Patti Smith: Banga

Patti Smith: Banga

Sony

VÖ: 01.06.2012

 

Wertung: 10/12

Tipp!

 

Patti Smith lädt wieder zur Messe ein! Das letzte Album mit eigenen Songs war „Trampin´“ und hat immerhin auch schon ein paar Jährchen auf dem Buckel. In der Zwischenzeit erschien zwar noch mit „Twelve“ eine Platte mit Coversongs und auch eine Sammlung ihrer besten Songs wurde noch auf den Markt geschmissen, aber die Fans dürstete es natürlich nach eigenem und neuem Material. Wie schnell wirft man doch mit dem Wort Künstlerin um sich? Und dann kommt eine Patti Smith um die Ecke und ruft einem wieder schmerzlich ins Gedächtnis, dass man damit eigentlich viel zu inflationär umgeht. Sie ist eine jener Damen, die diese Bezeichnung wirklich verdient. Die Kategorie Ausnahmekünstlerin wurde für die Poetin, Schriftstellerin, Malerin und Musikerin eigens erfunden. Sie ist die alte Schamanin des Rock and Roll. Bisweilen gar das schlechte Gewissen.

 

Mit „Banga“ hat sie mal wieder das große Ganze im Blick. Nichts ist belanglos oder zufällig. Alles ergibt irgendwie Sinn und entpuppt sich mal wieder als freigeistiger Songzyklus. Geschrieben wurden die Songs ausgerechnet auf einer Kreuzfahrt mit der Costa Concordia – natürlich mit Lenny Kaye. So verwundert es auch nicht, dass das Album mit „Amerigo“ beginnt. Wie eine sanfte Reise der Amerigo Verspuccis in die neue Welt. Der Song ist recht poppig, enthält aber schon die legendären Spoken Word Fetzen, die Patti Smith immer mal wieder in ihre Songs einfließen lässt.

 

Die erste Single „April Fool“ ist reinster Pop. Ja, so konsequent kennt man das nicht von ihr. Die Gitarren flirren trotzdem durch Raum und Zeit und retten das Stück dann auch vor dem Kitschfelsen. Ein versöhnliches Stück der oftmals wütenden Patti. „Fuji-san“ ist beispielsweise eine wütende Anklage. Hier poltert der Rock, hier rumpelt der Punk. Natürlich dreht es sich um die furchtbare Katastrophe, die die Menschen von Japan so viel Leid erfahren ließ. „Banga“ ist selbstverständlich ein sehr tiefgründiges Werk. Dies gilt auch für „This Is The Girl“. Sie gedenkt dabei Amy Winehouse, hat aber keineswegs ein tränenreiches Drama aufgenommen, sondern intoniert den herzlichen Text zu Pop- und Soulklängen. Sie versteht es aber trotzdem mit sehr viel Tiefe und Emotionalität zu überzeugen.

 

Der Titeltrack „Banga“ ist bedrohlich wie die Dunkelheit der Nacht und lärmt wie ein Rudel ausgehungerter Wölfe. Johnny Depp streunt hier auch um die Häuser. Der hauptberufliche Schauspieler ist aber nur einer von vielen Gästen auf diesem Album. Ihr alter Freund Tom Verlaine ist ebenso mit von der Partie wie auch ihre Tochter Jesse Paris und ihr Sohn Jackson. Dies sind aber im Grunde nur Randnotizen, denn dieses Album ist Patti Smith durch und durch. Ein ruhiges Stück wie „Maria“ unterstreicht immer noch ihre Stimmgewalt, die aus dem Stande heraus eine Gänsehaut erzeugen kann. „Mosaic“ spielt gar mit orientalischen und Klängen der Weltmusik. Auch diese Seite kennt man von dieser lebenden Ikone. Mit „Nine“ gibt es übrigens noch mal einen Johnny Depp Moment auf „Banga“. Die Nummer hat sie ihm zum Geburtstag geschrieben. Mit „After The Gold Rush“ interpretiert sie Neil Young auf ihre Art und Weise und da darf es zum Schluss auch gerne mal ein Kinderchor sein. Neben dem düsteren „Tarkovsky (The Second Stop Is Jupiter)“ ist das improvisierte „Constantine´s Dream“ das Herzstück dieser Platte. Dieses zehnminütige Epos befasst sich – wie der Opener – mit der Ankunft der Europäer in Amerika. Sie rezitiert und windet sich durch diesen Monolith von Song. Psychedelische Klänge bauen gar eine bedrohliche Atmosphäre auf. Diese Stimmungen kann nur Patti Smith erzeugen und vermitteln. Ganz große Kunst!

 

Fazit: „Banga“ von Patti Smith ist das Werk einer Ausnahmekünstlerin. Die versöhnlichen und poppigen Töne gehören ebenso dazu wie die anklagenden Improvisationen. „Banga“ ist ein Kunstalbum, aber eben kein künstliches. Über Artwork, das Booklet bis hin zur Instrumentierung, den Arrangements und nicht zuletzt den Texten ist dies abermals ein Album eines der größten musikalischen Talente unserer Zeit. Diese Platte kann bedrohlich wirken, ist aber oftmals von einer Wärme durchzogen, wie es nur die ganz Großen umsetzen können. Und ja, die Musik ist oftmals auch poppig und versöhnlich. Die Welt ist eben noch nicht verloren und so lange Patti Smith auf ihr wandelt sowieso nicht - das ist mal sicher!

 

http://www.pattismith.net

 

Text: Torsten Schlimbach

Patti Smith: Outside Society

Patti Smith: Outside Society

Sony

VÖ: 02.09.2011

 

Man könnte jetzt laut aufschreien „nicht noch eine Best Of von Patti Smith“! Es gibt doch schon „Land“ und auf den beiden CDs waren nicht nur die Klassiker vertreten, sondern immerhin auch einige Raritäten. Das stimmt, trotzdem macht auch „Outside Society“ Sinn! Es handelt sich hierbei immerhin um eine Zusammenstellung, die erstmals Label übergreifend ihre Hits und Klassiker präsentiert. Natürlich ist das für Fans jetzt keine Raritätenfundgrube, aber das war ja auch nicht zu erwarten. Immerhin wurden die Songs von Greg Calbi und Tony Shanahan überarbeitet und in ein zeitgemäßes Klanggewand gepresst. Der Charakter der ursprünglichen Aufnahmen wurde dabei aber nicht verfälscht.

 

Die Anordnung der Songs ist chronologisch und erstreckt sich vom Karrierebeginn im Jahre 1975 bis ins Jahr 2007. Auch, wenn die Songauswahl von Patti Smith persönlich zusammengestellt wurde, tun sich da naturgemäß natürlich ein paar Lücken auf. Hier wurde sich eben tatsächlich auf die Songs beschränkt, die man als Neueinsteiger in die Welt der großen Rock-Poetin kennen sollte. Da bleibt natürlich kaum Raum und Platz für Obskures.

 

Muss man zu mitreißendem Kulturgut wie der Interpretation von Patti Smith von „Gloria“ noch was sagen? Oder zum aggressiven „Pissing In A River“? Das schöne „Because The Night“ hat noch nie eine Künstlerin oder ein Künstler erhabener vorgetragen wie eben Frau Smith. „Rock N Roll Nigger“ fehlt dabei ebenso wenig, wie das vielfach gecoverte „Dancing Barefoot“. „People Have The Power“ ist auch heute immer noch ein Gänsehauttrack. Ihre minimalistische Version von „Smells Like Teen Spirit“ und „Trampin“, welches sie im Studio mit ihrer Tochter eingesungen hat, runden die CD perfekt ab. Wirklich schön und erhellend sind die Liner Notes zu jedem Song, die allesamt von Patti Smith persönlich stammen.

 

Fazit: „Outside Society“ von Patti Smith gehört in jeden Musikhaushalt, sofern man von der Dame noch nichts im Schrank stehen hat. Wer ihre Musik erst jetzt für sich entdeckt, ist also hier goldrichtig und bekommt die Hits und Klassiker geliefert. Die Songs selber wurden digital überarbeitet und auch bei den Liner Notes hat man sich Mühe gegeben – die stammen nämlich von Patti Smith. Das Digipack enthält somit auch alle wichtigen Informationen und gehört so zu den wirklich guten „Best Of“ Zusammenstellungen. Die Tatsache, dass hier erstmals übergreifend auf die verschiedenen Labels kompiliert wurde, ist ein sehr schöner Nebeneffekt. Die Songs selber sind sowieso über jeden Zweifel erhaben!

 

http://www.pattismith.net/

 

Text: Torsten Schlimbach

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