In Köln gibt der Frühling seit gut und gerne einer Woche ein erstes Gastspiel. Die Außengastronomie hat wieder geöffnet und die Hormone kommen so langsam auch wieder in Wallung. Da kommt ein Konzert mit tanzbaren Rhythmen genau richtig. Wenn selbiges dann noch in der schönsten Veranstaltungsstätte der Stadt angesetzt ist, dann kann eigentlich an diesem Dienstagabend nichts mehr schiefgehen. Es ist also alles angerichtet und der Rahmen ist wie gemalt für Caligola. Das Künstlerkollektiv aus Schweden lüftet heute die Kutten und zeigt, wie man das Album „Back To Earth“ auf die Bühne zaubern kann.
Die Bude – neuerdings mit Theke vorne rechts in Bühnennähe – ist selbstverständlich ausverkauft. Sind wir mal ehrlich, diese Tatsache beruht einzig und alleine auf den prominent besetzten Stellen an den Mikrofonen. Ein Großteil der Zuschauer dürfte den Weg in das Gloria nur wegen Gustaf und Björn von Mando Diao gefunden haben. Da können alle Caligola Mitglieder so oft wie sie wollen gebetsmühlenartig verlauten lassen, dass dies mit dem erfolgreichen Schweden-Export nichts zu tun hat, die Wahrnehmung bei den Leuten ist eine andere. So kann man heute im Vorfeld vermehrt die Diskussion vernehmen, welche Mando Diao Songs denn wohl gespielt werden. „Gloria“ und „Dance With Somebody“ scheinen jedenfalls bei einer Vielzahl gesetzt zu sein. Auch, wenn diese beiden Nummern sicher schon den Weg in Richtung Caligola gewiesen haben (mögen), so muss man sich doch wundern, wie wenig sich manch einer offensichtlich mit dem aktuellen Projekt auseinandergesetzt hat. Es dürfte klar sein, dass eben keine Mando Diao Hits gespielt werden.
Der Konzertbeginn war eigentlich für 20 Uhr angesetzt. Einer der beiden Arbeitsgeräte mit dem markanten Apfel scheint aber noch nicht fertig präpariert zu sein und wird wieder von der Bühne getragen. Vielleicht will man sich Backstage auch noch ein paar Videos ansehen, den Status im sozialen Netzwerk aktualisieren oder das neuste Guitar Hero Spiel ausprobieren – wer weiß das schon? Gegen 20:30 macht sich so langsam Unmut breit und der eine oder andere Pfiff hallt durch das Gloria. Es vergehen weitere zehn Minuten bis sich wieder was tut und das Apfelgerät wieder angeschlossen ist. Schnell noch ein Soundcheck und dann scheint es aber endlich zu starten. Vielleicht gehört das auch alles zum Konzept, denn eigentlich sollte alles wie eine Eins sitzen, die Band weilt ja schon schließlich etwas länger am Veranstaltungsort und hat die eigenen Fans ja auch schon über Facebook über den eigentlichen Soundcheck auf dem Laufenden gehalten.
Der Zeiger ist mittlerweile auf 20:50 vorgerückt und dann beginnt der Zauber endlich. Salla & Masse Salazar verschanzen sich hinter ihren Apfel-Computern und schmeißen die Musik an. Auf einer Art Kanzel oberhalb der Theke steht Nutty Silver und predigt zum Konzerteinstieg zu seinen Jüngern. Ein weiterer Kuttenträger macht fleißig Fotos. Künstlerkollektiv eben. Schnell wird aber auch den beiden klar, dass die Anwesenden einzig und alleine wegen Gustaf und Björn den Weg in diese schöne Location gefunden haben.
Entsprechend groß ist der Jubel, als die beiden – natürlich mit Kutten ausgestattet – die Bühne betreten. „Down By The Riverside“ knallt gleich ganz schön rein und Björn wirft sich richtiggehend mit Vollgas in den Song. Überhaupt verausgaben sich die beiden Mando Diao Köpfe wie gewohnt an diesem Abend. Sie wissen ja auch, dass es schnell beendet sein wird. Musikalisch ist das erstklassig. Kann man nicht anders sagen. Caligola werden ja gerne kritisiert. Bricht man das nur auf die Musik runter, dann ist das sicher nicht gerechtfertigt. Klar, vieles am heutigen Abend wird von den beiden Computernerds eingespielt. Gustaf und Björn packen aber auch immer wieder ihre Gitarren aus. Zudem sind die beiden auch einfach für die Bühne gemacht und Rampensäue – gilt zumindest für Clubs und Hallen.
Sie schwingen mittlerweile auch gerne das Tanzbein. „Sting of Battle“ kommt heute besonders gut und man hat schon Angst, dass sich der gute Gustaf dabei noch den Arm verrenkt. Auch „Raise Your Head“ fegt ordentlich durch den Saal und ein Teil der Leute ist kurz vorm totalen Kollaps. Soul und Motown war aber schon immer eine sichere Bank und so stellt auch „My Sister Rising“ den Laden auf Kopf. Zwischendurch wird sich immer wieder nach dem Wohlbefinden erkundigt oder speziell nur für die Ladies gespielt oder den Herren die Empfehlung mit auf den Weg gegeben, wie sie ihre bessere Hälfte sanft in den Schlaf singen können. Besonders Gustaf ist sehr gesprächig und insgesamt gibt die ganze Truppe ein sympathisches Bild ab.
Für einen Teil des ganzen Kirmesklimbim fällt einem aber nur ein Wort ein, welches aus der deutschen Sprache fast gänzlich verschwunden ist und kaum noch genutzt wird: albern. Dieses ganze Kuttengedöns ist hochgradig albern. Es ist ja schön und gut, dass Herr Norén unter seinem Umhang obenrum nichts als die blanke Haut trägt – das erfreut auch die stattliche Anzahl an weiblichen Besuchern – aber warum musste er sich auch noch die beiden Pferde mit dem überdimensionalen Penis auf den nicht vorhandenen Bauch malen lassen? Die beiden Tänzerinnen, die zu den Songs ein stattliches Sportprogramm absolvieren, braucht eigentlich auch kein Mensch und dass die beiden dann auch noch Weihrauch schwenkend über die Bühne stolzieren ist sogar hochgradig bescheuert. Und Nutty Silver nervt mit seinen ständigen Caligola Rufen. Das hat was von einem Show-Einpeitscher. Eigentlich sollten dafür alle Beteiligten viel zu alt sein. Nun gut, wenn das alles der Kunst dient.
Was gibt es noch? Gustaf raucht heimlich und der Besucherschnitt ist erstaunlich hoch. Da hätte man glatt mehr Teenies erwartet. "Gloria" wird von der Bühne auch mehrmals in den Saal gebrüllt, was schon wieder falsche Hoffnungen weckt und nach nicht mal 55 Minuten ist der Zauber auch schon wieder vorbei. Klar, was will man auch mit einer Platte im Rücken erwarten? Trotzdem blickt man in viele ungläubige und konsternierte Gesichter. Selbst, als die Beasteaks schon aus den Boxen dröhnen, will noch keiner gehen.
Was bleibt von diesem Abend? Die Erkenntnis, dass auf der Bühne alles gegeben wurde und die Songs „live“ hervorragend funktionieren. Gustaf und Björn sind sympathische Kerlchen und perfekte Frontmänner. Das Drum und Dran ist aber hochgradig albern. Wem die Musik gefällt und wer durch die Kürze der Show nicht abgeschreckt wird, sollte sich auf jeden Fall ein Konzert von Caligola in den Clubs angucken. Für heute im Heimathafen Neukölln in Berlin gibt es für Kurzentschlossene noch Tickets!
(Torsten Schlimbach bedankt sich bei Isabel Sihler, Universal und natürlich Caligola für die freundliche Unterstützung!)
Text: Torsten Schlimbach