Phil Collins: Going Back (The Essential)

Phil Collins: Going Back (The Essential)

Rhino/Warner

VÖ: 10.06.2016

 

Wertung: 8/12

 

Mit „Going Back“ veröffentlichte Phil Collins 2010 sein achtes Soloalbum. Selbstverständlich wird dies nun auch in der Reihe „Take A Look At Me Now“ gewürdigt. Der Brite verlässt damit allerdings auch den eingeschlagenen Weg, denn das Album ziert nun ein gänzlich neues Cover. Der Zusatz „The Essential“ wurde auch nicht ohne Grund gewählt, denn auch die Trackliste wurde überarbeitet und angepasst! In letzter Konsequenz bedeutet dies nicht anderes, als dass „Going Back“ nun weniger Songs enthält. Bevor da ein Aufschrei durch die Fangemeinde geht: es war aus Sicht von Collins die richtige Entscheidung. Er selber erklärt das wie folgt: „In der Rückschau stellte ich fest, dass ich zu viel Musik auf der Original-Version zusammengebracht hatte. Aber ich denke, dass zu viel nicht immer gut ist, daher diese etwas zurechtgestutzte Version meiner Lieblings-Motown-Songs.“ Kann man sagen was man will, aber das macht Sinn. Ein Anlass zur Sorge besteht ja sowieso nicht, denn diese Veröffentlichung hat selbstverständlich auch eine zweite CD am Start.

 

„Going Back“ enthält Motown und Soul-Standards und ist ein Coveralbum, welches so gänzlich anders als die Musik ist, die Phil Collins eigentlich über die Jahrzehnte so bewerkstelligt und geschrieben hat. Mit diesem Album kehrt er in gewisser Weise zu seinen Wurzeln zurück. Er liebt diese Songs und das hört man ganz deutlich. Als junger Mensch war dies die Musik, die ihn nachhaltig beeindruckt hat. Insofern ist „Going Back“ natürlich auch ein Projekt, welches ihm sehr am Herzen lag bzw. immer noch liegt. Damals wie heute ist es überraschend, wie naturgetreu die Tracks nachgespielt und interpretiert werden. Und genau das war ja auch der Ansatz von Collins. Er wollte den bekannten Songs nicht Neues hinzufügen, sondern die Klänge und Gefühle wiedergeben, die er hatte, als er die Song zum ersten Mal hörte. Eddie Wills (Gitarre), Bob Babbitt (Bass) und Ray Monette (Gitarre) halfen ihm dies in die Tat umzusetzen. Das ist dann auch tatsächlich gelungen.

 

„Going Back“ ist ein gutes und mitreißendes Album. „Love Is Like A (Heatwave)“ ist sorgt für die Tanzbarkeit, während Smokey Robinsons „Going To A Go-Go“ sogar zum Besten mutiert, was der gute Phil da seit Jahren gemacht hat. Die Klangfarbe seiner Stimme und auch die Art wie er die Songs hier singt, passen erstaunlich gut. Da verhebt sich der Mann nicht mal an Stevie Wonder und dessen „Uptight (Everything's Alright)“. Mal ehrlich, „Papa Was A Rolling Stone“ ist ja eigentlich totgenudelt. Die Temptations-Hymne kann ja kein Mensch mehr hören. Und was macht Collins? Er singt nicht nur beseelt, er lässt das sogar richtig funky umsetzen. Da hat der Mann der Nummer glatt eine Frischzellenkur verpasst. Bei „Never Dreamed You'd Leave In Summer“ - abermals von Wonder – läuft er sogar zur Höchstform auf. Na gut, es ist nicht alles Gold was glänzt. „Do I Love You“ oder „Girl (Why You Wanna Make Me Blue)“ sind schon recht belanglose Songs, die ohne Seele nachgespielt werden. Fahrstuhlmusik. Oder für das Bügelbrett.

 

Auf der zweiten CD gibt es dann quasi die Live-Versionen davon. Hervorzuheben wäre hier „Dancing In The Street“. Ja, auch die Nummer wurde schon mehrfach von Hinz und Kunz gecovert, aber der Schmackes von Collins ist schon recht eigentümlich und darum auch wieder interessant. „Do I Love You“ wird live jetzt nicht besser und „My Girl“ geht einfach das Herzige des Originals ab. Dafür kann „You Really Got A Hold On Me“ ganz fett punkten. Auffallend ist, wie authentisch Collins das auf die Bühne bringt. Man hört der jeweiligen Umsetzung durchaus an, dass dies ein Herzensprojekt ist.

 

Fazit: Es war eine weise Entscheidung von Phil Collins „Going Back“ etwas zu reduzieren. Der Zusatz „The Essential“ passt da natürlich ganz gut. Über weite Strecken gibt er gesanglich eine mehr als passable Figur ab. Auch die Arrangements haben Hand und Fuß. Natürlich war es auch ein genialer Schachzug die drei alten Haudegen für dieses Projekt zu gewinnen. Vermutlich dürfen sie hier endlich mal so agieren, wie sie es einst wollten, aber da noch an der kurzen Leine gehalten wurden. Auch die Live-CD ist erfreulich gut ausgefallen. Das hat insgesamt natürlich sehr wenig mit seinem sonstigen Schaffen zu tun. Ausnahmen bestätigen natürlich die Regel. „Going Back“ könnte sogar Leuten gefallen, die eigentlich bei der Musik von Phil Collins Reißaus nehmen.

 

http://philcollins.com/

 

 

Text: Torsten Schlimbach

Phil Collins: …But Seriously (Deluxe Edition)

Phil Collins: …But Seriously (Deluxe Edition)

Rhino/Warner

VÖ: 10.06.2016

 

Wertung: 9/12

 

Phil Collins ist schon ein Fuchs. Egal wie man zu seinen musikalischen Werken auch stehen mag, mit der Reihe „Take A Look At Me Now“ ist ihm etwas gelungen, was noch keiner vor ihm gemacht hat. Die Idee, den Backkatalog neu zu veröffentlichen, hatten auch schon ganz viele Künstler (und Labels) vor ihm. Natürlich ist auch die Idee eine zweite CD mit unveröffentlichten Demos, Liveversionen oder B-Seiten beizulegen alles andere als neu. Das ursprüngliche Cover aus heutiger Sicht nachzustellen, hat in dieser Konsequenz aber noch keiner vor ihm gemacht. Ja, auch der Mann ist über die Jahre älter geworden, die Unterschiede werden – je jünger die Veröffentlichung ist – natürlich immer weniger sichtbar. So oder so: geniale Idee. „…But Seriously“ wurde ursprünglich 1989 veröffentlicht und somit sind die Lebensjahre im Gesicht zu damals natürlich deutlich abzulesen.

 

„…But Seriously“ begeisterte einst die deutsche Musihörerschaft. Über drei Millionen Alben wurden davon alleine hierzulande verkauft. Phil Collins Superstar. Auch weltweit ist das immer noch das zweiterfolgreichste Soloalbum von Collins. Er muss zu dieser Zeit sehr viel richtig gemacht und den Nerv der Zeit getroffen haben. Erfreulicherweise hat er auf „…But Seriously“ dem Drumcomputer sein eigenes Schlagzeugspiel vorgezogen. Seinen Part hat er zudem auch noch live eingespielt. Es wird ja gerne vergessen, dass Collins ein begnadeter Drummer ist. Einer der Besten. Und – abgesehen davon ob man die Stimme nun mag oder nicht – ist er auch ein herausragender Sänger. Dies alles kommt auf der Überballade „I Wish It Would Rain Down“ in voller Pracht zum Tragen. Natürlich hat das fortwährende Solo von Eric Clapton dazu beigetragen, dass die Nummer sich derart eingebrannt hat. Man kann den Song kitschig finden, klar. Musikalisch und gesanglich ist das aber perfekt. Zudem legt Collins sehr viel Seele in dieses Stück und ist nicht nur der Hitlieferant, als der er gerne gesehen wird.

 

Collins investierte auch eine Menge Arbeit in „...But Seriously“. Der ganze Entstehungsprozess zog sich anderthalb Jahre hin. Er verschliss jede Menge Musiker, die ihm halfen das Album auf den Weg zu bringen. Neben Clapton sind so prominente Gäste wie Steve Winwood und David Crosby dabei. Dies unterstreicht sicher auch den Stellenwert, den der gute Phil bei seinen Kollegen genossen hat.

 

„...But Seriously“ ist thematisch auch anders als die Trennungsalben, die er bis dahin aufgenommen hatte. Einen Großteil hier kann man unter kritisch bis politisch motivierte Themen einsortieren. Das ist dann auch nicht so weichgespült, wie man gemeinhin annehmen könnte. Mit dem schmissigen „Hang In Long Enough“ geht es mit sehr viel Drive los. Der Track wirkt aber auch ein bisschen ziellos und langweilig. „...But Seriously“ ist vielleicht das einzige Album von Collins, bei dem der Schmalz und Kitsch irgendwie stimmig ist. „That´s Just The Way It Is“ ist musikalisch durchaus ausgefeilt und sehr schön arrangiert. „Do You Remember?“ bringt auch heute noch Frauenaugen zum Leuchten. „Something On The Way To Heaven“ ist auch einer dieser Megahits von Colline – allerdings aus dem Horrorkabinett. „Colours“ dürfte einer der längsten Tracks sein, die Collins solo je aufgenommen hat. Mit fast neun Minuten kommt das ja schon in Genesis-Gefilde. Interessant sind die Tempowechsel und Variationen. Prog, aber ohne Rock sondern mit viel Pop. „Another Day In Paradise“ ist ein weiterer großer Hit, den jeder, aber auch wirklich jeder kennt, der 1990 schon alt genug zum bewussten Musikhören war.

 

Auf dem Album hört man auch, dass der Mann ein Faible für Motown und Soul hat. „Heat On The Street“ und „All Of My Life“ klingen nicht nur aufgrund der Bläser danach. Das Instrumentalstück „Saturday Night And Sunday Morning“ bringt zusätzlich noch ein bisschen Weltmusik-Flair mit. „Father To Son“ wäre eigentlich eine schöne Ballade, wenn, ja wenn Collins doch mal auf diesen klinischen Sound verzichtet hätte. „Find A Way To My Heart“ beschließt dieses Album dann...und was soll man sagen? Ein weiterer Hit.

 

Auf der zweiten CD gibt es dann Live-Songs, Demos und B-Seiten. Eigentlich war das Ansinnen von Collins mit dieser Reihe per Live-Varianten zu zeigen, wie sich die einzelnen Nummern entwickelt haben. Seltsamerweise hat diese Runde aber dann nur sechs live gespielte Tracks zu bieten. Mit „Hang In Long Enough“ dazu noch eine furchtbar langwierige Angelegenheit. Da schläft einem ja das Gesicht ein. Da ist „Something Happend On The Way To Heaven“ ja ein richtiger Wachmacher. Weiterentwickelt wurde das zwar kaum, aber das Pariser Publikum freut sich. „Colours“ hingegen schon. Der Song breitet sich ja fast schon auf epische elf Minuten aus. Da werden ein paar Schlenker gedreht und der Gesang ist regelrecht bissig. Auch die Backgroundsänger machen einen wirklich guten Job. „Saturday Night And Sunday Morning“ wird im Grunde 1:1 wie die Studioversion gespielt. „Always“ sollte mal eine B-Seite werden, was Collins nicht daran hinderte das Ding auch im Vorfeld schon mal live zu erproben. „Find A Way To My Heart“ rundet dann den Livesektor ab. Mit „Thats How I Feel“ (verzichtbar) und „You´ve Been In Love (That Little Bit Too Long)“ (nett) gibt es zwei B-Seiten zu hören. Dann folgt die Demoabteilung Die Version von „Another Day In Paradise“ ist tatsächlich spannend, weil das noch nicht ganz so ausgearbeitet und glatt poliert ist – auch wenn die Grundstruktur natürlich steht. „That´s Just The Was It Is“ ist musikalisch fast schon fertig, auch wenn Collins noch nach dem Text sucht. „I Wish It Would Rain Down“ fehlt die Gitarrencharakteristik. Der Fokus liegt hier auf dem Bass. Auch eine interessante Variante. „Hang In Long Enough“ wird auch als Demo nicht besser, bzw. war auch da schon eher einer der schwächeren Songs. „Do You Remember?“ fehlt auch noch der finale Text und Collins trällert nur ein bisschen über die Musik. So kriegt man aber einen Einblick in den Arbeitsprozess.

 

Fazit: „...But Seriously“ ist nicht umsonst so erfolgreich gewesen. Das Album von Phil Collins hat zwar auch hier und da so manche soundtechnische Grausamkeit zu bieten, aber das Songwriting ist stellenweise richtig gut, das Tempo wird schön variiert und die Ausgestaltung ist mitunter sehr gelungen. Und der Mann hat wieder getrommelt. Auf dem Album finden sich einige seiner größten Hits wieder. Man muss dieses Werk sogar als Klassiker bezeichnen. Insgesamt ist das seine ausgefeilteste Soloplatte und meistens ist das alles sehr schön in der Balance. Auf der zweiten CD gibt es dann den Griff in die Raritätenkiste. Für Fans ist das unverzichtbar, alle anderen hören das zumindest mal rein, werden dann aber bevorzugt die erste CD einlegen. Unter dem Strich die beste Veröffentlichung dieser Reihe!

 

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Text: Torsten Schlimbach

Phil Collins: Testify (Deluxe Edition)

Phil Collins: Testify (Deluxe Edition)

Rhino/Warner

VÖ: 15.04.2016

 

Wertung: 5/12

 

Mit „Testify“ kommt nun auch ein Album der Spätphase von Phil Collins in der Serie „Take A Look At Me Now“ erneut in den Handel. Ursprünglich erschien das Werk im Jahre 2002. Phil Collins hatte da auch schon die 50 überschritten. Anhand des nun nachgestellten Covermotivs mit dem Phil Collins von heute, kann man nun überprüfen, wie er in den letzten Jahren gealtert ist – oder nicht. Selbstverständlich kommt „Testify“ auch wieder remastered und mit einer Bonus-CD in die Läden.

 

Die Gestaltung von „Take A Look At Me Now“ ist in seiner Gesamtheit gesehen schon außergewöhnlich. Die Idee, das aus heutiger Sicht nachzustellen, ist schon ganz nett. Das Digipack macht auch optisch einen guten Eindruck und so hat man – abgesehen von den neuen Fotosessions mit Collins – mit relativ wenig Aufwand sehr viel erreicht. Für Fans ist das sicherlich ein nettes Gimmick und so kann man die neuen Veröffentlichungen sehr schön neben die alten stellen.

 

Musikalisch ist „Testify“ ziemlich belanglos. Wäre da nicht die, unabhängig ob man diese mag oder nicht, markante Stimmt von Collins, hätte dieses Album unter Garantie keinen Menschen interessiert. Ein großer Erfolg wurde die Scheibe aber auch so nicht. In Großbritannien reichte es gerade mal für den fünfzehnten Platz. Da war der Mann ganz andere Platzierungen gewohnt. Das Songwriting und die Umsetzung sind aber auch sehr simpel gestrickt und Collins folgt dem Strophe-Refrain-Strophe Schema. Entstanden ist „Testify“ über einen Zeitraum von zwei Jahren in seiner Wahlheimat der Schweiz.

 

„Testify“ trieft nur so vor Klischees. Irgendwie ist dem guten Phil hier aber sein Händchen für Hits abhanden gekommen. Am Einsatz des Drumcomputers kann das nicht liegen. Das hat er ja auch schon in früheren Zeiten gemacht. Songs wie „Don´t Get Me Startet“ oder „Swing Low“ plätschern ereignislos dahin. Fahrstuhlmusik. Die Coverversion „Can´t Stop Loving You“ ist noch am ehesten der Song, der von „Testify“ hängen bleibt. Man hat auch das Gefühl, dass man eine Ballade wie „This Love This Heart“ schon hunderte Male von ihm gehört hat. Die Variationen sind nur marginaler Natur. „Driving Me Crazy“ bringt immerhin etwas Pepp in die Veranstaltung und versucht mit einigen elektronischen Spielereien an die Moderne anzuknüpfen. „Thru My Eyes“ und „You Touch My Heart“ sind aber die vertonte Langeweile.

 

Die Bonus-CD von „Testify“ ist etwas anders als die Vorgänger ausgefallen. Da das Album noch nicht ganz so viele Jahre auf dem Buckel hat und auch nicht so viele Live-Versionen vorliegen, gibt es zunächst die B-Seiten zu hören. „High Flying Angel“ reiht sich nahtlos in die belanglosen Albumtracks ein. „Crystal Clear“ kann immerhin mit einer netten Melodie punkten. Aber man weiß ja, wie das manchmal mit dem nett so ist. „Hey Now Sunshine“ ist der schmissige Poptrack für den Frühling, wenn die Hausfrauen mal wieder ordentlich durchlüften. Einzig „TV Story“ ist mal zwingend und wirklich von einer guten Melodieführung durchzogen. Keine Meisterleistung, aber im Kontext des Albums dann doch irgendwie ganz gut. Es sind die alten Gassenhauer, die eher aufhorchen lassen. So beispielsweise das soulige „True Colors“ als Live Rehearsal. Die Live-Version von „Come With Me“ ist auch ganz nett, aber letztlich ist es der Hit der Platte - „Can´t Stop Loving You“ - der hier punktet. Von „It´s Only Loving“ und „Tearing And Breaking“ gibt es dann noch zwei Demos, die aber verzichtbar gewesen wären.

 

Fazit: „Testify“ von Phil Collins war 2002 schon ein ziemlich belangloses und fürchterliches Album und über die Jahre ist es nicht gerade besser geworden. Der gute Phil hatte es sich in seiner Komfortzone aus Strophe-Refrain-Strophe ganz gemütlich eingerichtet. Von den Songs bleibt so gut wie nichts hängen und das ist alles schon ganz schön schmalzig. Die Bonus-CD aus B-Seiten, Live-Versionen und Demos kann da natürlich kaum erhellendes Material abwerfen. Für Fans ist das sicher einer Pflichtkauf, aber alle anderen sollten sich lieber den guten Collins-Werken oder solchen mit den Hits widmen!

 

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Text: Torsten Schlimbach

Phil Collins: No Jacket Required (Deluxe Edition)

Phil Collins: No Jacket Required (Deluxe Edition)

Rhino/Warner

VÖ: 15.04.2016

 

Wertung: 6/12

 

Die Phil Collins-Retrospektive „Take A Look At Me Now” geht im April weiter und so langsam kommt man dann in die Phase, die für den Ruf von Collins verantwortlich ist. Zwar wird die Reihe ja nicht in chronologischer Reihenfolge veröffentlicht, bisher war aber auch immer ein Album aus den Anfängen seiner Solokarriere vertreten, welches durchaus eine Bereicherung für die Musikwelt darstellt. Jetzt wird mit „No Jacket Required“ ein weiteres Werk aus den 80ern neu aufgelegt, welches allerdings dann auch ganz deutlich sein Entstehungsjahrzehnt erkennen lässt. Die Platte, die seinerzeit auch mit einem Bonus Titel auf CD erschien, traf aber anscheinend den Nerv der Zeit und war immens erfolgreich. In den USA landeten gleich zwei Singles auf der Top-Position und „No Jacket Required“ verkaufte sich wie geschnitten Brot. Jetzt wird das Album remastered und mit einer Bonus-CD erneut veröffentlicht.

 

Optisch ist das natürlich auch wieder an die bisherigen Veröffentlichungen dieser Reihe angelehnt. Der gealterte Phil Collins stellt somit das ursprüngliche Cover nach, während das ausklappbare Booklet dann neben den Texten auf der Rückseite dann auch noch ein Poster mit dem jungen Collins offenbart. Selbstverständlich wurde das als feines Digipack aufgelegte, was wiederum ganz nett in der Sammlung aussehen dürfte. Insgesamt muss man die Aufmachung erneut loben, denn da hat man mit einfachsten Mitteln dann doch sehr viel Liebe zum Detail walten lassen.

 

Viele Songs des Albums dürften immer noch im Ohr klingen. Wer die 80er miterlebt hat, wird da so manchen Songs mitpfeifen können und mitunter auch verfluchen. Das läuft ja auch heute noch im Formatradio. Wenn man so will, dann hat Phil Collins einige Klassiker aufgenommen und auf „No Jacket Required“ veröffentlicht. Die Ausrichtung der Musik ist jedenfalls wesentlich kommerzieller als auf den beiden Vorgängern. Dies wird auch mit der thematischen Auseinandersetzung seiner Scheidung in direktem Zusammenhang stehen, die er auf seinen ersten beiden Platten verarbeitete. Jetzt gibt es den fröhlichen Phil. Und das fängt schon mit dem ganz und gar grausigen „Sussudio“ an. „Only You Know And I Know“ ist nicht minder schlimm. Das ist ja nicht mal schlechtes Songwriting, aber das ist derart in den 80ern verhaftet, dass es selbst damals schon furchtbar war. Bei „Long Long Way To Go“ ist übrigens Sting dabei. Das hört man auch. Die Ballade ist sogar eines der schönsten Stücke auf dem Album. Fast  – aufgrund des mittelalterlichen Flairs – sogar zeitlos.

 

„I Don´t Wanna Know“ ist wiederum furchtbarste Radiomusik, aber noch nichts gegen die grausigste Ballade aller Zeiten: „One More Night“. Hierzu durften sich vergessene Hausfrauen zu ihrem Traumprinzen träumen. Brrrrrrr. „Don´t Loose My Number“ ist der nächste Riesenhit der Platte. Da wirft sich der gute Phil zu schmissiger 80er-Mucke an den Hörer ran, dass einem alles aus dem Gesicht fällt. „Who Said I Would“ oder „Doesn´t Anybody Stay Together Anymore“ sind nicht besser. Letztgenannte Nummer ist dann wieder ein Trennungssong. Zu damaligen Zeit trennten sich viele befreundete Paare von Collins und so ist dieser Song entstanden. „Inside Out“ wäre eigentlich ein richtig guter Song, gerade das Drumming. Aber auch hier dominiert eine Soundästhetik, die einfach zu sehr in dem bunten Jahrzehnt gefangen ist. „Take Me Home“ ist die Nummer, die auf lange Sicht die Konzerte von Collins beenden sollte. Nicht so hier, denn die CD-Version hat mit „We Said Hello Goodbye“ ja noch einen Bonussong am Start. Beides übrigens keine schlechten Songs – insbesondere die Nummer, die das Album beendet und mit einem langen Instrumentalpart aufwartet.

 

Auf der zweiten CD sind dann zehn Live-Versionen und drei Demos enthalten. Collins setzt ja bei dieser Reihe darauf, dass man anhand der live gespielten Songs die Entwicklung zu den Albumversionen hören soll. Das klappt nur bedingt. „Sussudio“ und „Don´t Lose My Number“ werden schon ziemlich 1:1 nachgespielt. „Who Said I Would“ ist immerhin etwas souliger. Ach ja, „Easy Lover“ gibt es dann auch noch mal im Live-Gewand zu hören. „One More Night“ ist überraschenderweise auch live völlig schmalzig. Natürlich muss das Grundgerüst bleiben, aber wie das hier instrumentiert wurde, ist einfach nur fürchterlich. Die Demoversion von „Only You Know And I Know“ ist noch mehr mit dem 80er-Kleister überzogen worden. Das Demo von „One More Night“ ist noch nicht ganz so schmalzig, während „Take Me Home“ auch hier schon eine gute Figur macht.

 

Fazit: Phil Collins war mit „No Jacket Required“ seinerzeit immens erfolgreich – und zwar auf beiden Seiten des großen Teichs. Insofern hat der Mann wohl alles richtig gemacht. Der Sound steht mit beiden Beinen knietief in den 80ern und ist zudem sehr kommerziell ausgerichtet. Es ist nicht weiter überraschend, dass auf der Scheibe einige seiner größten und erfolgreichsten Hits vertreten sind. Gleichzeitig sind das aber auch genau die Nummern, die für den entsprechenden Ruf gesorgt haben. Die Live-Versionen auf der zweiten CD sind nur leidlich spannend und anders. Auch die Demos können nur bedingt überzeugen. Ist aber auch egal, dem Mainstreamhörer hat es damals gefallen und es wird auch heute wieder gefallen.

 

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Text: Torsten Schlimbach

Phil Collins: Dance Into The Light (Deluxe Edition)

Phil Collins: Dance Into The Light (Deluxe Edition)

Rhino/Warner

VÖ: 26.02.2018

 

Wertung: 6,5/12

 

Das orange Album von Phil Collins wird nun auch noch mal neu aufgelegt. Die Rede ist natürlich von „Dance Into The Light“. Die gute Nachricht gleich vorneweg: auch hier wurde das Cover aus heutiger Sicht, sprich mit dem gealterten Phil Collins, nachgestellt. Die Aufmachung kann sich schon sehen lassen und das Booklet hat noch ein paar mehr Aufnahmen zu bieten, wie es überhaupt zum finalen Cover kam. Das Digipack ist insgesamt sowieso eine nette Geschichte. So dürfen Wiederveröffentlichungen gerne immer angegangen werden. Nun die schlechte Nachricht: an der Musik hat sich nichts geändert. Nun gut, selbstverständlich liegt das Album von 1996 nun auch noch mal in optimierter Form und digital remastert vor, aber das ändert ja nichts am Ausgangsmaterial.

 

Der Ansatz von Phil Collins war ja, dass man die einzelnen Tracks noch mal aus heutiger Sicht hören bzw. anhand der Bonus-CD nachvollziehen kann, wie sich selbige entwickelten. „Take A Look At Me Now“ eben. Der zweite Silberling ist insofern eine Enttäuschung, da die Live-Songs – mehr oder weniger – sich nicht sonderlich von den Albumversionen unterscheiden. „Dance Into The Light“, „Wear My Hat“ oder „Take Me Down“ lassen live überhaupt keine Weiterentwicklung erkennen. Auf der Bühne scheinen die Nummern gar kein Eigenleben entwickelt zu haben. Natürlich wird das tadellos gespielt, aber ohne hörbare Verfeinerungen oder einige Nuancen, welche die Stücke dann noch mal auf ein anderes Level heben. Die Klavierballade „It´s Over“ ist so ziemlich der einzige richtige Höhepunkt der zweiten CD!

 

Es war sicher nicht die beste Idee von Phil Collins „The Times They Are A-Changin´“ von Bob Dylan für „Dance Into The Light“ zu covern.  Herrjemine, das geht ganz schön in die Hose und der Song wird vollends seiner Seele beraubt. Wer sich fragt, warum Collins eigentlich oftmals so angefeindet wird, hört sich den schmissigen Auftakt mit dem Titelsong „Dance Into The Light“ an. Zudem hört sich das glatt nach Resteverwertung an, denn solche Dinger hat der Mann jede Menge im Repertoire. Nun gut, der Erfolg der Single gibt ihm ja schließlich Recht. „That´s What You Said“ plätschert so dahin, bevor man bei „Lorenzo“ dann tatsächlich aufhorcht. Man kann ihm an dieser Stelle immerhin nicht vorwerfen, dass er sich nicht auch entwickelt hätte. Da hat sich Collins eindeutig an Peter Gabriel orientiert – selbst stimmlich. Das Weltmusikgewand passt ihm aber so überhaupt nicht, das kann Gabriel nämlich dann doch um Längen besser.

 

„Just Another Story“ ist mit seinem jazzigen und düsteren Aufbau allerdings ein Sahnestück. Bass und Drums treiben den Song oberflächlich betrachtet monoton an, aber das wirkt wie ein Sog. „Love Police“ ist ein netter Popsong,  mehr aber auch nicht. „Wear My Hat“ soll dann wohl ein bisschen Karibikflair in die Atmosphäre einfließen lassen. Das ist…es fehlen einem die Worte. „It´s In Your Eyes“ öffnet die Schmalkiste, dass es einem die Socken auszieht. „Oughta Know By Now“ ist dann endlich mal wieder ein Track, der aufhorchen lässt. Hier ist der Gesang dann auch mal wieder von eindringlicher Natur. Geht doch! Leider nur ein kurzes aufflackern alter Geniestreiche, denn „Take Me Down“ und das kitischige „The Same Moon“ sind an Belanglosigkeit kaum zu überbieten. „River So Wide“ geht dann wieder in die Weltmusikrichtung und da zeigt sich dann auch noch mal, dass der Mann ein begnadeter Drummer ist. Zu „No Matter Who“ muss man nicht viel sagen, das dürften die meisten aus dem Dudelfunk kennen. Es soll Leute geben, die aalen sich dazu vor dem knisternden  Kaminfeuer. Nun denn.

 

Fazit: „Dance Into The Light“ war sicher nicht der ganz große Wurf von Phil Collins. Das Album hat durchaus seine Momente, aber eben auch sehr viel Material am Start, welches eben für die vielen Kritiker an seiner Musik verantwortlich ist. Jetzt erscheint auch dieses Werk in der „Take A Look At Me Now“ Serie. Für Fans ist das natürlich ein Pflichtkauf, auch wenn die Bonus-CD nur leidlich spannend ist. Wer sich gerne von Musik berieseln lässt, ist ebenfalls goldrichtig. Alle anderen greifen besser zu den ersten Soloausflügen von Phil Collins, denn da war der Mann wirklich gut und hat noch nicht die Musik gemacht, die für seinen Ruf verantwortlich ist.

 

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Text: Torsten Schlimbach

Phil Collins: Hello, I Must Be Going (Deluxe Edition)

Phil Collins: Hello, I Must Be Going (Deluxe Edition)

Rhino/Warner

VÖ: 26.02.2016

 

Wertung: 8,5/12

 

Auch „Hello, I Must Be Going“ erscheint nun in der neuen Phil Collins-Reihe „Take A Look At Me Now“. Ursprünglich wurde dieses Album 1982 auf Platte veröffentlicht. Die CD-Version folgte erst sechs Jahre später. Die Veröffentlichungspolitik spiegelt somit auch sehr schön den Zeitgeist wieder. Die neuerliche Veröffentlichung wurde natürlich remastert und auf der Deluxe Edition kann der geneigte Fan ein paar zusätzlichen Demos und Live-Versionen entdecken. Das Cover wurde ebenfalls überarbeitet und somit ziert der nun gealterte Collins selbiges und stellt das ursprüngliche Motiv nach. Ein nettes Gimmick, denn so wird auch die Gestaltung „Take A Look At Me Now“ gerecht.

 

Phil Collins befand sich damals immer noch in einer schwierigen Lebensphase. Er hatte die Tour mit Genesis zwar erfolgreich absolviert, aber die Scheidung von seiner Frau hing ihm immer noch nach. Wie auch schon das Debüt, ist „Hello, I Must Be Going“ düster ausgefallen. Die Wolken verzogen sich zwar so langsam, aber so ganz war die private Situation eben immer noch nicht verdaut. Der große Hit - „You Can´t Hurry Love“ - des Albums ist somit keinesfalls als repräsentativ zu verstehen. Die Coverversion des Supremes Klassikers passt mit dem sonnigen Gemüt da nicht in den Gesamtkontext. Auf der anderen Seite dürfte dieses Stück auch zum großen Erfolg des Albums beigetragen haben.

 

Mitunter ist dies sogar das beste Soloalbum von Phil Collins. Der ganze, spätere Kitsch und das belanglose Popgedudel ist hier nämlich noch nicht zu finden. Der Mann war zu diesem Zeitpunkt als Songschreiber auf einem Höhepunkt. Zudem ist dies auch ein sehr musikalisches Album und man hört hier sehr deutlich, welches Instrument der Mann so vorzüglich beherrscht. Somit ist es auch kein Wunder, dass die schlagzeugdominierte Single „I Don´t Care Anymore“ das Album eröffnet. Der düstere Track ist dann auch gleich zu Beginn eine Standortbestimmung und Collins singt sich da seine Seele aus dem Leib. „I Cannot Believe It´s True“ ist zumindest musikalisch etwas heller ausgefallen. Der Bläsereinsatz gibt der poppigen Nummer eine Prise Soul mit auf den Weg. „Like China“ erinnert durch die Gitarre, die zunächst im Vordergrund steht, aber auch aufgrund der Melodieführung an The Who. Selbst die Art des Gesangs ist Roger Daltrey nicht unähnlich. Es wird aber immer wieder das Tempo variiert und auch die Instrumentierung aufgebrochen. Es ist ein sehr abwechslungsreiches Musikstück. Aber auch das zieht sich durch weite Teile des Albums.

 

„Do You Know, Do You Care?“ ist die vertonte Depression. Phil Collins muss gelitten haben. Im krassen musikalischen Gegensatz dazu steht „It Don´t Matter To Me“. Durch die Bläser kriegt das einen beschwingten Drive. „Thru These Walls“ fällt anschließend aber gleich wieder zurück in das tiefe Tal der Tränen. Zwischendurch gibt es immer mal wieder ein Schlagzeugmotiv, welches er sich natürlich bei „In The Air Tonight“ geliehen hat. Aufbau und auch die Gesangsvariationen lassen aber auch erkennen, dass der Mann im Prog beheimatet war. „Don´t Let Him Steal Your Heart Away“ ist kitschig, klar, aber auf eine schöne Art und Weise. Eine Hilferuf und eine Verzweiflungstat. „The West Side“ ist im Grunde eine Instrumentalnummer. Das traurige Saxofon bestimmt die Klangästhetik, die von den perkussiven Momenten und dem Schlagzeug verfeinert wird. „Why Can´t It Wait Til´ Morning“ ist zum Schluss der tränenreiche Abschied von „Hello, I Must Be Going“.

 

Auf der zweiten CD kann man dann zunächst anhand der Live-Versionen nachprüfen, wie sich die Songs entwickelt haben. „I Don´t Care Anymore“ besticht durch den eindringlichen Gesang. Collins leidet da hörbar. Die Gitarre lässt das Stück schweben und der Bass setzt schöne Akzente. „I Cannot Believe It´s True“ hat dagegen kaum etwas zu bieten. „Like China“ klingt live noch mehr nach The Who und „You Can´t Hurry Love“ ist nicht mehr als nett. „It Don´t Matter To Me“ wird auch fast originalgetreu nachgespielt. „The West Side“ hingegen entwickelt sogar eine Art Jamcharakter. Wie kam der gute Phil denn bitte auf die Idee „People Get Ready“ von Curtis Mayfield zu covern? Der Versuch daraus ein dezentes Gospel-Stück zu formen, scheitert komplett. So wird diesem Manifest schlicht und ergreifend die Seele geraubt. „It´s Alright“ haut da schon besser hin. Für Hardcorefans sind die beiden Demos noch ganz interessant. „Oddball (Do You Know, Do You Care?“) hört sich zeitweise so an, als hätten die Einstürzenden Neubauten mitgemacht. „Don´t Let Him Steal Your Heart Away“ ist noch etwas unausgegoren und plätschert ohne die Albumintensität dahin. Ist eben eine Demoversion.

 

Fazit: „Hello, I Must Be Going“ ist das vermutlich beste Soloalbum von Phil Collins. Seine Scheidung hatte er zu dem Zeitpunkt noch nicht verarbeitet und entsprechend düster ist dieses Werk ausgefallen. Musikalisch ist das Album sehr vielschichtig und die Atmosphäre und der Aufbau sind schon nicht so schlecht. Man hört hier noch deutlich, dass der Mann eigentlich Schlagzeuger ist. Das gute Songwriting lässt auch den einen oder anderen Progmoment erahnen. Auf der zweiten CD kann man dann überprüfen, wie sich einzelne Songs live gemacht haben. Zwei Demos gibt es dazu.

 

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Text: Torsten Schlimbach

Phil Collins: Both Sides (Deluxe Edition)

Phil Collins: Both Sides (Deluxe Edition)

Warner

VÖ: 29.01.2016

 

Wertung: 6,5/12

 

Es ist sicher kein Wunder, dass die zweite Veröffentlichung an diesem Tage aus dem Hause Phil Collins einen großen Zeitsprung macht und Alben, die eigentlich vorher erschienen sind, erst später folgen werden. „Both Sides“ passt thematisch und auch musikalisch nämlich bestens zu „Face Value“. Collins hatte zu dieser Zeit – das Album erschien im November 93 – wieder einige private Probleme und entsprechend traurig sind dann auch die Songs ausgefallen. Auch „Both Sides“ erscheint nun in verschiedenen Konfigurationen und wurde klanglich überarbeitet. Die Deluxe Version enthält auch wieder Live-Versionen, Demos und B-Seiten. Sechs Nummern sind bisher gänzlich unveröffentlicht.

 

„Both Sides“ ist die große Phil Collins Soloshow. Der Mann hat die Platte ganz alleine produziert und auch gleich alle Instrumente im Alleingang eingespielt. Er igelte sich für sechs Wochen in seinem eigenen Studio ein und nahm diese Songs auf. Lediglich Toningenieur Paul Gomershall und sein Assistent Mark Robinson griffen Collins  etwas unter die Arme. Das Remastering übernahm auch hier Nick Davis - die bestmögliche Wahl dafür. Hört man sich „Both Sides“ aus heutiger Sicht noch mal an, dann ist es schon einigermaßen überraschend, dass sich dieses Album derart gut verkauft hat. Der Name hatte halt eine gewisse Sogwirkung. Es wäre interessant zu erfahren, wie vielen Leuten die Musik letztlich gefallen hat.

 

Die Songs sind oft nämlich schwermütig und düster. Und aus musikalischer Sicht auch völlig nichtssagend und belanglos. Das plätschert meist alles in einem Tempo dahin. Abgesehen davon erschien dieses Album in den 90ern, der gute Phil schien aber immer noch in den 80ern festzuhängen. Synthies brauchte da eigentlich kein Mensch mehr und auch der Drumcomputer war längst ein Relikt aus einem furchtbaren Jahrzehnt. Der Erfolg sprach letztlich für Phil Collins und somit auch für „Both Sides“.  Mit „Both Sides Of The Story“ hat das Album immerhin einen unwiderstehlichen Hit zu bieten, der von seiner treibenden Rhythmik lebt. Die einprägsame Melodie und die allgegenwärtig Melodie sorgen für den hohen Wiedererkennungswert. Danach verflacht es dann. „Can´t Turn Back The Years“ ist ja noch eine ganz nette Ballade, allerdings musikalisch ganz fürchterlich untermalt und es fehlt an zündenden Ideen. Na gut, „Everyday“ dürfte immer noch haufenweise Frauenherzen erobern. Das verstehen einige ja unter romantischer Musik. War bestimmt auch schon mal auf einem Kuschelrock-Sampler zu finden.

 

„I´ve Forgotten Everything“ wirkt wie eine weinerliche Selbsttherapie von Collins. „We´re Sons Of Our Fathers“ und „Can´t Find My Way“ sind Paradebeispiele für den in gewissen Kreisen schlechten Ruf des Mannes. Mit anderer Instrumentierung – gerne auch ruhig – hätte das wesentlich nachhaltiger ausfallen können. Wie kann man eigentlich den Beginn der 90er derart verschlafen (haben)? Und so plätschert dann eine Nummer nach der anderen an einem vorbei. Das mittelalterliche „We Fly So Close“ kann noch ein bisschen punkten, bevor das im üblichen Collins-Sound auch wieder untergeht. Erst mit dem schmissigen – oder sollte man schottischen sagen? – „We Wait And We Wonder“ wird man aus der Lethargie erweckt. „Please Come Out Tonight“ ist zum Schluss dann erneut als Ballade angelegt. Zumindest kann der sanfte Gesang überzeugen.

 

Die zweite CD knüpft dann mit dem grausigen „Take Me With You“ nahtlos daran an. Der Mann hat sicher ein perfektes Händchen für Melodien, aber die musikalische Umsetzung mit diesem glattgeschliffenen und kühlen Klang ist doch ziemlich nichtssagend. Wie gut tut da die Live-Version von „Both Sides Of The Story“. Man hört sogar Gitarren. Gitarren! „Can´t Turn Back The Years“ ist auch live ziemlich depressiv ausgefallen. Immerhin ist der Sound nicht mehr ganz so kühl wie in der Studio-Variante. Selbiges gilt auch für „Survivors“ und „Everyday“. Die Wunderkerzen werden sicher die Hallen erleuchtet haben. „We Wait And We Wonder“ kommt naturgemäß auch live recht knackig daher. Die Demos von „Cain´t Find My Way“ und „I´ve Been Trying“ sind ganz nett. Die größte Überraschung dürfte hier „Both Sides Of The Story“ sein. Man achte auch auf den Text und die Phrasierung. Ja, wenn der Herr Collins einen Hit an der Angel hatte, dann aber auch richtig. Die Demoversion von „Hero“ zieht das Album dann aber zum Schluss wieder nach unten. Dieser Sound, ah, da zieht sich wirklich alles zusammen.

 

Fazit: Phil Collins befand sich, als er „Both Sides“ aufnahm, in einer ähnlichen Situation wie bei „Face Value“. Es macht somit durchaus Sinn, dass die beiden Alben nun als Teil der Reihe „Take A Look At Me Now“ an einem Tag veröffentlicht werden. Die Aufmachung wurde dementsprechend angepasst und vom Cover guckt einen nun der gealterte Phil Collins an. Die Musik auf „Both Sides“ ist aber schon gänzlich anders als auf seinem Solodebüt. Hier gibt es sehr oft diese furchtbare Klangästhetik, für die Collins immer viel Häme und Spott abgekriegt hat. Kann ihm aber egal sein, denn es gab und gibt Millionen Menschen, die anscheinend genau diese Art von Musik lieben. „Both Sides“ ist über weite Strecken ein ruhiges und düsteres Album. Die zweite CD hat dann ein paar interessante Live-Varianten am Start. Die Demos sind für Fans aufschlussreich, aber man kann auch gut ohne diese weiterleben. Eins bleibt aber festzuhalten: wenn Phil Collins einen Hit geschrieben hat, dann auch einen richtigen, der sich auch heute noch in die Gehörgänge eingräbt.

 

http://www.philcollins.co.uk/

 

Text: Torsten Schlimbach

Phil Collins: Face Value (Deluxe Edition)

Phil Collins: Face Value (Deluxe Edition)

Warner

VÖ: 29.01.2016

 

Wertung: 8,5/12

 

Phil Collins ist einer der erfolgreichsten Solokünstler des Musikgeschäfts. Gleichzeitig ist er auch einer der umstrittensten Protagonisten und nicht gerade wenige Menschen kriegen bei Nennung seines Namens einen mittelschweren Brechreiz. Gerade seine Sologeschichten haben stets polarisiert und einige kreiden ihm auch negativ an, welche Richtung Genesis in den 80ern einschlugen. Phil Collins hat die 80er definitiv mitgeprägt und das nicht immer auf eine gute Art und Weise. Wer sich aber ernsthaft mit Musik auseinandersetzt und beschäftigt, kommt auch nicht umhin anzuerkennen, dass der Mann tatsächlich ein Ausnahmemusiker ist. In erster Linie sieht sich Collins nämlich als Schlagzeuger und erst dann als Sänger, Komponist oder Produzent. Lemmy von Motörhead hat dazu mal gesagt, dass Collins ein paar große Nummern geschrieben hat und ein ausgezeichneter Drummer wäre und er ein komplettes Set von Motörhead unfallfrei spielen könnte. So viel dazu. Ein Ritterschlag aus einer Ecke, aus der man das nicht unbedingt vermuten würde. Nun wird der komplette Backkatalog von Phil Collins in verschiedenen Konfigurationen erneut unter die Leute gebracht.

 

Die Reihe der Veröffentlichung wird „Take A Look At Me Now“ betitelt. Dahinter steht natürlich auch ein Konzept. Collins, der dies begleitet und kuratiert hat, hatte dabei die Idee zu untersuchen, wie sich die Songs über die Jahre entwickelten. Auf der zweiten CD der Deluxe Editions finden sich also in erster Linie Live-Versionen wieder, da man so natürlich bestens überprüfen kann, wie sich die Dynamik und das Eigenleben der Tracks verselbständigt hat. Aber auch optisch hat der gute Phil die Geschichten angepasst. Die Cover wurden nämlich auch verändert und mit aktuellen Fotos – im Falle von „Vace Falue“ das Gesicht – von Collins nachgestellt. Die CD-Deluxe Edition ist im bekannten und bewährten Digipack Format gehalten.

 

Die Kritik an dem seichten Kram von Phil Collins ist ja nicht von der Hand zu weisen und hat durchaus auch ihre Berechtigung. Sein Solodebüt aus dem Februar 81 ist aber anders und hat durchaus einige beachtliche Momente zu bieten. Das Werk ist teilweise auch ganz weit von dem Popgedudel späterer Tage entfernt. Die reinen Instrumentalsongs dürften dies nachhaltig unterstreichen, da der Mann sich da künstlerisch noch ganz anders ausdrückte. Dies mag auch an den Umständen gelegen haben, denn Collins hatte seine Ehekrise und Scheidung zu verarbeiten. Teilweise ist „Face Value“ von sehr viel Schmerz geprägt. Durch den Einsatz eines Drumcomputers wird das auch noch mal nachhaltig betont, der gleichbleibende und monotone Rhythmus sorgt für zusätzliche deprimierende Momente.

 

„In The Air Tonight“ – der vielleicht größte Solohit von Collins – lässt diese beiden Welten miteinander verschmelzen. Mehr als drei Minuten wird das Stück von dem monotonen Rhythmus des Drumcomputers bestimmt, bevor das charakteristische Schlagzeug einsetzt und die Szenerie bis zum Ende dominiert. Die Nummer kriegt in der remasterten Version noch mal eine ganz neue Dynamik verliehen. „This Must Be Love“ lässt deutlich erkennen, dass Phil Collins eigentlich Schlagzeuger ist. Dem steht der Drumcomputer nicht hinderlich im Weg, denn das Stück ist schon ziemlich vertrackt. Durch das Bassspiel kriegt der Song dann – trotz aller Traurigkeit – noch eine wohlige und warme Atmosphäre verpasst. „Behind The Lines“ ist hörbar von Motown inspiriert worden. Die Bläser übernehmen hier die musikalische Führung. Die Nummer ist ja auch schon von „Duke“ von Genesis bekannt. „The Roof Is Leaking“ ist bis auf das nackte Gerüst reduziert und wird vom Banjospiel geprägt. Das Instrumentalstück „Droned“ wird von einige stimmlichen Klängen der Weltmusik untermalt und fällt aufgrund seiner Hektik und Rhythmik ziemlich progressiv aus. Das verspielte „Hand In Hand“ schließt sich da nahtlos an.

 

Mit „I Missed Again“ gibt es einen schmissigen Soul/Popsong, der sich thematisch mit einer unerfüllten Liebe beschäftigt. Die zweite Single von „Face Value“ dürfte schon ein kleiner Fingerzeig in die musikalische Zukunft von Collins gewesen sein. „You Know What I Mean“ ist die vertonte Depression. „Thunder And Lightning“ und das groovige „I´m Not Moving“  bringen zumindest die Leichtigkeit zurück. „If Leaving Me Is Easy“ tritt einen aber wieder mit Anlauf zurück in das Tal der Tränen.

 

Die zweite CD hat dann die schon erwähnten Live-Versionen verschiedener Tracks zu bieten. „Misunderstanding“ ist allerdings schon bekannt. Der Rest nicht. „If Leaving Me Is Easy“ beginnt mit einem sehnsuchtsvollen Saxofon und erinnert an Kellerjazz. „In The Air Tonight“ war bisher live immer ein Höhepunkt. Der Song wird schön sphärisch aufgebaut und doch fehlt selbigem dieser kühle Unterbau der Studioversion. Interessant ist die Entwicklung allemal, da zunächst die spezielle Charakteristik des Stücks fehlt. „Behind The Lines“ ist in dieser Form musikalisch noch mehr ein Garant für gute Laune. Das erinnert über weite Strecken an die Jackson 5. „Roof Is Leaving“ ist als Demo sehr nahe an der Albumversion, was aufgrund des Minimalismus nicht überraschend ist. Das Instrumentalstück „Hand In Hand“ hat das größte Eigenleben entwickelt, da Collins das Publikum miteingebunden hat. Mitsingspielchen der besonderen Art. Die weiteren Demoversionen sind alle ganz nett und Fans werden sich vermutlich darüber freuen die Entwicklung der Songs nachzuvollziehen.  Ganz zum Schluss gibt es dann noch mal für alle Radiohörer ein Schmankerl dazu, denn „Against All Odds“ in der Interpretation von Phil Collins hat ja Millionen Menschen berührt. Hier gibt es allerdings nur ein Instrumentaldemo welches ein bisschen dahin plätschert.

 

Fazit:  „Face Value“, das Solodebüt von Phil Collins, erscheint nun – wie sein gesamter Backkatalog –noch mal und erstrahlt klanglich in neuem Glanz. Das eigentliche Album ist noch nicht so glattgeschliffen und poppig wie seine späteren Werke. Soul, Pop und die Klangästhetik der 80er werden aber auch noch von einigen proggigen Elementen durchzogen. Die Stimmung des Albums ist traurig bis depressiv, was aufgrund der damaligen Lebensumstände von Collins sicher kein Wunder ist – auch, wenn er das stets verneint hat. Auf der zweiten CD finden sich Live-Versionen, aber auch einige Demos wieder, die – wie es oft bei solchen Geschichten der Fall ist – ganz nett sind. Alles in allem ist dies sicher das musikalisch interessanteste Werk von Phil Collins.

 

http://www.philcollins.co.uk/

 

Text: Torsten Schlimbach

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