Katzenjammer: Rockland

Katzenjammer: Rockland

Universal

VÖ: 16.01.2015

 

Wertung: 8,5/12

 

Anne Marit Bergheim, Solveig Heilo, Turid Jørgensen und Marianne Sveen haben sich etwas Zeit gelassen. Die vier sympathischen Damen von Katzenjammer waren omnipräsent bevor sie abtauchten und sich auch mal dem Privatleben widmeten. „A Kiss Before You Go“ katapultierte die Damen 2011 schlagartig in das Rampenlicht. Plötzlich nahm auch das Mainstreampublikum Notiz von der Band. Das Erstlingswerk „Le Pop“ war ja noch eher nur von einem kleinen Kreis Eingeweihter zur Kenntnis genommen worden. Jetzt legen Katzenjammer mit „Rockland“ das dritte Album vor.

 

Die Multiinstrumentalistinnen veröffentlichen mit „Rockland“ ihr bisher ausgefeiltestes Werk. Die Balkanfolklore tritt dabei vermehrt in den Hintergrund, dafür haben die Damen ein paar neue Sounds im Gepäck. Ihr Händchen für feine Popmelodien und Arrangements stellten sie im Vorfeld der Veröffentlichung schon mit der Single „Lady Grey“ unter Beweis. Diese luftige, leichte Nummer geht gut ins Ohr und der zuckersüße Gesang ist derart herzlich, dass man sich dem Song kaum entziehen kann und will!

 

„Rockland“ hat aber noch genug verschrobene Klänge abseits des Mainstreams zu bieten. „Old De Spain“ entführt den Zuhörer nämlich zunächst in Country-Gefilde, die mit den Mitteln des Blues einen ganz düsteren Anstrich verliehen bekommen. Voodoo im Katzenjammer-Style. Grandioser Auftakt! „Curvasious Needs“ legt noch ein paar Briketts drauf und Square Dance im Norwegerinnen-Gewand ist ja auch mal was. „Oh My God“ ist dann die komplette Kehrtwendung. Es wabert, es pluckert und groovt. Katzenjammer versuchen sich hier an einer Art Sprechgesang. Handgemachter Hip-Hop der garnicht so verkehrt ist.

 

„My Own Tune“ ist nett, mehr aber auch nicht. Folkpop, den die Damen in dieser Form aber sicher zu jeder Tages- und Nachtzeit locker aus dem Ärmel schütteln können. Ganz gefällig kommt auch „Shine Like Leon Rays“ daher. Darf und muss ja auch mal sein. „Driving After You“ ist da aber schon ein ganz anderes Kaliber. Nashville, Blues, Sümpfe, Gospel, Harlem und doch ganz und gar Katzenjammer. Abermals überrascht die Band und kredenzt einem da ein formvollendetes Stück Musik, welches nach hinten raus sogar ein bisschen nach Alicia Keys klingt. „Flash In The Dark“ ist die nächste faustdicke Überraschung! Was zunächst wie New Wave anfängt, wächst sich zu opulentem Pop aus, nur um im nächsten Moment zurück zum Minimalismus zu finden. Ein toller Songaufbau und ein tolles Arrangement sind da das Salz in der Suppe!

 

„My Dear“ ist ähnlich wie „Lady Grey“ angelegt – die Marke Song, die einen durch den Tag tragen kann. „Bad Girl“ rockt auf seine Art sogar dreckig durch die staubige Wüste. Falls Quentin Tarantino da mal wieder auf der Suche nach musikalischer Untermalung für einen seiner Filme ist, dann sollte er diese Nummer vielleicht auf dem Zettel haben. Das Album wird mit dem Titelstück beendet. Selbiges sorgt jetzt sicher nicht mehr für einen Aha-Effekt, kommt aber noch mal sehr nett daher und ist ein schöner Abschluss.

 

Fazit: „Rockland“ ist natürlich kein klassisches Rockalbum, hat aber viele klassische Elemente der amerikanische Musik zu bieten. Blues, Country, Folk und Americana werden hier oftmals zu einer aufregenden Mischung angerührt. Dazu wird noch ein bisschen luftige Popmusik gereicht und so kommt am Ende des Tages das ausgefeilteste und reifste Werk von Katzenjammer heraus. „Rockland“ wird die Fans auch ohne Balkanfolklore begeistern und vermutlich kommen sogar noch ein paar neue Anhänger hinzu – verdient hätten es die vier Damen!

 

http://www.stageway.net/katzenjammer/

 

Text: Torsten Schlimbach

 

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Katzenjammer: A Kiss Before You Go

Katzenjammer: A Kiss Before You Go

Universal

VÖ: 09.09.2011

 

Wertung: 9/12

 

Wie schaffen die das? Die jungen Damen sehen doch so nett aus und hinterlassen dann so ein Torso und Chaos. Was die Norwegerinnen von Katzenjammer musikalisch veranstalten hat man so auch noch nicht gehört. Übrigens kann man gar nicht glauben, dass die Band ihrem Namen tatsächlich mal alle Ehre gemacht hat. Wenn man jedenfalls verschiedenen Berichten glauben darf, dann war dies aber in den Anfangstagen der Fall. Seltsam, wo sie doch über 30(!) Instrumente beherrschen. In Worten noch mal: DREIßIG!

 

Mit „A Kiss Before You Go“ folgt nun das nächste – vierte – Album. Das Ding ist mal wieder eine Wundertüte. Regeln? Pah, da pfeifen wir doch drauf! Musikalische Zwänge? Was ist das? Wenigstens ein festgelegter Stil? Wozu soll das gut sein? Katzenjammer wildern in so ziemlich allen Bereichen der Rock- und Popmusik und machen doch irgendwie ihr ganz eigenes Ding. Gut, vielleicht kommt einem noch Gogol Bordello in den Sinn. Aber auch das trifft es irgendwie nicht so ganz. Katzenjammer spielen in ihrer ganz eigenen Nische.

 

Einmal Polka und zurück? Ja und doch auch wieder nein! Was kann man bei einer Instrumentenschar wie Akkordeon, Klavier, Gitarre, Mandoline, Glockenspiel, Geige, Ukulele, Bass-Balalaika, Banjo, Mundharmonika und Tuba-Trompete erwarten? Ganz genau, rein gar nichts! Man weiß nämlich auch nicht, was einen da erwarten könnte. Es geht von einer irischen Rauf-und Saufstimmung in eine Spelunke im tiefsten amerikanischen Westen, nur um im nächsten Augenblick durch die afrikanische Wüste zu wandern und dann kurze Zeit später irgendwo auf dem Balkan zu landen. Oder war es doch genau umgekehrt? Alles und nichts ist möglich. Es wird munter durch gewechselt und dies nicht nur an den Instrumenten, sondern auch von der Stilrichtung und der Stimmung her.

 

Der Titelsong „A Kiss Before You Go“ begrüßt einen jedenfalls mit einem Wehklagen irgendwo im Osten. Das folkigpoppige „I Will Dance (When I Walk Away)“ mit Dylan-Gedächtnismundharmonika entführt einen danach aber direkt wieder in den wilden Westen. Die bezaubernde Ukulele und das Piano bei „Cherry Pie“ verweilen dann kurz dort, nur um spätestens mit dem Gesang irgendwo im Berlin der 20er zu landen – oder war es doch Chicago? Alles ist möglich.

 

Darf es auch ein bisschen Tom Waits sein? Ja? Gerne, hier ist „Land Of Confusion“. Wer jetzt in seinem Gedächtnis kramt und bei der furchtbaren Genesis-Ausgabe der 80er landet, den Gedanken aber schnell wieder verwirft, sollte noch mal genauer überlegen. Stimmt, bei Katzenjammer ist eben alles möglich und ja, sie covern das Ding hier so, wie es Tom Waits vermutlich machen würde. Wer bei „Lady Marlene“ nicht an den traurigsten Kinofilm der Welt denkt, war vermutlich noch nie in einem der unzähligen Lichtspielhäuser. „Rock-Paper-Scissors“ holt einen aus der Lethargie und nimmt einen mit auf die grünste Insel der Welt: Willkommen in Irland! „Cocktails And Ruby Slippers“ klingt, als hätte Yoko Ono mal im Studio vorbei geguckt. Falls noch ein Regisseur Bedarf an musikalischer Untermalung für seinen nächsten Horrorfilm hat, einfach „Soviet Trumpeter“ nehmen und gut ist. Es hat übrigens keiner gesagt, dass Katzenjammer nicht auch anstrengend sind. „God´s Great Dust Storm“ treibt es zum Schluss auf die Spitze. Der Rock bleibt dabei jedenfalls nicht auf der Strecke, wie „Loathsome M“ eindrucksvoll unter Beweis stellt. Oder der Hurrikane „Gypsy Flee“. Bei Katzenjammer werden aber auch hier alte Krusten aufgebrochen und alles neu angeordnet.

 

Fazit: Katzenjammer haben mit „A Kiss Before You Go“ ein Album aufgenommen, welches mal wieder das gesamte musikalische Weltgeschehen unter einen Hut bringt. Selbst in den anstrengendsten Momenten kann man sich der Platte kaum entziehen. Dieses Album versprüht derart viel Esprit, dass man glatt sprachlos ist. Zudem entdeckt man bei jedem neuen Durchgang immer wieder viele Kleinigkeiten, die einem bisher entgangen sind. Mann muss allerdings für Katzenjammer in der richtigen Stimmung sein. Ist doch großartig, denn billige Gebrauchsmusik ist das garantiert nicht!

 

http://www.katzenjammer.no/

 

Text: Torsten Schlimbach

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