Jake Bugg: Shangri La

Jake Bugg: Shangri La

Universal

VÖ: 15.11.2013

 

Wertung: 10/12

Tipp!

 

Die Musikwelt erfindet sich gerade mal wieder neu und ist im Wandel. Die Zeiten scheinen vorbei zu sein, wo man auf ein Album ewig lange warten und die Promotionmaschinerie erst angeschmissen werden musste. Die Möglichkeiten unserer Zeit beinhalten eben auch kurze Wege zum Fan und Kunden. Alles geht schneller und dann kann ein Album auch mal eben so locker aus der Hüfte geschossen und auf den Markt geschmissen werden. Es gibt zwar noch immer Künstler, die so beweglich wie ein schwerer Tanker auf der rauen See sind, Jake Bugg gehört zweifelsohne nicht dazu. Mit „Shangri La“ wird nun innerhalb von elf Monaten schon das zweite Album des Jungspunden in die Läden gestellt.

 

Das Mysterium Jake Bugg ist nun entzaubert und nach all den Lobeshymnen vor dem Debüt sind jetzt schon immens große Erwartungshaltungen vorhanden. Der Junge aus dem Nottinghamer Arbeiterviertel Clifton ist gerade mal neunzehn Jahre jung und da stellt sich schon mal die Frage, ob er dem überhaupt gewachsen ist? Er tat das einzig richtige und verkrümelte sich nach Amerika in die Obhut von Rick Rubin. Dies ist sowieso eine interessante Konstellation, denn den Weg zu Rubin finden ja eher die Künstler mittleren Alters wenn sie in einer Sackgasse stecken. Ein ungeschliffener Diamant wie Bugg stellt da mitunter ein Novum dar. Mit dem Albumtitel schließt sich auch ein Kreis, denn das Studio von Rubin in Malibu wurde auf den Namen „Shangri La“ getauft. Jake Bugg beschreibt diesen Ort als fernab der Zivilisation.

 

Irgendwie scheint Bugg ja sowieso einer anderen Generation Musiker anzugehören. Oft genug hat man ja schon gehört, dass viele auf Tour keine Songs schreiben oder ausarbeiten können. Für Bugg scheint dies eine natürliche Vorgehensweise zu sein, denn er sagt über seine vielen Reisen, dass er so eine Menge hatte, worüber er einfach schreiben musste. Und dann spielt er seine Songs auch noch live im Studio ein – jedenfalls teilweise. „Slumville Sunrise“ wurde jedenfalls direkt ohne Netz und doppelten Boden eingespielt. Bugg spricht dann von unerklärlicher Magie. Gerade dieser erdige und kraftvolle Track lässt deutlich die Handschrift von Rubin erkennen. Manchmal reicht eben ein Daumen hoch aus - mehr Produktion braucht es da nicht.

 

Jetzt, wo alle Welt weiß, wie der Herr Bugg klingt, fällt das Überraschungsmoment natürlich weg. Oder doch nicht? Wenn er sich durch „What Doesn´t Kill You“ rotzt, dann ist das schon fast im Punk zu verorten. Seinen Retro- und Vintagesound hat er sich auch ein bisschen von der Joppe geputzt. „Me And You“ geht da sogar als butterweiche Ballade über die Ziellinie. Seine Unbekümmertheit hat er sich anscheinend aber behalten, wenn er sich mit vollem Stimm- und Körpereinsatz in „Messed Up Kids“ wirft, dann macht es einfach Spaß ihm zuzuhören. Es hört sich jetzt allerdings etwas strukturierter als vor elf Monaten an. Wer aber sein Zweitlingswerk mit „There´s A Beast And We All Feed It“ als Buddy Holly Reminiszenz eröffnet, ist sowieso über jeden Zweifel erhaben.

 

„A Song About Love“ hört sich genau so an wie man es bei dem Titel vermuten könnte. Ja, es ist eine Ballade mit ganz viel Pathos. Es ist ein guter Song! Vielleicht ein bisschen naiv, aber wer war mit neunzehn Jahren nicht naiv? Dadurch, dass es sich aber eben um handgemachte Musik handelt, bekommt die Nummer eine ganz besondere Note und schließlich auch Klasse verliehen! „All Your Reasons“ würde bei Tom Petty nicht anders klingen. Die verschleppte, elektrische Gitarre ist dort entliehen und Tempo und Songaufbau gehen ebenfalls in diese Richtung. Abermals besticht dieser Song durch einen warmen und erdigen Klang. „Kingpin“ rockt und rollt sich anschließend noch mal durch die Garage. „Kitchen Table“ gefällt gar durch eine vielschichtige Instrumentierung, die deutlich erkennen lässt, dass sich Jake Bugg in den letzten Monaten weiterentwickelt hat und ein musikalische Gespür und eine Selbstsicherheit an den Tag legt, welche schon beachtlich sind.

 

Der alte Folkbarde ist aber nicht verschwunden. „Pine Trees“ legt die Wurzeln des Songschreibers noch mal frei. Es ist aber das Rockgewand, welches „Shangri La“ beherrscht. „Simple Pleasures“ mag melancholisch angehaucht sein, öffnet zum Refrain hin aber die Türen ganz weit in Richtung Rock. „Storm Passes Away“ lässt ganz zum Schluss gar noch mal den Dylan von der Leine. Und hier schließt sich dann auch der Kreis zum Debüt – dieser Schlingel.

 

Fazit: Was ist nun das schwierige Album? Zweites Album? Drittes Album? Jake Bugg lässt sich jedenfalls nicht aus der Ruhe bringen und haut mit „Shangri La“ mal eben ein rollendes Rockalbum heraus. Er scheut auch nicht davor zurück, das mit der einen oder anderen Ballade zu garnieren – allerdings nach seinen Vorstellungen. Americana, Folk und gar ein bisschen Punk wehen auch durch das Album. Rick Rubin hat dazu einen erdigen Sound gezaubert. Natürlich findet man auf „Shangri La“ nichts, was man nicht schon in den letzten sechs Jahrzehnten gehört hätte – es ist die Art und Weise, die dieses Album wieder zu etwas Besonderem macht. Jake Bugg macht vieles richtig und hat sich seine Unbeschwertheit bewahrt. Nichts klingt gewollt und ist darum so gekonnt. Auf eine Neues dann in einem Jahr, wenn das schwierige dritte Album kommt. Wobei: nur keinen Druck aufbauen, lassen wir den Mann mal machen!

 

http://jakebugg.com/

 

Text: Torsten Schlimbach

Jake Bugg: dito

Jake Bugg: dito

Universal

VÖ: 25.01.2013

 

Wertung: 10/12

Tipp!

 

Da kann der Jacob Edwin Kennedy - der sich als Jake Bugg von UK aus auf den Weg macht nun auch musikalisch das Festland zu erobern - noch so böse gucken, er sieht trotzdem aus, als hätte ihn die Mutti dabei erwischt wie er die Schule schwänzt. Die inszenierten Fotos im Booklet, die ihn mit Kippe zeigen, können ebenfalls nicht darüber hinwegtäuschen, dass man es mit einem Bengel zu tun hat, der kaum älter als Michel aus Lönneberga ist. Um es zu vereinfachen bleiben wir fortan bei seinem Künstlernamen Jake Bugg. Jener Jake Bugg zählt auch erst achtzehn Lenze, haut jetzt aber eine Platte raus, die nicht nur den NME in Verzückung versetzt. Noel Gallagher will hier sogar die Zukunft der Musik ausgemacht haben. „The Future of Music, He`s Like Dylan Meets The Arctic Monkeys”. Hoffentlich sind diese Schuhe nicht ein paar Nummern zu groß!

 

Sind sie nicht! Gut, natürlich verbieten sich eigentlich Vergleiche mit einer Ikone wie Dylan, aber zumindest zu dem jungen Bob tun sich doch erstaunliche Parallelen auf. Erfolgreich ist er mit seinem Debüt sowieso schon. Der junge Mann, der bisher in Nottingham festhing und erst auf Anraten seines Labels nach London zog, konnte mit dem Werk in UK schon Platz #1 der Charts erobern und Touren im Vorprogramm der Stone Roses und Noel Gallagher standen ihm sicher nicht hinderlich im Weg. Schnell verbreitete sich die frohe Kunde von einem neuen Wunderkind. Auf Jake Bugg trifft dies ausnahmsweise mal zu. Wenn man bedenkt, dass er die Songs seines Erstlingswerk teilweise mit vierzehn Jahren geschrieben hat, dann kann einem schon mal das Kinn auf den Schreibtisch klappen.

 

Was genau macht die Faszination von Jake Bugg und seinen Songs denn nun aus? Zunächst muss man feststellen, dass er rein gar nichts macht, was es nicht schon seit Jahrzehnten geben würde. Im Gegenteil, die vierzehn Songs sind derart in der Vergangenheit der Musikgeschichte verankert, dass man nicht glauben mag, dass ein Jungspund dafür überhaupt noch ein Ohr hat. Und genau dies erweist sich als einer der großen Pluspunkte! Ein weiterer ist die Stimme! Diese Stimme, die kaum Rückschlüsse auf das Alter des Sängers zulässt. Zudem ist es die Art der Intonation und die Klangfarbe, die einen extrem hohen Wiedererkennungswert haben. Dem jungen Dylan ist das nicht unähnlich. Und dann wäre da noch das Songwriting, welches eigentlich nicht zu einem so jungen Kerl passt. Wirft man alles in die Waagschale und schüttelt das gut durch, dann ist es schon naheliegend, dass man sich von Jake Bugg dieser Tage wahre Wunderdinge berichtet.

 

Das selbstbetitelte Werk hält wahrlich ein paar bemerkenswerte Songs für den geneigten Hörer bereit, ist in seiner Gesamtheit gesehen allerdings auch zu lang ausgefallen. Und dies bei Tracks, die in der Mehrzahl die magischen drei Minuten nicht schaffen und gleich zwei Mal unter zwei Minuten bleiben. „Someone Told Me“ und „Note To Self“ sind für sich gesehen tolle Nummern, gleichen sich aber eben zu sehr. Aber suchen wir mal keine Haare in der Suppe und erfreuen uns an den tollen Momenten von denen es hier jede Menge gibt.

 

„Lightning Bolt“ ist zwar ruppig, klingt aber wie aus der Zeit gefallen. Ein bisschen Dylan, ein bisschen Beatles und Woody Guthrie und Hank Williams sind auch nicht weit entfernt. Dazu wurde ein Sound gezimmert, der mindestens vierzig Jahre auf dem Buckel haben muss. „Two Fingers“ schlägt sich ähnlich durch, ist aber nicht ganz so dreckig und hat ein bisschen mehr Pop auf die Gitarre und die verschleppten Drums gelegt. Vor Jahren gab es in den USA mal ein Wunderkind, welches ganz ähnliche Dinge veranstaltet hat – sein Name: Conor Oberst.

 

Hits? Natürlich hat Jake Bugg auch Hits im Programm oder was soll das ungestüme „Taste It“ oder „Seen It All“ sonst sein? Eben! Balladen gibt es viele auf diesem Album „Simple As This“ lässt mehr als durchblicken, dass der Künstler ein Faible für Donovan hat. Der wunderschöne „Country Song“ mit seiner Lagerfeuerromantik zählt ebenfalls zu den Großtaten auf diesem Album. „Broken“ strahlt gar eine Erhabenheit aus die fasziniert. Wie cool der Mann ist zeigt ein lässiges Akustikgewitter wie „Trouble Town“. Tarantino kam mit Django Unchained zu früh, sonst hätte er die Nummer ganz locker auf dem Soundtrack verwenden können. Zum Schluss knistert „Fire“ im Ohr und wenn man sich dann noch mal vor Augen hält, wer dieser Jake Bugg eigentlich ist, dann ist man doch recht sprachlos.

 

Fazit: Jake Bugg ist das neue Wunderkind der Musikindustrie. Sein Debütalbum kann die ganzen Vorschusslorbeeren einlösen und die paar kleinen Schwächen kann man geflissentlich überhören. Dieses Album ist fest in den 60ern und sogar ein Stückchen in den 50ern verankert. Es müsste doch mit dem Teufel zugehen, wenn man von diesem Singer/Songwritertalent in der Zukunft nicht noch einige ganz beachtliche Dinge auf die Ohren bekommen würde! Bleibt zu hoffen, dass dieses blutjunge Talent nicht zu sehr verheizt wird!

 

http://jakebugg.com/

 

Text: Torsten Schlimbach

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