Regina Spektor: What We Saw From The Cheap Seats

Regina Spektor: What We Saw From The Cheap Seats

Warner

VÖ: 25.05.2012

 

Wertung: 9/12

 

„What We Saw From The Cheap Seats“ ist bereits das sechste Album von Regina Spektor. Wohin geht die Reise diesmal? Bisher konnte man ja auf jedem Album eine Annäherung an die Popmusik klassischer Prägung ausmachen. Ein gern genommener Begriff ist da Avantgarde-Pop. Fans der Frühphase bemängeln mittlerweile ja, dass sie zu zahm geworden wäre. Ist sie das wirklich? Hat sie ihre Songs und ihren Sound über die Jahre nicht schlicht und ergreifend konsequent weiterentwickelt? Sie muss ja nicht auf Teufel komm raus experimentieren. Regina Spektor ist eine außergewöhnliche Songschreiberin, die sich nun mal in keine Schublade pressen lässt.

 

„What We Saw From The Cheap Seats“ wurde innerhalb von acht Wochen in Los Angeles aufgenommen. Als Produzent holte sie sich Mike Elizondo ins Boot, mit dem sie aber auch schon in der Vergangenheit zusammengearbeitet hat. Guckt man sich das Portfolio des Mannes an, dann wird man unter seinem bisherigen Betätigungsfeld auch Fiona Apple finden. Die beiden Damen stehen sich musikalisch mittlerweile ja sehr nahe.

 

Die elf Songs sind recht kurz ausgefallen. Lediglich drei Tracks sind über vier Minuten lang. Insgesamt ist die Platte nach schlanken 37 Minuten beendet. Langeweile kommt so gar nicht erst auf. „What We Saw From The Cheap Seats“ ist ein tolles Popalbum – nicht mehr, aber auch nicht viel weniger. Wo eine Tori Amos den Popfaden verloren hat knüpft Regina Spektor mittlerweile an. Das mögen Altfans kritisieren, aber so lange dabei ein derart schlüssiges Werk wie das vorliegende herauskommt, ist doch alles in bester Ordnung. Frau Spektor hat bisher mindestens immer gute Alben abgeliefert und das gilt selbstverständlich auch für die neue Platte.

 

Das Material ist mitunter aber alles andere als neu. Teilweise hat dies schon sechs bis sieben Jahre auf dem Buckel. Die Single „All The Rowboats“ wurde schon 2005 live gespielt und auch „Don´t Leave Me (Ne Me Quitte Pas)“ kennt man ja bereits. Während die erste Auskopplung düster und getrieben recht klar in der bombastischen Instrumentierung wirkt, ist die neue Version von „Don´t Leave Me (Ne Me Quitte Pas)“ mit seiner ansteckenden Fröhlichkeit eine Art Türöffner in die Welt von Regina Spektor. Dieses Lied macht es einem nämlich recht einfach und ist derart leicht instrumentiert und arrangiert, dass selbst der Mainstreampophörer sofort einen Zugang findet. Die Nummer macht aber deshalb nicht weniger Spaß und dürfte selbst den größten Trauerklos aus seiner Lethargie holen.

 

Mit „Small Town Moon“ startet Miss Spektor mit einer Ballade in ihr neues Werk. Das Stück erinnert an Tom Waits und aufgrund des Gesangsstils bildet sie gar den perfekten weiblichen Gegenpart. Ab der Mitte wird das Tempo variiert. Sie hält den Song förmlich an, bricht kurz ab und nimmt dann doch wieder an Fahrt auf. Die Übergänge sind derart fließend, dass dies schlichtweg brillant ist. Mit „Oh Marcello“ folgt einer dieser ungewöhnlichen Spektor Songs. Wie sie hier mit der Sprache und der Ausdrucksform spielt ist einer der vielen Höhepunkte der Platte. Als englische Nichtmuttersprachlerin kann sie sich auch perfekt in diese Rolle versetzen. Das Stück entbehrt nicht einem besonderen Charme. Hier wurden übrigens Teile von „Don´t Let Me Be Misunderstood“ eingefügt.

 

Die klassische Klavierusbildung lebt sie beim wunderschönen „Firewood“ aus. Sie schafft es aber das Stück genau in der richtigen Balance zu halten und eben nicht zur Leistungsshow verkommen zu lassen. Mit „How“ gibt es eine weitere sehnsuchtsvolle Ballade und das traurige „Open“ ist derart spärlich instrumentiert, dass es das sperrigste Stück der gesamten Platte ist und zwischendurch wird es auch für manche Gemüter zu schräg werden. Die Verspieltheit von „The Party“ überfordert vielleicht auch den einen oder anderen. Aber warum auch Bläser einsetzen, wenn man das auch ebenso gut gleich mit der eigenen Stimme imitieren kann? Das bezaubernde Folkstück „Jessica“ kommt in knackigen 1:45 auf den Punkt und beendet das Album. Warum auch mehr sagen, als es Worte bedarf? Warum musikalisch mehrfach um die Ecken denken, wenn es auch einfacher geht? Dieser letzte Song steht irgendwie auch exemplarisch für das gesamte Album!

 

Fazit: Mit „What We Saw From The Cheap Seats“ sitzt man in der ersten Reihe. Man ist hautnah dabei, wie Regina Spektor ihren Sound entschlackt, weniger aufbauscht und auch nicht mehr derart um die Ecke denkt, wie noch zu Karrierebeginn. Dies wird den Altfans nicht unbedingt schmecken, aber man muss den Hut davor ziehen, dass die Künstlerin nicht auf der Stelle tritt. Mehr bezaubernder Pop, weniger schräge Töne und immer auf den Punkt gebracht. „What We Saw From The Cheap Seats“ ist eine Platte zum liebhaben! Die Zeit wird zeigen, ob dies für ein gemeinsames und langes Leben reicht. Man wird auf jeden Fall viele schöne Stunden mit diesem Album haben!

 

http://www.reginaspektor.com

 

Text: Torsten Schlimbach

Regina Spektor: Live In London (CD/DVD)

Regina Spektor: Live In London (CD/DVD)

Warner

VÖ: 26.11.2010

 

Wertung: 12/12

Tipp!

 

Um mal Oliver Kahn zu zitieren: Da ist das Ding! Gemeint ist das allererste Livealbum von Regina Spektor. Mit Fußball hat die Dame vermutlich nichts am Hut, aber mit diesem wunderbaren Paket, welches mit einer CD und DVD mit dem Konzert aus dem renommierten Hammersmith Apollo Theatre aufwartet, hat sie definitiv die Meisterschaft gewonnen. Obwohl, das stimmt gar nicht, denn das wäre eigentlich noch untertrieben – das hier ist Champions League-Niveau!

 

Im Hammersmith Apollo Theatre sind ja schon jede Menge Livealben der Extraklasse aufgezeichnet worden. Regina Spektor fügt nun ein weiteres herausragendes Ton- und Bilddokument hinzu. Diese Darbietung kommt einer Decke gleich, die einen schön kuschelig warm hält und ein treuer Begleiter durch die kalte Jahreszeit ist. Ganz feines Teil ist das! Zugleich unterstreicht “Live In London” eindringlich und nachhaltig, dass man es hier mit einer Ausnahmekünstlerin zu tun hat und die russisch-amerikanische Ausnahmesängerin zu einer Ikone ihrer Zeit zählt. Sie führt den Weg fort, den andere Künstlerinnen wie Björk, Tori Amos oder PJ Harvey eine Dekade zuvor angefangen haben.

 

Zusammen mit Joanna Newsom bildet sie eine neue Generation von Sängerinnen, die nicht von dieser Welt kommen und irgendwo im Elfenreich zu Hause sind. Sicher ein Klischee, aber wenn man sich den hinreißende Auftritt von Regina Spektor ansieht, kann man zu keinem anderen Fazit gelangen. Man ist völlig von der Darbietung vereinnahmt und lauscht diesen wunderbaren Songs, die aus einer fernen Welt zu kommen scheinen. Ein Strahlen der Frau mit diesen knallroten Lippen und es ist um den Zuschauer geschehen. Ein Lächeln, ein Lachen und man kommt nicht umhin, auf der Skala der Symphatiewerte, die volle Punktzahl zu veranschlagen.

 

Dies ist aber nicht nur ein wunderbares Konzert, sondern zwischen den einzelnen Songtiteln sieht man eine Art Dokumentation der Reise. Der Reise von Regina Spektor vom fernen New York ins regnerische London. Mit großen Augen saugt sie die vielen Eindrücke wie ein Schwamm auf und das überträgt sich auch auf den Zuschauer. Bei anderen dürfte dies wenig spektakulär wirken, aber wenn man hier Regina Spektor über den Flughafen gehen sieht, im Flugzeug, auf der Fahrt durch London oder mit kindlicher Begeisterung das Innenleben des Tourbusses begutachten, dann ist dies bei dieser Dame einfach nur bezaubernd. Zum Schluss der DVD sieht man noch, wie sie zu ihren Fans geht und ihren Namen auf alles, was ihr unter die Nase gehalten wird, schreibt. Man weiß gar nicht, wer sich hier mehr freut, die Fans oder Regina Spektor selber?! Dazu gibt es noch jede Menge Backstageimpressionen und Aufnahmen von den Proben. In der Bonussektion kann man auch noch ein Extrakapitel mit dem Titel “Soundcheck” anwählen. Hier ist man im Schnellverfahren beim fast kompletten Soundcheck dabei. Was das heißt? Bitte selbst herausfinden. Die gesamte Aufnahme ist dem im Sommer verstorbenen Spektor Bandleader und Cellisten Daniel Cho gewidmet. Im Bonusmaterial gibt es noch eine Hommage an Daniel Cho. Hinreißend ist auch die Country-Nummer “Love, You´re A Whore”, welche ebenfalls das Bonusmaterial bereichert. Hier wagt sich Regina Spektor auch hinter ihren Tasteninstrumenten hervor.

 

Das eigentliche Konzert hat alles, was man von einem Liveauftritt erwarten kann – und noch mehr. Großartige Songs, eine tolle “Band”, eine sympathische und herausragende Künstlerin, Intensität, dichte Atmosphäre und einen tollen Klang. Und keiner singt das Wort “Bitch” so schön wie Regina Spektor. Bei ihr hört sich das fast an, als wenn sie das schönste Wort der ganzen Welt intonieren würde.

 

Dabei sind zudem noch drei unveröffentlichte Songs. Die Kleinode wie “Us”, “Fidelity”, “Samson” oder “Eet” dürfen selbstverständlich nicht fehlen. Auch filmisch ist das ganz fein in Szene gesetzt und man ist ganz nahe an Regina Spektor mittels Kamera dran. Man sieht so auch sehr schön, dass Regina Spektor auch ihre Hände als Instrument einsetzt oder Töne aus ihrem Mund kommen, die ebenfalls wie ein zusätzliches Instrument wirken.

 

Fazit: Um eine Brücke zur Einleitung zu schlagen: Da ist das Ding und dies ist ein Sieg auf ganzer Linie! “Live In London” ist wunderbar gefilmt und zeigt eine Ausnahmekünstlerin, der man absolut abnimmt, was sie da macht und die wunderbar den Spaß an ihrer Musik vermitteln kann. Eine ganz tolle Geschichte ist das. Wer bisher noch nicht mit dem Werk der Dame in Berührung gekommen ist, der kann sogar einen Einstieg mit diesem Livedokument wagen!

 

http://www.reginaspektor.com

 

Text: Torsten Schlimbach

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