Slut: Alienation

Slut: Alienation

Cargo Records

VÖ: 16.08.2013

 

Wertung: 8/12

 

Lange ist es her, dass man ein neues Album von Slut in den Händen halten durfte. „Still No. 1“ hat nun auch schon wieder fünf Jahre auf dem Buckel. In der Zwischenzeit waren die Ingolstädter zwar nicht untätig und kooperierten mit der Schriftstellerin Juli Zeh, aus der eine sonderbare Kunstform hervorging, die sich aus Theater, Literatur und Musik speiste. Aber auch dieses Projekt hat schon ein bisschen Staub angesetzt und nur die Wenigsten hätten vermutlich noch damit gerechnet, dass sich da noch mal was tut. Slut können zwar auf eine feste Fanbasis bauen und doch dürften sie eine ganze Generation an potenziellen neuen Fans verloren haben. Irgendwie sind die sympathischen Bayern immer zur falschen Zeit am richtigen Ort. Dies war schon Ende der 90er/Beginn 00er so, als sie ganz vorzügliche Alben aufnahmen, die aber ein bisschen zu früh kamen. Kurze Zeit später schwappte eine Bugwelle aus UK auf das Festland, die Musik enthielt, die Slut längst wieder abgehakt hatten. Wer zu früh kommt wird eben auch durch das Leben bestraft.

 

Jetzt also „Alienation“. Die Zusammenarbeit für dieses Album gestaltete sich offenbar auch als sehr schwierige Angelegenheit. Immerhin waren fünf Produzenten nötig um die zwölf Songs in trockene Tücher zu bekommen. Viele Köche verderben ja bekanntlich den Brei. Dies gilt aber nicht für diese Platte. Ein roter Faden zieht sich durch dieses Werk und ergibt ein schlüssiges Gesamtbild und hält den ganzen Laden, der durchaus sehr abwechslungsreich ist, zusammen.

 

„Alienation“ ist ganz sicher kein klassisches Indiegeschrammel mehr. Die Stromgitarre stellt sich vornehmlich in den Dienst der Mannschaft. Fein austariertes und akzentuiertes Spiel steht hier eindeutig im Vordergrund. Müsste man „Alienation“ auf eine andere Kunstform übertragen, dann wäre es eindeutig die Malerei. Slut agieren mit ihren Instrumenten als müssten sie ihre Songs mit vielen kleinen Schattierungen, Nuancen und Farben anreichern. Oftmals regieren die Moll-Töne, aber eben nie in einer nervigen Art und Weise. Depressive Klänge sollten bitteschön auf anderen Platten entdeckt werden. Was die Band mit diesem Werk auf die Beine gestellt hat, erinnert mitunter an eine andere deutsche Formation: The Notwist. Dies ist sicher nicht die schlechteste Referenz. Und über dem Gesamtkunstwerk scheint der Geist von Radiohead zu schweben – nur ohne nervigen Gesang.

 

Auf „Alienation“ fiept, zirpt und wabern die Klänge durch Raum und Zeit. Mal wird ein vertrackter Beat auf den Hörer losgelassen, nur um im nächsten Moment mit einem Break eine gänzlich andere Richtung einzuschlagen. Man steht mit offenem Mund wie ein Kind im Spielzeugladen davor und versucht auf Entdeckungsreise zu gehen. „Deadlock“ ist einer der Referenzsongs. Wer wissen möchte wie das Album denn nun klingt, sollte sich diesen Track anhören: hat was von einer Zusammenfassung von „Alienation“.

 

Fast schon disharmonisch schält sich „Idiot Dancers“ aus seinem Kokon und entpuppt sich nach und nach als ganz famoser Pop. Pop klingt bei Slut natürlich völlig anders als alles, was man heutzutage gemeinhin damit verbindet. Natürlich!

 

Mit „Anybody Have A Roadmap“ beweisen Slut zudem Mut. Diesen sperrigen Song hätten sicher nicht viele an den Albumanfang gestellt. „Next Big Thing“ rückt die Verhältnisse danach einigermaßen wieder zurecht, denn wenn man einen Song auf diesem Album mit dem Wörtchen Rock in Verbindung bringen könnte, dann diesen. Wer derartige Töne von Radiohead mittlerweile schmerzlich vermisst, bekommt von Slut eine schöne Alternative geliefert. „Broke My Backbone“ lässt es danach ordentlich klackern. Thom Yorke würde dieses Stück lieben! „All Show“ kommt recht gefällig und verträumt daher, hat aber sehr viel liebevolle Kleinarbeit zu bieten. Hinhören ist angesagt! Die Ballade „Alienation“ schließt atmosphärisch nahtlos daran an, bevor „Silk Road Blues“ wie ein neuzeitlicher Beatles-Song klingt – Weltmusikklänge inklusive. Bei „Remote Controlled“ hingegen weht ein Hauch der 80er durch die Szenerie. Wenn man schon nach einen Ausfall suchen möchte, dann bietet sich da am ehesten „Nervous Kind“ an. Man wedelt doch etwas zu stark mit der Kitschkeule und der Schluss ist etwas zu sehr auf Kunst getrimmt. It Must Be Art! „Never Say Nothing“ legt auf der Zielgeraden noch mal einen Stopp bei den Anfängen ein, bevor einen das sphärische „Holy End“ sanft aus diesem Album entlässt.

 

Fazit: Slut sind mit „Alienation“ nun weder zu früh, noch zu spät dran. Zur richtigen Zeit erscheint die Platte trotzdem nicht, denn sie dürfte kaum den Nerv der Zeit treffen. Das wollen Slut aber auch nicht. Sie machen es sich in ihrer Nische so richtig gemütlich und richten sich dort sehr liebevoll ein. Wer mal vorbeikommen möchte ist mit diesem Album dazu herzlich eingeladen. Freunde von The Notwist und Radiohead sind besonders gern gesehene Gäste. Slut sind immer noch mit das Beste was Bayern zu bieten hat.

 

http://www.slut-music.de/

 

Text: Torsten Schlimbach

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