Mötley Crüe: Dr. Feelgood (35th Anniversary Edition)
BMG
VÖ: 22.11.2024
Wertung: 8/12
In den 80ern waren Mötley Crüe die Glam-Metalband schlechthin. Mittlerweile ist es nur noch ein Trauerspiel, was die Herren die da live rumstümpern. Nikki Sixx verbirgt nicht mal mehr, dass er seinen Bass überhaupt nicht live spielt, Vince Neil winselt wie eine Katze, der man permanent auf den Schwanz tritt und Mick Mars wurde sowieso längst vor die Tür gesetzt. Sein Ersatzmann John 5 ist hoffnungslos unterfordert, der Job spült aber sicher ein paar ordentliche Beträge auf ein Bankkonto. In den 80ern liefert die Kapelle immerhin ein paar ordentliche Studioalben ab. Mit „Dr. Feelgood“ war das Quartett auf dem Zenit des Schaffens angekommen – danach ging es ganz steil bergab.
Nun wird eine üppige 35th Anniversary Edition auf die geneigten Fans losgelassen. Jede Menge Klimbim und Schnickschnack gibt es da zu bewundern. Das braucht im Grunde kein Mensch, ist aber – besonders für Fans – doch ziemlich toll und macht einfach so eine Veröffentlichung erst so richtig rund. Live- und Demoaufnahmen sind in dem Box-Set selbstverständlich auch enthalten. Schon hier zeigt sich, dass Vince Neil auch da schon mit einem dünnen Stimmchen unterwegs war. Was soll es? Macht ja irgendwie trotzdem Spaß und das Glamgaspedal wird bis zum Anschlag durchgetreten.
Tränenzieher-Songs hatte die Band aber auch immer wieder im Gepäck, wie das furchtbar schmalzige „Without You“ eindrucksvoll unter Beweis stellt. Die Kernkompetenz der Band lag aber woanders, nämlich bei so Glam-Hymnen wie dem famosen Auftakt „T.n.T“ oder dem Hit „Kickstart My Heart“. Überhaupt ist die Hitdichte auf dem Album auch heute noch beeindruckend. Die Backyard Babies dürften hier so einiges für den eigenen Sound adaptiert haben. „Slice Of Your Pie“ oder „Rattlesnake Shake“ sind der vertonte Spaß. Das ballert ordentlich, hat aber auch musikalisch durchaus Substanz. „She Goes Down“ ist ein typischer Song seiner Zeit, während „Don´t Go Away Mad (Just Go Away)“ einen ironischen Unterton hat. „Time For Change“ läutet dann zum Schluss den neuen Weg ein. War nicht gut - mit den 90ern konnten Mötley Crüe nichts anfangen, die 90er in erster Linie aber auch nichts mit Mötley Crüe.
Fazit: „Dr. Feelgood“ von Mötley Crüe kommt aus einer bunten Zeit der Musikgeschichte. So bunt hört sich das auch heute noch alles an. Auf dem Album sitzt nicht jeder Song und manch einer hat den Test der Zeit nicht bestanden, dafür sind alle anderen unkaputtbare Hits ihrer Zeit und davon gibt es mindestens fünf Stück hier auf die Ohren. Die 35th Anniversary Edition erzählt nun noch mal diese Geschichte – wer will mit einem üppigen Box-Set.
Text: Torsten Schlimbach
Mötley Crüe: Shout At The Devil (40th Anniversary Edition)
BMG
VÖ: 27.10.2023
Wertung: 7,5/12
Mötley Crüe sind auf großer Tour. Man könnte es auch Nostalgietour nennen, denn neues Material ist ja nicht mehr vorgesehen. Def Leppard sind ebenfalls mit dabei. Einer fehlt allerdings: Mick Mars. Man hat sich nicht unbedingt im Guten voneinander getrennt und es fallen auch keine netten Worte, wenn die eine Partei über die andere redet. Die Fronten sind verhärtet und bei Mars ist einiges an Verbitterung zu spüren. Zu „Shout At The Devil“-Zeiten war das vermutlich noch anders. Jetzt wird davon eine 40th Anniversary Edition veröffentlicht. Es gibt zwar ein bisschen Bonusmaterial, aber für Fans dürfte sich sowieso nur die Deluxe Box lohnen. Hier gibt es allerlei Klimbim, der das Fanherz höher schlägen lässt. Die Einzel-CD oder LP, nun ja, braucht man nicht unbedingt. Es wurden in der Vergangenheit ja schon diverse Auflagen des Albums veröffentlicht. Ein neues Remaster gibt es sowieso nicht.
Das Album katapultierte die Band einst in die Sphären der Superstars. Davon zehren sie auch heute noch. Der Sleaze Rock dürfte durchaus auch anderes Band inspiriert haben. In der zweiten Hälfte der 80er kamen dann mit „Girls, Girls, Girls“ und „Dr. Feelgood“ zwei weitere Alben, die Mötley Crüe zu unglaublichem Ruhm verhalfen und im Songwriting und der Hitdichte durchaus besser als „Shout At The Devil“ waren und sind.
„Knock ´Em Dead Kid“ bollert beispielsweise ziemlich langweilig dahin. Klar, es gibt ein Solo, aber ansonsten hat das wenig bis nichts zu bieten. Der Titeltrack „Shout At The Devil“ ist da schon spannender und eine Art Blaupause für Sleaze Rock. Das knallt und scheppert, ist vom Sound allerdings auch etwas dumpf. Insgesamt ist das aber ein gutes Ding! „Looks That Kill“ ist eine gute Mischung aus Hardrock und Heavy Metal. So klang einst die Band der Genrestunde! Die Beatles zu covern ist nie eine gute Idee. Was die Band hier aus „Helter Skelter“ gemacht hat, ist schlicht und ergreifend dem Song die Seele zu nehmen. Wie man das besser macht, zeigten 1988 U2. „Red Hot“ ist dafür eine verdammt gute Nummer. Hier ist auch ein bisschen Punk-Spirit hör- und spürbar. „Ten Seconds To Love“ ist ebenfalls ein schönes Brett. Die Halbballade „Danger“ zeigt, dass die Band durchaus auch mal den Fuß vom Gaspedal nehmen konnte und auch ein paar langsamere und nachdenklichere Töne anstimmen konnte.
Die nun vorliegenden Demoversionen haben dann doch noch ein neues Remaster spendiert bekommen. „Black Widow“ klingt so überraschend klar. Das Demo von „Hotter Than Hell“ ist vielleicht sogar der beste Song der neuerlichen Veröffentlichung. Das groovt, ist gesanglich auf der Höhe und hat insgesamt eine saucoole Attitüde. „Shout At The Devil“ ist in der Demoversion nicht unspannend und soundtechnisch besser als die Orginalalbumversion. „Looks That Kill“ und „Too Young To Fall In Love“ runden das Bonusmaterial sehr schön ab.
Fazit: Wer auf Sleaze und Hardrock steht, kommt um „Shout At The Devil“ von Mötley Crüe nicht umhin. Das Album gehört in die Sammlung und wer da noch Lücken hat, kann diese nun mit der 40th Anniversary Edition schließen. Das Bonusmaterial ist zudem ganz nett. Für Fans macht natürlich nur die große Box Sinn. Alles in allem ist das ein Album seiner Zeit und so klingt es auch heute noch.
Text: Torsten Schlimbach