Michael Kiwanuka: Home Again

Michael Kiwanuka: Home Again

Universal

VÖ: 09.03.2012

 

Wertung: 10/12

Tipp!

 

Eigentlich ist Michael Kiwanuka ein ganz normaler junger Mann, der sich wie vieler seiner Altersgenossen für Fußball und Musik interessiert. Soweit ist das jetzt nicht sonderlich spektakulär und diese Vorlieben hatten schon Millionen vor ihm und werden noch Millionen nach ihm haben. Sein Lieblingsverein sind die Tottenham Hotspurs und auch seine musikalischen Helden - speziell Nirvana, Radiohead, The Offspring, Blur und besonders Bob Dylan und Otis Redding – sind jetzt keine Sensationen und deuten auch nicht auf das ganze Rauschen im Blätterwald hin. Trotzdem wird das Jahr 2012 im Leben von Michael Kiwanuka alles auf den Kopf stellen. Alles!

 

Dem Mann wurde ja schon vor der Jahreswende die große Bürde auferlegt, dass er die größte musikalische Hoffnung für dieses Jahr wäre. Auf der Insel drehen alle mal wieder am großen Hype-Rad und selbst bei uns überschlug man sich schon vorab mit Lobeshymnen und verlieh ihm schon mal den zweifelhaften Titel zu den „zehn heißesten Newcomern des Jahres“ zu gehören. Muss das denn sein? Lasst ihn doch mal machen. Michael Kiwanuka hat diese ganze Hypemaschine sowieso nicht nötig, aber dafür kann er schließlich auch nichts.

 

Der junge Londoner mit ugandischen Wurzeln legt mit „Home Again“ nämlich ein ganz vorzügliches Album vor. Ein Album, welches aber nicht aus dieser Zeit stammt. Die zehn Songs, die nicht mal auf eine Spielzeit von 40 Minuten kommen, klingen gereift wie ein guter Wein, der irgendwann vor 30 bis 40 Jahren angebaut wurde. Nichts an „Home Again“ ist aus dem Hier und Jetzt. Marvin Gaye, Otis Redding oder Bill Withers kommen einem da in den Sinn. Wohlwollend gestimmt könnte man die verwendeten Afrobeat-Bläser noch halbwegs den aktuellen Strömungen zurechen. Muss das überhaupt sein? Fakt ist jedenfalls, dass Kiwanuka selber nicht daran geglaubt hat, dass überhaupt irgendwer seine Songs hören will und die ganzen Demos hat er zunächst nur für sich aufgenommen.

 

Es kam freilich alles anders und mit Paul Butler von The Bees hatte er auf der Produzentenseite tatkräftige Unterstützung. Das Ergebnis nennt Kiwanuka Spiritualität. Dies ist sicher eine schöne Umschreibung für das Gemisch aus Blues, Gospel und ganz viel Soul. Um solch raffinierte Arrangements wie bei „Tell Me A Tale“ auf die Bein zu stellen, muss man aber schon mit einem besonderen Gen für Musikalität auf die Welt gekommen sein. Die vertrackten Bläser, diese wunderbar versponnene Querflöte und diese formvollendete Violine zählen sicher nicht zum alltäglichen Handwerkszeug eines Populärmusikers. Kiwanuka stellt die Instrumente gleich an den Anfang seiner Platte.

 

Oder nehmen wir das wunderbar entspannte „I´m Getting Ready“. Diese Mischung aus Soul und Folk harmoniert wunderbar und hier zeigt sich auch die große Stärke von „Home Again“. Michael Kinwanuka ist einfach mit einer Stimme gesegnet, die ganze Berge mit einer Leichtigkeit und Unaufgeregtheit versetzen könnte. In der Ruhe liegt die Kraft und davon gibt es auf „Home Again“ reichlich. Wann kann man schon mal schreiben, dass man dem Künstler einfach gerne zuhört und dass die Songs ein gutes Gefühl vermitteln? „Rest“ packt einen doch mit dieser wohligen und vertrauten Wärme ein, die man von seiner Lieblingsdecke kennt. Das ist einfach schöne Musik. Punkt.

 

Ein weiterer Pluspunkt dieser Platte ist dieser wunderbare analoge Klang. „Home Again“ oder das verspielte und jazzig angehauchte „Bones“ klingen wie aus einer ganz anderen Zeit entsprungen. Und mal ehrlich, „Always Waiting“ oder „I Won´t Lie“ lassen doch sämtliche Eisberge schmelzen. Es kann doch manchmal alles so einfach und schön sein.

 

Fazit: Michael Kiwanuka entschleunigt und entschlackt das Musikgeschäft mit „Home Again“ auf seine ganz eigene Art und Weise. Stimme und Musik scheinen aus einer ganz anderen Zeit zu kommen – eine Zeit, als Musik nicht nur ein Konsumgut war, sondern noch als Kunst und eine Bereicherung gesehen wurde. Wer nur eine flüchtige Hintergrundberieselung braucht, wird mit „Home Again“ denkbar schlecht bedient, denn man sollte sich Zeit für diese wunderbare Platte nehmen! Eigentlich wollte sich Michael Kiwanuka nur auf seine Musik konzentrieren, aber nun muss er sich auch mit den anderen Dingen des Musikgeschäfts vertraut machen und auseinandersetzen. Wer solche Songs im Gepäck hat schafft auch das!

 

http://michaelkiwanuka.com/

 

Text: Torsten Schlimbach

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