GOTYE: Making Mirros

GOTYE: Making Mirros

Universal

VÖ: 16.12.2011

 

Wertung: 8,5/12

 

In seiner Heimat Australien zählt GOTYE zu der Riege der Superstars. Sein zweites Album von 2006 „Like Drawing Blood“ konnte in so mancher Bestenliste ganz vorne landen. Mittlerweile wurde die Scheibe sogar zu Australiens elftbestem Album aller Zeiten gewählt. Da Australien bekanntlich ja etwas abgeschnitten vom Rest der Welt ist und musikalisch nicht immer im Blickpunkt steht, kam die Unterstützung von Drew Barrymore nicht ganz ungelegen. Die Schauspielerin hatte nämlich irgendwie einen Narren an „Learnalilgivinanlovin“ gefressen. Auf der Insel und dem selbsternannten Mutterland des Fußballs hatte man das Potenzial von GOTYE auch erkannt und so wurde der Australier auch in den USA und Europa nach und nach bekannter.

 

Da das Musikgeschäft sich immer schneller dreht und so schnelllebig ist wie kaum eine andere Branche, hat man GOTYE in der Zwischenzeit längst wieder vergessen. Immerhin sind schon ein paar Jährchen ins Land gezogen und viel Neues gab es nicht zu vermelden. Es wurden neue Kühe durch die Dörfer getrieben. Was machte der Mann? Er verließ Melbourne und igelte sich in der Scheune seiner Eltern auf der Halbinsel Mornington ein. Dort gab es anscheinend Platz in Hülle und Fülle und jedes Instrument, was irgendwie interessant aussah oder klang, konnte dort untergebracht werden. GOTYE ist eben ein Nerd und Frickler vor dem Herrn.

 

Es wäre ja auch wirklich zu einfach ein Album auf herkömmliche Weise einzuspielen. Das ist nicht die Sache von GOTYE. Während der Vorgänger fast komplett aus Samples von alten Vinyl-Platten bestand, hat er sich diesmal tatsächlich an die angeschleppten Instrumente getraut und diese dann Note für Note gesampelt! In Second Hand Läden wurde er zudem fündig und konnte jede Menge alte Platten – meist auf den 50ern und 60ern – erwerben, die er dann ebenfalls für „Making Mirrors“ sampelte. Das hört sich alles mehr nach einem Baukasten und Handwerk denn nach Songschreiben an. Da der Mann aber auch Drummer ist, spielte er die Drums live ein. Dazu gesellen sich dann noch Klavier und Bass und fertig war das etwas andere Album.

 

GOTYE spricht bei „Making Mirrors“ übrigens nicht von Songs, sondern von Sounds. Genau dies ist auch das klitzekleine Problem der Platte. Das mag alles höcht ambitioniert sein und man kann sicher auch ganz hervorragend erklären warum gerade die Nummer X oder Y großartig ist, nur fehlt oftmals auch etwas. Viel zu selten erreicht dies einen ganz tief innen drin. Der Kopf wird angesprochen, aber eben nicht das Herz und die Seele. Wie immer, bestätigen auch hier die Ausnahmen die Regel.

 

GOTYE schafft es aber erneut, eine große Zahl Menschen zu erreichen. Die Single „Someday That I Used To Know“ kommt so schon auf unglaubliche 18 Millionen YouTube-Hits – Tendenz steigend. Das Ding, bei der die neuseeländische Sängerin KIMBRA als Duettpartnerin fungiert, ist aber auch verdammt gut und setzt sich schnell im Kopf fest. Auf „Making Mirrors“ regiert die Vielfalt. „Smoke And Mirrors“ kommt recht minimalistisch daher und erinnert entfernt sogar an die Solosachen von Martin Gore. Das kleine Percussionsgewitter zum Schluss passt da nur zu gut ins Bild. Mit „I Feel Better“ folgt anschließend ein ganz andere Sound. Jetzt geht geht es wieder in die Motown-Ecke. Schon alleine für diesen Track muss man GOTYE ins Herz schließen. Das hat Schmiss und Klasse. Das ist einer der Momente, der dann auch tatsächlich die Herzen aller erobern sollte. Immerhin gibt es mit „In Your Light“ keine komplette Abkehr vom eingeschlagenen Weg. Der Bass groovt hier wie Hölle und die Akustikgitarre sorgt für die fröhliche Grundstimmung. Hört sich komisch an, aber so würde man sich vermutlich eine Zusammenarbeit von Jack Johnson, den Jackson Five und Sting vorstellen. Der ungekrönte Verfremdungskönig dürfte James Blake sein. Sein Dub-Gewaber ist ja gerade in UK einer der angesagten Trends 2011. GOTYE macht diesem blutjungen Talent mit „State Of The Art“ und „Don´t Worry We´ll Be Wachting You“ ernstzunehmende Konkurrenz. Nach diesem großartigen Ausflug in die sphärischen Welten kommt ein leiser Popsong wie „Giving Me A Chance“ genau richtig.

 

Apropos Sting. Der Mann unternimmt ja auch gerne mal einen Ausflug in die Gefilde der Weltmusik. „Save Me“ ist musikalisch und stimmlich erstaunlich nahe am Police-Vorstand dran – inklusive ein paar Captain Future Klangmotive! Wer es schafft ein Album mit dem schönsten Track der gesamten Platte zu beenden, dem mangelt es vermutlich nicht an Ideen. Das Stück „Bronte“ wird nicht nur wunderschön gesungen, sondern auch musikalisch sehr schön in Szene gesetzt. Umso erstaunlicher, dass der Klangtüftler dafür abermals auf ein Sample zurückgriff. Das Klangmotiv basiert auf einer Exotica-Platte von Leo Addeo aus den 60ern. Hier schließt sich auch der Kreis, denn exotisch ist die Musik von GOTYE ebenfalls. Es gibt momentan kaum etwas Vergleichbares!

 

Fazit: Der Titel „Making Mirrors“ ist Programm. GOTYE baut sich hier aber nicht nur ein Fabrikat zusammen, sondern hat derer in den unterschiedlichsten Formen, Schattierungen und Ausführungen kreiert. Handwerklich ist das einfach perfekt. Was der Australier an Instrumenten zusammen gekarrt und als Samples wieder verwurschtelt hat, ist schier unglaublich. Zwischen Soul, Motown, Dub und Electronica ist die Palette nicht nur extrem bunt, sondern auch extrem vielfältig. So könnte die Musik der Zukunft aussehen, schade, dass dabei nicht mehr Herz und Seele des Zuhörers angesprochen werden. Auf der anderen Seite schafft GOTYE dies in den besten Momenten auch noch!

 

http://gotye.com/

 

Text: Torsten Schlimbach

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