Charlie Watts: Anthology

Charlie Watts: Anthology

Warner

VÖ: 30.06.2023

 

Wertung: 10/12

Tipp!

 

Charlie Watts muss man sicher nicht mehr vorstellen. Der Mann war und ist schließlich einer der bekanntesten Schlagzeuger der Welt. Er hat mehr als 55 Jahre bei den Rolling Stones den Takt vorgegeben. Dabei hielt er sich stets bescheiden im Hintergrund. Er war aber menschlich und als Musiker immens wichtig für die Band. Sein Spiel ist einfach so markant, dass man dieses weder kopieren kann - und schon gar nicht ersetzen. Zu Lebzeiten war der Mann schon eine Legende. Man konnte Watts sogar Sachen zum Signieren schicken, die kamen stets mit seiner Unterschrift zurück. Nicht von einem Sekretär unterschrieben, nein, von Charlie Watts höchstpersönlich. Bis zuletzt. Der Mann war einfach ein herzensguter Kerl. Jetzt erscheint mit „Anthology“ die erste umfassende Zusammenstellung aus seinem Jazz-Repertoire.

 

Der Jazz-Reigen startet 1986, jenem Jahr, als Watts auch sein erstes Album „Live At Fulham Town Hall“ veröffentlichte. Da war der Mann gefühlt schon ewig im Geschäft, was wiederum für seine Bescheidenheit spricht. Bescheidenheit ist auch das Stichwort für die Songs, wenn man sich beispielsweise „Going, Going, Going, Gone“ anhört. Das Stück wird von der Trompete dominiert und Watts macht das, was er eigentlich immer macht – egal in welcher Formation und Kombination: er gibt den Songs das mit, was sie brauchen, nie mehr als nötig.

 

Natürlich gibt es auch wilde Raserei, denn im Jazz gibt es ja kaum Grenzen. Man sieht förmlich vor dem geistigen Auge, welchen Spaß der gute Charlie an „Stompin´ At The Savoy“ oder dem freidrehenden „Cool Blues“ gehabt haben muss. Es dürfen sich alle glücklich schätzen, die das seinerzeit miterleben durften. Dramatisch ausgearbeitet wurden die Sachen mit seinem Quintett. „Long Ago (And Far Away)“ klingt eher nach einem sehnsüchtigen Filmscore denn nach Jazz. Selbiges gilt auch für „Good Morning Heartache“ oder „Never Let Me Go“ – sämtlich aus dem Jahr 1996 und hier dann auch teilweise mit Gesang. Tolle Nummern, die sehr schön umgesetzt wurden.

 

Fast sensationell sind die Tracks, die Watts zusammen mit seinem kongenialen Kollegen Jim Keltner eingespielt hat. „Roy Haynes“ anhören und staunen! Was für ein Rhythmus! „Airto“ ist völlig anders, noch experimenteller, aber auch mit Klängen der Weltmusik versehen. Dennoch, wie selbstverständlich landen die Musiker immer wieder beim Jazz. „Elvin Suite“ erstreckt sich über mehr als zwölf Minuten, wird dabei aber nie langatmig, sondern zeigt so viele Facetten der Musik(geschichte), dass es eine Freude ist. Es sind hier sowieso einige Longtracks vertreten. Wir hätten da das programmatische „Roll´em Charlie“ oder „Tin Tin Deo“ mit diesen tollen Percussions. Das Set hat übrigens auch noch drei bisher unveröffentlichte Songs am Start. „Rockhouse Boogie“, „Ain´t Nobody Minding Your Store“ und „Swindon Swing“ wurden während einer Performance im Swindon Arts Centre aufgenommen – es ist die vertonte Freude!

 

Fazit: Charlie Watts war ein toller Mensch und ein toller Musiker. Abseits der großen Rockbühnen hat er immer mal wieder seiner Liebe für den Jazz gefrönt. Jetzt kann man sich das noch mal auf der schön aufgemachten „Anthology“ anhören. Schließt man die Augen, sieht man Charlie beim Spielen lächeln. Ein großer Musiker! Das hier ist keine Mainstreammusik, sondern nur etwas für Musikliebhaber! Große Sache!

 

Text: Torsten Schlimbach

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