Faith No More: We Care A Lot

Faith No More: We Care A Lot (Deluxe Band Edition)

PIAS/Rough Trade

VÖ: 19.08.2016

 

Wertung: 7,5/12

 

Die Faith No More Festspielwochen werden hiermit offiziell eröffnet. Bevor mit dem Meisterwerk und Meilenstein „King For A Day… Fool For A Lifetime“ und dem sehr guten „Album Of The Year“ – jeweils angereichert mit jeder Menge Bonusmaterial – im September zwei besondere Schmankerl der Alternativmusik erneut veröffentlicht werden, geht es mit „We Care A Lot“ zurück zu den Anfängen der Band. Ursprünglich gab es das Debüt 1985 nur auf LP und Cassette. Erst zehn Jahre später wurde „We Care A Lot“ auf CD veröffentlicht. Die Qualität war allerdings recht mies und die vielen Bootlegs, die davon kursierten, waren soundtechnisch sicher keine Offenbarung. Bei der neuerlichen Veröffentlichung wurde der Zusatz „Deluxe Band Edition“ nicht ohne Grund gewählt, denn hierbei handelt es sich um eine bearbeitete und von der Band autorisierte Version!

 

„We Care A Lot“ hat also noch nie so gut geklungen. Die Songs werden dadurch natürlich nicht besser. Man sollte aber nicht vergessen, dass dies hier die Anfänge dieser genialen Band sind. Deren Sänger hieß damals noch Chuck Mosley und selbiger kann nicht mal im Ansatz mit einem Mike Patton mithalten. Der Gesang auf „We Care A Lot“ ist doch sehr monoton und kehlig. Variationen sind nicht gerade die Stärke von Mosley. Einen nicht unwichtigen Stellenwert hat dieses Album dann aber doch. Es sind eben die Anfänge einer der wichtigsten Gerne-Bands und mit dem Titelsong gibt es sogar einen Klassiker zu hören.

 

Für den geneigten Fan und Sammler hält die „Deluxe Band Edition“ 9 Bonus-Tracks bereit. Hierbei handelt es sich zum Teil um Demo-Versionen, die von den original 8-Track Bändern stammen. So kriegt man die Möglichkeit geboten noch weiter in den Bandkosmos und die Entstehungsgeschichte des typischen Sounds einzutauchen. Auf „We Care A Lot“ sind die Anlagen nämlich schon sehr deutlich hörbar und vorhanden. Schon das charakteristische Keyboard von Roddy Bottum strahlt beim Titeltrack ganz deutlich heraus. „The Jungle“ ist zwar ziemlich unausgegoren, lässt aber schon erahnen, zu welchen vertrackten Songs Faith No More im weiteren Karriereverlauf im Stande sein werden. Gut, der Gesang…nun ja…Schwamm drüber.  Bei „Why Do You Bother“ zeigt sich übrigens erstmals die Klangverbesserung sehr deutlich. Der Bass von Billy Gould kommt endlich mal so richtig hörbar zum Vorschein. Auch bei diesem Song sind schon alle Trademarks vorhanden. „Greed“ wäre mit Patton sicher schon eine Songgranate geworden. Das düstere „Pills For Breakfest“ fällt durch die Metalgitarre von Jim Martin auf, während „As The Worm Turns“ schon eine frühe Sternstunde der Band ist. Schöne Keyboardflächen, das treibende Schlagzeug von Bordin, der pumpende Bass und die Metalgitarre machen schon Laune. Schwachpunkt ist auch hier eher der Gesang. „Arabian Disco“ wirkt eher wie eine Soundcollage, lässt aber auch schon das Potenzial erahnen, welches in der Band schlummert.  Mit „New Beginnings“ endet das eigentliche Album fast schon poppig.

 

Der Remix von „We Care A Lot“ klingt übrigens wesentlich besser wie die Album-Version. Das ist zwar schon nahe an der veröffentlichten Fassung dran, aber insbesondere der Bass weiß da zu überzeugen. „Pills For Breakfast“ geht unheimlich nach vorne und hier stört auch kein Mosley. Der Klang dieser Versionen ist sowieso überraschend gut. „As The Worm Turns“ macht schon Laune und der klassische Anteil ist ja fast schon als progressiv zu bezeichnen.  Danach darf man den 8-Track Demos lauschen. „Greed“ sticht dabei besonders hervor. Die teilweise Spoken Word Performance von „Mark Bowen“ lässt den Demo-Charakter deutlich erkennen. „Arabian Disco“ ist glatt besser als die bisher veröffentlichte Veersion. Der Bass ist ja der pure Höllenritt! Mit „The Jungle“ und „New Beginnings“ gibt es zwei Live-Songs jener Phase zu hören, die allerdings klingen, als hätte man die bei Oscar in der Mülltonne aufgenommen. Trotzdem ist das natürlich ein nettes Zeitdokument.

 

Fazit: Endlich gibt es von Faith No More und deren Debüt „We Care A Lot“ mal eine klanglich vernünftig und überarbeitete Version, die zudem von der Band autorisiert wurde. Die Bonus-Tracks sind da natürlich das Sahnehäubchen. Letztlich wirkt dieses Werk noch an vielen Stellen unausgegoren und der damalige Sänger Mosley kann sicherlich nicht mit Vocal-Artist Mike Patton verglichen werden. Alle Anlagen sind aber schon deutlich erkennbar. Das sind eben die Anfänge einer der wichtigsten Genre-Vertreter – nicht mehr, aber auch nicht weniger!

 

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Text: Torsten Schlimbach

Faith No More: Sol Invictus

Faith No More: Sol Invictus

Reclamation/Ipecac/Pias/Rough Trade

VÖ: 15.05.2015

 

Wertung: 9/12

 

Achtzehn Jahre hat es gedauert und jetzt ist es also einfach so da, das Album einer der wichtigsten Alternativbands der 90er. Eine Nummer kleiner geht es im Falle von Faith No More nicht. Die Kapelle befreite sich stets von allen Zwängen und Schubladen und war auch nie einer der klassischen Indiebands. Nein, Faith No More stellten eine echte Alternative zum Rest dar und wurden gerne als Crossover-Pioniere gesehen. Irgendeinen Stempel braucht die Musik schließlich immer. Was ist eigentlich dann passiert? Vermutlich hat nach „Album Of The Year“ Mike Patton die Lust verloren und ist aus dem Bandkorsett ausgebrochen. Er widmete sich fortan Metal, unhörbaren Noise-Projekten und italienischem Schlager. Faith No More schienen endgültig Geschichte zu sein. Wie konnte es dann doch noch zu „Sol Invictus“ kommen?

 

Man sprach lose über ein paar Reunion-Shows und setzte Proben an. Angeblich ist Mike Patton zu spät gekommen. Die Tore waren schon geschlossen und er hatte auch keinen Schlüssel. Patton suchte aber nicht das Weite und bat seine Kollegen per SMS um Einlass. Die Jungs hatten aber Besseres zu tun als auf ihre Smartphones zu gucken und spielten sich drinnen die Finger wund. Patton saß auf der Bordsteinkante und hörte zu. Und dann passierte es: er wurde wieder zum Fan. So wie damals, als er noch nicht der Sänger von Faith No More war. Laut Patton war dies der Beginn der Reise, die jetzt einstweilen mit diesem Album endet.

 

Faith No More sprengen selbstverständlich auch mit „Sol Invictus“ sämtliche Rahmen. Da wird vorab mal genüsslich „Motherfucker“ der Welt vorgestellt. Das ist natürlich nicht ungeschickt, denn alleine der Titel polarisiert ja schon und ist somit auch kostenlose Werbung. Hinzu kommt noch, dass die Nummer auch noch – natürlich auf die durchgedrehte Faith No More-Art - ein Ohrwurm ist. Es ist alles wie früher. Also fast. „Angel Dust“ bleibt natürlich unerreicht. So eine Platte hat aber ja jede größere Band im Katalog. Eines jener Alben, mit denen auf ewig die Bandgeschichte verknüpft wird. „Sol Invictus“ ist aber eine verdammt gute Platte. Ein Album, welches mal wieder jegliche Grenzen sprengt.

 

Dies fängt schon mit dem Titelsong „Sol Invictus“ an. Patton gibt gesanglich einen Einblick in seine Möglichkeiten. Musikalisch könnte man sich das Stück glatt von Nick Cave und seinen Bad Seeds vorstellen. Wenn es überhaupt einen Trademark-Sound von Faith No More gibt, dann kommt „Superhero“ dem noch am ehesten nahe. Das Tasteninstrument wird dabei in den Vordergrund gerückt, die Strophen geben Vollgas und der Text wird regelrecht rausgekotzt, nur um zum Refrain hin per Break das Tempo zu verlangsamen und Sound- und Songstruktur episch auszubreiten. Eine Portion Weirdness gefällig? „Sunny Side Up“ dürfte da voll ins Schwarze treffen. Dieses „Sol Invictus“ ist ein bisschen wie eine Reise in die eigene Vergangenheit. Das geheimnisvolle Flüstern bei „Seperation Anxiety“ kennt man natürlich auch. Auch die bombastische Steigerung. Trotzdem haftet dem auch alles ein große Portion Zeitlosigkeit an. Mike Patton liefert hier mitunter gar seine bestes Gesangsleistung ab. Es ist schon beeindruckend wie vielfältig einsetzbar seine Stimme ist.

 

Und der Rest der Mannschaft? Mike Bordin am Schlagzeug zählt sowieso zu den Besten seines Fachs. Wie er bei „Cone Of Shame“ nach knapp 2 Minuten und 20 Sekunden auf die Felle haut, lässt einem schon mal die Gesichtszüge entgleiten. Roddy Bottum ist vermutlich auch der einzige Keyboarder des Planeten, bei dem dieses Instrument der härteren Musik zuträglich ist. John Hudson sorgt mit seinem Gitarrenspiel dafür, dass Faith No More so druckvoll wie zu besten Zeiten klingen und Billy Gould bringt den Funk und Jazz mit. „Rise Of The Fall“ würde ohne Gould sicher nicht funktionieren. Die Nummer dürfte Patton zudem sehr viel Spaß machen, denn irgendwie fühlt man sich in den Strophen an einen Spaghetti-Western erinnert. Der Rest ist die pure Raserei. „Black Friday“ wiederum gefällt mit einem luftigen Unterbau. „Matador“ ist Fans ja hinlänglich bekannt. Irgendwie. Das Stück wurde einfach mal 2011 in Südamerika ausgepackt. Daran lässt sich auch ablesen, dass die Band schon lange an den Songs arbeitet. Die Nummer ist zudem so etwas wie die Quintessenz von Faith No More: alles auf einmal, hinweg mit den Schubladen. Und ganz zum Schluss gibt es dann bei „From The Dead“ auch noch Folkgitarren. Willkommen in der Welt von Faith No More. Alles ist möglich. Alles? Alles!

 

Fazit: Achtzehn verdammte Jahre des Wartens sind vorbei. „Sol Invictus“ ist das erwartbare Album von Faith No More. Alles ist eben möglich. Peinlich ist diese Reunion nicht. Auch das war zu erwarten. Die Herren können es immer noch und schmeißen einem einen Brocken vor die Füße, den man erstmal schlucken muss. Es wird wieder skurril, laut, leise und großartig. Faith No More mögen nie die sympathischste Band gewesen sein, aber sie waren und sind eben die Klassenbesten. Immer noch.

 

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Text: Torsten Schlimbach

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