Cassandra Steen - Interview am 30.01.2009

Am 30. Januar trafen wir uns mit Cassandra Steen zu einem Interview in Köln. Ein ruhiges Plätzchen zu finden ist um diese Jahreszeit gar nicht so einfach, denn es regiert der Frohsinn in und um Köln. Karneval! Selbst das für seine Ruhe bekannte Hotel an der Kölner Zoobrücke war an diesem Freitag fest in Narrenhand. Ein Ausweichraum war aber schnell gefunden und so konnten wir mit Cassandra Steen doch noch ein entspanntes Interview führen. Wir trafen auf eine sehr, sehr nette Gesprächspartnerin, die erfreulich bodenständig geblieben ist.

Hallo Cassandra, Danke erstmal für Deine Zeit! Viel Promostress die letzten Tage?

Och, es geht so. Es ist natürlich alles etwas viel, aber es macht auch wahnsinnig viel Spaß und meist läuft das dann doch recht entspannt ab.

Ich durfte bisher acht Songs aus „Darum Leben Wir“ hören. Das Album wirkt auf mich sehr melancholisch und gleichzeitig, als ob Du auf der Suche nach etwas wärst. Täuscht der Eindruck oder bist Du wirklich auf der Suche? Und hast Du es gefunden?

Hmm, also ich glaube auf der Suche bin ich wahrscheinlich immer. Nach einer gewissenen Ruhe, nach einer inneren Ruhe. So eine Art von Selbstfindung, dass man seinen eigenen Wert findet und dass man seinen eigenen Wert schätzt. Das ist es auch, was die Platte so ein bisschen rüberbringt. Diese Melancholie, wie sie oft genannt wird, empfinde ich eher als Nachdenklichkeit. Das sind so gewisse Dinge aus dem Leben und wie man damit so umgeht. Man kann einfach die Schulter runterhängen lassen und weinerlich sein. Für mich war es halt wichtig, was habe ich selber gebraucht, um aus solchen Situationen herauszukommen. Das ist es dann auch, was diese Platte so zeigt und verarbeitet hat.

Sind die Songs auch gleichzeitig das Ende eines Kapitels und Lebensabschnitts? Ist in diesem Zusammenhag Loslassen und Neuanfang ein Thema, dass Dich zu der Scheibe bewegt hat.

Nein, nicht wirklich. Das ist einfach wie man weitergeht, ohne dass man großartig was abschließen muss. Man sollte die Vergangenheit schätzen, aber nicht festhalten. Ebenso die Zukunft. Man sollte den Augenblick leben und nicht schon irgendwas in der Zukunft suchen, damit man die Gegenwart eben nicht verpasst und darum geht es.

Hast Du die Antworten auf alle Fragen gefunden? Der Song „Darum leben wir“ klingt jedenfalls so.

Mhm, ich weiß was Du meinst. Aber mir wäre doch sehr langweilig, wenn das zutreffen würde. Ich glaube, es weiß irgendwie jeder, dass man sich mehr auf sich selbst besinnen könnte. Das klappt natürlich nicht immer. Manchmal kommen einfach so viele Dinge zusammen und man ist überfordert. Es geht einfach darum, wie findet man wieder diese und seine Mitte. Man wird ja immer wieder aus der Mitte herausgerissen. Das ist ja auch gar nicht so schlimm. Man sollte nur immer wieder dahin zurückfinden.

Sind die Texte eigentlich Fiktion oder autobiografisch? Das Duett mit Xavier Naidoo „Lass Mich nicht hier“ klingt sehr persönlich. „Eis“ klingt auch wie eine Bestandsaufnahme. Im Grunde könnte ich fast jeden Track nehmen.

Ein Teil ist natürlich total autobiografisch. Fiktion würde ich jetzt gar nicht sagen. Das ist eher so aus meiner Umwelt und wie die mit Situationen und gewissen Dingen umgeht. Da inspirieren mich dann auch Gespräche mit Freunden und der Familie.

Für mich klingt das Album sehr persönlich. Hat man als Künstlerin nicht auch Angst zuviel von sich als Person preiszugeben?

Nein, ich nenne ja keine Namen. Es war mir sehr wichtig, dass es persönlich klingt. Ich kann ja nicht schauspielern. Ich sehe mich da auch nicht als Entertainerin. Es ist in unserer Zeit auch gar nicht nötig sich was auszudenken. Man muss sich nur umsehen. Vieles kann man dann auch als Hörer nachvollziehen, wenn man ein bisschen Empfindsamkeit dafür hat. Man kann das ja auch aus einer anderen Perspektive angucken.

Wie kam es zu der Zusammenarbeit mit Adel Tawil? Kanntet ihr euch schon länger?

Nein, gar nicht. Wir haben uns ganz neu kennengelernt. Wir haben an der Platte ja 2 ½ Jahre gearbeitet. Es gab Sessions, die nicht gut gelaufen sind. Wir waren damals auch der Meinung, wenn wir die so veröffentlichen würden, wäre der Druck immens hoch. Jetzt gibt es fast keinen Druck mehr, weil ich mit der Platte so zufrieden und glücklich bin. Da kann ich dann auch sagen, dass ich da zu 100 % dahinter stehe. Das war am Anfang allerdings nicht so. Da haben wir ein Team zusammengesucht und da wurde Adel gefragt ob er Lust und Zeit hätte. Hatte er dann auch und wir haben uns super verstanden. Das ist ja auch immer wichtig, dass man sich gut versteht und dass man da gar nicht so viel erklären muss. Musste man dann auch nicht und so kam es zu dieser wundervollen Zusammenarbeit. Überhaupt waren wundervolle Menschen bei dieser Platte dabei.

Die Scheibe klingt für mich sehr homogen und hat den berühmten roten Faden…

Oh, vielen Dank, das ist schön, dass Du das sagst.

Ja, manchmal sucht man den ja irgendwie vergeblich. Hast Du bei der musikalischen Ausrichtung auf ein Konzept geachtet?
Nein gar nicht. Es ging immer nur darum, dass man da Instrumentals durchhört. Man hat ja so und so viele Lieder. Man sitzt dann da und ist fast schon ein bisschen taub und hört sich das dann an. Und plötzlich kommen Lieder, die Dich berühren. Die pickt man sich dann raus und die hört man sich dann einen Tag oder auch mal eine Woche später an und dann guckt man, ob die immer noch diesen Effekt haben. Es ging immer nur darum, wie berührt mich jetzt dieses Instrumental. Inspiriert mich dieses Instrumental zu einem Text.

In diesem Zusammenhang: Was war den zuerst da? Die Texte oder die Musik?

Das war immer verschieden. Manchmal war das auch recht spontan. Wenn ich in Mannheim mit Xavier gearbeitet habe, dann wurde einfach spontan geschrieben. Man hat sich ein Thema überlegt und dann ging es los. Manchmal hat man auch schon einen Text und dann fehlt das Instrumental oder Du hast ein Hammer Musikstück, aber dir fällt kein Text ein und dann braucht man zu Hause noch etwas Bedenkzeit.

Jetzt wo die Scheibe im Kasten ist, bist Du auf die Reaktion der Leute gespannt oder sind Dir diese egal, weil Du damit selber so glücklich und zufrieden bist?
Egal nicht. Man ist gespannt und die Platte entsteht ja nicht nur aus einer eigenen Sache heraus. Ich könnte ja auch sonst nur was für mich schreiben und dies dann einfach nicht raus bringen. Die Idee war jetzt einfach, etwas anderes von Glashaus zu machen, dass die Leute auch den Unterschied hören. Dies war mir sehr wichtig. Dann ging es darum, dass ich Musik mache, die man nicht in eine Schublade steckt. Früher wurde ja auch Musik als Empfindungsbegleiter genutzt. Dann war es Sinn der Sache, dass die Platte Menschen ermutigt und Hoffnung gibt. Beziehungskrisen und wenn man mit sich selbst eine Krise hat und sich auch selbst Fehler eingesteht und wie man da rauskommt. Da bin ich natürlich gespannt, ob die Platte auch so rüberkommt und ob es die Menschen berührt. Es ist auch klar, dass die Scheibe nicht jedem gefällt, aber ich hoffe, dass sie doch dem ein oder andern was bringt.

Wobei ich ehrlich gesagt die Platte nicht in jeder Situation hören könnte. Ich finde die doch sehr traurig und in bestimmten Situationen würde die mich vielleicht zu sehr berühren und runterziehen.
Erstmal ist es natürlich schön, dass sie überhaupt berührt. Vielleicht begleitet sie dann doch und zeigt einen Weg heraus. Dies ist ja auch keine extreme Partymucke. Vielleicht führt sie dahin in Partystimmung zu kommen.

Hast Du eigentlich mal in Erwägung gezogen nicht in deutsch zu singen? Immerhin gibt es die Sprachbarriere bei Deinen Songs nicht und die Leute hören ja doch ganz genau hin.

Doch die Option gab es für mich immer. Allerdings nicht für eine ganz Platte. Wenn ich englische Sachen höre, dann achte ich auch nicht immer unbedingt auf die Worte. Hier ist es natürlich so, dass man schon guckt, wie wurden die deutschen Worte verwendet, wie hart kommen die rüber und wirken die. Man muss sich so ein bisschen daran gewöhnen, dass die deutsche Sprache eben auch zur Poesie genutzt werden kann – auch zu musikalischen Poesie. Das ist eine Herausforderung und das macht wahnsinnig viel Spaß. Man kann es tun, Goethe hat es schon getan und es macht auf jeden Fall viel Spaß. Als Ausgleich auch gerne mal eine andere Sprache, aber wirklich nur als Ausgleich. Die deutsche Musik wächst so extrem und die nächste Generation hat schon gar nicht mehr so eine Aversion gegenüber der deutschen Sprache und ich finde das sehr, sehr wichtig.

Hat man beim Schreiben und den Aufnahmen eigentlich im Hinterkopf, wie so ein Album auf andere wirken könnte und wie das ankommt? Oder blendet man das aus?

Man denkt schon darüber nach, ob die Menschen das verstehen werden. Man weiß ja auch nicht genau, welche Menschen man da anspricht. Manchmal geht es vielleicht auch nicht zu sehr über das lyrische, sondern auch über die Instrumentals oder den Klang der Stimme. Im Idealfalle passt auch beides sehr gut zusammen.

Ich finde bei „Eis“ ist das perfekt gelungen, unabhängig vom Text bilden Stimme und Musik eine sehr schöne Einheit.

Oh, vielen Dank!

Du trittst ja beim Bundesvision Song Contest für Baden-Württemberg an. Mit welcher Nummer?

Mit „Darum leben wir“.

Wie kam es dazu?

Das war eine Anfrage, schon seit längerem. Das ist ja auch eine Ehre, weil das von der Qualität auch sehr gut ist. Mir ist da auch die jüngere Generation so wichtig, dass die auch sehen, dass auch deutsche Musik und Künstler auch international gehen können und dass man da auch zeigen kann, dass es in Deutschland so viele Möglichkeiten gibt. Reggae oder Jazz und das finde ich Hammer. Man bekommt das nicht nur per MP3 vorgestellt, sondern mit richtigen Instrumenten. Vielleicht spüren die Zuschauer so auch, dass es durchaus Qualität gibt und was der Unterschied zwischen – in Anführungszeichen – einer Castingband ist. Man kann sich dann ja immer noch entscheiden, was einen törnt. Es ist ja auch sehr gute Konkurrenz dabei und von daher ist da mitzumachen schon eine Ehre. Ich bin also sehr gespannt was dabei herauskommt.

Du bist ja schon recht lange in diesem Haifischbecken Musikgeschäft dabei…

Oh ja…

und hast ja schon in den 90ern mit Freundeskreis Musik gemacht. Hat sich in diesen zehn bis zwölf Jahren einiges relativiert. Wurden da einige Illusionen zerstört? Gab es für Dich große Enttäuschungen?

Keine große Enttäuschungen und keine Illusionen. Für mich war das sowieso eher sehr unrealistisch. Eher so, jaja da machste mal mit. Ich habe die Größe und das Ausmaß nie richtig realisiert. Die letzten Jahre waren für mich natürlich auch sehr lehrreich. Ich habe auch Künstler gesehen, die tatsächlich Illusionen hatten und daran leider ganz arg gescheitert sind. Diese Gegensätze der reellen Welt und der Welt, in die wir uns begeben. Für mich habe ich da sehr viel mitbekommen, wie ich für mich persönlich damit umgehen möchte. Ich habe das als Chance begriffen. Ich habe da zwar sehr jung angefangen, bin aber nicht sofort da reingeschmissen worden. Ich konnte mich immer im Hintergrund halten. Auch bei Glashaus konnte ich mich auch immer zurückhalten und alles Moses zuschieben. Moses hatte da die ganze Verantwortung. Ich konnte immer beobachten und man hat mir immer die Möglichkeit gegeben das anzugucken.

Wobei Du als Sängerin standest doch schon sehr im Fokus. Ist man da froh, wenn man da Leute hinter sich hat, die einen noch so ein bisschen führen.

Ja, die neben einem stehen. Moses ist nicht – man sagt es ihm vielleicht nach – der Chef und ihr habt mir jetzt alle zu folgen. So ist er nicht. Er hat seine Meinung, geht seinen Weg und man kann da folgen oder nicht. Er hat mich da gut begleitet. Und da er ja die Texte geschrieben hat, hatte er ja auch die Verantwortung für Glashaus. Mehr als ich. Ich bin zwar das Sprachrohe gewesen, aber er hat immer geantwortet. Auch in Interviews, wir saßen da neben und er war trotzdem das Interviewsprachrohr. Ich konnte das mit einem gewissen Abstand beobachten.

Bist Du denn nach all den Jahren der Presse gegenüber vorsichtiger geworden?

Nein, gar nicht. Ich finde, das ist nicht notwendig. Wenn man sich dafür entscheidet, in der Öffentlichkeit zu stehen, dann muss man auch damit klarkommen. Man zieht natürlich für sich selber eine Linie, wie weit möchte man gehen. Aber die Presse hat ja nichts damit zu tun, wenn ich entscheide, dass ich überall gesehen werden muss. Dies ist ja ein Bild, was man von sich selber vermittelt, damit hat die Presse ja nichts zu tun. Ich finde es schon wichtig, wenn man in der Öffentlichkeit steht, auch eine Fläche von sich anzubieten. Es ist ja auch wichtig, dass sich die Menschen – unabhängig von der Platte – entscheiden können, wie ist eigentlich die Person dahinter. Das war mir bei anderen Künstlern auch immer wichtig, wie ist die Person. Sobald ist mitbekomme, das ist nicht auf meiner Wellenlänge, dann will ich das auch gar nicht unterstützen. Es ist doch enorm wichtig, wofür man sein Geld ausgeben möchte. Und da will man natürlich auch wissen, wie viel wird einem da vorgelogen oder nicht. Und wem dieser Aspekt wichtig ist, der sollte auch die Möglichkeit haben sich da entsprechend zu informieren.

Ist das Internet für Dich als Künstlerin da eher Segen oder Fluch?

Das kommt natürlich darauf an wie man das nutzt. Man kann jeden Tag vor dem Internet sitzen und auf MySpace erzählen, was man den ganzen Tag so tut oder man gibt die wichtigen Informationen weiter und kann z.B. auch Fragen der Fans beantworten. Da aber auch einen Strich ziehen, dass es nicht Überhand nimmt. Man muss auch eine gewisse Übersicht behalten.

Was hat Dich denn zu der Platte inspiriert?

Als Musik alles möglich. Vom Gesang natürlich Marvin Gaye. Gospel und klassische Musik. Ich hatte früher klassischen Unterricht. Von meinem Großvater Fleetwood Mac, die liebe ich auch ganz arg. Von meiner Mutter kommt eher Sade, von meinem Onkel kenne ich Metallica und Guns `n´ Roses. Ich kann vermutlich in allen Bereichen irgendwo mitgrölen. Ich finde, um Musik zu machen, muss man auch Musik hören. Mich berührt z.B. auch Joe Cocker. Der hat zwar nicht so ein großes Repertoire, gesanglich, aber es ist trotzdem dieser Ausdruck. Qualität. Es gibt in allen Bereichen gute und schlechte Musik. Es gibt auch einen Stefan Raab, der eher was witziges macht, aber das ist immer Qualität, hör Dir mal die Instrumente an, das ist Qualität. Das inspiriert dann auch.

Gehst Du mit der Platte auch auf große Tour und was können wir da erwarten?

Also es ist so grob Ende Sommer, Anfang Herbst geplant. Wie groß muss man abwarten. Es kommt natürlich auch auf die Nachfrage an, wie viele Menschen wollen mich hören. Ich mache aber auch sehr gerne eine kleine Tour in Clubs. Ich fühle mich prinzipiell geehrt, wenn mich Menschen hören und sehen wollen. Ich bin einfach gespannt. Das ist ein Geben und Nehmen und darauf freue ich mich.

Wird es in Zukunft auch wieder was mit Glashaus geben und ist das nur auf Eis gelegt?

Wirklich nur auf Eis gelegt und da wird es auch in Zukunft wieder was geben und darauf freue ich mich.

Vielen Dank für das Gespräch und Deine Zeit!

Sehr, sehr gerne.

 

http://www.cassandra-steen.de

 

(Torsten Schlimbach bedankt sich für die freundliche Unterstützung bei voll:kontakt und Philip Skupin, bei Universal und natürlich bei Cassandra Steen)

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