Editors: In Dream

Editors: In Dream

PIAS/Rough Trade

VÖ: 02.10.2015

 

Wertung: 9/12

 

Die Editors haben es den Kritikern und Fans mit ihrem letzten Album „The Weight Of Your Love“ nicht leicht gemacht. Da wurde oftmals von Stadionrock gesprochen. In diesem Fall war das durchaus in einem negativen Kontext gemeint. Letztlich war und ist die Platte aber besser als der vorauseilende Ruf. Es ging damit sogar zwei Jahre auf Tour und anscheinend haben sich die Fünf von den vielen kritischen Stimmen verrückt machen lassen, denn das neue Album - „In Dream“ - ist nun wieder eine Rolle rückwärts. Die Songs sind wieder wesentlich elektronischer ausgefallen und auch weit weniger zugänglich. Es ist ein gutes, bisweilen sogar sehr gutes Werk. Und in vielerlei Hinsicht stellt „In Dream“ sogar ein Novum dar.

 

Alan Moulder hatte für die Abmischung nach den Aufnahmen völlig freie Hand. Das ist ja nicht alltäglich. Die Band ließ den Mann einfach mal machen und hat keinen Einfluss mehr darauf genommen. Zudem ist das Album mit zehn Songs nicht gerade üppig ausgefallen und gleich drei Nummern sind Duette! Hierfür hat man Rachel Goswell von Slowdive ins Studio gebeten. Rahi Rezvani konnte sich zudem bei den Fotos und Videos richtig austoben. Abgabe der Kontrolle ohne Kontrollverlust - das sind die Editors im Jahre 2015!

 

Es gibt zwar noch eine Deluxe Edition, aber die zweite CD enthält größtenteils nur Alternative Versionen. „In Dream“ ist ein abgeschlossenes Werk, welches genau die richtige Länge hat. Keine Füller, wie es bei so vielen Alben der Fall ist. Die Editors erzählen eine musikalische Geschichte und „In Dream“ nimmt den Zuhörer an die Hand und mit auf eine Reise. Da greift ein Rädchen in das andere und alles ist im Fluss. Dies ist keine Ansammlung von Songs sondern ein Werk der alten Schule. In der heutigen Zeit ist das sicher schon wieder mutig, denn es stellt die Hörgewohnheiten dieser Tage vollends auf den Kopf. Schöne Sache! Zehn Tracks reichen eben völlig aus, man muss das Format ja nicht bis zum Anschlag ausreizen. Abgesehen davon sind das alles ziemlich lange Stücke. Letztlich passt nur „Forgiveness“ in das Radioformat, der Rest ist deutlich länger. Vier Songs haben eine Spieldauer von mehr als fünf Minuten und das erhabene und atmosphärisch dichte „Marching Orders“ baut sich sogar über fast acht Minuten auf.

 

„No Harm“ ist sicher nicht der leichteste Einstieg in das Album. Die ruhige, getragene Nummer baut mit minimalistischen Mitteln einen sehr schönen Spannungsbogen und eine tolle Atmosphäre auf. Tom Smith driftet dabei meist ins Falsett ab. „Ocean Of The Night“ ist dann der erste Song mit Rachel Goswell, die man zunächst aber gar nicht richtig wahrnimmt, weil der Bariton von Smith alles überstrahlt. Nach dem grandiosen aber kühlen Auftakt strahlt dieses Lied wesentlich mehr Wärme aus. Der Pianoeinsatz ist daran nicht ganz unbeteiligt. „Forgiveness“ würde auch tatsächlich als Single taugen. Catchy sagt man wohl dazu. Das Stück ist wesentlich direkter und dringlicher als die beiden tollen Vorgänger. Die Melodie setzt sich auch direkt im Ohr fest – und „Forgiveness“ ist tanzbar und schneller. „Salvation“ könnte man sich auch mit großem Orchester vorstellen. Die ruhigen Strophen werden von dem harten Refrain konterkariert.Tolles Songwriting und hier zeigt sich auch, dass die Editors eine funktionierende Band sind. Laut hören! Einer der Gänsehautmomente des Albums. Die Single „Life Is A Fear“ ist ja schon bekannt. Geht gut nach vorne und machte ordentlich Appetit auf dieses Album. Da sind sie wieder, die Editors der Vergangenheit.

 

„The Law“ ist wesentlich experimenteller. Dies war aber auch der Ansatz der Band. Sie wollten eine Schnittmenge aus poppigen und experimentellen Elementen schaffen. Auch hier ist Goswell dabei, deren entrückter Gesang perfekt passt. „Our Love“ erinnert an Erasure und Jimmy Somerville. Erst ganz zum Schluss wechselt Smith vom Falsett zum Bariton. Das dürfte für den einen oder anderen schwer verdauliche Kost sein. „All The Kings“ ist kompositorisch schon ein gutes Stück. Mit dem richtigen Beat hätte das aber ein Knaller werden können. So hat man den Eindruck, dass irgendwas fehlt und ob der Klassikteil zum Schluss sein musste? „At All Cost“ ist der letzte Duettsong des Albums. Irgendwie muss man bei dem Stück an die Tindersticks denken. Es ist schon toll, mit wie wenig die Editors ganz viel erbauen können.

 

Fazit: Das neue Album der Editors markiert auf gewisse Weise wieder einen Schritt zurück zu den elektronischen Klängen. Der Stadionrock der letzten Scheibe ist verschwunden. „In Dream“ ist ein sehr schön atmosphärisches und dichtes Album. Die getragene Stimmung verfestigt diesen Eindruck zusätzlich. Die Songs springen einen nicht unbedingt an, haben aber dafür eine Langzeitwirkung. Gutes Album, aber das davor ist auch besser als sein Ruf!

 

http://www.editorsofficial.com/

 

Text: Torsten Schlimbach

Editors: The Weight Of Your Love

Editors: The Weight Of Your Love

PIAS/Rough Trade

VÖ: 28.06.2013

 

Wertung: 8/12

 

Kaum ist den Editors der Gitarrist abhanden gekommen, machen sie wieder ein Gitarrenalbum. Gut, Chris Urbanowicz hat die Band nicht einfach so verlassen, sondern wurde – mehr oder weniger – vor die Tür gesetzt. In der Fußballersprache wäre wohl die Rede davon, dass man sich in gegenseitigem Einvernehmen getrennt hat. Aus dem Umfeld der Editors wurden jedenfalls Stimmen laut, dass Chris bei den Aufnahmen zur vierten Platten nicht mehr mit vollem Herzen dabei war. Nun, wer will ihm das nach „In This Light And On This Evening“ verdenken? Auf dieser Platte war er immerhin fast beschäftigungslos. Umso sarkastischer muss nun „The Weight of Your Love“ auf ihn wirken. Immerhin konnten die verbliebenen Editors ihn nicht einfach so ersetzen, nein, da mussten mit Justin Lockey und Elliott Williams gleich zwei neue Mitglieder rekrutiert werden. Immerhin ist den Editors mit „The Weight Of Your Love“ nun erneut das Kunststück gelungen einen anderen Weg einzuschlagen und sich nicht zu wiederholen. Welche Band kann das schon von sich behaupten?

 

Für „The Weight Of Your Love“ machte sich die Band auf in das ferne Nashville. Als Produzent konnten sie mit Jacquire King einen Mann gewinnen, der schon den Kings Of Leon alle Ecken und Kanten genommen hat und einen zackigen Mainstreamsound auf den Leib schneiderte. Mit „The Weight Of Your Love“ drängt die Band jedenfalls in die Stadien dieser Welt. Nicht mit jedem Ton, aber wenn, dann auch richtig. Coldplay tauchen dann am Horizont schon recht deutlich auf. Aber auch nur dann. Man kann „The Weight Of Your Love“ sicher nach allen Regeln der Kunst auseinandernehmen und die berühmten Haare in der Suppe suchen. Es mag sein, dass es davon so einige gibt, es gibt da aber durchaus auch noch die andere Seite. Unter den elf Nummern tummeln sich mitunter Songs, die sich hinter den ganz großen Perlen der Band nicht zu verstecken brauchen. „The Weight Of Your Love“ ist jetzt sicher auch nicht die vertonte Fröhlichkeit. Oder kann sich einer vorstellen, dass man zu den düsteren und mysteriösen Klängen von „Sugar“ ausnahmslos in fröhliche Gesichter blickt? Willkommen im Tal der Tränen! Hier spürt man förmlich den ganzen Weltschmerz auf den Schultern von Tom Smith liegen. Was war jetzt mit den Stadien? „A Ton Of Love“ will und kann dort bestehen. Zum Refrain sieht man vor dem geistigen Auge schon jede Menge Arme in die Höhe schnellen und deren Besitzer brüllen dazu aus tausenden Kehlen „Desire! Desire! Desire!“. Und dieses Stück ist mitnichten schlecht! Warum auch?! Ein fulminanter Rocksong ist ja nicht per Definition zu verachten.

 

Bei „What Is This Thing Called Love“ versucht sich Smith an der Kopfstimme. Das klappt aber nur bedingt und wackelt selbst mit dicker Produktion ganz gehörig. Die Herzschmerzballade spricht die Damenwelt aber sicher an. Mit „The Weight“ halten die Editors aber auch genug Potenzial für die die dunklen Nächte bereit. Zwischen Depeche Mode und den Tindersticks sortiert sich dieses Stück wahrlich zwischen den ganz Großen ein. Vielleicht ist das streicherlastige „Honesty“ etwas zu vorhersehbar und einfallslos, hat aber irgendwie auch wieder das Potenzial eines Pophits. Stellt sich natürlich die Frage, ob man das von den Editors wirklich braucht. „Nothing“ setzt dem gar noch die Kitsch-Krone auf und „Formaldehyde“ hat nun gar nichts Besonderes mehr. Ganz anders ist da „The Phone Book“ ausgefallen. Macht die Band jetzt Folk? Folkballaden? Man könnte auf die Idee kommen und was soll man sagen – es funktioniert und ist gut. Das kraftvolle „Hyena“ bedient sich noch mal bei Elementen der Vergangenheit, birgt aber auch mehr Details für das ganz große Drama. U2 sind ja gerade dabei eine neue Platte auf den Weg zu bringen und dann folgt auch sicher wieder eine Tour. Es wäre nicht weiter verwunderlich, wenn die Editors da mal im Vorprogramm auftauchen würden, gleichwohl die Band nicht zum U2-Stammlabel gehört. „Two Hearted Spider“ ist auch so ein Ding, welches Altfans versöhnlich stimmen sollte. Zum Schluss schließt sich mit „Bird Of Prey“ gar der düstere Kreis zum Beginn mit „The Weight“.

 

Fazit: „The Weight Of Your Love“ von den Editors ist abermals anders wie sein direkter Vorgänger ausgefallen. Die Band hat die Gitarren wiederentdeckt und gleichzeitig das große Stadiontor aufgestoßen. Die eigene Vergangenheit bleibt dabei aber nicht auf der Strecke und wer die Band für die düsteren Klänge schätzen gelernt hat, muss darauf auch nicht verzichten. Erwartungshaltungen werden sicher nicht bedient und gerade der Mittelteil der Platte wankt doch bedenklich in Richtung Bedeutungslosigkeit. Wie sagt man so schön? Das ist nur eine Momentaufnahme, denn dieses Album gibt genug anderes her, man muss sich nur reinfuchsen (wollen) und sich „The Weight Of Your Love“ auf eine gewisse Art und Weise erarbeiten. In der heutigen Zeit sind das keine leichten Voraussetzungen, aber das wiederum spricht für das Haltbarkeitsdatum dieser Platte, die ein paar Durchläufe braucht - aber auch verdient hat!

 

http://www.editorsofficial.com/

 

Text: Torsten Schlimbach

Empfehlen Sie diese Seite auf:

Druckversion | Sitemap
Dream Out Loud Magazin: © Torsten Schlimbach / Header: © Kai Knobloch