Steve Hackett: Please Don´t Touch (2CDs + DVD-Audio)

Steve Hackett: Please Don´t Touch (2CDs + DVD-Audio)

Universal

VÖ: 27.05.2016

 

Wertung: 10,5/12

Tipp!

 

Drei sehr wichtige Alben von Steve Hackett werden nun erneut mit jeder Menge Bonusmaterial veröffentlicht. Die Rede ist von „Please Don´t Touch“, „Spectral Mornings“ und „Defector“. Wer die vielen Wiederveröffentlichungen aus dem Progbereich in den letzten Jahren verfolgt hat; weiß, dass sich Steven Wilson da besonders hervorgetan hat. Was der Mann noch mal aus den Jethro Tull-Alben herausgeholt hat, war und ist einfach sensationell. Nun hat Wilson auch „Please Don´t Touch“ und „Spectral Mornings“ von den Original-Multitrack Bändern neu im 5.1 Surround Sound abgemischt. Einen neuen Stereo-Mix gibt es zusätzlich obendrauf!

 

Der ehemalige Gitarrist von Genesis trug maßgeblich zu deren Verehrung zur damaligen Zeit bei. Das war noch vor dem großen Poprundumschlag. Hackett war es auch, der als Erster der Band einen Alleingang wagte. Als „Please Don´t Touch“ im Jahre 1978 erschien, war er schon nicht mehr Mitglied von Genesis. Er wollte auf diesem zweiten Werk so viele Stile wie möglich unterbringen. Er selber sprach davon, dass jeder Track wie ein Auszug aus einem Sampler war. Das kann man mitunter bestätigen, allerdings fehlt es „Please Don´t Touch“ keineswegs an einem stimmigen Gesamtkonzept. Das Album ist durchaus kohärent und keineswegs völlig zerschossen. Dies war damals schon erstaunlich und ist es heute immer noch. Die gesamte Atmosphäre ist einfach sehr schlüssig.

 

Die Stilvielfalt dürfte für viele Kollegen prägend gewesen sein. Steven Wilson hat ja schon mal betont, dass „Please Don´t Touch“ ein großer Einfluss für ihn darstellt. Aber auch alle anderen Musikgrenzgänger dürften dieses epochale Werk kennen. Natürlich ist der Progrock allgegenwärtig, aber es gibt auch fast schon astreinen Pop, dazu viele Folk-Elemente und natürlich ist die Klassik auch nicht weit entfernt. Dass er aber auch mit Soul experimentiert hat, liegt sicher nicht direkt auf der Hand. Trotzdem ist das ein sehr geschlossenes Werk und keine Songsammlung.

 

Die Kompositionen sind schlichtweg brillant. „Narnia“ darf als luftiges Gesamtkunstwerk gesehen werden, schlägt aber derart viele Haken, dass es eine schiere Freude ist.  „Carry On Up The Vicarage“ klingt, als würden die Schlümpfe den Folk in den Prog übertragen. Die vielen Instrumentalparts sind dabei nicht mal angestrengt. Man hört Hackett einfach gerne zu. Die Winkelzüge bei „Kim“ - vom Rock über den Prog bis zur Klassik - nehmen einen als Zuhörer mit auf eine musikalische Reise, die man gerne antritt. Und wenn dann der Gesang einsetzt – wie bei „Racing In A“ -, dann besticht das auch noch durch eine unverschämte Eingängigkeit. Das muss man erstmal auf diese Art und Weise bewerkstelligen.

 

Mit Steve Walsh, Randy Crawford und Richie Havens konnte Hackett seinerzeit drei ganz famose Sänger für dieses Album gewinnen. Auch das sorgt für Abwechslung, lässt aber die Harmonie zu keiner Zeit vermissen. Und sein Bruder John ist dann als Flötist auch noch dabei. Und „Necam“ The Computer. „How Can I?“ lässt am ehesten noch seine Vergangenheit bei Genesis erkennen, ist gleichzeitig aber auch eine musikalische Verbeugung vor den Beatles. „Hoping Love Will Last“ wird alleine durch den Gesang von Randy Crawford zu einer bombastischen Soul-Ballade. Vermutlich hat eine Band wie Radiohead „Land Of A Thousand Autumns“ oder „Please Don´t Touch“ sehr stark in ihrer DNA verinnerlicht. „Narnia“ ist auf diesem Album gleich dreimal enthalten. Ob man der Version mit John Perry als Sänger oder der alternativen Version nun mehr abgewinnen wird, muss jeder Hörer für sich entscheiden. Die Faszination des Stückes ist so oder so vorhanden.

 

Der neue „Stereo Mix“ von Steven Wilson ist natürlich nicht schlecht und lässt einen „Please Don´t Touch“ noch mal ganz anders hören. Wilson betont aber ja immer wieder, dass dies nur Abfall wäre, der sowieso für seine Surround Arbeiten anfallen würde. Was der Mann in dieser Hinsicht mal wieder geleistet hat, ist schon beachtlich. Das ist derart transparent, dass man sich erstmal vergewissern muss, dass die Band nicht doch irgendwo im Wohnzimmer die Instrumente aufgebaut hat. Bei sechs Verstärkerkanälen kann man erst so richtig die Kuh fliegen lassen. Herausragend! Die Direktübertragung des Stereo-Mixes setzt da Maßstäbe. Die richtige Ausstattung vorausgesetzt. Die große Kunst von Steven Wilson besteht mitunter auch darin, dass er es schafft die Klangästhetik eines Albums noch mal auf ein neues Level zu heben, dabei aber keineswegs die Atmosphäre verändert oder verwässert.

 

Fazit: „Please Don´t Touch“ von Steve Hackett ist immer noch ein Meisterwerk. Die Stilvielfalt ist einfach grandios. Der rote Faden ist immer hörbar, was schon an ein Wunder grenzt. Der Mann war hier auf seinem kompositorischen Höhepunkt. Abgesehen davon zeigt sich hier auch mal wieder, dass er als Gitarrist sträflich unterbewertet ist, denn im Grunde kann er alles spielen. Steven Wilson hat nun einen ganz feinen Surround Mix angefertigt, der einen das Album neu erleben lässt und viele Feinheiten und Facetten noch mal transparenter rüberkommen – und das, obwohl die ursprüngliche Produktion schon herausragend war. In jeglicher Hinsicht ist „Please Don´t Touch“ in der vorliegenden Fassung schlichtweg brillant!

 

http://www.hackettsongs.com/

 

Text: Torsten Schlimbach

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