Depeche Mode: Memento Mori

Depeche Mode: Memento Mori

Sony

VÖ: 24.03.2023

 

Wertung: 6,5/12

 

Neue Alben von Depeche Mode veranlassen seit mindestens 20 Jahren immer wieder einen kleinen Euphorieschub und man nimmt das unbekannte Material zunächst sehr wohlwollend zur Kenntnis. Leider ist der Zauber auch schnell wieder vorbei und verflogen. Hört sich wirklich noch einer „Spirit“ oder „Delta Machine“ an? Beides Alben, die man getrost in die Tonne kloppen kann. Da blieb dann doch nicht ganz so viel hängen, Songs für die Ewigkeit schon gar nicht. Ähnlich dürfte es sich nun auch im Falle des neuen Werkes „Memento Mori“ gestalten. Die Single „Ghosts Again“ machte unglaublich Lust auf mehr, mehr Depeche Mode, mehr Sounds der 80er, mehr von allem. Gibt es alles, nur leider wurden Melodien und Refrains vergessen. „Memento Mori“ ist eine biedere und dröge Angelegenheit.

 

Das 15. Studioalbum ist nach dem tragischen Tod von Bandmitgründer Andrew „Fletch“ Fletcher, das erste Album, welches Gahan und Gore in zweiköpfiger Besetzung vorlegen. Wobei das so ganz natürlich auch nicht stimmt, denn es gab da schon die eine oder andere mitwirkende Person. Produziert wurde das Werk von James Ford, Unterstützung erhielten die Herren zudem von Marta Salogni. Gore hat dann auch noch Richard Butler während der Pandemie mit ins Boot geholt. Die beiden wollten ja sowieso mal zusammenarbeiten, jetzt also für Depeche Mode. Vier von sechs gemeinsamen Songs brachte man schließlich auf „Memento Mori“ unter. Gab es noch nie. Auch das eine Zäsur. Immerhin war Gahan nicht beleidigt, dass Gore nicht ihn zu Rate zog, sondern erzählt nun brav, dass ihn das quasi sogar zusätzlich motiviert hat. Nun ja - PR-Gedöns halt.

 

Referenzen an das eigene Schaffen gibt es nicht nur im Sound, sondern auch bei den Texten und Titeln. Macht es deshalb aber nicht besser und knüpft schon gar nicht an die Großtaten von früher an. „Memento Mori“ ist an vielen Stellen eher ein Fragment. Selbst Menschen, die Depeche Mode nicht mochten, attestierten der Band in den 80ern und auch noch 90ern, dass sie immer eine catchy Melodie und Refrain aus dem Hut zaubern konnten. Davon ist hier – mit Ausnahme von „Ghosts Again“ – nicht zu finden. Das ist per se nicht schlimm, aber wenn es sich wie Kaugummi zieht, nützen auch die vielen Industrial-Klänge nichts. „Caroline´ Monkey“ ist hervorragend gesungen, aber das Stück plätschert einfach ziemlich ereignislos dahin. Gahan hat Soul, vielleicht auch den Blues, aber nicht die passenden Songs dazu bekommen. In „Speak To Me“ fleht Gahan gar, während „Soul With Me“ eine ziemlich lahme, von Gore gesungene Nummer ist.

 

Klar, die Spannung wird mit dem ebenfalls sehr langsamen „My Cosmos Is Mine“ zu Beginn gut aufgebaut, aber dann muss auch mal was kommen, tut es aber nicht. „Wagging Tongue“ pluckert und wabert sich letztlich auch nur durch knapp dreieinhalb Minuten. Gahan vorne im Gesang, Gore weiter hinten und dazu Klänge wie aus einem Konsolenspiel der 80er und dies alles auf halber Geschwindigkeit abgespielt – lahme Sache. „People Are Good“ trägt im Grunde gleich zwei Referenzen an andere Songs im Titel. Überragende Songs zudem. Gore liebt solche Anspielungen. Musikalisch kommt die neue Nummer nicht ganz an die bekannten Pendants, hat aber endlich deutlich mehr Pfeffer im Hintern als vieles andere auf „Memento Mori“. Gore ist sich an seinem 60. Geburtstag noch mal seiner eigenen Sterblichkeit bewusstgeworden. Corona und das Runterfahren trug sicher auch nicht zu einem sonnigen Gemüt bei – dies erklärt die Düsternis der Songs. Das gab es aber natürlich schon immer im Depeche Mode-Kosmos. „Before We Drown“ kriegt im Mittelteil immerhin noch eine gewisse Leichtigkeit in der Musik verliehen und scheint abzuheben. Für einen kurzen Moment ist das ein schöner Schwebezustand. „Never Let Me Go“ ist ein weiterer Song, der im Titel an eine andere Nummer erinnert. Die Nummer lässt sich gut an, leider wurde auch hier dann ein großer Refrain vergessen. Damit wäre das vielleicht sogar ein großer Wurf geworden. So bleibt das, wie so vieles auf diesem Album, unter seinen Möglichkeiten.

 

Fazit: Man kann das alles so machen. „Memento Mori“ ist sicher nicht vollkommen daneben, im Backkatalog von Depeche Mode werden diese Songs hier aber kaum eine größere Rolle spielen. Klar, ein paar Nummern von „Memento Mori“ werden jetzt auf der Tour die Songs des letzten Albums ersetzen, aber sollte es noch mal in ferner Zukunft eine neue Tour geben, werden diese wieder verschwunden sein. In den Playlisten dieser Welt sind sie dann sowieso längst nicht mehr zu finden. Fans werden sich einfach nur freuen, dass ihre Helden noch ein Album veröffentlicht haben, es bleibt aber weit unten den Möglichkeiten zurück – schade!

 

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Text: Torsten Schlimbach

Depeche Mode: Spirit

Depeche Mode: Spirit

Sony

VÖ: 17.03.2017

 

Wertung: 9/12

 

Depeche Mode veröffentlichen mit „Spirit“ das vierzehnte Studioalbum und endlich hat man sich dazu entschlossen, mit James Ford (Simian Mobile Disco) einen neuen Produzenten mit ins Boot zu holen. Die letzten drei Alben wurden in dieser Hinsicht von Ben Hillier betreut. So richtig vom Hocker gerissen hat einen diese Konstellation nicht, auch wenn „Delta Machine“ recht ordentlich war. Man hört „Spirit“ durchaus an, dass da ein neuer Mann hinter den Reglern saß. Jetzt kann natürlich darüber philosophiert werden, wie groß sein Einfluss war. Ist „Spirit“ nun das beste Album seit „Ultra“? Steht es in der Tradition von „Black Celebration“? Beides ist richtig und doch ist das Werk auch fest im Hier und Jetzt verankert.

 

„Spirit“ wird sicher nicht mehr derart für Furore sorgen wie es noch die Alben bis einschließlich „Ultra“ taten. Dies liegt aber nicht an den hier versammelten Songs. Die drei Herren von Depeche Mode sind eben auch in einem Alter, da wird es dann doch schwierig mit der Relevanz bei einer jungen Hörerschaft. Es müsste aber mit dem Teufel zugehen, wenn das neue Werk nicht sehr viel Wohlwollen bei der großen Fangemeinde ernten wird.

 

Die erste Auskopplung „Where´s The Revolution“ dürfte ja mittlerweile bekannt sein. Vom Hocker reißt einen die Nummer nun nicht gerade und das könnte – trotz aller textlichen Ambitionen – auch ein Überbleibsel von „Delta Machine“ sein. In seiner Gesamtheit ein bisschen platt. Vielleicht wollte die Band auch nicht gleich mit der Tür ins Haus fallen und die Leute verschrecken. Der Rest von „Spirit“ ist dann nämlich doch gänzlich anders. Synthiepop ist das keineswegs. Jedenfalls nicht die Sorte, die man da gemeinhin im Kopf hat. Die vielen Facetten offenbaren sich erst nach und nach, manche werden sich erst nach Wochen erarbeitet haben. Das ist ein modernes, elektronisches Album. Nicht mehr, aber eben auch nicht weniger.

 

„Spirit“ ist düster, bedrohlich und kühl. Und doch mangelt es diesem Album nicht an Wärme. Ein Widerspruch? Mitnichten! Das brillante „You Move“ vereint dies alles unter vier Minuten. Trent Reznor sollte da mal genauer hinhören. Mit dem düsteren „Going Backwards“ geht es auf eine ungekannte Weise recht roh bis lässig los. Eine tolle Albumeröffnung! Im krassen Gegensatz dazu schleppt sich „The Worst Crime“ dahin. Zwei Nummern, die die beiden Welten von „Spirit“ abbilden. „Scum“ - mit verzerrtem Gesang – gefällt durch seinen Minimalismus und zeigt, dass Depeche Mode – auch aufgrund von Ford – 2017 durchaus noch eine Daseinsberechtigung hat.

 

„You Move“ ist düster, kriegt durch Gahan zusätzlich eine Dringlichkeit und Sexyness, sodass dies in seiner Gesamtheit Sogwirkung hat und den Zuhörer förmlich in dieses Stück hineinzieht. Ist „Cover Me“ nun eine Ballade? Also nicht im klassischen Sinne, sondern aufgrund seiner Langsamkeit und Traurigkeit. Die Atmosphäre ist zudem episch! Der gute Martin darf bei „Eternal“ ran. Typisches Gore Ding. „Poison Heart“ ist nicht schlecht, fällt aber im Gesamtkontext doch etwas ab. „So Much Love“ hat einen Refrain aufgefahren, der bleibenden Eindruck hinterlässt. Sowieso fräst sich dieses Stakkato-Ungetüm unaufhörlich in die Gehörgänge. „Poorman“ fängt wie ein Computerspiel an, ist aber auch irgendwie bluesig. „No More (Is The Last Time)“ reitet auf einem Bassmotiv als würde die Sonne niemals mehr aufgehen. Und Gahan liefert abermals eine herausragende Leistung ab. „Fail“, nun ja Herr Gore, da hätte man sich einen etwas anderen Abschluss gewünscht.

 

Fazit: „Spirit“ ist ohne Zweifel das beste Depeche Mode Album seit einer gefühlten Ewigkeit. Es ist ein düsteres Werk und es springt einen nicht gerade mit Zugänglichkeit an. EBM, Blues, Kraftwerk, Nine Inch Nails, Verzerrung, Bedrohung, Sexyness, Wärme, Old School, aktuelle Electronica, Atmosphäre, Ambiente, Steelguitar – alles da. Willkommen zurück, Depeche Mode! Danke, James Ford!

 

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Text: Torsten Schlimbach

Depeche Mode: 101 Live (Vinyl)

Depeche Mode: 101 Live (Vinyl)

Sony

VÖ: 21.10.2016

 

Wertung: 10/12

Tipp!

 

Depeche Mode Fans der jüngeren Generation dürfen sich freuen, denn nach „Black Celebration“ folgt nun mit der Doppel-LP „101 Live“ eine ganz feine Veröffentlichung. Dass dieses Live-Manifest 1989 noch auf Vinyl erschienen ist, dürfte ja jetzt keine große Überraschung sein, aber mittlerweile war das Teil ja längst vergriffen und es wurde über die Jahre auch nicht einfacher, da an ein gepflegtes Exemplar zu kommen. Im Rahmen der #MyVinylLove von Sony wird „101 Live“ nun ebenfalls einem ganz neuen Publikum als schwarzes Gold zugänglich gemacht.

 

Optisch und von der Aufmachung her, unterscheidet sich die Ausgabe des Jahres  2016 ganz leicht von der ursprünglichen Variante. Das Cover ist natürlich immer noch in S/W gehalten, aber ein leichter Braunstich, der übrigens sehr schön das Artwork unterstreicht, wurde dann doch ganz leicht angepasst. 1988 steckten die beiden Platten auch noch in einer Tasche, jetzt handelt es sich um ein Klappcover und eine Platte wird jeweils links und rechts aufbewahrt. Gatefold ist obligatorisch. Die Verarbeitung ist nun auch wesentlich besser und es handelt sich nicht mehr um so ein dünnes Papierchen, sondern eher schon um eine dicke Kartonpappe.

 

Nimmt man die beiden Platte unter Licht in Augenschein, dann sind diese schon erstklassig verarbeitet – gerade und keine Welle. Allerdings ist die statische Aufladung schon immens. Auf allen vier Saiten hat sich dann doch ein bisschen Staub abgesetzt. Dieser lässt sich aber schnell entfernen und auf dem Teller macht sich das nicht negativ bemerkbar. Die Nadel freut sich über die tiefe Rinne – 180gr. –  und dreht ruhig ihre Runden. Knacksen oder sonstige Störgeräusche sind nicht vorhanden. Der Sound ist insgesamt sehr gut und die Live-Atmosphäre kommt sehr gut rüber.

 

1987 wurde „Music For The Masses“ veröffentlicht und damit gingen Depeche Mode auf eine 101 Konzerte umfassende Welttournee. Im Passadena Rose Bowl Stadion spielte die Band vor über 60.000 Fans das Abschlusskonzert der Tour. Dies wurde dann als „101 Live“ veröffentlicht. Auch, wenn dieses Live-Konzert im Grunde nur eine ganz kleine Phase von Depeche Mode abbilden kann, ist es doch auch eine Art Sammlung von den ganz großen Hits der Band.

 

„Everything Counts“ ist der wohl beste Konzertschluss, den Depeche Mode je im Repertoire hatten. Wie die Zuschauer da mitgehen, bereitet einem immer wieder eine Gänsehaut. Höhepunkte gibt es sowieso sehr viele. Das fängt schon mit „Behind The Wheel“ an, der den Zuschauern richtig einheizt und ist mit der Überballade „Blasphemous Rumours“ noch lange nicht vorbei. „Stripped“ war damals die Messe schlechthin und auch „Somebody“ von Gore markierte einen sehr intensiven Moment. „Never Let Me Down Again“ als große Dave Gahan-Show bringt die Boxen zum Kochen. Das Livegefühl ist dabei immer gegeben. Dies ist bei einer Synthieband schon sehr beachtlich. Im Grunde ist fast jeder Titel ein Highlight, von „Black Celebration“ über „People Are People“ bis zu „A Question Of Lust“.

 

Fazit: „101 – Live“ von Depeche Mode ist auch nach fast dreißig Jahren immer noch eines der besten Livealben der 80er Jahre. Die Intensität und Atmosphäre der Show wird sehr gut transportiert. Die Band hatte schon zu diesem Zeitpunkt unzählige große Hits im Repertoire und somit ist diese Veröffentlichung immer noch ein Erlebnis und eine Erfahrung. Dies wird nun als schönes Schmuckstück auf Vinyl veröffentlicht. Auch das Booklet mit den Bildern ist wieder beigelegt. Die Aufmachung und die Verarbeitung ist erstklassig. Die beiden Platten machen einen sehr guten und wertigen Eindruck. Empfehlenswert!

 

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Text: Torsten Schlimbach

Depeche Mode: Black Celebration (Vinyl)

Depeche Mode: Black Celebration (Vinyl)

Sony

VÖ: 14.10.2016

 

Wertung: 9/12

 

Der Vinyl-Boom ist momentan nicht aufzuhalten. Glücklicherweise entschließen sich nun auch die Labels dazu, längst vergriffene Platten wieder neu aufzulegen. Sony erweitert seine Reihe #MyVinylLove nun um mehr als 80 Titel. Darunter ist auch „Black Celebration“ von Depeche Mode zu finden. Das fünfte Album der Band markierte 1986 den endgültigen Durchbruch und das Quartett war auf dem Weg zu Superstars nicht mehr aufzuhalten. „Black Celebration“ wurde in den geschichtsträchtigen Berliner Hansa Studios aufgenommen und hat auch heute nichts von seiner Faszination eingebüßt.

 

In diesem Großformat kommt das unscheinbare Cover erst richtig zur Geltung. Die Zeichen links und rechts des Hochglanzbildes lassen sich sogar mit den Finger ertasten. Klappt man das Cover auf, dann ist auf der rechten Seite das bekannte Foto von Depeche Mode zu sehen. Links wiederum gibt es Liner Notes von Daniel Miller, die endlich auch mal für Leute mit Sehschwäche lesbar sind. Gatefold ist hier übrigens obligatorisch! Die Texte lassen sich ebenfalls im Beiblatt nachlesen. Ein Download Code fehlt allerdings. Insgesamt ist das haptisch aber schon eine feine Sache!

 

Die Platte liegt als 180g Vinyl vor. Ein vorsichtiger, erster Blick unter der Lampe lässt schon erkennen, dass hier ganze Arbeit geleistet wurde, meint: die Verarbeitung ist hervorragend! Die Platte liegt bei 180g natürlich gut in der Hand. Wellen und Verformungen sind keine zu erkennen. Die Rillen machen ebenfalls einen sehr guten Eindruck. Legt man das Teil auf den Teller, dann verfestigt sich der positive Eindruck. Die Nadel freut sich über die tiefe Rinne und dreht ganz ruhig ihre Runden.

 

Bei Depeche Mode von einem warmen Klang zu sprechen, ist sicherlich überraschend, aber in diesem Fall ist es so – jedenfalls in direktem Vergleich zur CD! Mir wirkte der Sound der CD immer etwas zu klinisch, auf der nun vorliegenden Platte kommt das wesentlich besser und fein austariert rüber. Wenn man so will, dann kann man „Black Celebration“ nun noch mal ganz neuer erleben!

 

Der Hörgenuss bei „Stripped“ ist schon ganz famos. Da darf man sich auf eine dicke Gänsepelle einstellen. Ein erhabener Song, der auf Vinyl sehr schön zur Geltung kommt. Das gilt natürlich auf für den Rest von „Black Celebration“. Gerade der Titelsong ist ja eine Hymne. Die Ballade „Sometimes“ ist auch dreißig Jahre später ein Tränendrüsendrücker. „A Question Of Time“ und „A Question Of Lust“ sind sicher klassische Depeche Mode Songs jener Zeit. Bis auf „New Dress“ ist der Rest nicht ganz so großartig, aber erstrahlt auch in neuem (Vinyl-)Glanz.

 

Fazit: „Black Celebration“ von Depeche Mode ist mittlerweile einer der Klassiker der Bandgeschichte, aber auch der 80er Jahre geworden. Die Hälfte der Songs zählt sicherlich zu den Großtaten der Band. Die Vinyl-Veröffentlichung des Albums – 180g, Gatefold – ist nicht nur haptisch sehr schick. Die Verarbeitung und der Klang der Scheibe sind ebenfalls makellos!

 

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Text: Torsten Schlimbach

Depeche Mode: Delta Machine

Depeche Mode: Delta Machine

Sony

VÖ: 22.03.2013

 

Wertung: 8/12

 

Die Aufregung hätte kaum größer sein können. Die Depeche Mode Fans fiebern dem 22. März entgegen wie die Kinder dem Weihnachtsabend. Es ist vollbracht, das 13. Studioalbum wird endlich veröffentlicht. Die Promotionmaschinerie läuft selbstverständlich seit Wochen auf Hochtouren und das Interesse an „Delta Machine“ erreicht Ausmaße, wie es bisher dieses Jahr nur ein gewisser David Bowie mit seinem neuen Album entfachen konnte. Schon alleine anhand dieser Tatsache kann man den Stellenwert, den die Band immer noch genießt, ablesen.

 

Aufgenommen wurde „Delta Machine“ im Verlauf des letzten Jahres im kalifornischen Santa Barbara und in News York. Als Produzent war wieder Ben Hillier mit an Bord. Aufgrund der Spuren, die der Mann auf den letzten Alben von Depeche Mode hinterlassen hat, kann man hier fast von einem vierten Bandmitglied sprechen. Auch „Delta Machine“ trägt wieder deutlich die Handschrift von Hillier, wer damit ein Problem hat wird sich auch mit diesem Werk schwertun. Abgemischt wurden die Songs schließlich von Flood. Und wie es sich für eine Band mit diesem Status gehört, wurden im Vorfeld ordentlich die Buschtrommeln bemüht. „Delta Machine“ sollte an die besten Depeche Mode Scheiben – an dieser Stelle bitte das Album der eigenen Wahl einsetzen – anknüpfen und Martin Gore nahm sogar mehrmals das Wort Blues in den Mund. Oder auch: "Ich hatte großen Respekt davor, dieses Album zu schreiben, denn ich wollte, dass die Songs sehr modern klingen", erklärt Martin Gore. "Ich möchte, dass sich die Menschen beim Hören gut fühlen und eine Art Frieden finden. Es hat etwas sehr Magisches."

 

Gore hat sich im Vorfeld der Aufnahmen wohl einiges an neuem Equipment gekauft und somit ist „Delta Machine“ ziemlich elektronisch ausgefallen. Die Gitarren sind aber auch nicht gänzlich verschwunden. Und genau das macht diese Platte dann auch aus. Man könnte sogar soweit gehen und „Delta Machine“ als Compilation ansehen, denn die Songs spannen einen Bogen von den Anfängen bis ins Hier und Jetzt. Aus allen Bandphasen ist etwas dabei – also für jeden etwas. Darunter leider allerdings auch etwas der Albumfluss. „Violator“, „Songs of Faith and Devotion“, „Black Celebration“, „Music For The Masses“, „Ultra“ - eine lange Liste und ja, Depeche Mode haben ganz fleißig bei sich selbst geklaut. Klar, welche Band wiederholt sich nicht nach einer gewissen Zeit?! Die neuen Stücke müssen dann allerdings auch den Vergleich mit den zitierten Tracks standhalten. „Delta Machine“ gelingt das nur bedingt. „Soft Touch/ Raw Nerve“ ist eine Art modernes „Question Of Time“, kann aber natürlich überhaupt nicht mit dem Klassiker mithalten. „Personal Jesus“ gibt es in minimalistischer Form auch wieder, nennt sich jetzt aber „Soothe My Soul“. „Broken“ hätte die Band früher auch nicht unbedingt für „Construction Time Again“ verwendet – an diese Ära knüpft das Stück nämlich an.

 

Natürlich ist „Delta Machine“ kein schlechtes Album. Im Gegenteil, denn man findet durchaus ein paar schöne und herausragende Songs, die für den Gesamtkatalog durchaus eine Bereicherung darstellen. In erster Linie ist dies Dave Gahan zu verdanken. Der Mann liefert hier eine überaus variable Gesangsleistung ab. Denkt man sich die Sounds mal weg, dann haftet selbigem gar etwas gospelartiges an. Seine Phrasierung ist ebenfalls herausragend. Gahan versteht es immer noch den Zuhörer zu fesseln. Abgesehen davon ist der Mann mittlerweile auch als Songschreiber eine feste Bank. Gahan ist nämlich nicht – wie Gore – in seinem Muster gefangen und so ist „Should Be Higher“ in ein modernes Soundgewand gekleidet, schafft aber das Kunststück eben nicht aus Zitaten zu bestehen. Atmosphärisch ist die Nummer sehr dicht und wird langsam, fast schwebend, durch die Soundlandschaften getragen. Schade, dass Hillier zum Schluss unbedingt noch sein Geklaker unterbringen musste. Das düstere, sphärische „Alone“ ist gar noch besser. Bissig, aggressiv und auf der anderen Seite doch wunderschön – geht doch!

 

Der Auftakt mit „Welcome To My World“ lässt sich gut an. Der minimalistische Clubsound läutet eine erstklassige erste Hälfte ein. Hier klauen Depeche Mode übrigens mal nicht bei sich selbst, sondern zum Refrain hin bei Coldplay! Und dann wäre da noch eine kleine, aber feine Note die an die Nine Inch Nails erinnert. „Angel“ hat mit Sicherheit das Zeug zur Single: eingängig, tanzbar und sollte Mr. Gahan den Gesang auf den Konzerten ähnlich meistern, dann wäre es für die weiblichen Fans ratsam noch eine frische Buxe einzupacken. Starke Nummer! Über „Heaven“ ist vermutlich schon alles gesagt, der Track entwickelt aber gerade an dieser Stelle eine Sogwirkung, der man sich kaum entziehen kann. „Secret To The End“ sorgt ebenfalls für einen dicken Pluspunkt. Treibend und doch minimalistisch entpuppt sich das Stück als schöner Schwan und mittels Echoeffekt hat man den Refrain – von Gahan und Gore gesungen – ganz schön aufgepeppt. Da freut sich doch das Fanherz! „My Little Universe“ ist trotz seines Minimalismus sehr cluborientiert und die vielen verschachtelten Beats, die nach hinten raus ordentlich zulegen, sind das Salz in der Suppe. Stakkatoartig fräst sich der Song in die Gehirnwindungen. Auch dafür liebt man Depeche Mode im Jahr 2013 immer noch.

 

„Slow“ wurde nicht umsonst so betitelt. Der abermals herausragende Gesang und die Atmosphäre beenden die erste Hälfte von „Delta Machine“ extrem stark. Könnte so glatt dem Wüstenfuchs Josh Homme gefallen. Danach verflacht es allerdings etwas. „Broken“ ist nicht nur langweilig, sondern nervt auch. Warum muss Martin Gore eigentlich auch immer noch einen seiner Gesangstracks unterbringen? „The Child Inside“ ist erschreckend unspannend und ein Griff in die berühmte Toilette. Zum Glück darf Dave Gahan ja auch wieder Songs für Depeche Mode schreiben!

 

Fazit: Das dreizehnte Studioalbum von Depeche Mode setzt sich aus Licht und Schatten zusammen. In den guten bis sehr guten Momenten unterstreicht die Band immer noch, dass sie die Platzhirsche des Genres sind, denen keiner etwas vormachen kann. Der erste Teil von „Delta Machine“ ist sowieso extrem stark und hier zeigt sich, dass die Band immer noch zu den Vordenkern gehört. Leider gibt es im weiteren Verlauf allerdings auch viele Zitate aus der eigenen Vergangenheit, die nicht immer gelungen sind. Sollte in ferner Zukunft noch mal ein neues Album geplant werden, dann könnte man sich auch mal Gedanken über einen Produzentenwechsel machen! Hillier meint ja, er müsste seine Ideen auch noch auf Gedeih und Verderb unterbringen - dies tut dem Sound aber nicht immer gut. Die Produktion ist insgesamt aber sehr fett und dicht. Dave Gahan liefert mal wieder eine astreine Gesangsleistung ab und ist mittlerweile auch als Songlieferant etabliert. Ach ja, Andy Fletcher ist auf diesem Album wohl auch dabei – sagt man.

 

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Text: Torsten Schlimbach

Depeche Mode: Heaven (Single)

Depeche Mode: Heaven (Single)

Sony

VÖ: 01.02.2013

 

Am 22. März 2013 erscheint mit „Delta Machine“ ein neues Depeche Mode Album. Die Fangemeinde ist also mal wieder in heller Aufregung und hat bis zum Veröffentlichungstag wohl so manche schlaflose Nacht. Die Forenserver werden bis dahin auch heiß laufen. Die Band selber heizt dies mit Statements wie „beste Platte seit „Violator“ und „Songs Of Faith And Devotion“ und eine Mischung aus beiden“ zusätzlich an. Die Vergangenheit lehrt einen ja immer wieder, dass man solchen Einschätzungen eher keine Beachtung schenken sollte.

 

Der erste Februartag des Jahres 2013 bringt vielleicht ein ganz wenig Licht in die Dunkelheit. Mit „Heaven“ liegt nun die erste Singleauskopplung vor. Die Nummer wird definitiv die Lager spalten und polarisieren. Immerhin ist dies kein Uptempo-Song aus dem Depeche Mode Baukasten. Die Jungs haben jetzt den Blues, zumindest ist der Track sehr bluesy. Dies erinnert gar an die tolle Soulsavers-Platte. „Heaven“ erschließt sich trotz aller Eingängigkeit nicht sofort und schleppt sich langsam – böse Zungen würden sogar langweilig sagen – dahin. Düster und melancholisch schwebt der Song auf dem Pianothema daher. Schade, dass man nicht den letzten Schritt gemacht hat und dann doch noch ein paar Taschenspielertricks unterbringen musste. Warum die Band an Ben Hillier einen Narren gefressen hat erschließt sich nicht so ganz. Eigentlich schadet er Depeche Mode mehr mit diesen unnützen Dingen, die nach drei Minuten sogar nerven.

 

Wer auf Remixe abfährt kriegt von „Heaven“ nun gleich vier Stück an die Hand. Braucht man allerdings nicht wirklich. Der „Owlle Remix“ verbreitet dezentes Lounge-Feeling, während der „Steps To Heaven Mix“ dem nicht mehr viel hinzufügen kann. Der „Blawan Remix“ nervt allerdings gehörig und hört sich an wie bei Oscar the Grouch in der Tonne aufgenommen. In den einschlägigen Kreisen wird Matthew Dear ja gerne als Wunderkind bezeichnet – warum dies so ist erschließt sich zumindest nicht durch seinen „Heaven-Mix“ - minimalistisches Geplucker nach Schema F!

 

Fazit: Depeche Mode koppeln mit „Heaven“ die erste Single aus „Delta Machine“ aus, die eigentlich derart unspektakulär ist, dass die Nummer von jeder anderen Band gnadenlos untergehen würde. Ob der Song – nur aufgrund des prominenten Namens – öfters im Radio gespielt wird, bleibt abzuwarten. Wer die Soulsavers-Geschichte mag, wird auch „Heaven“ mögen. Erwartet man von Depeche Mode eigentlich nicht etwas anderes? Kann man mal wieder sehen wie das so mit diesen verdammten Erwartungshaltungen ist. „Delta Machine“ darf insgesamt gerne etwas mehr abgehen!

 

http://heaven.depechemode.com/

 

Text: Torsten Schlimbach

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