Rod Stewart: Rarities
Universal
VÖ: 30.08.2013
Wertung: 8,5/12
Auch, wenn man es sich heute nur noch schwerlich vorstellen kann, es gab mal eine Zeit, da war Rod Stewart noch keine Revuefigur mit großer Showtreppe und Hits aus der Vergangenheit. Anzüge und sonnengegerbte Haut waren in diesen Tagen undenkbar. Die Frisur war da auch noch nicht fein säuberlich in Unordnung gebracht worden. Ja, es gab mal eine Zeit, da war da ein blässlicher Rod Stewart, der die Nächte in den Kneipen und Clubs verbrachte – süchtig nach Musik. Eine Zeit, da war er noch hungrig. Nicht nur nach Erfolg, nein, auch nach musikalischem Anspruch. Er und sein kongenialer Sidekick – Ron Wood – waren ausgehungert nach Rock, Soul und Blues. Diese Geschichte erzählt nun „Rarities“.
„Rarities“ ist eine Zusammenstellung auf Doppel-CD, die sich mit jener Phase von Stewart beschäftigt, wo er noch weit davon entfernt war der Superstarliga anzugehören. Auf dem Sprung war er freilich schon, denn wer mit solchem Verve und Drive bei der Sache ist und dann auch noch eine solche Stimme hat, der ist für dieses Geschäft einfach wie gemacht. Einstweilen bediente sich Stewart bei bekanntem Material anderer Rockgrößen, die er auf seine Art und Weise großartig interpretierte. „Rarities“ ist voll davon!
Die beiden CDs befassen sich mit der Phase ab 1969 bis 1974, in der Stewart fünf sehr gute Alben produzierte. Diese waren allesamt mit dem Blues und Folk infiziert. Wie der Titel schon vermuten lässt, beschäftigt sich das vorliegende Set mit obskurem und rarem Material. Zu behaupten, dass man hier noch nicht hören könnte, was Stewart einst zu „The Great American Songbook“ veranlasst hätte, wäre schlicht und ergreifend gelogen. „Oh! No Not My Baby“ von Carole King geht ja deutlich in dieser Richtung und natürlich auch die Cole Porter Nummer „Every Time We Say Goodbye“. Etwas aus der Art schlägt sicher „Pinball Wizard“ von The Who und wirkt im Stewart-Gewand doch etwas befremdlich.
Der bierselige Stampfer „Jodie“ - geschrieben von Wood, McLagan und Stewart – passt da natürlich viel besser. „It´s All Over Now“ in der Rolling Stones-Fassung fehlt hier ebenso wenig wie natürlich „Country Comforts“ und „Maggie May“. Wenn man so will, dann ist „Maggie May“ der Türöffner jener Tage für Stewart. Eine frühe Version mit anderem Text ist hier enthalten, wie auch eine Aufnahme von der BBC, Radio 1, die bisher unveröffentlicht ist. Selbiges gilt auch für „Country Comforts“, welches an selber Stelle eingespielt wurde. Die Spielfreude wurde in diesen Tagen ganz groß geschrieben.
Wie herrlich sind doch die Balladen! „Missed You“ und besonders „Think I´ll Pack My Bags“ (eine frühe Version von „Mystifies Me“) klingen richtig schön dreckig und der ganze Schmalz späterer Tage ist vor der Tür geblieben. Das mag nicht immer perfekt sein, wird aber mit viel Herzblut gespielt. Das hat Seele. Dies gilt auch insbesondere für die herzergreifende, alternative Aufnahme von „Girl From The North Country“. „Farewell“ oder „So Tired“ mögen noch nicht bis ins kleinste Detail ausgearbeitet sein, machen aber gerade deshalb ganz viel Spaß.
Fazit: Das Material von „Rarities“ ist ja nicht neu – abgesehen von den BBC Aufnahmen – macht aber in dieser geballten Ladung eine Menge Spaß und zeigt, dass Rod Stewart zu Beginn seiner Karriere noch richtig Feuer im Hintern hatte. Seine Wurzeln hat er nie verleugnet, aber hier interpretiert er die Songs seiner Helden noch wesentlich ungeschliffener. Das ist noch weit davon entfernt glatt poliert zu sein. Dieses Set setzt sich zwar aus rarem Material zusammen und doch ist das nicht nur für Hardcorefans geeignet, denn dafür ist das teilweise einfach viel zu gut.
Text: Torsten Schlimbach
Rod Stewart: The Great American Songbook Bookset
Sony
VÖ: 12.10.2012
Wertung: 6/12
Rod Stewart erntete mit seiner „The Great American Songbook“ Reihe überaus positive Kritiken und plötzlich war der Altrocker wieder in aller Munde. Er schlüpfte dazu in eine gänzlich neue Rolle und interpretierte amerikanische Standards, hauptsächlich die alten Klassiker der 30er und 40er Jahre. Sony legt nun die ersten vier Alben – insgesamt gibt es derer fünf – neu auf und liefert dazu noch eine tolle Verpackung! Die ganze Geschichte wird nämlich nun als Bookset veröffentlicht und hat natürlich schon aufgrund des Formats einiges an Mehrwert zu bieten!
Den Anfang des Sets gibt es mit „It Had To Be You...Volume I“. Dies war die CD, die den ganzen Reigen startete und Rod Stewart noch mal in den Olymp katapultierte. Warum eigentlich? Man stellte mit Clive Davis anscheinend den richtigen Mann an die Seite von Stewart. Der Erfolg spricht da ja auch schließlich eine deutliche Sprache. Trotzdem sind „The Way You Look Tonight“; „These Foolish Things“. „The Very Thought Of You“ oder die Ballade „For All We Know“ irgendwie etwas schwach auf der Brust. Natürlich ist die Produktion erstklassig, aber unter dem Strich hat man immer den Eindruck, dass der gute Stewart nur halbherzig bei der Sache ist und mehr oder weniger eine Auftragsarbeit erfüllt. Vielleicht war er sogar selber von dem immensen Erfolg überrascht. Diese Tatsache ist aber vielmehr im erstklassigen Songmaterial zu sehen und eben nicht in den überragenden Interpretationen. Außer seiner bekannten Reibeisenstimme hat er den Titeln sowieso nicht hinzuzufügen und selbst die bleibt hinter den Erwartungen zurück.
Die zweite Runde mit „As Time Goes By...Volume II“ ist da nur unwesentlich besser geraten. Das bewährte Team wurde dabei nicht gesprengt und bei der Songauswahl hat man sich eben auf weitere Stücke jener Epoche gestürzt, die man auf dem ersten Album noch nicht verbraten hat. So singt Stewart dann auch hier Klassiker ein und egal ob von Duke Ellington „Don´t Get Around Much Anymore“, „Someone To Watch Over Me“ und „Our Love Is Here To Stay“ von Gershwin oder die neuen Duette mit Cher und Queen Latifah – es hört sich fast gelangweilt an. Das Orchester schippert dazu in seichten Gewässern und alles trieft ein bisschen vor Schmalz. „In The Mood For Love“ ist dabei der Tiefpunkt der gesamten Platte. Erneut hat man den Eindruck, dass dies nicht mehr als eine Auftragsarbeit ist und Stewart ein bisschen weiter die Kuh gemolken hat. Glaubwürdigkeit hört sich jedenfalls anders an.
Auch in der dritten Halbzeit hat sich Stewart mit „Stardust...Volume III“ Songs der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts zur Brust genommen. Waren es auf dem Vorgänger noch Cher und Queen Latifah, so gibt es mit Eric Clapton, Stevie Wonder, Bette Midler und Dolly Parton zumindest auf der Besetzungscouch ein paar Kollegen, die gut zu Stewart passen. Die Rolle von Clapton bei „Blue Moon“ hätte allerdings auch jeder andere VHS-Gitarrenschüler übernehmen können. Die beiden Damen bilden immerhin stimmlich den perfekten Gegenpol zu Stewart. Hat man eigentlich jemals eine belanglosere Version von „What A Wonderful World“ gehört? Gut, dass gilt im Grunde für jeden Song hier, denn auch „Night & Day“ ist derart drucklos, dass es einem die Schuhe auszieht. Stewart schmalzt sich durch dieses Jazz-Bar-Piano Geklimper, dass es fast schon Karaokecharakter entwickelt.
Den abschließenden Teil des Booksets gibt es mit „Thanks For The Memory...Volume IV“. Eigentlich ist alles angerichtet: tolle Gäste, schöne Arrangements und natürlich abermals eine formidable Songauswahl. Es bleibt allerdings alles wie gehabt, denn auch an diesen dreizehn Nummern – von „I´ve Got A Crush On You“, über „My Funny Valentine“ bis zu „Thanks For The Memory“ - scheiden sich wieder die Geister. Warum nur landete Rod Stewart mit seiner „The Great American Songbook“ Reihe einen derartigen Erfolg? Es kann nur an dem sehr guten Ausgangsmaterial liegen, an der lustlosen Gesangsleistung eigentlich weniger.
Fazit: Mit „The Great American Songbook“ erlebte Rod Stewart seinen dritten und vierten Frühling. Diese Tatsache ist wohl aufgrund des Songmaterials begründet, aber nicht aufgrund der herausragenden Gesangsleistung von Herrn Stewart. Diese hört sich über weite Strecken nach Auftragsarbeit an. Meist regiert Lustlosigkeit denn Inspiration diese Klassiker gebührend zu interpretieren. Wer diese Reihe bisher verpasst hat, kann sich selbige nun allerdings für unter 20 € zulegen und bekommt mit dem Bookset noch eine schöne Aufmachung geliefert. Da gibt es dann tatsächlich nichts zu meckern!
Text: Torsten Schlimbach