Ein lauer Frühlingsabend sorgt vor dem Konzert von Noel Gallagher für eine entsprechend gelöste Stimmung - und Langeweile bei den Damen an der Abgabe für die Garderobe. Ja, an diesem 09. April ist tatsächlich T-Shirt Wetter angesagt. Vielleicht überspringen wird dieses Jahr auch einfach den Frühling. Das Konzept mit den vier Jahreszeiten scheint sich so langsam ja sowieso zu überholen. Dies hält vermutlich aber auch viele Leute davon ab sich spontan Noel Gallagher anzugucken und lieber die ersten warmen Stunden draußen zu nutzen. Die altehrwürdige Veranstaltungshalle in Düsseldorf ist nämlich alles andere als gut besucht. Die Sitzreihen gegenüber der Bühne und im Unterrang links und rechts sind offen, der Rest wurde mit den obligatorischen schwarzen Vorhängen verhangen. Der Innenraum ist ebenfalls mit vielen Lücken versehen und selbst um 20 Uhr kommt man noch bis ganz nach vorne in die erste Reihe!
Dabei ist die Vorgruppe alleine schon ein kleiner Knaller. Noel Gallagher hat die Blossoms aus dem Großraum Manchester mit auf Tour genommen. Deren Debüt erklomm immerhin Platz 1 der britischen Charts. Bei der jährlichen BBC-Prognose landete die Kapelle 2016 auf Platz 4 der Acts, die den Durchbruch schaffen werden und die man auf der Liste haben muss. Nun gut, im deutschsprachigen und nichtssagenden Musikeinheitsbrei ist das mal wieder untergegangen und kaum einer hat das gute Erstlingswerk der jungen Musiker mitbekommen. Der Auftritt der Herren ist musikalisch mehr als solide. Der Sound ist recht gut und das Songmaterial lässt sogar aufhorchen. Irgendwo zwischen Oasis, den Arctic Monkeys und einigen Einflüssen der 80er lässt sich das gut an. Allerdings gilt auch: wie Sie sehen, sehen Sie nichts. Die Bühne ist viel zu dunkel ausgeleuchtet worden. Vielleicht sind die Jungspunde ja auch nur schüchtern oder sie haben sich das bei The Jesus and Mary Chain abgeguckt. So oder so: man sollte Blossoms weiter im Auge behalten.
Noel Gallagher ist schon eine Marke. Der große Showeröffnungsknall ist nicht sein Fall. Er schlurft einfach auf die Bühne und dann geht es los. Wohlgemerkt auf der Bühne, davor tut sich nämlich überhaupt nichts. Die neuen Songs - angefangen bei der Eröffnung „Fort Knox“, dem poppigen „Holy Mountain“ im Roxy Music-Gewand inklusive Bläsern oder „It´s A Beautiful World“ - ist kaum Bewegung oder Begeisterung bei den Zuschauern zu verzeichnen. Das dritte Soloalbum mag Kritiker aufgrund der Experimentierfreude begeistern, die Leute heute nehmen das maximal wohlwollend zur Kenntnis. Auch Noel tut sich zunächst schwer und er agiert konzentriert – seine bekannten Zwischenbemerkungen haben da noch keinen Platz. Erst mit „In The Heat Of The Moment“ kommt auch so etwas wie Stimmung auf. Das grandiose „Riverman“ schließt sich an und auch „Ballad Of The Mighty I“ und „If I Had A Gun“ werden zur Freude der meisten Anwesenden gespielt. So langsam läuft die Maschine warm.
Blickt man sich in den ersten Reihen so um, dann stellt sich schon die Frage, ob denn auch Zuschauer aus Deutschland anwesend sind?! Sondern? Hier hätten wir eine überaus nette Fraktion aus Nottingham, die so langsam auf Betriebstemperatur kommt und jeden in der näheren Umgebung in ihrer Mitte aufnimmt. Die Jungs können auch was am Glas, aber die Stimmung ist nie aggressiv, sondern immer herzlich. Macht Spaß mit den Herren. Dann hätten wir noch zwei Fraktionen aus Manchester: United-Fans auf der einen Seite, City-Fans auf der anderen. Selbige liefern sich dann auch mal ein Duell in Fangesängen und zwischenzeitlich wähnt man sich im Fußballstadion. Aber auch hier: alles entspannt. Einig scheinen sich sowieso alle zu sein, als Noel schließlich von der Bühne verkündet, dass sämtliche englischen Arschlöcher aus Yorkshire kommen. Wäre das also auch geklärt. Dann hätten wir noch eine Abordnung aus Argentinien(!), die per Schild einen Songwunsch äußern. Noel kommentiert das auf seine Art „Ihr kommt für diesen Gig extra aus Argentinien? Was ist los mit euch? Ich war vier Wochen in Argentinien unterwegs. Und man weiß doch, dass Songwünsche per Schild garantiert nicht erfüllt werden.“ Das ist natürlich mit einem Augenzwinkern versehen und eben der spröde Gallagher-Charme. Wer das nicht kennt, wird das mitunter als Arroganz verbuchen, in den vorderen Reihen tut dies keiner – auch nicht die lachenden Argentinier.
Die Post geht dann richtig bei „Little By Little“ ab. Zu der Oasis-Nummer liegen sich dann alle in den Armen und wer noch blöd rumsteht, wird von den Inseljungs einfach ganz nett dazu geholt. Auch „The Importance Of Being Idle“ - eine weitere Nummer aus dem Oasis-Backkatalog – wird mit viel Applaus bedacht. Zu „Wonderwall“ liegen sich dann die Pärchen in den Armen, was wiederum darauf schließen lässt, dass doch Deutsche anwesend sind. Die erste Zugabe „Right Stuff“ ist dann ein psychedelisches Feuerwerk, welches die Halle fast zum Einsturz bringt. Wie immer ist es bei Gallagher nämlich auch ordentlich laut. „Go Let It Out“ und „Don´t Look Back In Anger“ werden dann frenetisch gefeiert. Kein Wunder, ist doch letztgenannte Nummer die inoffizielle und zweite britische Nationalhymne. Das Beatles-Cover „All You Need Is Love“ ist dann der Rausschmeißer und so sagt Noel auch noch auf seine Art allen Anwesenden, worauf es wirklich ankommt.
Danach gehen alle glückselig nach Hause. Was bleibt von diesem Abend? Die Erkenntnis, dass Noel Gallagher einfach ein Unikum ist, welches sich nicht mehr ändern wird. Es bleibt aber auch die Erkenntnis, dass das neue Material nicht sonderlich gut ankommt und der Name Noel Gallagher es alleine nicht schafft, eine mittelgroße Halle zu füllen. Das Konzert war aber sehens- und hörenswert und eine sehr kurzweilige Angelegenheit. Die britischen Jungs im Publikum waren zudem super nett. Wer noch die Chance hat Noel Gallagher bei dieser Tour zu sehen, sollte diese ergreifen! Es lohnt sich nämlich definitiv!
Setlist:
Fort Knox
Holy Mountain
Keep on Reaching
It's a Beautiful World
In the Heat of the Moment
Riverman
Ballad of the Mighty I
If I Had a Gun...
Dream On
Little by Little
The Importance of Being Idle
Dead in the Water
Be Careful What You Wish For
She Taught Me How to Fly
Half the World Away
Wonderwall
Encore:
The Right Stuff
Go Let It Out
Don't Look Back in Anger
All You Need Is Love
Text: Torsten Schlimbach
(Torsten Schlimbach bedankt sich bei Annett Bonkowski von Verstärker Promotionund und natürlich bei Noel Gallagher für die freundliche Unterstützung!)