Muse: The 2nd Law

Muse: The 2nd Law

Warner

VÖ: 28.09.2012

 

Wertung: 7,5/12

 

Die drei Herren von Muse sind spätestens seit „The Resistance“ zu absoluten Superstars des Musikgeschäfts aufgestiegen. Wer in der heutigen Zeit mit einem Album in 19 Ländern auf Platz eins der Charts landen kann, Millionen Einheiten davon an die Frau und den Mann bringt und dazu noch den Grammy für das beste Rockalbum abräumt, hat es wohl geschafft. Was kann da noch kommen? Was also tun? Dazu hat Kopf und Chefdenker Matthew Bellamy von Muse eine ganz simple wie auch einleuchtende Erklärung: nicht zurückblicken und einfach nach vorne schauen. Dabei steht die Suche nach dem Neuen absolut im Vordergrund. Dies scheint gerade für Bellamy der zwanghafte Antrieb zu sein mit Muse in immer neue musikalische Sphären vorzudringen.

 

Nun steht also mit „The 2nd Law“ das neue Werk in den Startlöchern. Im Vorfeld gab es über dieses Album viel zu lesen. Sehr viel sogar. Weniger nach Queen sollte die Platte klingen. Als Einflüsse wurden Justice und Skrillex genannt. Es war gar die Rede davon, dass dies das Dubstep und Grime Album von Muse werden würde. Dann wiederum hieß es, dass ein Höher, Schneller und Weiter nicht mehr möglich sei, da man schon alles erreicht hätte. Was denn nun? Muse in reduziertem Gewand? Wohl doch nicht mehr in diesem Leben. Das ist natürlich alles Quatsch. Mittlerweile hat das ja schon Legenden- und Mythenstatus, nur entspricht es sicher nicht den Tatsachen.

 

In „The 2nd Law“ steckt mehr von Queen wie in jedem Studioalbum der Freddie-Truppe. Das Theater dieser Platte hätten sich nämlich selbst Queen nicht getraut. Die Artrocker treiben es mit diesem Album tatsächlich auf die Spitze! Mehr Theatralik geht nicht! Musical, Klassik, Bombast, Schmalz und Pathos – es tropft glatt zuckrig aus den Boxen. Verklebungsgefahr ist definitiv gegeben. Alles beim Alten also? Mitnichten! Muse wären ja nicht Muse, wenn es nicht wieder jede Menge Gesprächsstoff geben würde. „The 2nd Law“ wird definitiv polarisieren.

 

Die große Stärke von Muse ist auch gleichzeitig deren große Schwäche: Matthew Bellamy. Der Mann ist derart damit beschäftigt sein Genie in den Griff zu kriegen, dass er sich in zu vielen Kleinigkeiten verstrickt. Ein Perfektionist, der sich in der Komplexität seiner Kompositionen zu verlieren scheint. Selbst seine Kritiker dürften – nein sollten – anerkennen, dass er wohl einer der größten Kreativköpfe der modernen Popkultur ist und dies schon seit dem Debütalbum. Bedenkt man dabei, wie blutjung er und seine Mitstreiter damals waren, dann kann einem schon mal ganz schwindelig werden.

 

Man möchte gar nicht wissen, was in seinen Kopf vorgeht. Hört man sich die Orchestersuiten an, die das Ende von „The 2nd Law“ darstellen, dann hat der Wahnsinn endlich ein musikalisches Gesicht. Das Ende der Menschheit ist nahe und das Ende jeglicher Zivilisation ist gekommen. Die Terminator übernehmen die Weltherrschaft. Ein programmmierter Dubstep-Beat stellte die Grundidee dar, dazu gibt es eine synthetische Basslinie. Die Mischung aus Dubstep, klassischer Musik und progessiven Elementen ist schon irre. „Isolated System“ basiert gar nur auf einem Pianothema, kein Gesang. Soundtrackmusik! Und das gilt für große Teile der Platte!

 

Der Album ist sowieso seltsam geteilt. Die beiden Orchestersuiten stehen ganz für sich alleine und dann wären da ja auch noch zwei Songs, die von Bassist Chris Wolstenholme stammen. Der stille und schüchtern wirkende Chris schreibt nach eigenem Bekunden schon immer Songs, bisher aber nur für sich. Bellamy war diesmal aber derart mit der Ausarbeitung seines Irrsinns beschäftigt, dass es nicht genug Songs gab. Wolstenholme musste sich dann von seinen beiden Kollegen überreden lassen, dass er zwei seiner Songs nicht nur zur Verfügung stellt, sondern auch gleich singt. Und ausgerechnet diese beiden Songs sind es, die „The 2nd Law“ erden und ein menschliches Gesicht geben. „Save Me“ mag im Muse Kosmos langweilig klingen, ist aber einer der besten Songs auf diesem Album. Der Bassist wird zwar nicht als der beste Sänger in die Geschichtsbücher eingehen, aber gerade die Mischung aus Pink Floyd und den Beach Boys macht die Nummer immens stark. Abgesehen davon geht ihm völlig der Hang zur Theatralik ab und somit bleibt das Stück dann doch auf dem Teppich. Sein zweiter Song ist dann gleich noch mal eine Überraschung. „Liquide State“ ist waschechter Stoner Rock der Marke Josh Homme. Der Gesang erinnert entfernt gar an Dave Grohl.

 

Der Rest des Albums ist die große Bellamy Show! Aus kompositorischer Sicht natürlich! Zur Umsetzung braucht er nämlich noch seine beiden Bandkollegen und da hat er mit Chris Wolstenholme einen erstklassigen Bassisten zur Seite und auch Dominic Howard versteht es die oftmals vertrackten Rhythmen kongenial umzusetzen.

 

Zum Auftakt gibt es mit „Supremacy“ gleich mal ein musikalisches Feuerwerk, welches die Welt so lange nicht mehr gehört hat. Das zieht einem ja förmlich die Hose aus. Der Bass bollert, die Gitarre zerschreddert alles und gleich springt James Bond mindestens aus einem Helikopter. Wenn man es nicht besser wüsste, dann könnte man glatt auf die Idee kommen, dass dies der neue Bond Track wäre. Die Queen-Theatralik fehlt selbstverständlich nicht und Bellamy dringt wieder in Höhen vor, die einfach nicht gut für die Ohren sein können. Ein Auftakt der gleich mal eine ordentlich Ansage ist! An die Single „Madness“ hat man sich ja mittlerweile gewöhnt. An die Mischung aus „I Want To Break Free“ und „One Vision“ von Queen und „Faith“ von George Michael auch. Hat eigentlich zum Gitarrensolo Brian May seine Zustimmung gegeben?

 

Anschließend folgt der beste Muse Track seit Menschengedenken. Warum? Weil er so untypisch ist. „Another One Bites The Dust“ von Queen hat noch nie so gut geklungen. Der Gesang von Matt Bellamy auch nicht! Das liegt daran, dass Muse hier eine ordentliche Portion Funk im Gepäck haben. George Clinton wird stolz auf die Briten sein. Ein „Prelude“, welches auch ein Score zum nächsten Disneyfilm sein könnte, leitet dann zur Vollkatastrophe von „Survival“ über. Der Olympiasong zieht einem immer noch die Schuhe aus – und zwar in negativer Hinsicht. „Innuendo“ von Queen war schon schlimm – das hier ist schlimmer. Überhaupt ist nach dem starken Auftakt der ersten drei Songs die Luft aus „The 2nd Law“ so ziemlich raus.

 

Eltern werden das Geräusch zu Beginn von „Follow Me“ sofort erkennen. Es kann einfach nichts Schöneres auf dieser Welt geben als die Herztöne des eigenen Kindes während des Ultraschalls. Dies dürften wohl die von Bingham Bellamy sein. Danach entwickelt sich die Nummer aber schnell zu einem furchtbaren Dancetrack. Das Thema war Ende der 80er eigentlich schon durch. „Explorers“ fährt die komplette Musicalpalette auf, ist aber letztlich nichts anders als ein Albumfüller. „Big Freeze“ ist da nur unwesentlich besser – Muse-Standard. Immerhin gibt es mit „Animals“ ein kleines Meisterwerk. Der Progrock ist dabei allgengenwärtig und zwischen Yes und Dream Theater sortiert sich das irgendwo ein. Eine Meisterleistung!

 

Fazit: Der Beginn von „The 2nd Law“ ist immens stark, der Mittelteil extrem schwach – abgesehen von „Animals“ -, der Schluss komplett unpassend und die größten Überraschungen sind ausgerechnet die beiden Songs von Bassist Wostenholme. Lasst Bellamy doch endlich mal einen kompletten Filmscore schreiben, denn dies dürfte seinen Neigungen vollkommen entsprechen. Unter dem Strich ist es ein durchwachsenes Album mit einigen Ausreißern nach oben, aber auch nach unten. Eins ist aber sicher: mehr Bombast und Theatralik wie bei Muse findet man kaum bei einer anderen Band!

 

http://muse.mu/

 

Text: Torsten Schlimbach



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