Fehlfarben: "Monarchie und Alltag" neue Editionen auf CD und LP

Es gab eine Zeit, da war Düsseldorf für ein paar Jahre das Zentrum der deutschen Popmusik. Hier entstand der deutsche Punk, der die NDW nach sich zog. Eine Schlüsselrolle in dieser Zeit des musikalischen Aufbruchs spielte Fehlfarben. Ihr legendäres Album MONARCHIE UND ALLTAG (1980), Jahre später von der Musikzeitschrift Rolling Stone als wichtigstes deutschsprachiges Album eingestuft, war zu keinem Zeitpunkt jemals out of print.

 

Unter Aufsicht der Bandmitglieder wurden die Original Aufnahmen nun von Bo Kondren im Calyx Studio in Berlin remastert. Am 12. Mai wird das Album auf CD, digital und am 19. Mai erstmalig auch auf orangem Vinyl inkl. Download Code wiederveröffentlicht. Dazu schreibt die Band:

 

"Monarchie und Alltag" - "Das war vor Jahren"!

Wir Fehlfarben und unsere treuen Fans haben viel länger als "Ein Jahr" auf die Wiederveröffentlichung unseres erfolgreichen Debutalbums "Monarchie und Alltag" von 1980 warten müssen.

Wir hatten schon "Angst" dass es nicht mehr klappt.

Schwamm drüber "Das sind Geschichten".

Gottseidank.. ist es "Hier und Jetzt" auf vielfachen Wunsch endlich soweit.

Die "NEU" Veröffentlichung des Original Mix von 1980 im Mastergewand von Heute!

Es klingt  so frech und so frisch, dass man  versucht ist, wieder jung sein zu wollen....

but only "--when heaven allows "

Gnade uns Gott....

die fehlfarben

 

Wenn man das, was da Ende der 70er-Jahre begann, an einem fixen Punkt festmachen will, dann ist das eine triste Musikkneipe am Rande der Düsseldorfer Altstadt. Dort, im Ratinger Hof, trafen sich all jene, denen die Popmusik der Zeit zu gelackt erschien und die etwas Eigenes machen wollten. Zum

Stammpublikum gehörten viele, die im deutschen Musikbusiness durchstarteten, darunter Musiker, die später in Bands wie Deutsch Amerikanische Freundschaft und Die Toten Hosen Furore machten. In einem Artikel unter dem Titel „Geschichte wird gemacht“ (ein Zitat aus einem Fehlfarben-Song) brachte es Harald Hordych in der Süddeutschen Zeitung einmal so auf den Punkt: „Der (Ratinger) Hof wurde in einer politisch aufgeheizten Atmosphäre, wo die Zeichen in Kunst und Gesellschaft auf Protest und Verweigerung standen, zum Treffpunkt musikalischer Herumtreiber, die neue Tonattacken suchten.“ Die Jungs um Sänger Peter Hein von Fehlfarben bzw. deren Vorgängerband Mittagspause gehörten zu diesen Suchenden, die seit den späten 70ern mit Freude „gegen die Regeln der etablierten Rock- und Popmusik lossägten“ (Hordych). Damals, in der Endphase der Sozialliberalen Koalition vor Beginn der Ära Helmut Kohl, grassierte die Angst vor einem Atomkrieg. Hinzu kam ein weit verbreitetes Gefühl, es müsse alles irgendwie anders werden. Auch die Musik. „In den 70er-Jahren war die Musik immer abgehobener geworden“, erinnert sich Thomas Schwebel. „Wir dachten: Mach einfach! Denk nicht so viel. Leg los. Du kannst drei Akkorde spielen, dann gründe eine Band, aber sing auf Deutsch.“ So hat das, was einst in jener, inzwischen längst abgerissenen, Düsseldorfer Musikkneipe begann, weite Kreise gezogen und ist nie ganz abgeebbt, wenngleich sich die populäre Musik dann sehr vielfältig entwickelt hat. In den über dreieinhalb Jahrzehnten nach Veröffentlichung von „Monarchie und Alltag“ ist die Band nie in Vergessenheit geraten. Ihr berühmtes Album erreichte 21 Jahre nach Erscheinen den Goldstatus. Davon habe 1980 keiner von ihnen zu träumen gewagt. Ziel waren 5.000 Stück. Denn schon damit wären die Musiker von Fehlfarben die Helden der überschaubaren Szene gewesen.

 

Nie in Vergessenheit geraten

Nicht allein die Lieder von „Monarchie und Alltag“ lebten nach 1980 weiter, sondern auch die Band.

Zwar gab es mehrfach jahrelange Auftrittspausen und Phasen der Funkstille zwischen den weit

verstreut lebenden Musikern, doch man fand immer wieder zusammen, gab neue Alben heraus und

trat gemeinsam auf. Und das, obwohl die Punksongs von Fehlfarben praktisch nie im Radio gespielt wurden. Lediglich „Es geht voran“ sei auf dem Höhepunkt der Neuen Deutschen Welle kurzzeitig als Single-Auskopplung in den Radiocharts gewesen. Lebendig geblieben sei die Band durch ihre Auftritte, vor allem aber durch die Wertschätzung ihrer Fans, die Fehlfarben offenbar mit dem Lebensgefühl ihrer Jugendzeit verbinden.

Jetzt geht Fehlfarben mit dem Konzertveranstalter Meistersinger fast in Original-Besetzung auf Tournee durch große Hallen und Theater. Erstmals bringt die Band dabei an einem Abend alle elf Lieder ihrer Platte auf die Bühne – ergänzt um etliche weitere Songs von späteren Tonträgern.

Und so gibt es nun eine Wiederbegegnung mit Songs, an die sich viele erinnern und von denen mancher vielleicht noch Text-Fragmente im Kopf hat. So zum Beispiel die berühmten Zeilen: „Was ich haben will, das krieg ich nicht, und was ich kriegen kann, das gefällt mir nicht“ aus dem erklärten Lieblingslied der Band „Paul ist tot“. Diese Textpassage habe ihnen Mitte der 80er-Jahre eine DDR-Tour vermasselt, erzählt Schwebel. Als man damals bei der Ständigen Vertretung der DDR in der Bundesrepublik eine Tournee-Erlaubnis beantragte, mussten auch die Texte eingereicht werden. „Und diese zwei Zeilen gingen aus Sicht der SED natürlich gar nicht.“

Wer jetzt wissen will, wer der in dem Songtitel angeführte tote Paul eigentlich war, erhält eine profane Antwort: „Paul“ war der Flipper-Automat im Ratinger Hof, der eines Tages verschwunden war. Alles nach Punk-Art: eben ganz einfach.

Das beim Publikum zweifellos bekannteste fehlfarbige Lied trägt den Titel „Ein Jahr (Es geht voran)“.

Der Song wurde aus heute nicht mehr nachvollziehbaren Gründen zur Hymne der Hausbesetzer in der Hamburger Hafenstraße und anderswo im Lande.

Alle Lieder von „Monarchie und Alltag“ in einem Konzert, darauf freuen sich die Bandmitglieder. Mehr als zwei, drei dieser Songs habe man auf keinem der vielen hundert Konzerte der letzten Jahre gespielt.

Im Kern klingen die Lieder noch genauso direkt wie seinerzeit im Ratinger Hof. Sänger Peter Hein ist

nach wie vor ein starker Performer. Vielleicht aber wirken die Songs heute nicht mehr ganz so

hingerotzt, weniger hektisch. Damals sei das doch alles noch sehr wettbewerbsorientiert gewesen. „Heute spielen wir die alten Lieder mit genauso viel Freude wie früher, aber mit nicht mehr ganz so viel Druck auf dem Kessel.“ Damit, dass alle in der Band (und ihre Fans) älter geworden seien, habe das nichts zu tun. Musikgefühl sei keine Frage des Lebensalters.

„Wir nehmen unsere Zuhörer mit auf eine Reise in eine andere Zeit“, sagt Schwebel. „Und dann erleben die Leute, dass der Sound jener Tage auch heute noch Freude bereitet.“ Dies vielleicht auch deshalb, weil die Welt inzwischen so kompliziert geworden ist, dass etwas, das straight forward daherkommt, geradezu erfrischend wirkt. (Text: Dr. Mathias R. Schmidt)

Empfehlen Sie diese Seite auf:

Druckversion | Sitemap
Dream Out Loud Magazin: © Torsten Schlimbach / Header: © Kai Knobloch