Mumford & Sons: Wilder Mind

Mumford & Sons: Wilder Mind

Universal

VÖ: 01.05.2015

 

Wertung: 6,5/12

 

Es konnte einem im Vorfeld der Veröffentlichung von „Wilder Mind“ ja Angst und Bange werden. Die abenteuerlichsten Geschichten wurden sich über das neue Mumford & Sons Werk erzählt. Geschrieben wurde selbstverständlich auch viel. Dann kriegte man mit „Believe“ einen ersten Eindruck der neuen Ausrichtung geliefert und fortan brach ein Sturm der Entrüstung los. Einige Optimisten beeilten sich allerdings zu erwähnen, dass Marcus Mumford an dem Song ja im Grunde kompositorisch gar nicht beteiligt war, da er für „Basement Tapes“-Aufnahmen von Bob Dylan mit Elivs Costello abhing und der Rest, also die Sons, diesen Song zu verantworten hätten. Für „Wilder Mind“ bestand also noch Hoffnung. Die Sache mit den Experimenten wurde dennoch nicht vom Tisch gefegt.

 

Experimente? Gibt es auf „Wilder Mind“ aber weit und breit keine. Mumford & Sons haben sich zwar komplett vom Sound der ersten beiden Alben verabschiedet, aber das alleine zeugt ja nicht von Experimentierfreude. Es war Zeit für Veränderungen und man wolle nun nicht mehr Teil dieser Folkbewegung sein. Etwas merkwürdig mutet es an, dass die Herren irgendwie kein gutes Haar an der Vergangenheit lassen. Die Band hat ja nicht umsonst diesen Status und derart viele Fans. Veränderungen sind ja nicht schlecht und natürlich wäre jetzt der dritte Aufguss des Debüts etwas fad. Paradoxerweise ist es „Wilder Mind“ aber auch. Dies liegt nicht daran, dass das Banjo verschwunden ist, die Basstrommel eingemottet wurde oder Produzent James Ford hinter dem Schlagzeug saß. Es liegt einfach daran, dass die Platte spannungsarm und, man muss es leider so sagen, langweilig ist. Das plätschert alles so dahin, kommt ganz gefällig im Ohr an, setzt sich aber überhaupt nicht fest. E-Gitarren? Gerne doch, aber viel Hall alleine erzeugt ja nun noch keinen Spannungsbogen.

 

„Wilder Mind“ könnte auch von Coldplay sein. Überhaupt gibt es da ein paar beachtliche Überschneidungen in der Biografie. Auch Coldplay verzückten die Welt einst mit zwei beachtlichen Alben, bevor sie sich aufmachten belanglose Popzulieferer zu werden. Der Erfolg gab Chris Martin und seinen Mann bisher allerdings recht, mal gucken wie es bei Marcus Mumford und seinem Gefolge aussehen wird. Die Radiostationen dürften sicher dankbar für diese harmlosen Songs sein.

 

Natürlich ist das nicht komplett schlecht, nur eben auch nicht gut. „Tompkins Square Park“ hat immerhin eine netten, melancholischen und doch treibenden Refrain zu bieten. Vielleicht möchte Chris Martin den Song irgendwann mal singen. Passen würde es. Das schon erwähnte „Believe“ gab diese Richtung ja sowieso schon vor. Der Zauber, auch das Raue und die Kratzbürstigkeit sind vollends verloren gegangen. Man muss allerdings auch mal eine Minute innehalten, denn wenn man sich auf den Song einlassen kann, dann funktioniert selbiger doch recht gut. Popmusik für erwachsene Leute – nicht mehr, aber auch nicht weniger.

 

„The Wolf“ dürfte seine Qualitäten erst live vollends entfalten. Mumford & Sons poprocken jetzt mit ganz großem Besteck. Und vielen Spuren und Schichten. Bis hierhin ist „Wilder Mind“ nicht schlecht, man muss sich da nur mal von seinen Erwartungshaltungen befreien. Mit dem Titelsong „Wilder Mind“ geht das Dilemma aber los. Was will uns die Band da musikalisch sagen? Das schippert ganz nett dahin und es tut keinem weh, aber das ist ja so ziemlich das Schlimmste was man über Musik sagen kann. Der Versuch eine The Edge-Gedenkgitarre zu etablieren scheitert auch eher kläglich. „Just Smoke“ und „Monster“ ereilt ein ähnliches Schicksal. Die Grundidee mag ja ganz in Ordnung sein, allerdings fehlt es da an der Ausarbeitung. Stückwerk.

 

„Snake Eyes“ zeigt ja wie es gehen kann. Auch mit klassischer Pop/Rock-Instrumentierung. Das Stück steigert sich sehr schön von einer vermeidlichen Ballade zu einem treibenden Rocksong. Bitte mehr davon! Gibt es zunächst leider nicht. Immerhin erinnert „Cold Arms“ noch mal im Akustikgewand – nein, kein Banjo – an die Vergangenheit. Der Zauber ist trotzdem irgendwie verflogen und kommt mit „Ditmas“ auch ganz sicher nicht zurück. Ein weiterer Popsong der nach Schema F funktioniert. „Only Love“ nimmt die musikalische Reise von „Snake Eyes“ noch mal auf, und ja, das macht Laune. „Hot Gates“ beendet „Wilder Mind“ dann recht gemächlich und schürt nicht gerade das Verlangen auf eine neue Runde.

 

Fazit: Man muss sich nun wirklich nicht darüber echauffieren, dass Mumford & Sons jetzt der Folkmusik abgeschworen haben. In Gegenteil, neue Wege sind sicherlich nicht verkehrt, denn sonst manövriert sich die Kapelle in eine Sackgasse. Popmusik muss ja nun wahrlich auch nichts Schlechtes sein. Das Songwriting ist aber leider oftmals sehr spannungsarm. Es mangelt „Wilder Mind“ einfach an ein paar zündenden Ideen. So kommt vieles sehr gefällig daher, hat aber kaum Substanz. Vielleicht hatte die Band auch einfach Angst vor der eigenen Courage. Noch. Die Aufmachung der Platte ist übrigens ein Ärgernis. Ein bisschen Pappe umhüllt die CD und sonst gibt es rein gar nichts dazu!

 

http://www.mumfordandsons.com/

 

Text: Torsten Schlimbach

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Mumford & Sons: Babel

Mumford & Sons: Babel

Cooperative Music/Universal

VÖ: 21.09.2012

 

Wertung: 10/12

Tipp!

 

Marcus Mumford, Ben Lovett, Ted Dwane und Country Winston sind vier der größten Stars, die das angeblich kränkelnde Musikgeschäft zu bieten hat. Wie? Kennen Sie nicht? Die vier Jungs haben immerhin mehr als acht Millionen Einheiten vom Debütalbum verkauft. In der heutigen Zeit ist das doch eine schier unvorstellbare Zahl. Abgesehen davon laufen die Songs immer noch ständig im Radio, dabei hat „Sigh No More“ seit der Veröffentlichung im Herbst 2009 auch schon ein paar Jährchen auf dem Buckel. Das Album hat aber immer noch keinen Staub angesetzt. Mumford & Sons sind längst nicht mehr die Indie-Folkrocker mit Geheimstatus, sondern auch die neuen Herzblätter des Mainstreams!

 

Jetzt legen sie also das schwierige zweite Album der Welt zu Füßen. Ganz neu sind die Songs nicht mehr. Als ausgesprochene Liveband haben sie die neuen Stücke die letzten Jahre schon ausgiebig getestet und sicher auch ein ganzes Stück vorangetrieben und abgeändert. Mit Produzent Markus Dravs nahmen sie die Liveenergie mit ins Studio. Für „Babel“ wurde an der Vorgehensweise also nicht viel geändert. Auch sonst schreibt das zweite Album die Geschichte von „Sigh No More“ fort. Mumford & Sons ließen sich nicht verbiegen und ziehen ihr musikalisches Ding nun konsequent durch! Änderungen im Sound findet man nur in Nuancen!

 

Mumford & Sons ist weltweit wohl die einzige Band, die einen Song so beginnt, als spiele sie im Pub nebenan nur für einen alleine, nur um dann im nächsten Moment derart auf den Putz zu hauen, dass dies ein ganzes Stadion zum Kochen bringen würde. Die Band hat ein unglaubliches Händchen für Songaufbauten, für dieses Zusammenspiel von laut und leise, für eine perfekte Intonation eben! Die Herren können dies mit traumwandlerisch sicherem Gespür! Ein Ohrenschmaus der Extraklasse!

 

Musiker haben es ja nicht leicht. Nicht leicht mit den Kritikern und auch nicht mit den eigenen Fans. Eigentlich kann man nach einem erfolgreichen Debüt nur noch alles falsch machen. Entweder wird der Fortschritt oder aber das Fehlen einer Weiterentwicklung bemängelt. Mumford & Sons machen im Grunde nichts anderes wie bei „Sigh No More“ und trotzdem alles richtig! Die Band ist ein Phänomen, denn ein Album derart auf den Punkt hinzukriegen ist schon eine Kunst. Dabei merkt man zunächst nicht mal, dass „Babel“ eine recht düstere Angelegenheit ist. Zwischen Schuld, Sühne und Verdammnis gibt es nur wenig Hoffnung zur Erlösung. Mit dem dunklen und traurigen „Ghosts That We Knew“ tragen Mumford & Sons dem dann auch musikalisch Rechnung. Die Herren sind erwachsen geworden und haben ihre Unschuld verloren. Diese Erkenntnis kann man aus „Babel“ jedenfalls herausziehen.

 

Picking, Satzgesang und das obligatorische Banjo gibt es auf diesem Album wieder in allen möglichen Schattierungen zu hören. Mit dem eindringlichen und melancholischen „Lover Of The Light“ schießen sie aber den Vogel ab und zum Schluss dengelt die Gitarre glatt in Richtung Indiehimmel. Dann bricht der Song ab, fährt runter und baut sich wieder auf wie ein Sommergewitter. Das kratzbürstige „Babel“ wirkt da schon konventionell. Das schmissige „Whispers In The Dark“ klingt nach Rauf- und Sauflied – also großartig! Gut, die erste Single hört sich nach Sicherheitsnummer an. Die Bläsersätze beim ergreifenden „Holland Road“ reißen das Ruder wieder herum. Bei den Molltönen von „Broken Crown“ stechen die Bläser gar noch mehr heraus. Selten zuvor klangen Mumford & Sons so wütend wie bei diesem Stück. Ein Fixpunkt von „Babel“! Sowieso schwingt unterschwellig immer etwas der Zorn mit. „Hopeless Wanderer“ fängt mit einem harmlosen Klavierthema an, man ahnt aufgrund des Gesangs aber schon, dass da noch mal die Hölle losbrechen könnte – so ist es dann auch. Mit der Hymne „Not With Haste“ wird dieses Album zwischen Ballade und Folkrock beschlossen – Mumford & Sons in Reinkultur.

 

Fazit: „Babel“ von Mumford & Sons knüpft nahtlos an „Sigh No More“ an. Der Überraschungseffekt ist zwar weg, aber das macht die Platte ja nicht schlecht. Erwachsener scheint zudem das Grundgerüst zu sein. Geordneter, was aber nicht heißt, dass die Herren nicht noch genau so ungestüm vorgehen, wie man sie lieben und schätzen gelernt hat. Abgesehen davon macht ihnen beim Songaufbau so schneller keiner was vor. „Babel“ ist ein tolles, zweites Album! Punkt. Nein, Ausrufezeichen!

 

http://www.mumfordandsons.com/

 

Text: Torsten Schlimbach

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