Biffy Clyro: 01.12.2013, Mitsubishi Electric Halle, Düsseldorf

Die besinnliche Jahreszeit ist angebrochen und an diesem 1. Dezember darf auch das erste Kerzchen entzündet werden. Dies denken sich auch Biffy Clyro, allerdings haben die Schotten an diesem nasskalten Dezembertag gleich ein ganzes Feuerwerk im Gepäck. Biffy Clyro ist schon ein Phänomen. Gibt es eigentlich tatsächlich noch Konzertgänger, die diese Truppe dieses Jahr noch nicht gesehen haben? Die Band konnte sich die letzten zwölf Monate in die Herzen der Menschen spielen und das dazugehörige Album „Opposites“ war extrem erfolgreich. Aus der klitzekleinen Indieband ist mittlerweile eine Kapelle geworden, die auch die mittelgroßen Hallen spielend füllt – und dies, obwohl Biffy Clyro im Jahr 2013 an jeder Milchkanne gespielt hat.

 

Die altehrwürdige Halle in Düsseldorf ist nicht nur gut gefüllt, sondern fast voll. Das Gedrängel ist dementsprechend groß und die Vorfreude fast greifbar. Wann hat man das letzte Mal an dieser Stätte eine derartig aufgeladene Atmosphäre spüren dürfen? Die beiden Vorbands lässt ein Großteil – mehr oder weniger – allerdings an sich vorbeirauschen. Heute sind ausnahmslos alle wegen Biffy Clyro hier und entsprechend groß ist die Begeisterung als um kurz nach 21 Uhr das Intro vom Band einsetzt und der Sister Sledge Song „We Are Family“ die Ankunft der Schotten ankündigt. Dann tritt Simon Neil – wie immer mit freiem Oberkörper – vor die Menge und „Different People“ läutet das Konzert ein. James und Ben Johnston folgen und ab da gibt es auf der Bühne kein Halten mehr.

 

Eigentlich liegt ja der Verdacht nahe, dass die drei Herren mittlerweile so routiniert sind, dass die Konzerte einfach nur noch auf einer Arschbacke abgerissen werden. Routine hin oder her, davon ist hier und heute nichts zu merken. Biffy Clyro gehen so zu Werke, als wären sie nach Monaten der Konzertabstinez von der Kette gelassen worden. Nichts deutet darauf hin, dass die Musiker eventuell nur noch Dienst nach Vorschrift abliefern. Wäre dies ein Fußballspiel, dann dürfte man durchaus von einem Kantersieg sprechen. Die Spielfreude ist groß und auf der Bühne wird sich der Hintern aufgerissen. Da wird aber nicht nur gegrätscht und gekämpft wie einst Jürgen Kohler es tat, nein, da blitzt auch immer wieder das Ausnahmetalent von Messi auf. Wir sind aber nicht bei einem Fußballspiel sondern auf einem Konzert von Biffy Clyro und wer in letzter Zeit öfters was über Abrissbirnen gelesen hat: diese Band klingt so. Es ist heftig. Es ist laut. Es ist gut bis sehr gut.

 

Zu Beginn des Konzerts ist gerade bei den lauten Passagen der Sound noch etwas breiig und undifferenziert. Dies kriegen die dafür zuständigen Herren aber im weiteren Verlauf des Abends in den Griff und dann ist die Geschichte erstaunlich austariert – trotz dieser immensen Lautstärke. Irgendwann wird Simon Neil sogar mit Akustikgitarre ganz alleine auf der Bühne stehen und Lagerfeuerromantik verbreiten. Die einen erfreut es, während andere etwas von scheiß Balladenkacke rufen und sich schon einen Tatort-Stream herbeisehnen. Das ist natürlich mit einem Augenzwinkern zu verstehen, aber dies unterstreicht letztlich nur, dass Biffy Clyro mittlerweile eine Band ist, die viele Arten an Fans unter einen Hut bringen muss. Manch einer mag bemängeln, dass sich die Combo ein großes Stück zum Mainstream geöffnet hat, aber ist die Band darum schlechter geworden? Ein ganz klares Nein kann da nur die Antwort sein. Wie sich die Musiker hier durch das Set wühlen, ist schon beachtlich. Die vertrackten Stücke mit progressiven Elementen und die vielen Rhythmuswechsel sind ja nicht verschwunden und wer das erstmals sieht und hört, staunt schon die berühmten Bauklötze.

 

Die Band vergisst keinesfalls die eigenen Wurzeln und so gibt es auch Songs der Frühphase zu hören. Das Set ist gut durchgemischt und entsprechend freudig werden die Singles der Anfangszeit wie „57“ oder „Glitter And Trauma“ als alte Bekannte begrüßt. Dies zeigt auch, dass Biffy Clyro auf eine gewachsene Fanbasis bauen können, die durchaus mit dem Backkatalog vertraut ist. „Bubbles“ und „Spanish Radio“ werden ebenso abgefeiert, wie auch das verhältnismäßig ruhige „Opposite“ im Zugabenblock. Dazwischen wird auf der Bühne gesprungen, gerannt, geschrien und der Rock and Roll gearbeitet. Es mag eine Masche sein, dass die Herren das Konzert schon mit freiem Oberkörper beginnen, allerdings sind sie nach dem ersten Song ja auch schon derart verschwitzt wie andere Musiker nach einem zwei Stunden Konzert. Zweckmäßige (Nicht-)Bekleidung. Nach „Stingin´ Belle“ und „Mountains“ ist dann Schluss und man nimmt der Band durchaus die Dankbarkeit ab, die sie dann noch zum Ausdruck bringt. Selbiges gilt auch für die kurzen Dankesbekundungen zwischen den Songs – übrigens teilweise auf deutscher Sprache. Sympathische Jungs, die nicht vergessen haben wo sie herkommen. Man blickt nach dem Konzert überall in freudige Gesichter und das nasskalte Wetter ist auf dem Weg zum Auto längst vergessen. Besser kann die Weihnachtszeit nicht beginnen!

 

Fazit: Falls es noch Menschen gibt, die Biffy Clyro noch nicht gesehen haben, dann sollten diese Biffy Clyro aber ganz dick auf die Liste der nächsten Konzertbesuche setzen. Die Schotten gehören ohne Zweifel momentan mit zum Besten, was man auf europäischen Bühnen bewundern kann. Extrem große Spielfreude gepaart mit einer Versiertheit an den Instrumenten – live übrigens unterstützt durch einen zweiten Gitarristen und einen Keyboarder, die beide allerdings im Halbdunkel agieren müssen – sorgen dafür, dass man das Konzert so schnell nicht mehr vergisst. Das Düsseldorfer-Konzert von Biffy Clyro gleicht einer Rockmesse und sorgte für so manchen offenen Mund - dass die Band dabei überaus sympathisch wirkt, passt da nur allzu gut ins Bild. Biffy Clyro fahren einen Kantersieg nach allen Regeln der Kunst ein!

 

Fotos gibt es hier

 

Setlist:

We Are Family (Intro)

1.Different People

2.That Golden Rule

3.Who's Got a Match?

4.Sounds Like Balloons

5.Biblical

6.Accident Without Emergency

7.God & Satan

8.Glitter and Trauma

9.Bubbles

10.Spanish Radio

11.The Joke's on Us

12.The Rain

13.Folding Stars

14.Living Is a Problem Because Everything Dies

15.57

16.Many of Horror

17.Modern Magic Formula

18.Black Chandelier

19.Woo Woo

20.The Captain

Encore:

21.Opposite

22.Stingin' Belle

23.Mountains

 

(Torsten Schlimbach bedankt sich bei Linda Pritzkow und Check Your Head, Warner Music und natürlich Biffy Clyro für die freundliche Unterstützung!)

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