gästeschar sorgt dafür, dass – so komisch es klingen mag – selbst Udo Lindenberg-Verweigerer an diesen beiden CDs ihren Spaß haben werden! Die Country-Stimmung von „Gegen Die Strömung“ ist ganz famos, dazu als Duettpartnerin Jennifer Weist von Jennifer Rostosck und eine wirklich sehr gelungene musikalische Umsetzung machen diesen Song zu einem frühen Höhepunkt des Konzerts! Oder nehmen wird das – wie Lindenberg es nennt – wiederentdeckte Lied „No Future“ mit Max Herre. Das geht nicht nur thematisch ans Herz sondern auch von der tieftraurigen Instrumentierung. Und wer fälschlicherweise immer meint, dass man ohne Strom nicht rocken kann, der höre sich bitte „Good Life City“ mit Unterstützung von Teilen von Frida Gold an. Uns Udo geht in den Pausen auch immer auf die Songs ein, so erfährt man vor „Ich lieb dich überhaupt nicht mehr“ wie es tatsächlich um Lindenberg bestellt war.
Die zweite CD wird vom Everlast-Klassiker „What it´s like“ zusammen mit Jan Delay eröffnet – daraus wird dann hier „Reeperbahn 2011“! Danach darf dann Stefan Raab bei „Jonny Controlletti“ und „Honky Tonky Show“ ran. Übrigens kann der Herr Raab auch etwas an und hinter der Schießbude. „Bis ans Ende der Welt“ wird leider nicht als Klavierballade präsentiert, sondern noch mehr aufgepeppt. Aber das war ja auch schon bei „Wozu sind Kriege da“ auch so.
Und da sind wir auch schon bei den Kritikpunkten, denn die sind für diese Zusammenstellung nicht unerheblich. Warum man es nicht geschafft hat dieses Konzert flüssig auf die CDs zu bannen bleibt ein völliges Rätsel. Da werden die Songs teilweise willkürlich ein- und ausgeblendet. Und aufgenommen wurde das ja auch nicht im Hotel Atlantic, sondern am 2. und 3. Juni auf Kampnagel in Hamburg. Selbst, wenn das alles nachgebaut wurde, ist das natürlich eine dicke Mogelpackung. Und ob es bei der Hälfte der Songs Gäste bedurft hätte? Damit generiert man natürlich noch mal ein paar Käufer mehr. Insgesamt bleibt da auch ein fader Beigeschmack.
Fazit: Lindenberg funktioniert auch Unplugged und präsentiert sich hier in hervorragender Form. Die Band, die er dazu im Rücken hat, ist wirklich toll. Auch viele Gäste veredeln die Songs und so entstehen wirklich gelungene Duett. Warum man das aber beschnitten hat und hier ein- und ausgeblendet wird, bleibt ein Rätsel. Insgesamt ist das aber eine tolle Geschichte und so hat man Lindenberg noch nie gehört. Musikalisch ist das herausragend und darum geht es ja schließlich!
Text: Torsten Schlimbach