The The: Ensoulment
Edel
VÖ: 06.09.2024
Wertung: 8,5/12
Aus welcher Kammer taucht den Matt Johnson wieder auf? Geschlagene 24 Jahre musste man auf ein neues Album von The The warten. Selbiges hört nun auf den Namen „Ensoulment“ und eigentlich ist es, als wäre der Mann nie von der musikalischen Bildfläche verschwunden. Dies bedeutet übrigens nicht, dass es sich hier nur um laue Aufgüsse handelt. Die neuen Songs sind durchaus eigenständig, dazu aber später mehr. Matt Johnson war im Grunde ja sowieso immer sein ganz eigenes Genre. Das neuerliche Album ist da keine Ausnahme.
„Cognitive Dissident“ ist der beste Indiesong des Jahres. Morbide und düster schälen sich zunächst die verhuschten Gitarrenklänge aus den Boxen, bevor der Bass Matt Johnson und vor sich hertreibt. Eine Art Refrain kommt dabei recht soulig rüber. Wenn man Vergleiche ziehen will, dann fallen einem am ehesten Nick Cave und seine Bad Seeds sein. Der Bariton von Johnson ist allerdings gänzlich anders als von Cave. „Some Days I Drink My Coffee By The Grave Of William Blake“ ist vom Titel etwas sperrig, der Song hingegen erinnert in klitzekleinen Teilen an „The House Of The Rising Sun“.
„Zen & The Art Of Dating“ ist wahnwitzig und abermals von diesem bedrohlich klingenden Bass durchzogen. So könnte man sich eine gemeinsame Blues-Nummer der Einstürzenden Neubauten und Leonard Cohen vorstellen. Dazu wird es ja definitiv nicht kommen, also muss The The diesen Job übernehmen. „Kissing The Ring Of Potus“ ist zugänglicher, hat aber diese unbändige Traurigkeit von The Portishead aufgeladen. „Life After Life“ bleibt den herbstlichen Klängen treu. Johnson greint, flüstert, erzählt und singt in den allerschönsten Schattierungen. Es sind keine lauten Songs und kein Ton ist zu viel. Die Pianoklänge bei „I Wann Wake Up With You“ sind zwischen Blues und Jazz zu finden. „Down By The Frozen River“ hat ein paar Saloon-Anleihen, während „Risin´ Above The Need“ wieder diesen wundervollen Leonard Cohen-Vibe versprüht.
„Linoleum Smooth To The Stockinged Foot“ kommt einer Klangcollage gleich und ist für alle Tom Wait-Fans ein Fest. Dafür hat „Where Do We Go When We Die?“ nicht nur die essenzielle Frage von uns allen zu bieten, sondern auch einen schönen musikalischen Unterbau, der eine sehr schöne melancholische Note hat. Der Refrain hüllt einen wie eine wärmende Winterdecke ein und verströmt etwas Erhabenes. „I Hope You Remember (the things I can’t forget)“ ist der letzte, leise Fingerzeig in Richtung Ausfahrt, bevor „A Rainy Day In May“ tatsächlich noch mal einem herkömmlichen Songmuster folgt und ein toller Abschluss für „Ensoulment“ darstellt.
Fazit: 24 Jahre musste man auf ein neues Album warten. Matt Johnson hatte als The The aber ja sowieso keinem übermäßigen Drang Album an Album zu reihen. „The Ensoulment“ lässt von der Atmosphäre zwar die Handschrift des Meisters erkennen, ist aber weniger in der Indieecke, sondern mehr in den verschrobenen Ecken des Blues, Souls und Jazz zu finden. Die Stimme und die Art des Vortrags sind irgendwo zwischen Leonard Cohen und Tom Waits anzusiedeln. Ein sehr schönes Album für die Herbsttage.
Text: Torsten Schlimbach