The Highwaymen: American Outlaws (3 CDs + DVD)
Legacy/Sony
VÖ: 20.05.2016
Wertung: 10/12
Tipp!
Waylon Jennings, Willie Nelson, Johnny Cash und Kris Kristofferson kann man wohl mit Fug und Recht als Legenden bezeichnen. In erster Linie dürfte man da das Country-Genre nennen, aber auch Folk und Americana wurde von den vier Herren nachhaltig beeinflusst. Als dieses Quartett 1985 The Highwaymen gründete, war das die erste und einzig wahre Supergroup der amerikanischen Musik. Zu dieser Zeit waren sie als Einzelmusiker zwar auf dem absteigenden Ast, aber dieser Zusammenschluss verhalf Nelson, Cash, Kristofferson und Jennings zu einem weiteren Popularitätsschub. Die Konzerte waren nicht nur gut besucht, sondern bis zum Bersten gefüllt. Zwischen 1985 und 1995 nahmen sie drei legendäre Alben auf. Jetzt wird mit „American Outlaws“ ein tolles Set veröffentlicht.
Auf 3 CDs verteilen sich rare und unveröffentlichte Aufnahmen, sowie die unveröffentlichte Studio Aufnahme des 64er Dylan Songs „One Too Many Mornings“. Herzstück der Veröffentlichung dürfte aber die DVD – oder wahlweise Blu-ray – sein. Dort gibt es den kompletten Konzert Film „Highwaymen Live!'“ zu sehen, welcher im Nassau Coliseum Uniondale, New York am 14. März 1990 aufgenommen wurde. Selbstverständlich handelt es sich hier um eine restaurierte und remastered Fassung in Bild und Ton. Neben den 35 Songs gibt es noch umfangreiches Bonusmaterial, welches ein paar wirklich aufschlussreiche Interviews mit den Protagonisten enthält.
Zunächst sticht einem die wirklich schöne Aufmachung in das Auge. Die Haptik ist schon brillant. Das sollte man sich keinesfalls entgehen lassen und auf die (legalen) Downloadmöglichkeiten verzichten. Das Großformat macht sich nämlich vorzüglich in jedem Fanschrein. Klappt man das Teil einmal aus, dann gibt es die vier Herren in voller Pracht zu bewundern. Hat man es dann zu den vier Scheiben geschafft, dann ist auf jeder Tasche einer dieser Legenden im Großbild zu sehen. Selbstverständlich gibt es auch noch eine Tasche, die ein Booklet bereithält. Schöne Sache, aber man hat im Grunde ja auch nichts anderes aus dem Hause Legacy erwartet, denn die Messlatte wurde in der Vergangenheit schon sehr hoch gelegt. Trotzdem: so und nicht anders!
Legt man die erste CD ein, dann ist man doch ein bisschen baffe. Mit diesem fein austarierten und glasklaren Sound hätte man nicht unbedingt gerechnet, schließlich sind das ja Live-Aufnahmen. Man kennt das ja von anderen Konzertveröffentlichungen, die es kaum schaffen die Live-Atmosphäre zu transportieren, weil das Publikum zugunsten des Klang so weit nach hinten gefiltert wurde, dass davon kaum noch etwas übrig bleibt. Hier hat man den Spagat geschafft, die Musik und die Zuschauer vor Ort unter einen Hut zu bringen und dies auch noch zu einem Genuss zu machen der weit weg von Bootlegqualität ist.
Das Konzert in New York startet mit „Mystery Train“ als Intro, bevor das programmtische „Highwayman“ eindrucksvoll unterstreicht, warum es sich hierbei um eine Supergroup handelt. Wie sich diese vier Stimmen ergänzen ist schon die ganz große Musikkunst. Auch das ruhigere „Mammas Don´t Let Your Babies Grow Up To Be Cowboys“ und das schmissige „Good Hearted Woman“ unterstreichen das nachhaltig. Auch wenn sich da alles auf die vier Herren konzentriert, sind die Mi(e)tmusiker im Hintergrund Könner ihres Fachs. Bei dem letztgenannten Lied ist besonders das Mundharmonikaspiel hervorzuheben.
Schön zu sehen, dass sich die vier Herren bei den Songs des jeweiligen anderen auch unterstützen. So bleiben sie auch bei „Trouble Man“ von Jennings gemeinsam auf der Bühne, stehlen selbigem aber nicht die Show. Das ist selbst bei „Amanda“ der Fall, obwohl – wenn man mal ehrlich ist – die musikalische Unterstützung nicht notwendig wäre. Kristofferson sorgt allerdings für die stimmliche Verstärkung beim Refrain. Das Duett mit dem konzentrierten Cash bei „There Ain´t No Good Chain Gang“ ist selbstredend ganz grandios. Danach hat der gute Johnny seinen Auftritt und es geht mit „Ring Of Fire“ - natürlich – los. Nelson steht seltsamerweise immer etwas abseits der anderen drei Herren. Insgesamt hat man den Song aber auch schon wesentlich zwingender gehört. Es ist halt nett, diese Konstellation zu sehen. „Folsom Prison Blues“ ist eine Bank. Immer. Kristofferson hat den größten Spaß und wie er Cash genüsslich das „die“ zu ruft, zeigt den Spaß den die Herren hier haben.
Dann darf endlich Nelson mit „Blue Eyes Crying In The Rain“ ran. Unspektakulär. Für den Gänsehautmoment sorgen Kristofferson und Cash bei „Sunday Morning Coming Down“. „City Of New Orleans“ wird von den Zuschauern vor Ort abgefeiert. Ist ja auch klar, bei dem Refrain. Jennings und Nelson dürfen da auch mal zeigen, was sie an den Gitarren können. Leider ist die Monitorbox bei Nelson im Weg und somit kann die Kamera das nicht einfangen. Bei „Always On My Mind“ klappt aber auch das. Überhaupt ist die Kameraführung sehr nett. Man sieht die Protagonisten sehr oft aus der Nähe, die Interaktion untereinander und man spürt einfach, dass die da auf der Bühne stehen, weil sie es wollen und ein freundschaftliches Verhältnis untereinander pflegen. Das Quartett hatte sich auch abseits der Bühne was zu sagen. Oft wird auch mal ein Schwenk durch das weite Rund gewagt. Die Farben wirken sehr natürlich und insgesamt ist die Restauration sehr gelungen. Der Ton kann sich sowieso hören lassen. Und auch, wenn bei „Two Stories Wide“ die Gitarre von Nelson etwas windschief klingt, ist die ganze Sause hier doch ein ganz großes Vergnügen.
Die Rede „Ragged Old Flag“ von Johnny Cash und das gemeinsam mit Nelson vorgetragene „(Ghost) Riders In The Sky“ ist schon ganz großes Kino. Gänsehaut. Hier muss auch mal die Band erwähnt werden, welche die vier Herren hinter sich haben, denn selbige spielt ganz groß auf! Auch zu sehen(!) bei „Night Life“. Stark sind auch die Momente, wenn – wie bei „Big River“ - alle vier singen. Und wie sie sich nach „A Boy Named Sue“ alle freuen – Publikum wie Musiker. Herzig. „On The Road Again“ ist zum Schluss die große Party mit einer Träne im Knopfloch – weil es dann nämlich nach etwas mehr als zwei Stunden vorbei ist. Die O-Töne der vier Herren runden diese DVD wunderbar ab.
Das wunderbare Konzert gibt es auf DVD und zwei CDs zu sehen und hören. Dann wäre in diesem Set aber ja auch noch dritte CD enthalten. Hier darf man sich über Auszüge von Aufnahmen von Farm Aid V und VI freuen. Die klangliche Qualität ist auch da als herausragend zu bezeichnen. Die feine Gitarrenarbeit bei „I´ve Always Been Crazy“ kommt sehr ausgewogen aus den Boxen. Sowieso ist jede musikalische Feinheit klar und deutlich zu hören. „The Best Of All Possible Worlds“ lässt das Schlagzeug scheppern, die Mundharmonika heulen und die verschiedenen Gitarren jaulen. Groß. Die Version von „Folsom Prison Blues“ hat Drive und „Desperados Waiting For The Train“ ist ein Genuss sondergleichen. Und dann wäre da ja noch das besondere Schmankerl, denn mit „One Too Many Mornings“ gibt es noch einen von The Highwaymen unveröffentlichten Studio-Track zu hören!
Fazit: „American Outlaws“ von The Highwaymen ist in jeglicher Hinsicht ein tolles Set. Der Konzertfilm kommt in guter Bildqualität und sehr gutem Ton ganz stark rüber. Die vier Herren mögen sich auch aufgrund rückläufiger Verkäufe des eigenen Schaffens zusammengeschlossen haben, man merkt und sieht aber auch sehr deutlich, dass sie unglaublich viel Spaß an dem haben, was sie da tun und sich auch abseits der Bühne ganz sicher viel zu erzählen hatten. Die dritte CD hat dann noch weitere Live-Songs und einen unveröffentlichten Track zu bieten. Wer auch nur ansatzweise etwas mit Country, Folk und Americana anfangen kann, muss hier zugreifen!
Text: Torsten Schlimbach