Paul McCartney: I, II, III 3CD-Box

Paul McCartney: I, II, III 3CD-Box

Universal

VÖ: 05.08.2022

 

Wertung: 9/12

 

Die legendären drei Soloalben von Paul McCartney werden nun in einer dicken Box zusammen veröffentlicht. Das Set wird in drei Formaten erhältlich sein: als Limited Color Vinyl, Black Vinyl und auf CD. Drei spezielle Fotodrucke aus den jeweiligen Epochen runden das Gesamtpaket wunderbar ab.

 

Klappt man das Digipack von „I“ auf, dann geht die Sonne auf. Von McCartney und seiner Familie gibt es einige Fotos am Strand – gerne auch mit Blume im Haar. Das eigentliche Booklet glänzt allerdings durch Abwesenheit. Dies ist sehr, sehr schade, da es bei den zwei weiteren Ausgaben ja möglich war, dies auch in der Box beizulegen. Warum man das für „I“ nicht gemacht hat, bleibt dann schon sehr fraglich.

 

Was zählt ist natürlich die Musik. Da muss(te) man sich bei einem McCartney aber sowieso fast nie Sorgen machen. Auch der Auftakt in die Solozeit hat so manches Schmankerl zu bieten, aber eben auch so manchen obskuren Kram. Der Mann war und ist eben immer für eine Überraschung gut. Das fängt schon mit der kleinen Fingerübung „The Loveley Linda“ an. Die Chuzpe muss man erst mal haben, so ein Ding an den Albumanfang zu stellen. Ein Merkmal des Albums dürfte sein, dass die Songs extrem kurz sind. Manche kommen auch gleich ohne Gesang aus. „Valentine Day“ geht dabei gar in eine spartanische Bluesrock-Richtung, während „Hot As Sun/Glasses“ (sieht man mal vom kurzen Schlussgesang von „Glasses ab) extrem entspannt und süßlich am Kitsch vorbeischrammt. Natürlich gibt es auf jedem McCartney-Album auch immer wieder ein paar außergewöhnliche Hits. „Maybe I´m Amazed“ sticht hier sicher heraus – das gehört ja schließlich zum Standard. Das verträumte „Junk“ gehört sicher auch dazu und hat diese sehnsuchtsvolle Note, die vielen McCartney-Songs anhaftet. „Every Night“ fällt auch in diese Kategorie und hat sich ebenfalls zu einem stillen Klassiker entwickelt. Dies sind dann die Songs, die dieses Album dann auch tatsächlich zu einem guten machen. Eine Nummer wie „Man We Was Lonely“ zählt nicht dazu, so etwas schüttelt ein Paul McCartney in der Nacht um drei Uhr während des Toilettengangs sicher reihenweise aus dem Ärmel. Interessanter ist da schon der kleine Rockstampfer „Oo You“ oder der Drums- und Percussionritt von „Kreen-Akrore“. „McCartney I“ ist sicher nicht von A bis Z ein Kracheralbum, hat aber seine Momente und auch, wenn es teilweise etwas versponnen wird, sind da doch einige Höhepunkte dabei.

 

Als „McCartney II“ 1980 aufgenommen wurde, war die zweite Band von Macca – die Wings – schon wieder Geschichte. Ein neues Jahrzehnt wurde betreten und in diesen knallbunten Jahren schien so mancher Künstler komplett verwirrt. Paul McCartney war da keine Ausnahme. Gut, die Songs sollten ursprünglich gar nicht erscheinen und waren für den Privatbereich von McCartney konzipiert worden. Freunde überredeten ihn letztlich dann dazu, diese Songs doch noch zu veröffentlichen. Hier hat er sich gleich um alles selber gekümmert und sämtliche Instrumente gespielt, die seltsamen Klangteppiche geschaffen und auch noch produziert.

 

Das Covermotiv ist absolut passend. Dieser Gesichtsausdruck von McCartney drückt nämlich aus, was man hier in 38 Minuten zu Gehör bekommt. Über weite Strecken nervt dieser (Kinderkeyboard-)Sound einfach nur. Man kann gar nicht glauben, dass dieses Sammelsurium vom größten Songschreiber seiner Generation stammen soll. Was bitte soll „Frozen Jap“ sein? Auch, wenn so mancher Fan da gerne erzählt, dass der Mann mit dieser Platte quasi den Techno erfunden hat, wird es ja nicht besser. Klar, das war mal als Studiospielerei angelegt, aber letztlich wurden die Stücke so veröffentlicht – und das hätte man besser gelassen.

 

Lichtblicke gibt allerdings auch. Das verhuschte und hektische „Coming Up“ wurde schließlich auch wieder ein Hit. „Temporary Secretary“ nervt aber schon. Dass es aber auch anders geht, zeigt er mit „On The Way“. Nicht, dass dieses Stück jetzt im Gesamtkatalog eine Ausnahme einnehmen würde, aber mit diesem an Clapton erinnernden Gitarrenspiel stellt es auf „McCartney II“ doch eine Bereicherung dar. „Waterfalls“ wird ja auch immer wieder lobend erwähnt. Warum eigentlich? Da schlafen einem ja die Füße ein und der Text trieft nur so vor Schmalz. Himmel. Dann bitte lieber das klassische „Nobody Knows“. Diese Twang-Gitarre schlägt dann auch eine gänzlich andere Richtung ein. Irgendwie passt auf diesem Werk sowieso nichts zusammen. Den Rest kann man getrost vergessen und die elektrischen Spielereien sind in der Nachbetrachtung nicht mal lustig. Darf man ein Paul McCartney Album kritisieren? Im Falle von „McCartney II“ muss man sogar! Unter dem Strich ist dies aber ein wirres Album.

 

In gewisser Weise erfindet sich der 78-jährige Ex-Beatle noch mal ein Stückchen neu. Anders als der Vorgänger (gemeint ist „II“) hat er glücklicherweise wieder vermehrt auf Instrumente und nicht auf elektronische Elemente gesetzt. Das Material war größtenteils schon vorhanden und er arbeitete an bereits bestehenden Songideen. Zunächst nahm er sich die Fragmente nur zu seiner eigenen Unterhaltung vor und machte das, worauf er gerade Lust hatte. Es sagt selbst, dass ihm erst sehr spät klar wurde, dass er an einem Album arbeitete und nicht nur an einzelnen Songs.

 

Bei „III“ ist ein Werk herausgekommen, welches man so von McCartney vermutlich nicht mehr erwartet hat. LoFi-Home-Recording hat man in Zeiten der großen Überproduktion von einem Superstar ja kaum noch auf dem Schirm. Paul McCartney findet auf diesem Werk in gewisser Weise zu sich selbst – ohne Produzent und Band. Musikalisch zeigt sich der Ex-Beatle unglaublich breit aufgestellt. Trotz des LoFi-Ansatzes hat er es geschafft hier verschiedene Genres unter einen Hut zu bringen.

 

Mit „Long Tailed Winter Bird“ hat er ein aufregendes, fast durchgängig instrumentales Stück an den Anfang gestellt. Wie groovy McCartney sein kann! Eine unglaublich feine Nummer! „Find My Way“ ist eine komplette Kehrtwendung. Das ist opulenter Pop mit einem bisschen Art davor. „Pretty Boys“ fängt wie eine Folknummer an, lugt zwischendurch aber wieder beim Pop vorbei. Eine nette kleine Fingerübung der Macca-Prägung, die so leichtfüßig anmutet, aber doch eine ganze Menge zu bieten hat.

 

Bei „Woman And Wives“ haut er gleich zu Beginn in die Tasten und vom Grundton an wird schnell klar, dass der Meister ein bisschen mit der Melancholie spielt. „Lavatory Lil“ ist hingegen beim Blues ganz gut aufgehoben. „Deep Deep Feeling“ ist danach völlig abgefahren. Die Nummer fängt wie ein Gospel-Track an, schwingt sich dann aber in schwindelerregende psychedelische Gefilde empor. McCartney glänzt sogar mit Falsett. Klanglich passiert hier eine ganze Menge und erst nach und nach wird sich der epische Song mit seinen vielen Wendungen erschließen. „Slidin´“ rockt und rollt tonnenschwer auf den Zuhörer zu. „The Kiss Of Venus“ geht mitunter sogar als kleine Beatles-Reminiszenz durch. „Seize The Day“ hört sich ein bisschen nach McCartney-Baukasten an. Dafür haut er mit „Deep Down“ noch mal eine ordentliche Überraschung raus. Das ist moderner Soul, der mit reichlich Pop unterlegt wurde. Anschließend kommt er mit „Winter Bird“ kurz zur großartigen Eingangssequenz zurück, welche in dem wunderschönen akustischen Kleinod „When Winter Comes“ mündet.

 

McCartney hat im Lockdown mit „III“ ein außergewöhnliches Album aufgenommen. Der Mann hat sich hier noch mal richtig ausgetobt und man hört dem Werk sogar an, dass da nicht von Anfang an das große Ganze im Hinterkopf herumspukte. Man kann mehr als nur erahnen, dass er das zu seiner eigenen Unterhaltung und Ablenkung tat und zwischen Gospel, Soul, Rock, Pop und Electronica alles möglich ist. Der LoFi-Ansatz ist zudem brillant! Ein spätes Meisterwerk!

 

Fazit: Wer die Alben bisher noch nicht im Schrank stehen hat, sollte sich diese limitierte Box zulegen. Die Bonustracks, die es bei einer anderen Veröffentlichung von „I“ und „II“ gab, fehlen hier allerdings. Ebenso ist „III Imagined“ nicht enthalten. Diese Beigaben hätten diese Box noch mal richtig schön aufgewertet. Trotzdem ist das unter dem Strich natürlich eine lohnenswerte Anschaffung und man bekommt eine unglaublich große musikalische Bandbreite von Paul McCartney geboten!

 

https://www.paulmccartney.com/

 

Text: Torsten Schlimbach

Paul McCartney: III Imagined

Paul McCartney: III Imagined

Universal

VÖ: 23.07.2021

 

Wertung: 8/12

 

Paul McCartney hat mit „III“ ein tolles Album aufgenommen. Die Idee, dass andere Künstler diese Songs neu interpretieren sollen, gefiel ihm so gut, dass er seine unzähligen Kontakte anzapfte. Herausgekommen ist das Album „III Imagined“. Guckt man sich die Songliste und die jeweiligen Interpreten an, dann sind da schon einige Überraschungen dabei. Klar, den einen oder anderen Namen konnte man erwarten, aber im Grunde liegt der Fokus ganz klar auf Künstlern aus dem Indie- oder Alternativbereich. Dies ist mal spannend, dann wiederum überraschend und manchmal auch anstrengend.

 

Die Handschrift der jeweiligen Musiker ist klar und deutlich erkennbar. „Find My Way“ groovt ordentlich im Beck-Style, ist dabei aber nicht ganz so weit vom Original entfernt. Dominik Fike macht „The Kiss Of Venus“ zum Indie-Styler. Lässig. Cool. Zeitgemäß. „Pretty Boys“ hingegen wird von Khruangbin zum Space-Wabern mit wummerndem Bass getrieben. Ein bisschen wie eine Jah Wobble-Nummer. Das ist dann auch ganz weit von McCartney weg. St. Vincent hat für „Woman And Wives“  einen Remix angefertigt, welcher seinen eigentlichen Sänger nicht vergisst. Der Orange Remix von „Deep Down“ nervtz hingegen. Bezaubernd ist die Interpretation von Phoebe Bridgers und „Seize The Day“. Die elektrische Gitarre schlägt dabei den einen oder anderen Haken.

 

Ed O'Brien macht aus „Slidin´“ ein kleines Wüstenrock-Spektakel. „Long Tailed Winter Bird“, im Remix-Gewand von Damon Albarn, ist eher einschläfernd. Nach hinten raus wird das zwar noch knackig und knallig, aber unter dem Strich hat sich der Blur-Sänger da verrannt. Da ist der Idris Elba Remix im Reggae-Style von diesem Stück weitaus interessanter. „Lavatory Lil“ interpretiert Josh Homme gewohnt arschcool. Der Mann hat es einfach immer wieder drauf, jeden fremden Song zu seinem eigenen zu machen. „When Winter Comes“ ist bei Anderson .Paak zu einer Nummer mutiert, wie man sie sich von Alleinunterhaltern vorstellen könnte. „Deep Deep Feeling“  wird von 3D über elf Minuten zu einer Massive Attack-Schau ausstaffiert. Uff.

 

Fazit: „III“ von Paul McCartney ist ein gutes Album. Die Songs hat McCartney nun von einer illustren Kollegenschar, vornehmlich aus dem Indie- und Alternativbereich, neu interpretieren oder remixen lassen. Für McCartney-Fans ist das nicht unbedingt die erste Wahl, es sei denn, man wirft auch einen Blick über den Tellerrand und hat offene Ohren für obskure Töne. So hat man McCartney auf Albumlänge jedenfalls noch nie gehört. Interessante Einblicke in diese hervorragenden Songs!

 

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Text: Torsten Schlimbach

Paul McCartney: Flowers In The Dirt (Archive Collection Doppel-CD)

Paul McCartney: Flowers In The Dirt (Archive Collection Doppel-CD)

Capitol/Universal

VÖ: 25.03.2017

 

Wertung: 10/12

Tipp!

 

 

Mit „Flowers In The Dirt“ geht die Archive Colletion-Reihe von Paul McCartney vermutlich dem Ende entgegen. Die zehnte Veröffentlichung wurde wieder unter den wachsamen Augen des Meisters zusammengestellt. Das Album war Ende der 80er ja immens erfolgreich und enterte sowohl die CD- und LP Charts auf dem ersten Platz. Die beiden Listen wurden damals ja noch getrennt geführt. Die Tour danach glich einem Triumphzug und McCartney war mal wieder auf einem seiner vielen Karrierehöhepunkte angelangt. Trotzdem ist die nun vorliegende Veröffentlichung in seiner Gesamtheit nicht frei von Kritik, da Fans die Unvollständigkeit anprangern. Die Deluxe Edition ist ja auch nicht ganz billig und somit ist das schon ein Ärgernis. Auf eine Petition wurde aber gar nicht erst eingegangen. Die Veröffentlichungspolitik dieser Tage muss man aber auch nicht immer verstehen.

 

„Flowers In The Dirt“ hat mit Mitchell Froom, Trevor Horn, David Foster und Steve Lipson schon recht prominente Namen in den Production Credits stehen. Zudem hat Elvis Costello einen großen Anteil an dem Album. McCartney verglich das sogar mit der Zusammenarbeit mit Lennon. Selbstverständlich ist George Martin auch mit von der Partie und zeichnet sich für die Streicherarrangements bei „Put It There“ verantwortlich. Auf „We Got Married“ ist kein Geringer als David Gilmour zu hören. „Flowers In The Dirt“ ist also auch auf Seiten der Besetzung ein echter Höhepunkt.

 

Man mag sich jetzt als Hardcore-Fan über das Fehlen der B-Seiten und Bonustitel aufregen, wer aber eben erst jetzt zu dem vielleicht wichtigsten Musiker und Songschreiber der Populärmusik findet, wird mit der vorliegenden Version sehr gut bedient werden. Alleine die neun Demo-Versionen der zweiten CD sind hervorragend und geben einen sehr guten Einblick in den Arbeitsprozess. Das kommt alles sehr roh und ungefiltert daher. „Tommy´s Coming Home“ klingt, als würden zwei Freunde im Wohnzimmer gemeinsam musizieren. „Twenty Fine Fingers“ hört sich nach unbändigem Spaß an, während „So Like Candy“ unterstreicht, dass Costello und McCartney tatsächlich sehr gut miteinander harmonierten. „You Want Her Too“ hingegen hat den Charme des Unfertigen. „My Brave Face“ kommt ungefiltert übrigens wesentlich dringlicher daher. Da macht es auch nichts, dass da nicht jeder Ton sitzt.

 

Mit „My Brave Face“ geht es auf dem eigentlichen Album im Grunde mit bewährten Zutaten los. Dies ist eine typische McCartney-Nummer, die zudem auch Referenzen an die Beatles enthält. Das Video spricht da auch Bände. „Rough Ride“ ist da gänzlich anders. Die Drum-Machine entspricht wahrscheinlich dem Zeitgeist. Trotzdem klingt das Funk/Reggae-Stück keineswegs altbacken. „The Lovers That Never Were“ bezieht seinen Reiz aus dem Duett zwischen McCartney und Costello. „Distractions“ ist eine Ballade, wie sie eben nur McCartney schreiben kann. Die Melancholie von „We Got Married“ geht ans Herz. Großartiger Song. „Put It There“ ist ein Country/Folk-Track, der bewusst spärlich instrumentiert wurde.

 

Was ist eigentlich mit den schmissigeren Stücken? „Figure Of Eight“ geht zumindest in diese Richtung. „This One“ kennt man, da schunkelt früher oder später jeder mal zu. „Don´t Be Careless Love“ ist gesanglich schon eine Meisterleistung gewesen. Die Höhen, die der gute Paule da erklimmt, sind schon beachtlich. „That Day Is Done“ schlägt abermals eine neue Richtung ein. Das klingt ebenso nach Saloon wie auch nach stickiger Jazzbar in New York. Ein bisschen Reggae gefällig? Bitteschön: „How Many People“: „Motor Of Love“ kommt etwas schwerfällig daher. Und kitschig. Den Zuckerguss gibt es bei McCartney eben immer auch dazu. „Où Est Le Soleil“ ist zum Schluss vom Songaufbau phänomenal und steht ziemlich abseits vom Rest. Tanzbar, aber auch ein bisschen dem damaligen Zeitgeist entsprechend. Funktioniert heute aber immer noch.

 

Fazit: Man kann jetzt lange darüber philosophieren, ob die Veröffentlichungspolitik von der Archive Collection-Ausgabe von „Flowers In The Dirt“ nun ein Ärgernis oder eine Katastrophe ist. Bricht man das auf die Musik herunter, dann ist das ein hervorragendes Album von McCartney. Das Songwriting ist erstklassig und die Zusammenarbeit mit Costello war sehr fruchtbar. Selbst die 80er-Anleihen stören kaum und man kann sich das Album auch heute noch sehr gut anhören. Abgesehen davon besticht das Werk durch seine Vielseitigkeit. Die neun Demos sind zudem eine nette Zugabe, die einen ein kleines Stück am Entstehungsprozess teilhaben lassen.

 

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Text: Torsten Schlimbach

Paul McCartney: Pure

Paul McCartney: Pure

Concord/Universal

VÖ: 10.06.2016

 

Es ist ja immer so eine Sache mit Bestenlisten. Die Musik von Paul McCartney dürfte einige davon sicherlich anführen. Der grandioseste, zeitgenössische Komponist seiner Generation hat der Welt eine Unmenge an wundervoller Musik geschenkt. Musik kommt und geht, vieles davon wird eines Tages in Vergessenheit geraten sein, die Kunst von McCartney wird bleiben und reiht sich nahtlos zwischen Mozart oder Beethoven ein. Jetzt gibt es wieder eine Veröffentlichung von McCartney. „Pure“ wurde selbige betitelt. Dabei handelt es sich aber keinesfalls um ein neues Studioalbum, sondern um die zigste Zusammenstellung. Die Hits der Beatles werden dabei logischerweise ausgespart, denn „Pure“ beschäftigt sich mit der Zeit danach. Sein Soloschaffen, seine Arbeiten mit den Wings oder Firemen stehen hier im Fokus.

 

Die Frage nach dem Sinn braucht man ja nicht zu stellen. Fans kaufen das Teil sowieso – und zwar in der 67 Tracks Version – und Menschen, die schon immer mal die Hits vom Paule abseits der Beatles im Schrank stehen haben wollten, werden mit dieser Veröffentlichung ebenfalls gut bedient. Die kleine Variante hat auf zwei CDs immerhin auch noch 39 Songs zu bieten. Letztlich kann man aber jedem nur ans Herz legen, den kompletten Backkatalog anzuschaffen. In der Vergangenheit wurde selbiger nach und nach ja auch wieder - mit Bonustracks angereichert - neu aufgelegt.

 

Immerhin hat McCartney die Auswahl höchstpersönlich vorgenommen. Er sagt über „Pure“, dass er keinen großartigen Plan für diese Zusammenstellung verfolgt hätte, und man einfach Spaß haben sollte das Album anzuhören. Im Zuge der aktuellen Tour bietet sich eine solche Werkschau sicher an. Die Aufmachung ist dann auch wesentlich besser als bei ähnlich gelagerten Dingern. Die Front überrascht mit einem Hochglanzcover. Das eingeheftete Booklet hat neben vielen Fotos und den rudimentären Informationen zu den einzelnen Songs, dann auch noch einen Einleitungstext von McCartney höchstpersönlich am Start. Insgesamt ist das in dieser Hinsicht wertiger als so manche andere Kollektion.

 

Die Anordnung der Songs ist durchaus überraschend, da hier nicht chronologisch vorgegangen wurde. Da gibt es lustige Sprünge durch die Jahrzehnte und einzelne Alben. McCartney hat tatsächlich darauf geachtet, dass das irgendwie zusammenpasst und einfach Spaß macht beim Hören. „Pure“ ist jetzt auch keine Hitsammlung im eigentlichen Sinne. Natürlich liegt das bei McCartney auf der Hand und Fans kennen das Material selbstverständlich in und auswendig. Wer mit dem Backkatalog aber nicht zur Gänze vertraut ist, wird mitunter ein paar Perlen – auch seiner neueren Alben – finden, die bisher nicht auf dem Radar waren. McCartney ist nämlich nicht nur der Hitlieferant mit den verträumten und melancholischen großartigen Melodien. So manches Klangexperiment hält da auch ganz dezent Einzug. Und immerhin gibt es mit „Hope For The Future“ eine etwas rarere Nummer, die 2014 nur als Single veröffentlicht wurde. Es fehlen natürlich auch essenzielle Songs, aber auch das liegt in der Natur der Sache. „Maybe I´m Amazed“, „Jet“, „Silly Love Songs“, „Ebony And Ivory“ „Band On The Run“ oder „Pipes Of Peace“ – um nur einige zu nennen – sind selbstverständlich enthalten.

 

Fazit: Einer der Größten veröffentlicht mal wieder eine Werkschau. „Pure“ widmet sich dabei seiner Zeit nach den Beatles. Man darf da ruhig mal staunen, was der Mann alles im Repertoire hat. Auf „Pure“ gibt es allerdings nicht nur die offensichtlichen Hits, sondern auch ein paar Nummern, die nicht direkt jeder auf dem Schirm hat. Von den 70ern bis hin zu seinem jüngeren Schaffen reicht die Palette. Die Aufmachung ist ganz nett und wer sich nicht direkt den kompletten Backkatalog zulegen möchte, ist hier gut aufgehoben. Fans stürmen ja sowieso die Verkaufstheken. Gibt es auch auf Vinyl!

 

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Text: Torsten Schlimbach

Paul McCartney: Pipes Of Peace (Archive Collection Doppel-CD)

Paul McCartney: Pipes Of Peace (Archive Collection Doppel-CD)

Universal

VÖ: 02.10.2015

 

Wertung: 8/12

 

Wie auch „Tug Of War“ wird nun auch „Pipes Of Peace“ in der Archive Collection-Reihe als Remastered-Version erneut veröffentlicht. Auch hier hat natürlich McCartney den ganzen Prozess höchstpersönlich überwacht. Und das hört man durchaus, denn das ursprüngliche Album war doch sehr steril und entsprach ganz dem Zeitgeist der 80er. Natürlich kommt „Pipes Of Peace“ jetzt nicht in einem völlig neuen klanglichen Gewand daher, und doch hören sich die Songs jetzt ein kleines Stückchen wärmer an, die ursprüngliche Produktion von George Martin wurde hörbar aufgewertet, was auch daran liegt, dass nun die Instrumente mit wirklich jeder Nuance zu hören sind. Wie bei allen Veröffentlichungen dieser Reihe, liegt auch dieser eine zweite CD mit Demos und Raritäten bei.

 

„Pipes Of Peace“ knüpft an „Tug Of War“ an, ist aber nicht mehr so verspielt und mit dem Album war McCartney dann auch endgültig in den 80ern angekommen. Es ist seinem unbeschreiblichen Talent als Songwriter geschuldet, dass das Album auf seine Art trotzdem auch heute noch hörbar ist und die Songs teilweise sogar als zeitlos zu bezeichnen sind. Unter den elf Nummern sind auch einige regelrecht harmlose dabei. Nette Popsongs eben. Mit dem Titeltrack „Pipes Of Peace“ hat McCartney aber durchaus wieder ein kleines Meisterstück abgeliefert. Das Stück variiert wunderbar das Tempo und das Arrangement ist schon unter Sahnestück zu verbuchen. Für „Say Say Say“ straften einige den Mann ja mit bösen Kommentaren ab. Warum? Das Duett mit Michael Jackson hat ordentlich Drive und ist sehr guter Pop.

 

„The Other Me“ ist da schon nicht mehr so zwingend und netter, aber auch etwas langweiliger Pop. „Keep Under Cover“ will einfach zu viel und kann an seine bombastischen Popsongs zu keiner Zeit anknüpfen. Die eingesetzten Mittel und die dünne Produktion, aber auch das Songwriting sind eher belanglos. Aber das sind nur Nuancen. Die Ballade „So Bad“ - sofern man sich auf die Art des hohen Gesangs einlassen kann – ist wunderschön und mit „The Man“ hat McCartney einen leichtfüßigen Song – abermals mit Jackson – aufgenommen, der schwelgerisch und träumerisch zugleich ist. Mit „Sweetest Little Show“ ist sogar ein Song dabei, der aufgrund des Bassspiel den Zeitgeist von London zu Beginn der 80er sehr schön konserviert hat. Nach hinten heraus hat sich McCartney noch die Freiheit genommen das alles etwas verspielter aufzupeppen. „Average Person“ geht als typischer Macca-Song über die Ziellinie. Das Instrumental „Hey Hey“ wäre verzichtbar gewesen. Auf der zweiten CD findet man mit „Christian Bop“ das bessere Instrumental. Mit „Tug Of Peace“ knüpft er dann auch thematisch an „Tug Of War“ an. Musikalisch ist das zwischen Funk, 80ies Pop und ein bisschen Disco durchaus sehr hörenswert. „Through Our Love“ ist ganz zum Schluss noch mal eine tolle Ballade.

 

Auf der zweiten CD gibt es fünf Demos, ein Remix und drei weitere Songs und dadurch wird „Pipes Of Peace“ schon ungemein aufgewertet. Die Demoversionen sind auf Seiten des Klangs keine Offenbarung geben aber einen schönen Einblick in einen kleinen Teil des Entstehungsprozesses. „Sweetest Little Show“ gewinnt dadurch sogar, da der Song in diesem unfertigen Stadium die großartige Komposition freilegt. Das Demo von „It´s Not On“ ist bisher übrigens komplett unveröffentlicht. Hier zeigt sich die große Experimentierfreudigkeit von McCartney. Daraus würden andere Künstler drei Songs basteln. Auch das Demo von „Simple As That“ ist bisher unveröffentlicht geblieben. „Say Say Say“ wurde etwas der heutigen Zeit angepasst, aber im Grunde braucht man den 2015 Remix sicher nicht. „Ode To Koal Bear“ ist doch recht belangloser Schlagerpop, dafür kann die schnörkellose Ballade „Twice In A Lifetime“ noch mal als typischer McCartney-Song überzeugen.

 

Fazit: „Pipes Of Peace“ knüpft an den Vorgänger „Tug Of War“ an und setzt mit Ringo Starr, George Martin und Denny Laine auch teilweise auf die bewährte Besetzung. Herausgekommen ist ein gutes bis sehr gutes Popalbum. Auch die Duette mit Michael Jackson können überzeugen! Und wenn man sich die Platte heute anhört, dann wird sämtliche Kritik an eben dieser ad absurdum geführt, denn vieles ist dann doch zeitlos. Es ist jetzt nicht alles herausragend, aber alles in allem kann man das Album gut durchhören und einige herausragende Momente sind auch wieder dabei! Die zweite CD ist ein schönes Zubrot und lässt einen noch tiefer in die Phase von McCartney eintauchen.

 

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Text: Torsten Schlimbach

Paul McCartney: Tug Of War (Archive Collection Doppel-CD)

Paul McCartney: Tug Of War (Archive Collection Doppel-CD)

Universal

VÖ: 02.10.2015

 

Wertung: 9/12

 

Paul McCartney hat höchstpersönlich die neuerliche Veröffentlichung der Archive Collection Reihe begleitet. „Tug Of War“ dürfte somit ganz im Sinne des Meisters sein. Und wie es bei dieser Serie bisher der Fall war, ist auch diesmal wieder eine zweite CD mit jede Menge Bonusmaterial in Form von Demos dabei. „Tug Of War“ erschien 1982 nach der Trennung der Wings. Es war das dritte Soloalbum von Macca und wurde ein durchschlagender Erfolg. Warum das so war, kann man nun auf der Wiederveröffentlichung überprüfen. Bei der optischen Aufmachung ist man sich treu geblieben und somit reiht sich das wunderbar in die bisherige Archive Collection Serie ein!

 

George Martin war bei „Tug Of War“ wieder an der Seite von McCartney und auch Denny Laine half mit. Der Mann arbeitete, wie man immer wieder hören kann, eben extrem lange an diesem Album und so ist es nicht verwunderlich, dass die Wings eben auch irgendwie mit von der Partie waren. Sein alter Kumpel Ringo Starr schaute aber ebenfalls im Studio vorbei. Jetzt kann man „Tug Of War“ noch mal als Remixed Album erleben.

 

Das Album ist nicht so schnell greifbar. Die Songs setzen sich mitunter auch nicht so schnell im Ohr fest. Und dies vor dem Hintergrund, dass die vom Meister der Ohrwürmer stammen. Der Titelsong - „Tug Of War“ - ist aber schon ganz große Songwriterkunst. Die (gesanglichen) Harmonien sind schon toll. „Take It Away“ - mit Ringo Starr – kommt regelrecht leichtfüßig daher. Das Bassspiel hat in der Remix-Version noch mal dazugewonnen. Was anfängt wie Reggaestück entwickelt sich zum fluffigen Pop britischer Prägung. Die Schunkelmentalität ist zwischendurch allerdings reichlich unschön. Die entschlackte und sehnsuchtsvolle Ballade „Somebody Who Cares“ unterstreicht das Talent von McCartney, wie man innerhalb eines Songs Stimmung und Atmosphäre fast unbemerkt wechseln kann.

 

Deutlich hörbar ist auf „What´s That You´re Doing?“ der Einfluss von Stevie Wonder. Das Funkstück trägt seine Handschrift und dies nicht nur aufgrund seines Gesangs und Synthesizer-Spiels. „Here Today“ - eine Art Gespräch, wie es Paul mit dem verstorbenen John Lennon führen würde – spaltete damals die Fans. Die einen fanden es verlogen, die anderen genau das richtige Statement. Er nahm eben auf seine Art Abschied und dies musikalisch auf anrührende Weise - „Yesterday“ nicht unähnlich. „Ballroom Dancing“ vermittelt einfach Spaß und „The Pound Is Sinking“ wechselt das Tempo wie es dem guten Paule gerade beliebt. Kompositorisch ist das ein ganz tolles Stück. „Wanderlust“ ist ebenfalls herausragend. Der Nummer haftet etwas Sakrales an. „Get It“ ist zunächst sehr reduziert und mit Carl Perkins hat McCartney eines seiner Idole für den Track gewinnen können. Die beiden stemmen den Song übrigens alleine. Etwas viel Hall liegt vielleicht auf dem Gesang, aber das ist natürlich Geschmackssache.

 

„Be What You See (Link)“ ist ja mehr eine Songcollage, aber dann geht es mit „Dress Me Up As A Robber“ noch mal richtig im 80ies-Gewand ab. Der hohe Gesang ist sicher gewöhnungsbedürftig, aber die Gitarre, die ein karibisches Flair vermittelt, reißt alles wieder raus. Und ganz zum Schluss folgt dann mit „Ebony And Ivory“ eine Großtat. Das Duett mit Stevie Wonder ist einfach ganz famos, da kann man sich die Schlagervergleiche, die an dieser Stelle immer wieder kommen, getrost schenken. Ein Welthit, den auch heute noch (fast) jeder kennt.

 

Die zweite CD enthält unveröffentlichte Demos, die manchmal nicht mehr als ein Arbeitshinweis sind. „Stop, You Don´t Know Where She Came From“ kommt ganz nett im New Orleans-Style daher. „Wanderlust“ ist auch noch etwas unausgegoren, die tolle Melodie ist aber schon mehr als nur zu erahnen. Der Sound bei „Ballroom Dancing“ klingt wie in einer Telefonzelle aufgenommen und zwischendurch holpert es doch ganz schön. Aber genau das macht diese Versionen ja so interessant. Die Demoversion von „Ebony & Ivory“ ist um einiges langsamer als die veröffentlichte Albumfassung. Die Soloversion ist dann da schon fast formvollendet. Das westernartige „Rainclouds“ und das an ein Kinderlied erinnernde „I´ll Give You A Ring“ beenden die zweite CD nett, aber unspektakulär.

 

Fazit: „Tug Of War“ war seinerzeit nicht umsonst so erfolgreich. Das Album hat einige tolle McCartney-Kompositionen zu bieten. Da sind viele kleine Gimmicks und Tempowechsel versteckt. Anderes kommt leichtfüßig daher, so wie man es von dem größten Komponisten seiner Generation eben kennt. Der Sound im Remixgewand ist noch mal um eine ganz Spur wärmer ausgefallen. Die zweite CD lässt den Hörer dann ein kleines bisschen am Entstehungsprozess teilhaben. Insgesamt ist diese Veröffentlichung der Archive Collection Serie sehr gelungen!

 

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Text: Torsten Schlimbach

Paul McCartney/Wings: At The Speed Of Sound (Archive Collection Doppel-CD)

Paul McCartney/Wings: At The Speed Of Sound (Archive Collection Doppel-CD)

Universal

VÖ: 31.10.2014

 

Wertung: 8,5/12

 

„Band On The Run“ und „Venus And Mars“ zeigten, dass Paul McCartney auch zu einem musikalischen Leben in einem Bandkontext nach den Beatles fähig war. Die Wings waren längst zu einer der großen Sensationen geworden und lieferten erstklassige Alben ab. Mit „At The Speed Of Sound“ lieferte die Band abermals ein Album ab, welches von den Kritikern sträflich unterschätzt wurde. Im Rahmen der Archive Collection Reihe wird das Werk erneut aufgelegt und hat auf der zweiten CD ebenfalls ein paar Schätzchen zu bieten. Man wird „At The Speed Of Sound“ ganz sicher noch mal ganz neu bewerten müssen, denn dieses Werk wird nun unter ganz neuen Voraussetzungen gehört werden.

 

„At The Speed Of Sound“ hat eine ganze Weile leider auch unter der eher mäßigen Klangqualität zu leiden gehabt. Auf Platte war das teilweise doch etwas breiig und die vielen kleinen Nuancen kamen da überhaupt nicht zur Geltung. Dies ist nun anders. Die DCC-Aufnahme des Albums war schon recht ordentlich und die Klangqualität war um Längen besser wie die Veröffentlichungen bis dahin. Jetzt hat man das für die vorliegende Archive Collection Reihe erneut überarbeitet und teilweise stellt sich da das Gefühl ein, dass man es mit einem ganz anderen Album zu tun hat.

 

Dies hier ist auch keinesfalls die große Soloshow von McCartney, sondern ein richtiges Bandalbum. Alle Wings konnten sich da sehr stark einbringen. Dies sieht man mituntern auch daran, dass Macca die Vocals bei „The Note You Never Wrote“ und „Time To Hide“ Denny überlies, „Wino Junko“ von Jimmy gesungen wurde, „Must Do Something About It“ hat er Joe überlassen und seine Frau Linda dürfte bei „Cook Of The House“ ran. Dies tut dem guten Gesamteindruck aber kein Abbruch, eher das Gegenteil ist der Fall. Kurioserweise wurde genau dies in der Vergangenheit stark kritisiert und manch einer hätte gerne gesehen, dass McCartney die Zügel nicht derart aus der Hand gibt. Anscheinend hat man nie akzeptiert, dass die Wings dann doch eine Band waren und eben nicht der Soloweg von McCartney.

 

Völlig unverständlich ist zudem, dass „Silly Love Songs“ in der Vergangenheit derart nieder gemacht wurde. Das Stück hat zunächst einen experimentellen Ansatz und die Melodie wird dann wunderbar vom Bass getragen. Abgesehen davon ist das einer dieser unwiderstehlichen Ohrwürmer, die eben nur ein McCartney schreiben kann. „Let ´Em In“ ist auch längst ein Klassiker. Das Pianothema, die Bläsersätze und der Aufbau der Nummer lassen diesen zunächst unscheinbaren Track in einem ganz anderen Licht erscheinen. Auf dieser Platte gibt es aber auch ungewohnt düstere Klänge zu hören. „The Note You Never Wrote“ ist nahe an der Depression dran. „Wino Junko“ ist ein weiterer schwermütiger Song dieser Kategorie. „Beware My Love“ zeigt die Wings hingegen von der rockigen Seite. Die Vielfalt des Albums wird mit „Cook Of The House“ unterstrichen, ein Lied, welches man eher unter Spaß abhaken kann. Diese Platte ist eben extrem bunt und vielfältig.

 

Die zweite CD gewährt nun einen Einblick in den Entstehungsprozess des Albums. Von „Silly Love Songs“, „She´s My Baby“ und „Let ´Em In“ gibt es nämlich die Demoversionen zu hören. „Silly Love Songs“ ist noch recht unausgereift, lässt die Grundstruktur aber schon erkennen und wird nur von McCartney, Piano und schiefen Backingvocals getragen. „She´s My Baby“ ist klanglich auch nicht gerade das gelbe vom Ei, lässt einen als Zuhörer aber auf wundervolle Art und Weise am Entstehungsprozess teilhaben. „Let ´Em In“ ist auch noch auf der Suche nach der richtigen Balance. Schön, dass man dahingehend die Archive ein klitzekleines Stück geöffnet hat. Heimlicher Höhepunkt dürfte sowieso „Beware My Love“ in der John Bonham(!) Version sein. Die Instrumentalversion von „Warm And Beautiful“ ist nett, braucht man aber nicht wirklich.

 

Fazit: „At The Speed Of Sound“ ist ein weiteres sehr beachtliches Album von Paul McCartney und seinen Wings. Das Album erscheint nun in der Archive Collection Reihe in brillantem Sound und legt noch mal ein paar neue Facetten dieser feinen Platte frei. Auf einer zweiten CD gibt es dann auch noch ein paar Einblicke in den Entstehungsprozess der einzelnen Songs. „At The Speed Of Sound“ wurde einst sträflich unterbewertet, dies sollte sich nun hoffentlich ändern.

 

http://www.paulmccartney.com/

 

Text: Torsten Schlimbach

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Paul McCartney/Wings: Venus And Mars (Archive Collection Doppel-CD)

Paul McCartney/Wings: Venus And Mars (Archive Collection Doppel-CD)

Universal

VÖ: 31.10.2014

 

Wertung: 8,5/12

 

„Band On The Run“ sorgte dafür, dass Paul McCartney auch in den 70ern mit den Wings einer Band angehörte, die mit diesem Album noch mal zu den Größten des Musikgeschäfts vorstoßen konnte. „Venus And Mars“ wurde hingegen auch mit einiger Kritik bedacht. Warum eigentlich? So richtige weiß das wohl keiner mehr. Es gab Stimmen, die da von einem simplen Abklatsch von „Band On The Run“ sprachen. Selbstverständlich war die Platte genau das nämlich nicht. Nun kann man sich anhand der erneuten Veröffentlichung im Rahmen der Archive Collection ein Bild davon machen, dass dieses Album extrem facettenreich ist.

 

Paul McCartney lässt seiner Band hier freie Hand und genug Raum zur Entfaltung. Da darf jeder mal über den Tellerrand hinausblicken und aus den gängigen Strukturen ausbrechen. Auf klassisches Material muss man da aber auch auf keinen Fall verzichten. „Listen What The Man Said“ ist durch und durch ein McCartney-Song. Die Klarinette von Tom Scott sorgt zudem für den hohen Wiedererkennungswert. Weitere Hit-Singles gibt es auf diesem Album nicht zu hören, wobei natürlich auch der Titelsong „Venus And Mars“ das Zeug dazu gehabt hätte. „You Gave Me The Answer“ hingegen greift die musikalischen Themen der 30er auf. „Magneto And Titanium Man“ ist ein typischer Song für die 70er. „Letting Go“ legt noch ein bisschen den Rock obendrauf und eine ganz famose Bläsersektion rundet das sehr schön ab. Das opulente „Call Me Back“ unterstreicht, dass McCartney einfach ein Händchen für wundervolle Melodien hat. Mit „Treat Her Gently – Lonely Old People“ gibt es dann auch noch eine Ballade wie sie eben nur unter der Beteiligung von McCartney entstehen kann.

 

McCartney hätte „Venus And Mars“ allerdings nicht ohne seine großartige Band aufnehmen können. Die Wings machen hier einen tollen Job und loten die Möglichkeiten, die sich ihnen bieten, vollends aus. Das Album ist zwar extrem homogen, spannt aber trotzdem einen Bogen von den 30ern bis hin zu den 70ern.

 

Die zweite CD gewährt nun einen noch tieferen Einblick. „Sally G“ ist ganz vorzüglicher Country. „Walking In The Park With Eloise“ verbeugt sich gar noch mal vor den 20er/30er Jahren. „Bridge On The River Suite“ mäandert allerdings auch etwas ziellos dahin. Das rumpelnde Piano bei von „Going To New Orleans (My Carnival)“ hört sich genau so an, wie es der Songtitel vermuten lässt. „Let´s Love“ klingt noch reichlich unfertig, versprüht aber durchaus seine Faszination. Von „Rock Show“ gibt es dann noch eine alte Version zu hören, die mehr als sieben Minuten dauert. Der Single Edit von „Letting Go“ beendet die zweite CD dann noch mal mit einem dicken Ausrufezeichen.

 

Fazit: „Venus And Mars“ ist wesentlich besser wie sein Ruf. Das Album ist alles andere als ein Abklatsch von „Band On The Run“. McCartney gewährte seinen Mitmusikern anscheinend jegliche Freiheit, die dann auch entsprechend genutzt wurde. Musikalisch ist das Werk ungemein facettenreich und vielfältig. Die zweite CD gewährt dann noch ein paar mehr Einblicke in diese Phase, gleichwohl da auch einiges qualitativ abfällt, aber das liegt ja in der Natur einer solchen Veröffentlichung. Alles in allem ist das eine weitere sehr schöne Veröffentlichung aus der Archive Collection Reihe.

 

http://www.paulmccartney.com/

 

Text: Torsten Schlimbach

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Paul McCartney: New

Paul McCartney: New

Universal

VÖ: 11.10.2013

 

Wertung: 8/12

 

Was hat eigentlich Paul McCartney geritten? Ein Produzenten-Casting? Wirklich? Nun, ganz so war es nicht, aber eben auch nicht weit davon entfernt. Wenn das größte musikalische Genie der letzten fünfzig Jahre einlädt, dann folgen natürlich alle dem Lockruf. McCartney hatte sich aber in den Kopf gesetzt mit jungen Leuten zu arbeiten. Neue Wege sollten beschritten werden. In die engere Wahl kamen schließlich Paul Epworth, Mark Ronson, Ethan Johns und Giles Martin. Ein kleine Mogelpackung ist das freilich schon, denn zumindest die beiden letztgenannten Zeitgenossen haben immerhin Väter mit reichlich Beatles und McCartney Vergangenheit. Epworth ist mit Adele durch die Decke gegangen und die Erfolgsgeschichte von Ronson und Amy Winehouse dürfte ja auch hinlänglich bekannt sein. Die Frage stellt sich natürlich unweigerlich: kann das überhaupt funktionieren?

 

Die Chemie stimmte letztlich mit allen vier Herren und somit wurde auf „New“ gleich mit vier Produzenten gearbeitet. Das hört man auch mehr als deutlich. Ein Album wie aus einem Guss hört sich jedenfalls gänzlich anders an. Das ist aber mitnichten schlimm, denn durch die Stimme wird das Werk ja dann doch zusammengehalten, gleichwohl „Appreciate“ nur sehr wenig mit dem Macca der alten Schule zu tun hat. Ja Herrschaftszeiten, selbst der Gesang ist kaum zu erkennen. Sind die Klänge nun sphärisch, modern oder doch eher zu gewollt? Es ist jedenfalls nicht ohne Reiz und atmosphärisch ist das schon sehr dicht. Kurioserweise hört sich das mehr nach Lennon denn McCartney an. So kann es manchmal gehen.

 

Der Rock wurde auch endlich mal wieder wie Kai aus der Kiste hervorgezaubert. Schön zu hören, dass selbiger nicht erzwungen klingt. „Save Us“ nimmt man dem Meister ab und das Stück klingt sogar regelrecht frisch. Paul Epworth hat da ganze Arbeit geleistet. „Alligator“ überzeugt auch auf ganzer Linie. Der durchdringenden Gitarre stehen die klassischen Handclaps von Ronson gegenüber. „On My Way To Work“ entpuppt sich schließlich als luftiges McCartney Songwriting klassischer Prägung. Gerade die Strophen hat man schon zigfach auf ähnliche Art und Weise von ihm gehört. Und wer hat da an den Reglern gesessen? Richtig, Giles Martin. Eigentlich ein schöner Song, der aber auch sehr bräsig wirkt. Paul Epworth war anscheinend der Mann, der hier für die richtige Balance gesorgt hat. „Queenie Eye“ wirkt herrlich entschlackt, fast spielerisch leicht. Und dann schleicht sich da durch die Hintertür doch noch ein moderner Groove ein und dies trotz Moog und Lap Steel.

 

Was ist eigentlich mit den Beatles? Kommt. „Early Days“ wirft textlich einen wehmütigen Blick zurück zu den Anfangstagen seiner Band. Musikalisch ist das gar ganz wundervoll instrumentiert und sehr zurückgenommen. Mit dem Titeltrack „New“ bedient er sich dann auch noch mal bei den alten Zeiten und wirft ein modernes „Penny Lane“ in den Ring. Wer, wenn nicht McCartney darf das? „Everybody Out There“ fährt gleich eine ganze Wagenladung an Instrumenten und Musikern auf, dabei nimmt man das zunächst überhaupt nicht wahr. Das Stück stolpert ganz manierlich über die Mitte der Straße, hat aber so eine leichte melancholische Ader, die doch sehr gefällig ist. Nach und nach erschließen sich die ganzen Feinheiten des Songs, der zunächst so unspektakulär wirkt, auf seine Art aber sogar noch rockt. Starke Nummer, man muss sich nur reinfinden. „Hosanna“ ist danach der berühmte Griff in die Toilette. Der Track mäandert ziellos herum und das ganze Geschwurbel im Hintergrund wirkt krampfhaft auf jung getrimmt. Da kommt das rockige und straighte „I Can Bet“ doch wesentlich authentischer rüber. So eine waschechte Ballade hat man bisher ja vergeblich gesucht. „Looking At Her“ bietet sich zumindest vom Titel her an, ist aber alles andere als das. Der Beat pluckert und zwischendrin sägt auch mal eine Gitarre. Der Refrain ist allerdings zuckersüß. Und dann werden hier derart viele Richtungswechsel vorgenommen, dass es für drei Songs reichen würde. Eines der ungewöhnlichsten Stücke der Platte. Den besten Song gibt es zum Schluss mit „Road“. Und den dramatischsten. Selbiger wurde übrigens zusammen mit Epworth geschrieben, der wiederum sowieso bei drei Stücken McCartney nicht nur als Produzent unter die Arme gegriffen hat. Und dann? Dann folgt die Ballade...

 

Fazit: Am Ende des Booklets reißt McCartney wie ein Sieger die Arme in die Höhe. Der Mann mit dem größten musikalischen Talent der letzten fünfzig Jahre ist ja längst ein Gewinner, für „New“ trifft das als gesamtes Werk nur bedingt zu. Die vier Produzenten passen überhaupt nicht zusammen und das hört man unter dem Strich der Platte auch an. Trotzdem gibt es tolle Einzelstücke, die frisch und nicht erzwungen wirken. Ein schönes Album, aber kein Alterswerk, dafür ist es viel zu sehr im Hier und Jetzt verankert. Beim nächsten Mal darf es aber gerne wieder ein einziger Mann hinter den Reglern sein. Wie wäre es mit Jimmy Page?

 

http://www.paulmccartney.com/

 

Text: Torsten Schlimbach

 

http://www.youtube.com/watch?v=BkbbP0ozyMs

Paul McCartney/Wings: Wings Over America (Remastered)

Paul McCartney/Wings: Wings Over America (Remastered)

Universal

VÖ: 24.05.2013

 

Wertung: 11/12

Tipp!

 

1976 war für Paul McCartney und seine Wings ein gutes Jahr. Die Amerika-Tour glich einem Triumphzug. Insgesamt sahen mehr als 600.000 Menschen bei 31 Shows dieses Spektakel. Die Nachfrage war natürlich auch entsprechend groß, da der Meister seit zehn Jahren nicht mehr in Amerika aufgetreten war. Kurze Zeit später wurde mit „Wings Over America“ bereits ein 3-LP Set veröffentlicht. Im Januar 77 enterte dieses epochale Werk dann auch die Spitze der US-Charts. Im Rahmen der Paul McCatney Archive Collection wird dieses famose Live-Album nun erneut in die Läden gebracht. Und wie es sich für eine derartige Veröffentlichung gehört, gibt es neben der kleinen Ausgabe, auch ein amtliches Paket für die solvente Fanschar mit reichlich Inhalt und Mehrwert!

 

„Wings Over America“ wurde in den Abbey Road-Studios digital remastert und erscheint nun in neuem Glanz. Der Sound ist gigantisch. Druckvoll, ausgewogen und klar dürfte selbiger kaum Anlass zur Kritik bieten. Jedes Instrument ist deutlich zu vernehmen und selbst die feinsten Nuancen und kleinsten Details erfreuen die Ohren. Auch die nicht so perfekten! Die teilweise kratzige Stimme von McCartney verleiht den Songs gar eine Portion Dreck und Rotz. Das opulente „Live And Let Die“ erscheint so noch mal in einem ganz anderen Licht. Rockig und doch so erhaben wie ein Klassikstück. Der Backinggesang ist zudem sehr ausgewogen und fein austariert. Wenn es Anlass zur Kritik gibt, dann höchstens, dass das Publikum etwas zu kurz kommt. Wüsste man es nicht besser, dann könnte man glatt den Eindruck gewinnen, dass man es mit im Studio live eingespielten Versionen zu tun hat. Die Zuschauer wurden doch arg in den Hintergrund gemischt und sind meist nur zwischen den Songs zu hören.

 

Der Auftakt mit „Venus And Mars/Rock Show/Jet“ könnte bombastischer nicht sein. Überhaupt ist die Hitdichte auf der ersten CD extrem groß. Mit „Maybe I´m Amazed“ gibt es auch den Song von McCartney, der Beatles Niveau erreicht, in der ersten Hälfte zu hören. So rotzig hat man ihn die Nummer allerdings wohl nie wieder singen hören. „Lady Madonna“ ist sowieso immer eine gute Wahl. Vor dem schon erwähnten „Live And Let Die“ gibt es eine wunderschöne Version von „The Long And Winding Road“ zu bestaunen. „Blackbird“ und „Yesterday“ beenden die erste CD, wobei gerade „Yesterday“ doch hinter den Erwartungen zurück bleibt und die Magie, die dieser Song sonst ausstrahlt, einfach fehlt.

 

Nach dieser Aufwärmphase hauten die Wings mit „You Gave Me The Answer“, „Magneto And Titanium Man“ oder „Go Now“ aktuellere Titel raus. Die Ballade „My Love“ ist selbstverständlich wieder für so manche Träne im Knopfloch gut. Mit dem luftigen „Silly Love Songs“ wird aber spätestens hier die Hitmaschine wieder angeschmissen. „Band On The Run“ und „Hi Hi Hi“ sorgen dann auf der Zielgeraden auch noch mal für entsprechende Jubelstürme. Das recht unbekannte „Soily“ beendet dann dieses Set und die damaligen Konzerte. Mutig, aber auch konsequent. Das Ding rockt wie Hölle und wer genau hinhört, wird feststellen, dass Mando Diao das Stück unter Garantie kennen dürften. McCarntey hat eben Generation an Musikern beeinflusst – und dies nicht nur durch seine Hits.

 

Fazit: „Wings Over America“ dürfte zu den wichtigsten Alben von Paul McCartney und den Wings zählen. Überhaupt ist dieses Live-Album nach dem Aus der Beatles ein wichtiges Zeitdokument. Hits der Beatles Ära finden sich ebenso in der Setlist wieder, wie auch die Klassiker der Wings, aber eben auch die nicht ganz so bekannten Songs. Die reamsterte Ausgabe kann nun mit einem erstklassigen Sound aufwarten und dies ohne das Ereignis in irgendeiner Form zu verwässern. Schade, dass das Publikum kaum zu hören ist, aber alles in allem ein Pflichtkauf! Fans sollten aber gleich zur Deluxe Edition Box greifen, die aus aus 4(!) Büchern und 4 Discs (3 CDs, 1 DVD) besteht!

 

http://www.paulmccartney.com

 

Text: Torsten Schlimbach

Paul McCartney: RAM (Deluxe Edition)

Paul McCartney: RAM (Deluxe Edition)

Universal

VÖ: 18.05.2012

 

Wertung: 10/12

Tipp!

 

Das zweite Soloalbum „RAM“ von Paul McCartney erschien 1971 und wurde in den folgenden Jahren recht kontrovers diskutiert. Kein Wunder, das Ende der Beatles war immer noch nicht verarbeitet und die Yellow Press trieb ständig eine neue Kuh durch die Dörfer. Aber auch die renommierten Kritiker zeigten sich wenig begeistert von „RAM“ und es dürfte mehr Verrisse denn positive Rückmeldungen gegeben haben. John Lennon äußerte sich freilich auch nicht gerade positiv über die Platte und bezeichnete sie als schrecklich. Zudem machte er auf „RAM“ gleich mehrere Stücke aus, die an ihn gerichtet wären. Selbst Ringo Starr war für seine Verhältnisse extrem kritisch und vertrat die Meinung, dass McCartney nicht unbedingt seine bestmögliche Arbeit abgeliefert hat. Hinzu entbrannte ein Streit um Linda McCartney, die ebenfalls als Autorin und Produzentin genannt wurde. Es ging dabei natürlich auch um Tantiemen.

 

Über die Jahre revidierten einige Kritiker ihre Meinung und plötzlich erschien „RAM“ in einem ganz anderen Licht. Die Fans und Albumkäufer ließen sich von dem ganzen Zauber sowieso nicht beeindrucken und „RAM“ war in den 70ern recht erfolgreich. Nun kommt das gute Stück gleich in mehreren Konstellationen erneut im Rahmen der „Archive Collection“ in den Handel. Dazu lässt der Meister jetzt verlauten, dass dieses Album seine Hippie-Zeit widerspiegelt und Ausdruck eines besonderen Freiheitsgefühl war.

 

Eigentlich ist es ein Witz, dass überhaupt irgendeiner auf die Idee kommen könnte, dass sich der gute Paul bei diesem Album keine Mühe gegeben hat. Das pure Gegenteil ist der Fall! Für die ganzen Overdubs war die Welt anscheinend zu Beginn der 70er noch nicht bereit. Zudem ließ McCartney auch noch Musiker der New Yorker Philharmoniker für Bläser- und Streichersätze ankarren. In akribischer Kleinarbeit wurde Stück für Stück „RAM“ zusammengesetzt. Vielleicht gingen an der einen oder anderen Stelle die Pferde etwas mit dem Ex-Beatle durch, aber das war es auch.

 

Im Grunde nutzt McCartney hier die ganze Spielfläche und Gerätschaften aus, die es damals gab. Hat man von dem netten Beatle so sicher nicht erwartet. Führt man sich „RAM“ heute zu Gemüte, dann kristallisiert sich durchaus heraus, dass dieses Werk wegweisend war. Neben Art-Folk wird hier mit Blues und Country gespielt und auch, wenn manche Songs recht kurz sind, so gibt es auch genug progressive Ansätze. Das großartige „Uncle Albert/Admiral Halsey“ ist so ein Ding. Hier wird mit Stimmungen, Harmonien und Melodien gespielt und das Tempo variiert, dass es für mindestens vier Songs reichen würde. „Smile Away“ ist süßlicher Kitsch und doch bollert es im Hintergrund derart, dass McCartney den Garagenrock glatt auf eine neue Ebene gehievt hat. „Monkberry Moon Delight“ ist eine der vielen Großtaten und gerade in gesanglicher Hinsicht zeigt sich McCartney hier angriffslustig wie selten. Mit dem bombastischen „Long Haired Lady“ und dem verspielten „Heart Of The Country“ gibt es auch schöne balladeske Momente, die aber weit entfernt vom Balladenonkel sind. Und ja, wer in „3 Legs“, „Dear Boy“ oder „Too Many People“ keine Anspielungen auf seine ehemaligen Mitstreiter hört, dem ist auch nicht mehr zu helfen.

 

Im schönen und ausklappbaren Digipack kann man nun auch noch mal alle Texte nachlesen und viele Fotos jener Ära bewundern. Eine zweite CD mit Bonus-Songs rundet dieses Meisterwerk sehr schön ab. Das Material ist natürlich nicht gänzlich neu und wurde teilweise auch schon auf einer späteren CD-Ausgabe von „RAM“ untergebracht. Das süßliche „Another Day“, das kratzbürstige „Oh Woman, Oh Why“ und das verspielte Westernsaloon-Stück „Little Woman In Love“ sind nette Zugaben für „RAM“ und das epische „Rode All Night“ unterstreicht noch mal dessen Ambitioniertheit.

 

Fazit: „RAM“ von Paul McCartney ist wesentlich besser wie sein Ruf. Das Ding ist mit seiner ganzen Pracht, Verspieltheit und Ideen ein Meisterwerk. Der liebe Paul ist gar nicht mehr so lieb und hat ein Werk mit vielen Widerhaken aufgenommen. Aus heutiger Sicht war es wegweisend, gar bahnbrechend. Die Bonustracks und die Aufmachung der neuerlichen Veröffentlichung sind sehr gelungen. Kaufempfehlung!

 

http://www.paulmccartney.com

 

Text: Torsten Schlimbach

Paul McCartney: Kisses On The Bottom

Paul McCartney: Kisses On The Bottom

Universal

VÖ: 03.02.2012

 

Wertung: 7/12

 

Paul McCartney ist ja bekannt dafür, dass er immer wieder Türen zu einem Genre aufstößt, mit dem man nicht gerechnet hat – nicht rechnen konnte. So langsam hat er aber auch alles abgefrühstückt und da stellt sich die berechtigte Frage, was da noch kommen mag? Einstweilen ist es „Kisses On The Bottom“ und eine Reise zurück in seine Kindheit. Mit dieser Platte vertont er nicht etwa Kinderlieder mit denen er aufgewachsen ist, sondern eben jene Songs, die er als kleiner Knirps gehört hat oder hören musste. Ein Blick auf die Songs hinter den Hits sozusagen. Teilweise hörte er die Nummern erstmals als sein Vater diese auf dem heimischen Piano spielte.

 

Solche Projekte sind ja meist nur dem Künstler dienlich und selten genug hat das einen großen Mehrwert. Kleine Platten für den Eigengebrauch. Bei McCartney ist das leider nicht sonderlich anders – bei allem Respekt vor seinem Götterstatus. An der Songauswahl liegt es nicht. Naheliegend ist hier nämlich gar nichts und er griff dafür ganz tief in die Kiste mit dem obskuren Material und steuerte auch gleich noch zwei eigene Songs bei. An der Unterstützung von Diana Kralls Backing-Band liegt es auch nicht. Die Nummern sind schon sehr liebevoll arrangiert und John Clayton hat ein paar hörenswerte Streicherparts eingefügt. Soweit alles gut. Der Sound ist es übrigens weniger, da hat man bei der Kompression aber gehörig geschludert. Ist bei der MP3-Player Generation sicher unerheblich, aber Käufer von „Kisses On The Bottom“ dürften dazu nicht gerade zählen.

 

Auf die Beteiligung von Eric Clapton hätte McCartney aber gut und gerne verzichten können. Das ist mal wieder ein völlig uninspirierter Beitrag von Mr. Slowhand, wovon es mittlerweile überraschend viele gibt. Stevie Wonder darf übrigens auch noch mit seiner Mundharmonika ein bisschen mitspielen. Macht er gewohnt gut! Soweit alles schön und nett! Nett ist dann auch das Wort welches über „Kisses On The Bottom“ schwebt. Mehr ist es dann leider nicht geworden. Auf Dauer ist das sogar erschreckend langweilig und irgendwie ist sogar recht wenig vom berühmten McCartney Zauber zu vernehmen und dann könnte die Platte genaugenommen auch von jedem anderen Interpreten auf diesem Planeten stammen.

 

„It´s Only A Paper Moon“ ist stimmlich ganz dünn und bei „My Very Good Friend The Milkman“ kann man den Meister dann kaum noch erkennen. Da gefällt die brüchige Verletzlichkeit von „More I Cannot Wish You“ schon besser. Einer der überzeugendsten Songs ist ausgerechnet die Eigenkomposition „My Valentine“. Hier fühlt sich McCartney auf bekanntem Terrain sicher und zu Hause und dann meistert er ein solches Stück immer noch wie kein Zweiter. Stark sind immer die Momente, bei denen McCartney nicht ehrfürchtig, sondern sehnsuchtsvoll und mit viel Wehmut in der Stimme die Songs vorträgt. Dann klingt das wie eine schöne Erinnerung an längst vergangene Tage, die nicht verblasst ist.

 

Fazit: In überwiegend jazzigem Gewand präsentiert Paul McCartney auf „Kisses On The Bottom“ seine Lieblingssongs der Kindheit. Ein liebevoller Blick zurück – über weite Strecken leider auch ein beliebiger und langweiliger! Oftmals behauptet ein Künstler ja, dass er seine vorliegende Arbeit nur für sich selber gemacht hat – hier stimmt es dann mal! Eine Veröffentlichung hätte es allerdings nicht unbedingt gebraucht – auch wenn die Scheibe ein paar beachtliche Momente zu bieten hat. Irgendwie rührend ist die ganze Geschichte trotzdem! Beim nächsten Album darf es dann aber gerne wieder mehr McCartney sein!

 

http://www.paulmccartney.com

 

Text: Torsten Schlimbach

Paul McCartney: Ocean´s Kingdom

Paul McCartney: Ocean´s Kingdom

Universal

VÖ: 30.09.2011

 

Paul McCartney durchschreitet auf seine alten Tage noch mal eine ganz neue Tür und betritt musikalisch unbekanntes Terrain. Der Mann wagt sich jetzt ins Ballett! Nein, er schwingt jetzt nicht das Tanzbein und wirft sich auch nicht jede Menge Lametta über, sondern legt nun mit „Ocean´s Kindgom“ eine Platte vor, die er so auch noch nicht gemacht hat. Ein bisschen einschränkend muss man allerdings auch feststellen, dass er sich in klassischen Gefilden ja nun auch schon ausgetobt hat und so weit entfernt ist diese Musik hier dann doch nicht.

 

Das Werk wurde vom London Classical Orchestra mit Dirigent John Wilson und Produzent John Fraser umgesetzt. Peter Martins wollte dieses Projekt als Leiter des New York City Ballet. Ziel war es, dies für die Saison 2011/2012 als neues Ballett der Company zu präsentieren. Auch, wenn McCartney natürlich der größte Songschreiber der letzten Jahrzehnte war und ist, so hat er von der Materie hier natürlich nur bedingt Ahnung. Er wählte letztlich den Ansatz, den er immer hat, wenn er neue Musik komponiert: das Herz soll entscheiden und leiten und eben nicht der Kopf.

 

Dies war das erste Ballett von McCartney und seine technischen Kenntnisse um dies zu stemmen, waren auch eher gering und eine Orchesterpartitur hatte er bis dato auch noch nie geschrieben. Umso erstaunlicher ist nun das Ergebnis. Oder eben nicht, wenn man in Betracht zieht, dass der geistige Urheber ein musikalisches Genie ist. Er hat hier eine Geschichte erschaffen, die den Zuhörer mit auf eine Reise durch die Gefühlswelten nimmt. In erster Linie ist das sicher stark in der Klassik verhaftet und auch Musical-Elemente dürfen natürlich nicht fehlen, aber so ein ganz kleines bisschen schimmert sogar der Rock hier durch. So ganz plötzlich scheint McCartney nämlich auch eine Abzweigung Richtung New Orleans gefunden zu haben und dann ist das alles andere als ein pures Klassikvergnügen. Dann geht es rund – im wahrsten Sinne des Wortes.

 

Man darf auf die optische Umsetzung gespannt sein, denn man kann der Musik anhören, dass eine Geschichte erzählt wird und es durch Höhen und Tiefen geht. Wer ein besonderes Faible für klassische Elemente hat, wird sehr viel Freude an diesem Werk haben, denn es wird das ganz große Besteck ausgepackt. Das ist mal kitschig und dann wiederum aufwühlend und wütend, mal tieftraurig und dann doch wieder von einer mitreißenden Fröhlichkeit durchzogen.

 

Fazit: Im Grunde war „Oceans´s Kingdom“ eine Auftragsarbeit, die Paul McCartney mit Bravour gelöst hat. Musik für ein Ballett und eine komplette Orchesterpartitur zu schreiben waren für den Songschreiber ein ganz neues Betätigungsfeld. Man hört diesem Projekt die Mühen an, aber auch den unbändigen Spaß, den diese Umsetzung gemacht hat. Derart in der Klassik verankert hat man den Beatle wohl noch nie gehört.

 

http://www.paulmccartney.com/

 

Text: Torsten Schlimbach

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