Tom Petty: Wildflowers & All The Rest (Deluxe)

Tom Petty: Wildflowers & All The Rest (Deluxe)

Warner

VÖ: 16.10.2020

 

Wertung: 12/12

Tipp!

 

Die Re-Issue von „Wildflowers“ hat eine lange Reise hinter sich. Bereits 2014 sprach Petty davon, dass das Album noch mal in ganz neuem Glanz erscheinen sollte. Ursprünglich in den 90ern stellten Petty, Rick Rubin und Mike Campbell das Werk als Doppel-CD fertig. Das Label befand das Album aber als viel zu lang und riet zur Kürzung. Letztlich wurde eine Einzel-CD mit immer noch 15 Songs herausgebracht. 2016 schwirrte das Projekt Petty abermals im Kopf herum und er wollte die erneute Veröffentlichung mit einer Tour begleiten. Petty hat dann den Planeten viel zu früh verlassen (müssen) um die Band im Jenseits zu verstärken. Man hat es nun geschafft, dass seine ursprüngliche Vision des Albums doch noch veröffentlicht wird. Der Titel „Wildflowers & All The Rest“ ist da etwas holprig gewählt worden, denn es handelt sich auch bei den übrigen Stück um vollwertige Songs, die zwingend zu „Wildflowers“ gehören!

 

Kuratiert wurde „Wildflowers & All The Rest“ von seiner Frau Dana Petty und von Toms Töchtern Adria und Annakim. Mike Campbell und Benmont Tench von den Heartbreakers gaben ebenfalls ihren Segen dazu. Ryan Ulyate fungierte als Co-Produzent. Sämtliche Songs wurden natürlich remastert. Jetzt wird dieses Meisterwerk so veröffentlicht, wie es Petty einst im Sinn hatte. Die Deluxe Edition oder Super Deluxe Edition kann musikalisch und inhaltlich vollends überzeugen. Auf letztgenannter Version gibt es dann noch die Alternate Versions. Insgesamt besteht das Set aus 9LPs oder 5CDs. Die Deluxe Edition kommt immerhin auf 7LPs oder 4CDs!

 

Die erste Hälfte der 90er war keine leichte Zeit für Petty. Seine Ehe lag in Trümmern und das Verhältnis zu den Heartbreakers war auch nicht viel besser. Mike Campbell stand ihm treu zu Seite, aber der Rest der Kapelle wurde nur ins Studio gelassen, wenn es tatsächlich unbedingt notwendig war. Ringo Starr trommelte auf einem Track. Der Rest ist, wie man so sagt, Geschichte. „Wildflowers“ wurde eines seiner besten Alben und war zudem immens erfolgreich.

 

Über weite Strecken mag es ein leises und nachdenkliches Album sein, es hat aber auch ein paar seiner besten Rocksongs zu bieten. „You Don´t Know How It Feels“ hat das beste Mundharmonikaspiel in einem Petty-Song überhaupt aufgefahren. Das Schlagzeug scheppert stoisch und die Gitarren leiten die Nummer sicher über die Ziellinie. „You Wreck Me“ kommt schnell und knochentrocken auf den Punkt. „Honey Bee“ legt sogar noch ein paar Briketts drauf und lärmt sich wunderbar durch die Prärie. Petty klingt da recht angriffslustig. „Cabin Down Below“ ist ähnlich angelegt. Man hört deutlich, dass Rubin da seine Hände im Spiel hatte.

 

Der Opener „Wildflowers“ ist eines der schönsten Stücke von Tom Petty. Es mag thematisch ein trauriges Album sein, aber Petty hat auch immer etwas Hoffnung und Positives mitschwingen lassen. „Time To Move On“ ist musikalisch durchaus ein Mutmacher. Natürlich gibt es auch die Schwere und traurige Seite. „Only A Broken Heart“ lässt da keine Fragen mehr offen. Dazu gesellt sich dann eine typische Petty-Nummer wie „A Higher Place“. Für derartige Songs hatte der Mann ein Händchen wie kaum ein anderer. „Wake Up Time“ ist der Abschluss eines tollen Albums – mit Piano und einer kitschigen Ausstattung. Genau richtig!

 

Der hier als Rest betitelte Teil der Veröffentlichung fällt gegenüber dem Album nicht ab. Die Songs des zweiten Teils stehen sogar gleichberechtigt daneben. Man nehme nur den Übersong „Hung Up And Overdue“, jener Nummer, die man schon vom „She´s The One“-Soundtrack kennt. Die Genialität eines Brian Wilson dürfte da Pate gestanden haben. Für solche Songs gibt es nur ein Wort: brillant! Diese Seite von „Wildflowers“ ist – bis auf Kleinigkeiten – nämlich genau das,  brillant. Das fängt schon mit dem melancholischen „Something Could Happen“ an. Das düstere „Climb That Hill Blues“ ist sparsam arrangiert und instrumentiert, ist aus diesem Grund aber für eine dicke Gänsehaut gut. „Confusion Wheel“ bleibt auf der Schattenseite, wird von Petty aber auf eine fast schon zärtliche Art gesungen. „California“ kommt anschließend wieder etwas aus den Puschen und die Schattierungen ändern sich und es zieht ein bisschen die Sonne auf. „Climb That Hill“ ist der lärmende kleine Bruder von „Climb That Hill Blues“ und eine weitere Sternstunde.

 

Der dritte Teil beschäftigt sich mit Pettys Demos, hier als Home Recordings betitelt. „There Goes Angela (Dream Away)“ dürfte bisher unbekannt sein und entpuppt sich als schöne Nummer und faustdicke Überraschung. Ein bisschen verbreiten die Songs Lagerfeuerromantik, da selbige ja noch nicht voll ausgearbeitet und instrumentiert sind. So rückt die Mundharmonika von „You Don´t Know How It Feels“ noch prominenter in den Fokus. „A Feeling Of Peace“ dürfte ebenfalls unbekannt sein. Eine schöne Nummer, die keinesfalls unter Ausschussware zu verbuchen ist. Mit „There´s A Break In The Rain (Have Love Will Travel)“ ist hier auch ein Track dabei, der als „Have Love Will Travel“ erst auf „The Last DJ“ Verwendung gefunden hat.

 

Der letzte Teil besteht aus vierzehn Live-Songs, die Petty und seine Heartbreakers von „You Don´t Know How It Feels“ über „Honey Bee“ und „Crawling Back To You“ bis zu „You Wreck Me“ und „Wildflowers“ jeweils auf der Höhe zeigen.

 

Fazit: Tom Petty musste leider viel zu früh gehen. Mit „Wildflowers“ hat er der Welt ein Meisterwerk geschenkt. Jetzt wird selbiges vollendet, so wie er es einst im Sinn hatte. Angereichert um Home Recordings und Live-Aufnahmen ergibt das ein rundherum gelungenes Bild ab. Besser kann man ein Album eigentlich nicht würdigen – Petty würde es in dieser Form vermutlich lieben! Mehr geht nicht!

 

https://www.tompetty.com

 

Text: Torsten Schlimbach

Tom Petty and the Heartbreakers: Mojo (Limited Tour Edition)

Tom Petty and the Heartbreakers: Mojo (Limited Tour Edition)

Warner

VÖ: 08.06.2012

 

Wertung: 11/12

Tipp!

 

Tom Petty muss ein überaus glücklicher Musiker sein. Frei von allen Zwängen des Geschäfts trommelt er seine alte Mannschaft wieder zusammen und schüttelt mit „Mojo“ ein Album aus dem Ärmel, welches nach keinem Marketingplan entworfen wurde und unter Garantie auch nicht irgendwelche Käuferschichten im Auge hatte. Letztere ergibt sich durch die Fanbasis zwar wie von selbst und trotzdem hört man der Scheibe einfach an, dass hier jeder Ton genau so ist, wie ihn die Mannen um Petty haben wollten.

 

Neil Young hat Crazy Horse, Bruce Springsteen die E-Street Band und Tom Petty seine Heartbreakers. Zwar machen sich diese alten Recken der Rockmusik auch immer wieder auf, die Welt auf Solopfaden zu beglücken, aber immer wieder finden sie in den Schoß der Band zurück. Bei Petty dauerte dies nun geschlagene acht Jahre, aber nun wurde das alte Feuer bei allen Beteiligten wohl wieder entfacht. „The Last DJ“ datiert immerhin von 2002. In der Zwischenzeit waren Mike Campbell und Benmont Tench beispielsweise für die „American Recordings“ Aufnahmen von Johnny Cash im Einsatz.

 

Dann stand ja noch das Mammutprojekt der 4-CD-Box „The Live Anthology“ an und schließlich kam Petty auch noch die Idee in den Sinn, die Southern-Rock-Gruppe Mudcrutch wiederzubeleben. Dies alles dürfte nachhaltigen Einfluss auf „Mojo“ gehabt haben. Dieses Album klingt nämlich fast wie ein Relikt aus einer anderen Zeit. Overdubs? Fehlanzeige! Musiker, die sich nicht das Studio teilen und mittels moderner Kommunikationsmittel ihren Part von A nach B schicken? Fehlanzeige! Die sechs Bandmitglieder standen gemeinsam im Studio und spielten die Scheibe live ein. Das muss man sich mal vorstellen – LIVE! Die jüngere Musikergeneration weiß vermutlich gar nicht mehr, wie man dies in einem Studio handhaben soll.

 

So ist letztlich mit „Mojo“ ein Werk entstanden, welches von Musikliebhabern über alle Maßen geschätzt werden wird. Sicherlich ist dies nur eine Scheibe für Menschen jenseits der 30, böse Zungen würden vielleicht sogar das Wort Altherrenmusik in den Mund nehmen. In letzter Konsequenz ist dies einfach ein uramerikanisches Album, welches die verschiedenen Spielarten unter einen Hut bringt. Man darf dann auch durchaus das Wort zeitlos in Bezug auf „Mojo“ in den Mund nehmen. Die fünfzehn Songs sind nämlich erdig, authentisch und vermitteln die pure Freude an der Musik!

 

Zwischen Country, Blues, Southernrock und natürlich auch den einen oder anderen Folkelementen kristallisiert sich ein Werk heraus, welches zutiefst im Americana verankert ist. So gut waren Tom Petty and the Heartbreakers schon lange nicht mehr. Man spürt einfach die besondere Energie, die von den Musikern ausgeht, wenn sie zusammenspielen. Das ist selten und wertvoll! Schon der bluesige Auftakt „Jefferson Jericho Blues“ lässt allen Heartbreakers genug Spielraum zur Entfaltung. Getragen von dem Harmonicaspiel eines Scott Thurston läuft auch gerade Mike Campbell zur Hochform auf. „First Flash Of Freedom“ lässt die Melodien schwirren und fliegen und ist die pure musikalische Entspanntheit. Das Gitarrenspiel nimmt übrigens schon Züge des Progrock an. „Running Man´s Bible“ wandelt erneut auf den Spuren des Blues, bevor das wunderbare „The Trip To Pirate´s Cove“ sich in Balladengefilde aufmacht. Was heißt überhaupt Ballade? Das ist heute ja meist negativ behaftet. Diese musikalische Vielfältigkeit, mit der die Musiker hier zu Werke gehen, hat eine ganz andere Qualität. Zurücklehnen, Augen schließen und genießen.

 

„Candy“ steht dann ganz in der Tradition der letzten Bob Dylan Alben. Petty kopiert aber nicht nur, sondern ist auf eine Stufe mit dem Meister zu stellen. Die Rhythmussektion mit Ron Blair und Steve Ferrone treibt die Nummer unaufhörlich nach vorne. Mike Campbell tobt sich dazu immer wieder auf seiner Spielwiese aus und legt die eine oder andere Gitarrenfigur auf das Tablett, dass es eine schiere Freude ist. „No Reason To Cry“ ist abermals im Balladenfach anzusiedeln, nur um anschließend mit „I Should Have Know It“ den ersten richtigen Rocksong von der Leine zu lassen – mit allem was dazugehört. „U.S.“ klingt gar wie aus den ganz großen Zeiten des Blues entsprungen. Und immer dann, wenn man denkt, jetzt müsste die Platte aber abfallen, kommt schon der nächste Kracher um die Ecke. So einen Stampfer wie „Takin´ My Time“ kriegen einfach nur die ganz Großen aus dem Handgelenk geschüttelt – und zwar ohne, dass es peinlich oder aufgesetzt wirkt. „Let Yourself Go“ und „Don´t Pull Me Over“ sind sehr guter Heartbreakers-Standard, bevor einen „Lovers Touch“ glatt in eine verrauchte Bar entführt. Ach so, rauchen darf man da ja gar nicht mehr. Die Scheibe klingt aber ebenso. Und nach Whiskey, nach Schweiß, nach Staub der Straße und nach der Schwüle der Sümpfe! „High In The Morning“ zieht das Tempo dann glatt noch mal an. „Something Good Coming“ biegt in Springsteen-Manier auf die Zielgerade ein und „Good Enough“ ist schließlich der tieftraurige und großartige Abschluss.

 

Die Limited Edition enthält nun noch eine zusätzliche CD mit Livesongs. Seit einer gefühlten Ewigkeit beehrt der Meister nun noch mal die deutschen Fans und da macht sich dieses Doppelset natürlich ganz gut, gerade aufgrund der Tatsache, dass die zwölf Aufnahmen auch recht aktuell sind und während der Tour 2010 aufgezeichnet wurden. Wer sich „Mojo“ bisher also noch nicht zugelegt hat kann sich freuen und nun auf die limitierte Ausgabe zurückgreifen. Auf welchen Fan trifft diese Tatsache denn zu? Eigentlich wären hier kritische Töne mehr als gerechtfertigt, da man mittlerweile ja gar nicht mehr weiß, wann denn nun der richtige Zeitpunkt ist ein Album käuflich zu erwerben. Es ist ja nun schon an der Tagesordnung, dass nach relativ kurzer Zeit immer wieder die eigentlichen Alben mit jeder Menge Bonusmaterial – sei es nun live, Outtakes oder Remixe – erneut auf den Markt geschmissen werden. Der Fan guckt dabei oftmals in die Röhre und muss in den sauren Apfel beißen und sich das Ding im Zweifel erneut kaufen. In Zeiten von sinkenden Abverkäufen und wenig Vertrauen in die Branche ist das eine Unart, die nicht besonders schön ist.

 

Im vorliegenden Fall liegen die Dinge allerdings etwas anders, denn man bekommt dieses 2-CD Set zum Preis einer Einzel-CD. Wer „Mojo“ also schon im Regal stehen hat, kann also ruhig ein zweites Mal zugreifen, da die zweite CD im Grunde ein vollwertiges Livealbum ist! Ein verdammt gutes zudem! Unbedingt laut hören! Wie gut ist bitte diese Abmischung und der Klang?! Hier ist jeder Ton deutlich zu vernehmen.

 

Gerade bei den alten Heulern wie „Listen To Her Heart“, „You Don´t Know What It Feels“, „I Won´t Back Down“ oder „Refugge“ und „American Girl“ könnte man ja denken, dass man die von Petty und den Heartbreakers schon bis zum Erbrechen gehört hat. Umso überraschender ist es, dass die Songs derart frisch und zum Teil noch um feine Nuancen umarrangiert klingen. Nichts ist mit lieblos runtergespielt. Das macht verdammt noch mal eine ganze Menge Spaß! Auch die neueren Tracks fügen sich gut in das Gesamtbild ein. Das ist stimmig und bei den zwölf Stücken zeigt sich abermals, dass dies eine der besten Formation ist, dieses Genre zu bieten hat. Herausragend ist „You Don´t Know What It Feels“ - die Mundharmonika ist das Eintrittsgeld schon alleine wert!

 

Fazit: Mit „Mojo“ ist Tom Petty and the Heartbreakers ein vorzügliches Album gelungen. Die sechser Bande taucht ganz tief in die amerikanische Musik ein. Dies ist garantiert nichts für den schnellen Konsumenten, da man sich in die Scheibe reinwühlen kann und muss und es zudem an jeder Ecke etwas zu entdecken gibt. Erdig und authentisch bahnt sich die Band ihren Weg bis an die Wurzel allen musikalischen Ursprungs ihres Mutterlands. Hier präsentiert sich eine Formation, die frei von allen Zwängen Songs nach ihrem Gusto aufgenommen hat. Die Live-CD verkürzt die Wartezeit bis zu den Konzerten, steigert die Vorfreude aber zugleich noch mal ungemein!

 

10. Juni - Hamburg, O2-World
25. Juni - Köln, Lanxess Arena
30. Juni - Mannheim, SAP Arena

 

www.tompetty.com

 

Text: Torsten Schlimbach

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