Kettcar: 04.03.2012, E-Werk, Köln

Kettcar sind mal wieder in der Stadt und man versucht der Band den Aufenthalt so angenehm wie nur möglich zu gestalten. Das Wetter dürfte jedenfalls für Hamburger-Heimatgefühle sorgen. Es ist trist, grau und der Regen verwandelt die Umgebung rund um das Kölner E-Werk in eine trostlose Gegend. Im Inneren des Veranstaltungsorts ist vom nasskalten Märzwetter nichts mehr zu spüren. Hier drinnen herrschen tropische Bedingungen und man hat schon ausverkaufte Konzerte im E-Werk mit weniger Zuschauern gesehen. Das Publikum ist bunt gemischt und neben den Hipstern sind verliebte Pärchen ebenso vertreten wie die Beamten, Bankkaufleute und die Schwiegermutter. Selbst einen Schnurrbartträger kann man im Gewühl sichten – auf einem Kettcar Konzert! Muss man sich mal vorstellen! Sachen gibt es. Die Indiepopgötter treffen anscheinend den Nerv vieler unterschiedlicher Zeitgenossen. Zu einer Konsensband sind sie trotzdem nicht geworden.

 

Der junge Teil des Publikums steht sich schon länger die Füße in direkter Nähe vor der Bühne platt. Es ist also angerichtet. Die Band betritt zu wummernden Klängen und bei sehr stark gedimmten Licht die Bühne. Dies bleibt heute Abend so ziemlich die einzige Dramaturgie abseits der Musik. Haben Kettcar auch gar nicht nötig, denn die Songs stehen und sprechen für sich. Dass die neuen Tracks ja eher ruhiger sind, dürfte sich mittlerweile von Flensburg bis nach Oberstdorf herum gesprochen haben. Kettcar spielen von „Zwischen den Runden“ heute und hier eine ganze Menge Stücke. In so einer großen Halle könnte sich das auch schnell zum Bumerang entwickeln. Reicht die Aufmerksamkeitsspanne der Leute für die leisen Zwischentöne? Aber hallo! Selten hat man eine derartige Stille gehört. Nicht mal die kleinste Unterhaltung aus dem Publikum ist zu vernehmen. So verwundert es auch nicht, dass selbst Bassist Reimer Bustorff von der andächtigen Stille bei den ruhigen Momenten sichtlich beeindruckt ist und dies auch zum Ausdruck bringt. Das spricht eindeutig für Kettcar und die neuen Songs. Zumindest hier in Köln funktionieren diese prächtig und da entwickelt sich das Kölner E-Werk auch mal ganz schnell zum Wohnzimmer und es stellt sich nicht selten das Gefühl ein, dass die Band nur für einen ganz alleine spielt. Ganz groß!

 

Tolle Momente gibt es viele. Die Eröffnung mit „Rettung“ ist natürlich perfekt gewählt. Schon auf der neuen Platte ist die Nummer der Schlüssel, der einem die Tür zu „Zwischen den Runden“ öffnet. Es sind die vielen kleinen und bezaubernden Zwischentöne, die ein Kettcar Konzert immer zu etwas Besonderem machen. Wenn Eric und Reimer bei „Schwebend“ einen rhythmischen Takt klatschen ist das wiederum derart vertrackt, dass der Großteil des Publikums damit restlos überfordert ist. Natürlich werden die alten Stücke dankbar angenommen und mit „Graceland“ ist dann auch der erste Song im vorderen Drittel platziert, der nicht nur zum Zuhören und Nachdenken einlädt, sondern die Menge auch ordentlich durch rüttelt.

 

Ein bisschen Kettcar Bildung gibt es zwischen den Songs auch immer wieder. So erfährt man beispielsweise, dass die Band heute das zehnte Konzert in Köln spielt und dabei jedes Mal „Balkon gegenüber“ auf der Setlist stand. Entsprechend groß ist natürlich die Freude bei der Anhängerschaft, dass das Ding auch an diesem regnerischen Tag ebenfalls raus gehauen wird. Es mag sein, dass Marcus Wiebusch jeden Abend die Geschichte von „Balu“ erzählt. Geschenkt! Er macht das auf eine so sympathische Art und Weise, dass man hier jedenfalls das Gefühl hat, dass er seinen Monolog über Macho-Männer und diesen Song in Köln erstmals zum Besten gibt.

 

„Im Süden“ und „Money left to Burn“ haben musikalisch eher wenig miteinander zu tun und doch feiern beide das Leben und somit macht dieser Doppelpack natürlich Sinn. „Stockhausen, Bill Gates und ich“ oder „Im Taxi weinen“ werden natürlich in Feierlaune angenommen. Mittlerweile darf man hier sogar schon von Klassikern des Backkatalogs sprechen. Die ersten (geplanten) Zugaben mit „Deiche“ und „Wir danken der Academy“ sind natürlich Selbstläufer – so gehört sich das. Das famose „Am Tisch“ wird nicht nur durch das Akkordeonspiel von Eric veredelt, sondern man darf auf einer wunderbar schrägen Trompete lauschen – Reimer gibt sichtlich sein Bestes. Es sind eben die unperfekten Momente die bei Kettcar so bezaubernd wirken. Mit „Schrilles buntes Hamburg“ und der Hymne der Hafenstadt schlechthin - „Landungsbrücken raus“ - wird noch mal ordentlich auf das Gaspedal getreten. Danach ist der Zauber leider schon vorbei. Zu schnell vorbei, denn dieses Kettcar Konzert war wahrlich eine zauberhafte Veranstaltung.

 

Dieser Märzabend zeigt mal wieder, dass Kettcar eine der sympathischsten Bands der Republik sind. Man möchte sie einfach mal ganz feste drücken, so herzig sind die Jungs und die Songs. Übrigens sind an diesem Abend die Instrumente perfekt abgemischt und aufeinander abgestimmt. Der Klang ist glasklar und beeindruckend. Hört man so nicht alle Tage und heute war wirklich jede noch so kleine Nuance auszumachen. Zwischen andächtiger Stille und amtlichen Ausflippen ist alles dabei. Und übrigens: keiner tanzt so schön mit seinem Bass wie Reimer Bustorff – weltweit. Mach immer was Dein Herz Dir sagt, mach immer was Dein Herz Dir sagt! Machen wir – das nächste Kettcar Konzert kommt bestimmt und was dann das Herz sagt dürfte klar sein!

 

Ein paar bildliche Impressionen gibt es hier.

 

http://www.kettcar.net/

 

Text: Torsten Schlimbach

 

(Torsten Schlimbach bedankt sich bei Janna Prager von Off The Record und natürlich bei Kettcar für die freundliche Unterstützung!)

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