Kasabian: 48:13 Deluxe Edition (DVD/CD)

Kasabian: 48:13 Deluxe Edition (DVD/CD)

Sony

VÖ: 14.11.2014

 

Wertung: 10/12

Tipp!

 

Der Posten der größten Rockband Großbritanniens ist seit dem Ende von Oasis lange Zeit nicht mehr neu vergeben worden. Seit 2004 rückt aber eine Band immer etwas weiter in das grelle Licht und spätestens seit „Velociraptor!“ kann man wohl mit Fug und Recht behaupten, dass der Thron von Oasis mit Kasabian wieder besetzt ist. Seit „Empire“ ging in UK aber sowieso jedes Album der Band auf die Eins! Im Juni veröffentlichten Kasabian mit „48:13“ ein Album, welches aber auch streitbar war und ist. Aber das trifft im Grunde ja auf jede neue Veröffentlichung der Kapelle aus Leicester zu. Der Albumtitel gibt übrigens einfach die Spielzeit wieder. Jetzt müsste es im Grunde in „56:06“ umbenannt werden. Dies ist für die Fans aber auch ein Ärgernis, denn nun werden sie doch glatt schon wieder zur Kasse gebeten. Diese Unart hat ja leider längst Schule gemacht. Auf der anderen Seite wird der Ärger ziemlich schnell verraucht sein, denn die Deluxe Edition bietet die Kasabian-Vollbedienung!

 

Das Album hinterlässt immer noch einen etwas zwiespältigen Eindruck und auch, wenn ein paar Monate ins Land gegangen sind, hat man sich noch immer nicht richtig daran gewöhnt. Vielleicht hat Mastermind Sergio Pizzorno auch einfach zu viel Zeit in die richtige Songlänge gesteckt und nicht in die Songs selber. Er wird ja nicht müde zu betonen, dass er wie besessen war, dass das Album genau 48:13 min. lang ist. Nun denn, immerhin das ist ihm gelungen. Dazu bedurfte es auch einiger Tricks und Kniffe. „Mortis“ ist ja kein Song sondern wabert 0:48 ein bisschen dahin. „Shiva“ ist zu Beginn auch nicht wesentlich besser und geht nicht mal als Intro durch. „Levitation“ fungiert auch nur als kurzes, psychedelisches Zwischenspiel – das konnten Supergrass und besonders Kula Shaker entschieden besser.

 

Gitarrist und Sänger Sergio Pizzorno hat im Alleingang ansonsten ein ziemlich tolles Album produziert. Das gute Songwriting wird hinter sehr viel elektronischem Gedöns versteckt, aber „48:13“ bietet eben auch sehr viel Raum für eine Entdeckungsreise. „Clouds“ und „Eez-eh“ hören sich nach den großen Rave-Tagen an. Und nach bunten Pillen und durchtanzten Nächten. „Bumblebeee“ fegt wie eine Dampfwalze über einen hinweg und hat sich sehr viel beim HipHop abgeguckt. Im krassen Gegensatz dazu steht die fast schon als lieblich zu bezeichnende Ballade „S.P.S“. Das bassgetriebene „Treat“ ist ebenso ziemlich toll wie das psychedelische „Glass“. Als Bonustracks gibt es nun noch die beiden B-Seiten „Beans“ und „Gelfling“ - beides Dancetracks.

 

Diese beiden Songs haben die Fans natürlich längst im Schrank stehen und das ist ja nicht der Hauptgrund sich „48:13“ erneut zu kaufen. Die DVD ist schon ein ziemliches Brett. Holla die Waldfee! Kasabian sind wohl aktuell eine der besten Livebands aus UK. Die Kapelle funktioniert – ähnlich wie Oasis – auf dem Festland aber immer nur mit halber Durchschlagskraft. Man muss die Jungs einfach mal in ihrer Heimat sehen. Dies kann man nun zumindest aus der Konserve nachholen. Der Homecoming-Gig im Victoria Park in Leicester fand vor einer beeindruckenden Kulisse statt. 60.000 Zuschauer waren gekommen um Kasabian zu sehen! 60.000! Der Auftritt gleicht einem Triumphzug. Und wann hat man zuletzt derart viel Pyro und Rauch bei einem Konzert gesehen? Es ist schon erstaunlich, dass sich die Damen auf den Schultern der Herren halten konnten – und davon gibt es während des Konzerts doch sehr viele zu sehen. Zu Beginn kommt „Bumblebeee“ wie ein D-Zug angerauscht und ab da bricht die Hölle los. Auf und vor der Bühne.

 

Die Bühne ist ganz in der Farbe des Album gehalten, was auf die gesamte Länge des Konzerts etwas nerven kann. Auf einem Screen werden dazu fortwährend einige Schlagwörter eingeblendet. Eine Band aus Irland hat das in den 90ern mal ähnlich gemacht. Es sei Kasabian gegönnt. Die Band fährt hier sowieso das ganz große Geschütz auf und so gibt es noch Backgrundsängerinnen und Streicher! Viele Einstellungen von oben zeigen allerdings auch, dass die Bühne eher unterkühlt wirkt. Die Band wird es wenig gestört haben und die Zuschauer vor Ort haben es sowieso nicht gesehen. Kasabian ballern hier ordentlich was weg und die teilweise rasanten Kamerafahrten passen sehr gut dazu. Viele Einstellungen des Publikums vermitteln zumindest einen kleinen Eindruck davon, wie es in Leicester gewesen sein muss. Kasabian schaffen es jedenfalls aus einer gesichtslosen Masse eine Einheit zu bilden, die gemeinsam feiert, sich freut und ganz zum Schluss aus tausenden Kehlen singt! Gänsehaut! Dann ist es vorbei. Es war ein Rave und ein Hippie-Fest zu gleichen Teilen. Und es war in erster Linie verdammt großartig! Die fünf Minunten „Behind The Scences“ hätte es allerdings nicht mehr gebraucht.

 

Fazit: Kasabian trauen sich wenigstens was. Der Status wird nicht nur verwaltet, nein, mit „48:13“ ging es auf zu neuen Ufern. Gefeiert wurde eine große elektronische Party, die jetzt mit der Deluxe Edition ihren Höhepunkt erlebt. Man mag der Platte ja mit gemischten Gefühlen gegenüberstehen, aber über die beiliegende DVD gibt es keine zwei Meinungen! Ein musikalisches Feuerwerk der Extraklasse wird da abgebrannt. Kasabian untermauern damit ihren Status als beste „Rock“band Großbritanniens – und sei es auch nur auf der Insel!

 

http://www.kasabian.co.uk/

 

Text: Torsten Schlimbach

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Kasabian: West Ryder Pauper Lunatic Asylum

Kasabian: West Ryder Pauper Lunatic Asylum

Sony

VÖ: 08.06.2012

 

Wertung: 10/12

Tipp!

 

Die Fußballeuropameisterschaft hat gerade erst begonnen, da wirft schon das nächste sportliche Veranstaltung ganz gewaltige Schatten voraus. Die olympischen Spiele in London stehen vor der Tür. Das Großereignis wird wieder Millionen Menschen in den Bann ziehen. Genau der richtige Zeitpunkt also um auf einen ganz anderen Aspekt aufmerksam zu machen, für den London und UK seit Jahrzehnten stehen: die Musik. Sony legt nun noch mal verschiedene Alben aus dem Backkatalog der vergangenen Jahrzehnte auf. Der Untertitel „London Rocks! Music Made In The UK“ ist da natürlich trefflich gewählt – auch, wenn nicht alle Künstler in der Metropole beheimatet sind.

 

Gerade der Indiesektor wird bestens bedient. The Ting Tings mit dem Debüt oder auch die Manic Street Preachers mit „Generation Terrorists“, The Stones Roses mit dem gleichnamigen Meisterwerk oder Primal Scream mit dem famosen „Screamadelica“ zählen sicher zu den musikalischen Sternstunden. Abgesehen davon kann man diese Alben zu einem recht günstigen Preis von unter zehn Euro erwerben. Wer da also noch Lücken in der Sammlung hat kann diese nun schließen. Die Reihe erscheint übrigens einheitliche im Digipack mit original Booklet.

 

Eines der herausragenden Alben dieser Serie ist ohne Zweifel „West Ryder Pauper Lunatic Asylum“ von Kasabian. Der Albumtitel bezieht sich übrigens auf die Einrichtung von sozial schlechter gestellten Menschen mit geistiger Erkrankung. Irgendwie passen Kasabian und ihre Musik ja auch in kein Raster. Wie ein Ritt auf der Rasierklinge fühlt sich das an. Ein Schlag mitten in die Fresse. Willkommen in der Hölle! Ein Ticket zurück gibt es nicht! Wer einmal diesem Sound verfallen ist wird nie mehr den Weg zurückfinden wollen! „West Ryder Pauper Lunatic Asylum“ fordert einem alles ab, gibt auf der anderen Seite aber auch eine ganze Menge zurück.

 

In diesen 52 Minuten wird derart viel miteinander verwoben und verbunden, dass einem da ganz schnell schwindelig werden kann. Man weiß nicht wie es die Band macht, aber irgendwie hat sie das Kunststück geschafft, dass alles wie von Zauberhand ineinander übergreift. „Where Did All The Love Go?“ klingt noch wie der schwüle Aufgalopp von Ennio Morricone nur um im nächsten Momente ein Drum´n´Bass-Torso wie „Swarfiga“ vom Stapel zu lassen. Der Dancepunkt von „Fast Fuse“ bringt einen anschließend schier um den Verstand. Durchatmen? Fehlanzeige!

 

Jedenfalls nicht mit dem Trauermarsch von „Take Aim“. Beklemmungen breiten sich aus. Und doch kann man sich nicht lösen. Irgendwie hat die Menschheit solche Klänge noch nicht gehört. Die Klangcollagen machen kurz beim Balkanpop Station, nur um im nächsten Moment in den verrauchten Clubs von London zu stehen. Damals jedenfalls! Psychedelische Welten werden hier betreten, die aber auch extrem poppig sind. Und rockig! Tanzbar ja sowieso. Nein, Kasabian scheuen weder Pathos noch Bombast und vor überbordenden Klanglandschaften haben sie sowieso keine Angst! Selbst das schluffige „Thick as Thieves“ gefällt mit seinem vibrierenden Twang. „Vlad The Impaler“ wirft dann endgültig die Sirenen an, nur um anschließend mit „Ladies &Gentlemen, Roll the Dice“ eine schwulstige Ballade mit, nun ja, viel Kitsch aufzufahren. Und wie man einen Song spannend und abwechslungsreich aufbaut kann sich die versammelte Indie-Bagage ja mal bei „Fire“ anhören.

 

Fazit: Kasabian sind Klangforscher! Nicht mehr, aber eben auch nicht weniger. Die Melodien und Harmonien, die man unter der Oberfläche erahnen kann, sind im Grunde recht simpel gestrickt. Was die Herrschaften aber darum auffahren ist aus einem anderen Universum. Manchmal tun die dies aus purer Effekthascherei, dann wiederum aus den schieren Selbstverständnis heraus, dass musikalische Grenzen nicht vorhanden sind und alles miteinander verwoben werden kann und einen Sinn ergibt. Erstaunlicherweise entpuppt sich diese Platte schon jetzt als Klassiker der britischen Musik jüngeren Datums.

 

http://www.kasabian.co.uk/de/home/

 

Text: Torsten Schlimbach

 

Und so liest sich die komplette Serie von „London Rocks! Music Made In The UK“

 

The Lightning Seeds: "Like You Do - Best Of The Lightning Seeds"
Emerson Lake & Palmer: "Tarkus"
Alison Moyet: "Alf"
Jamiroquai: "Travelling Without Moving"
The Coral: "The Coral"
Manic Street Preachers: "Generation Terrorists"
Leona Lewis: "Spirit"
Mark Ronson: "Version"
Natasha Bedingfield: "N.B. "
The Ting Tings: "We Started Nothing"
Fatboy Slim: "You’ve Come A Long Way, Baby"
Paul Potts: "One Chance"
Dido: "Life For Rent"
George Michael: "Faith"
Judas Priest: "British Steel"
Primal Scream: "Screamadelica"
The Stone Roses: "The Stone Roses"
Glasvegas: "Glasvegas"
Scouting For Girls: "Everybody Wants To Be On TV"
Kasabian: "West Ryder Pauper Lunatic Asylum"

Kasabian: Velociraptor!

Kasabian: Velociraptor!

Sony

VÖ: 16.09.2011

 

Wertung: 10/12

Tipp!

 

Kasabian sind die schmutzige Seite der britischen Rock- und Popmusik. Kasabain sind die Schnittstelle der Insel-Bands. Wo andere Kollegen entweder zu hemdsärmlig agieren oder viel zu nett und adrett wirken, landen Kasabian gleichzeitig mit dem Gesicht in der Gosse, haben aber noch genug Charme, um auch die Schwiegermutter auf ihre Seite zu ziehen. Dann gibt es jene, die gerne anspruchsvolle und kunstvolle Popmusik britischer Prägung machen. Denen zeigen Kasabian gerne den Mittelfinger, denn, das soll alles bitte nicht zum Selbstzweck verkommen. Eine gesunde Portion Narzissmus darf aber trotzdem zur Schau gestellt werden. Kasabian haben den Dreck der Straße trotzdem unter den Nägeln, man muss ja nicht so genau hinschauen, denn viel Schönheit gibt es natürlich auch zu bewundern. Der Bandname leitet sich auch nicht umsonst von einem Mitglied der Manson-Family ab: Linda Kasabian.

 

Die Welt von Kasabian ist eine ganz eigene. Wer die Band auf einem Festival oder in einem Stadion gesehen hat, wird vermutlich nie in diese vordringen. Wie kaum eine anderer UK-Act gehört diese Gruppe in die kleinen, versieften Clubs. Dort kommt ein Konzert einer Offenbarung gleich. Mit „Velociraptor!“ gibt es nun neues Futter für diese Messen. Reden wir nicht lange um den heißen Brei herum: Diese Platte ist ihr Meisterstück. Diese Platte ist der wahnwitzige Ritt auf der Rasierklinge. Diese Platte ist von einer schier unerschöpflichen Vielfalt geprägt, in letzter Konsequenz aber doch sehr britisch!

 

„Velociraptor!“ vereint alles unter einem Dach. Rock, natürlich Rock! Pop, na klar! Aber auch der irre Ritt durch psychedelische Felder und warum? Nur um im nächsten Moment zu Drum ´n´ Bass in der Disco zum Lichterkegel zu tanzen. Willkommen auf dem Kasabian-Rave! Das klingt als würden Primal Scream, Oasis, Blur, Radiohead und Travis(!) zusammen ins Bett gehen und dabei den alten Madchester- und Acid-Sound wiederbeleben. Pomp und Glam sind da auch nicht mehr weit entfernt. Wie gesagt, Kasabian sind die Schnittstelle. Kasabian sind eben schlauer als andere.

 

Aber das ist ja noch längst nicht das Beste an dieser Scheibe! Das sind nämlich die Melodien! Der orientalisch angehauchte Auftakt mit „Let´s Roll Just Like We Used To“ besticht nämlich mit Harmonien, die in eine düstere und melancholisch Richtung gehen und einen als Zuhörer direkt mit auf die Reise nehmen. „Days Are Forgotten“ groovt anschließend wie – Entschuldigung – Sau. Die Aha-Chöre rauben einem schier den Verstand. Dazu feiert der Teufel in der Hölle vermutlich seine Geburtstagsparty. Und dann ist da noch dieser eingängige Refrain, der dem gerappten Wahnsinn die Stirn bietet. „Goodbye Kiss“ groovt zwar immer noch, ist aber ganz anders gestrickt. Das ist der Moment, auf den sich alle einigen können. Die coolen Nerds, wie auch der Alt-Beatles-Fan. Und da wären wir auch schon bei „La Fee Verte“. „I See Lucy In The Sky/Telling Me I´m High“ - alles klar Jungs! Ist schon klar, wo ihr nicht nur für diese Textzeile eure Inspiration hergeholt habt. Psychedelischer Spacerock mit Mitsingrefrain? Da war doch was mit dieser Liverpooler-Band! John Lennon hätte jedenfalls Spaß an dem Song. Der Titeltrack lockt anschließend auf die Tanzfläche, aber bitte Vorsicht walten lassen, denn man wird sich dazu jede Menge blaue Flecken abholen. Und jetzt mal alle raten, wie denn wohl „Acid Turkish Bath (Shelter Form The Storm)“ klingen wird. Ist so schwer nicht, oder? Wurde die Nummer wohl geschrieben, als das Bewusstsein erweitert war? Der Gedanke liegt jedenfalls nahe.

 

„I Hear Voices“ mit sphärischen Keyboard- und Sample-Klängen dringt anschließend noch mal in ganz andere Dimensionen vor. Wer danach Lust auf Knisterrock hat, kommt bei „Re-Wired“ auf seine Kosten. Kurze Anmerkung für zwischendurch: natürlich bringen Kasabian hier einiges unter einen Hut und wer jetzt den berühmten roten Faden vermisst, dem sei gesagt, dass dieser durchaus vorhanden ist. Das Zauberwort nennt sich eben Vielfalt. Wenn es schon in den Gemüsegarten geht, dann aber bitte auch einmal quer durch. Zwischen Spaghetti-Western und argentinischem Flair rangiert „Man Of Simple Pleasures“ mit typisch britischem Refrain. „Switchblade Smiles“ ist kurz vor knapp noch mal der Bulldozer, der alles platt walzt, bevor einen das brave „Neon Noon“ aus diesem Irrsinn entlässt.

 

Fazit: Kasabian haben mit „Velociraptor!“ ihr Meisterstück gemacht! In dieses Album kann man eintauchen wie in ein buntes Bällebad im Kinderparadies. Hier gibt es an jeder Ecke etwas zu entdecken. Das muss nicht alles zwingend zusammenpassen, macht aber trotzdem Spaß. Man weiß bei dieser Band eben nie, was einen erwartet. Mit großen Augen und noch größeren Ohren schaut und hört man hin, wenn Kasabian den Ritt auf der Rasierklinge wagen. Es haben sich dabei schon viele verletzt oder sind runter gefallen – diese Band nicht!

 

http://www.kasabian.co.uk/de/home/

 

Text: Torsten Schlimbach

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