Bosse: Alles Ist Jetzt

Bosse: Alles Ist Jetzt

Universal

VÖ: 12.10.2018

 

Wertung: 8/12

 

Axel Bosse ist ein Phänomen in der deutschen Musiklandschaft. Irgendwie können sich alle auf ihn einigen. Seine Kollegen ebenso wie die Kritiker. Die Popkids sowieso, aber auch die Indiejünger. Selbst die Schwiegermutti wippt da gerne wohlwollend mit. Der gute Aki ist während seiner Karriere nie stehen geblieben und war immer offen für allerlei Einflüsse. Zusammengehalten wird das stets von dieser unwiderstehlichen und markanten Stimme. Seine Art des Singens driftet oftmals in ein Sprechsingsang ab, wodurch der Wiedererkennungswert noch mal gesteigert wird. Jetzt veröffentlicht der Mann mit „Alles Ist Jetzt“ sein neues Album und im Vorfeld konnte man aufgrund der unglaublich poppigen Single „Augen Zu Musik An“ ein bisschen Angst bekommen. Unbegründet, denn natürlich hat Bosse kein reines Popalbum aufgenommen.

 

Und mal ehrlich, wer kann sich denn „Augen Zu Musik An“ wirklich entziehen?! Trotz des extrem poppigen Ansatz ist das natürlich immer noch Bosse in Formvollendung – nur mit anderen Mitteln. Der Song ist allerdings repräsentativ für das gesamte Werk. Eigentlich sollte das ja ein Familienalbum werden. Die Aktualität der Ereignisse auf diesem Planeten holten Bosse aber immer wieder ein und somit gibt es auf „Alles Ist Jetzt“ auch sehr deutliche Worte zu hören. So kennt man Bosse natürlich! Gut so!

 

Die persönlichen Songs sind höchst emotional. Das melancholische „Indianer“ spricht irgendwie uns allen aus dem Herzen. Selbst, wenn dies ein Stückchen die Geschichte von Bosse erzählen sollte, erzählt dieses Kleinod die Geschichte von uns allen. „Hallo Hometown“ ist ein weiterer Track dieser Couleur. Heimat ist doch schön! Die Erinnerungen an die unbeschwerte Kindheit und die Teenagerjahre trägt ja jeder mit sich herum. Bosse hat das zu Papier gebracht. Auch für uns. Musikalisch reitet das zwar auf einem Klaviermotiv herum, trotzdem hat das unbestritten Hitqualitäten. Zudem ist das tanzbar. Mit dem Titeltrack fängt das Album ja schon so an. Feiert das Leben, denn es ist zu kurz. Recht hat er.

 

„Robert Di Niro“ hat im Grunde nichts mit dem Schauspieler zu tun. Man wähnt sich höchsten im falschen Film, wie bei „Berlin Tag Und Nacht“. Nazischeiss und Hass werden da deutlich angesprochen. Chapeau, Herr Bosse! „Wanderer“ ist erzählerisch gewohnt gut, leider kann das kompositorisch nicht ganz Schritt halten. Irgendwie etwas langweilig. Das ist aber eher eine kleine Nuance. „Ich Warte Auf Dich“ ist fast schon Oldschool-Bosse und kann somit nur großartig sein. „Die Befreiung“ schielt dann vom Sound her wieder zum neuen Ansatz von Aki Bosse. Das ist irgendwie schon sehr 80ies-lastig. In der Vergangenheit waren die Songs von ihm durchaus auch tanzbar, aber mit anderen Mitteln. Das ist immer Geschmackssache, aber ich für meinen Teil fand die Musik der 80er schon immer furchtbar. „Pjöngjang“ ist dafür wieder zum Niederknien - textlich und musikalisch. Synthesizer im Überfluss gibt es bei „Overkill“. Passt für mich nicht zu Bosse. Bei „Süchtig“ haut das mehr hin. Popmusik für erwachsene Menschen. Zudem: guter Groove. „Ich Bereue Nichts“ ist wieder eines dieser emotionalen, persönlichen Lieder, welches eigentlich jedem Zuhörer auf die eine oder andere Art aus der Seele sprechen sollte! Gut, dass Bosse es anspricht!

 

Fazit: „Alles Ist Jetzt“ - ein einfacher Albumtitel. Kann man aber mal wirken lassen. Bosse findet meist die richtigen Themen und die richtigen Worte. Auch auf seinem neuen Album. Wunderbar, dass es den Mann in der deutschsprachigen Musiklandschaft gibt. Musikalisch lotet und testet er neue Gefilde aus. Er lugt dann auch mal bei den 80ern vorbei. Nicht immer, aber manchmal. Machen aktuell ja viele. Muss man mögen. Es gibt aber auch genug Oldschool-Bosse-Momente auf diesem Album. Unter dem Strich ist es abermals ein gutes Werk. Schlechte Alben macht Bosse sowieso nicht.

 

https://www.axelbosse.de/alles-ist-jetzt/

 

Text: Torsten Schlimbach

Bosse: Engtanz

Bosse: Engtanz

Universal

VÖ: 12.02.2016

 

Wertung: 10/12

Tipp!

 

Ach Aki, du wundervoller Mensch, schön mal wieder von dir zu hören. „Engtanz“ also. Dein sechstes Album. Ganz wundervoll ist es geworden. Überrascht das noch irgendeinen? Nicht wirklich, oder? Auf den ersten Blick haben – musikalisch gesehen – Axel Bosse und Dave Grohl sicher nicht viele Gemeinsamkeiten aufzuweisen. Was Grohl für den amerikanischen Musikmarkt ist, ist Bosse für den hiesigen: nämlich der netteste Zeitgenosse den man sich vorstellen kann. Und so hört sich dann auch die Musik an. Musik, die für „Engtanz“ irgendwie unterwegs entstand. Das mobile Studio einfach mal unter den Arm geklemmt und ab dafür. Nach dem letzten großen Erfolg mit „Kraniche“ war das aber auch nötig. Die Birne musste mal wieder frei werden. Bosse ist erwachsen geworden und das beinhaltet auch Abschiede und Schmerz. Und genau davon erzählt nun auch „Engtanz“. Aber nicht nur.

 

Ausbrechen, einfach so. Bei Bosse nennt sich das „Ausserhalb Der Zeit“. Dieser Auftaktsong sorgt gleich zu Beginn für dieses wohlige und vertraute Gefühl, welches man immer bei den Liedern von Bosse hat. Dabei ist das nicht mal eine Wiederholung. Es darf jubiliert werden. Es trompetet und ein engelsgleicher Chor macht aus dieser Hymne für alle Einsiedler dann doch wieder etwas Urbanes. Natürlich folgt sogleich die Melancholie-Keule mit „Dein Hurra“. Dieses „Hey, hey, hey“ im Refrain hat er wohl als Patent angemeldet, kommt ja – gefühlt – mittlerweile auf all seinen Alben irgendwo vor. Wer aber Zeilen wie „Tanz Chachacha auf Faith No More/Ich bin Lost, du bist Walter White“ zu Papier bringt, macht sowieso alles richtig. Und ja, der Mann scheut auch nicht davor zurück Streicher auf „Engtanz“ unterzubringen. Die verqueren Gedankengänge driften dabei in die Dunkelheit ab. Dazu dürfen aber auch mal die Gitarren lärmen.

 

Benutzt einer eigentlich noch das Wort „Nachttischlampe“? Aki Bosse schon und folgerichtig hat er gleich einen Song so benannt. Eine wunderschöne Alltagsbeobachtung und Situation hat er da zwar forsch und schmissig, aber auch mit einer Prise Traurigkeit aufgenommen. Und wieder gibt es eine Zeile für die deutsche Musikewigkeit: „Das Glück ist schnell wie Aubameyang.“  Und dann? Dann wird es schief. Und zwar gewollt. „Krumme Symphonie“ hat sogar noch seinen Kumpel Casper am Start. Auf diese Kombination muss man auch erst mal kommen. Mit „Mordor“ verbindet man ja eigentlich einen dunklen Ort. Bei Bosse ist das anders. Das Gelbe auf dem Schnee sind Spritzer vom Abschiedsbier und die Kellnerin hat die schönsten Augen der Stadt. Hach, man möchte sich in diese Worte einwickeln. Und wer will, kann dazu sogar tanzen. Zu „Immer So Lieben“ sowieso. Hat man sich jemals gefragt, was Ich überhaupt bedeutet? Wer oder was ist dieses Ich? „Wir Nehmen Uns Mit“ klärt das auf die Bosse-Art. Natürlich deutet er – wie so oft – nur an, die Interpretation obliegt dann schon noch dem Zuhörer. Der Name Constanze kriegt hier übrigens eine Schönheit verliehen, die längst verblasst war. Wenn man so will, dann ist „Blicke“ der Rocksong der Platte. Also irgendwie jedenfalls. Mit reichlich Streichern. Bei dem schmissigen „Insel“ jubilieren wieder die Bläser, bevor es mit „Ahoi Ade“ den schönsten Schlusssong des Jahres 2016 gibt. Traurig ist dieser, aber das muss ja kein Widerspruch sein.

 

Fazit: Noch ein kurzer Satz zum Booklet: hier hat sich Axel Bosse sehr viel Mühe gegeben und viele kleine Gimmicks auf den Fotos untergebracht, die vielleicht treue Begleiter auf seiner Reise zum „Engtanz“ waren. Das Album selbst ist sehr facettenreich, mit dieser hinreißenden Wortakrobatik für die man diesen Mann so sehr ins Herz geschlossen hat. Musikalisch darf die vertonte Melancholie natürlich nicht fehlen. Dazu tanzt man aber keinen Schiebeblues, sondern jubilierend zu Bläsern und Streichern durch das Haus. In einer ruhigen Stunde setzt man sich dann hin und wirft seinen eigenen Film zu diesen Songs an. Bosse lässt – natürlich – wieder genug Raum für Interpretationen. „Engtanz“ ist ein Album und keine Ansammlung von Songs! Das ist ja längst nicht mehr üblich. Bosse ist eben anders und das ist verdammt gut so! Ach Aki, du wundervoller Mensch!

 

http://www.axelbosse.de/engtanz/

 

Text: Torsten Schlimbach

Bosse: Kraniche - Live in Hamburg (Limited Deluxe Edition) [CD+DVD, Box-Set]

Bosse: Kraniche - Live in Hamburg (Limited Deluxe Edition) [CD+DVD, Box-Set]

Universal

VÖ: 18.07.2014

 

Wertung: 10,5/12

Tipp!

 

Axel Bosse ist angekommen. Angekommen im kollektiven Bewusstsein der musikinteressierten Öffentlichkeit. Der Braunschweiger ist längst kein Geheimtipp mehr und auch musikalisch hat er sich über fünf Alben vom Indie- zum Popkünstler entwickelt. Dahinter mag der eine oder andere kritische und neidische Zeitgenosse jetzt Kalkül vermuten, setzt man sich aber mit der Musik und den Texten auseinander, dann wird ziemlich schnell klar, dass Axel Bosse sich von einer Vielzahl seiner Kollegen durch seine entwaffnende Ehrlichkeit unterscheidet. Das oft überstrapazierte Wort von der Authentizität ist bei Bosse einfach mal angebracht – aber sowas von! Das merkten auch die Zuschauer, die am 21. Dezember 2013 in die restlos ausverkaufte Hamburger Sporthalle strömten und mit Axel Bosse, seiner Band und einer Vielzahl an Gästen ein Konzert zu zelebrieren, welches keiner der Anwesenden und Beteiligten jemals vergessen wird. Und weil man im Vorfeld schon erahnen konnte, dass dies ein ganz besonderer Abend werden wird, hat man die ganze Sause auch für die Nachwelt festgehalten. Und an dieser Stelle sei schon gesagt, dass man auf das Set – bestehend aus 2 CDs und einer wundervollen DVD – zurückgreifen sollte!

 

Für den Aki, wie ihn seine Freunde nennen, war dieser 21. Dezember auch ein ganz besonderer Tag. Der Mann und seine Lieder wurden ja nicht über Nacht berühmt, nein, er hat die komplette Ochsentour mitgemacht und ist über die Dörfer gegangen und hat an jeder Milchkanne gespielt. Oftmals vor fast leerem Haus. Zahlende Kundschaft? Fehlanzeige. Der Weg, sein Weg, führte ihn aber immer weiter nach oben. Beharrlichkeit, Können und Qualität setzt sich eben doch durch! Der Live-Gipfel ist einstweilen an diesem 21. Dezember in der Hamburger Sporthalle erreicht. Das Land hat zwar noch wesentlich größere Hallen zu bieten und man wünscht Bosse von Herzen natürlich jeden nur erdenklichen Erfolg, aber die Intimität und die Interaktion mit dem Publikum ist da wohl nicht mehr gegeben. Ein Bosse-Konzert ist ja auch eine intensive Erfahrung – für die Protagonisten auf der Bühne und natürlich auch für die Zuschauer.

 

Mit Kim Frank, Sebastian Madsen, Deichkind, Anne De Wolff und Boy hat sich Axel Bosse für diesen Abend ganz besondere Gäste eingeladen. Freunde, die größtenteils aus seiner norddeutschen Heimat kommen. Es hätte aber auch jeder andere Künstler des Landes sein können! Bosse wird eben von allen geliebt. Die CD-Version unterscheidet sich allerdings von dem Pendant auf DVD, denn dort ist „Junimond“ mit Kim Frank nicht enthalten. Die zweite CD enthält mit „Alter Affe Angst“ zudem noch einen Bonustrack aus dem Capitol in Hannover. Die Investition und das schön aufgemachte CD/DVD-Paket im Digipack mit vielen S/W-Fotos lohnt sich also gleich in mehrfacher Hinsicht!

 

Die Qualität der DVD ist wie ein Bosse-Album: grobkörnig, herzlich, verschwommen, brillant, S/W, hektisch, farbenfroh, authentisch und ehrlich. Anders ausgedrückt: wer dem Perfektionswahn verfallen ist, sollte woanders suchen. Bosse ist eben nicht perfekt, aber verdammt gut. Dies trifft auch auf diese DVD zu. Ja, ein bisschen Graining, ein paar Pixelfehler und auch ein hin und wieder etwas zu hektischer Schnitt gibt es da. Na und! Das Geschehen auf und vor der Bühne wird jedenfalls perfekt wiedergegeben. Dazu gehört auch, dass Axel Bosse bei „3 Millionen“ plötzlich verschwunden ist und die Kamera verzweifelt nach ihm sucht. Des Rätsels Lösung: er ist einfach über die Absperrung zu den Zuschauern geklettert, die wiederum ihr Glück kaum fassen können.

 

Zu Beginn des Konzerts dauert es ein paar Minuten, bis die Zuschauer auf Betriebstemperatur sind. Zwischen den einzelnen Songs werden Statements von Bosse und seiner Band zum Werdegang bis hin zu diesem Großereignis abgegeben. Man hört dabei auch immer wieder, wie nervös jeder Einzelne vorher war. Das merkt man auch. Bei „Kraniche“ agieren alle Beteiligten wie eine übermotivierte Fußballmannschaft, die alles richtig machen will. Dies wechselt aber schnell in unbändige Spielfreude und spätestens bei "Roboterbeine" ist auch der letzte Zuschauer abgeholt worden und ab da steigt eine große Party. Axel Bosse entpuppt sich als regelrechte Rampensau und wer sich von seinen Entertainerqualitäten nicht angestachelt fühlt, ist vermutlich ein Miesepeter. Das überträgt sich auch in das Wohnzimmer. Da ist die ganze Gefühlspalette dabei, von unbändiger Freude bis hin zu einer dicken, fetten Gänsehaut.

 

Der schönste Moment der gesamte DVD ist das gemeinsame Duett bei „Nächsten Sommer“ mit Boy. Diese Herzlichkeit und Wärme, die da rüberkommt, lässt ganze Eisberge schmelzen. Die beiden Damen sind ja nun beileibe keine Anfänger mehr und mit ihrem Debütalbum waren sie aus dem Stand erfolgreich. Wie Valeska Steiner da so schüchtern steht und das herzlichstes Lächeln des gesamten Musikbusiness auspackt, ist der wundervollste Augenblick dieser Aufnahme. Es passt einfach. Man möchte den Protagonisten da auf der Bühne zuschreien, dass sie sich das – egal wie groß der Erfolg auch noch werden mag – bitte, bitte behalten sollen: diese Natürlich- und Herzlichkeit, diese kleine Portion Naivität – einfach das Menschsein.

 

Axel Bosse singt, rennt, tanzt, schwitzt und strahlt eine große Freude aus. Erst bei „Yipi“ hat er dann auch mal die Akustikgitarre in der Hand. Bis dahin zelebriert er und seine Band, die sichtbar Spaß an dem hat, was sie da macht, das Konzert, welches sich überwiegend aus den Songs der letzten beiden Alben zusammensetzt. Es ist ein großer Spaß! Und da man ja nicht immer und überall die DVD gucken kann, gibt es ja auch noch die beiden CDs – dann auch mit Kim Frank.

 

Fazit: „Kraniche - Live in Hamburg” zeigt Bosse dort, wo er und seine Band hingehört: auf der Bühne. Die Musiker schaffen es selbst diese relativ große Halle in einen intimen Club zu verwandeln. Eine derart herzliche und liebevolle Produktion hat man aus Deutschland schon lange nicht mehr zu sehen bekommen. Wenn überhaupt schon mal. Gekommen ist unser Held als Bosse, nach dieser Veröffentlichung ist er als Aki geblieben. Jedenfalls hat man den Eindruck, dass er mit seiner herzlichen Art zu einem Freund geworden ist. Tolle Musik und Texte macht Bosse, also der Aki, auch noch!

 

http://www.axelbosse.de/landingpages/live-in-hamburg/

 

Text: Torsten Schlimbach

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Bosse: Kraniche

Bosse: Kraniche

Universal

VÖ: 08.03.2013

 

Wertung: 9/12

 

Axel Bosse aus Braunschweig wurde einem einst als ambitionierter Singer/Songwriter angepriesen. In diese Schublade kann man den Mann mit den feinfühligen Songs mühelos einsortieren, klar. Und doch ist Bosse anders als so viele andere der jungen Generation der deutschen Liedermacher. Davon kann man sich nun auf „Kraniche“ mehr denn je überzeugen. Seine letzte Platte „Wartesaal“ hat nun schon zwei Jahre auf dem Buckel und in diesen zwei Jahren muss eine Menge passiert sein im Hause Bosse. „Kraniche“ gleicht nämlich einem Quantensprung und zeigt den Künstler nun gereift und erwachsener. Man darf hier durchaus von seinem besten Album sprechen.

 

Ein Großteil dieser Songs ist übrigens in Istanbul entstanden. Die Essenz daraus spiegelt sich gar im gleichnamigen Song wieder. Hamburg diente aber auch wieder als Inspirationsquelle – natürlich, möchte man da sagen! Produziert wurde die Scheibe dann von Philipp Steinke, der auch schon den wunderbaren Mädels von Boy unter die Arme gegriffen hat. Es kleines bisschen weht der Hauch von Boy sowieso durch „Kraniche“, denn Valeska Steiner ist hier auch noch zu hören. Als weiterer Gast ist Martin Wenk – seines Zeichen Trompeter bei Nada Surf und Calexico – mit von der Partie und veredelt beispielsweise „Alter Affe Angst“. Dies alles trägt dazu bei, dass diese Platte so facetten- und abwechslungsreich wie nie ist. Trotzdem wird der rote Faden nie verloren und im Mittelpunkt steht ganz klar Axel Bosse.

 

„Kraniche“ ist selbstverständlich anzuhören, dass Bosse eigentlich ein Liedermacher der alten Schule ist. Das wunderschöne Pianospiel bei „Vive La Danse“ lässt auch gar keinen anderen Schluss zu. Auch die luftige, gar leichte Produktion trägt sicher dazu bei. Und doch brodelt es unter der Oberfläche und Bosse ist so nah am Pop wie noch nie in seiner Karriere. Darüber können auch die Streicher bei „Familienfest“, die dort die musikalische Dominanz übernehmen, nicht hinwegtäuschen. Gibt es da bei „Brillant“ nicht sogar einen Rappart? Ja, Bosse hat den musikalischen Blick eben auch weit über den Tellerrand schweifen lassen. Und doch ist das alles Pop. Natürlich nicht die Art von Pop, die man tagtäglich im Dudelfunk ertragen muss.

 

Mit dem Titeltstück „Kraniche“ liefert Bosse sogar den schönsten Song seiner Karriere ab. Dies fällt in die Kategorie, die Leben retten kann. Die Jugenderinnerung „Schönste Zeit“ ist auch irgendwie darunter zu verbuchen. Wunderschöne Instrumentierung gepaart mit einem Text, welcher der gesamten Generation Ü30 aus dem Herzen spricht. Es geht auch um Entschleunigung. Ist „Vier Leben“ nun eigentlich eine traurige Ballade oder doch eher ein Mutmacher nicht ständige alles und jedem nachzurennen? Wir haben schließlich nur ein Leben. Die Musik dazu wird nach hinten raus dann auch noch mal bombastisch, aber eben nicht aufgeblasen. Das eigentliche Ziel wird auf „Kraniche“ eben nicht aus den Augen gelassen. Das Leben darf aber mit „So oder so“ auch einfach mal gefeiert werden. Unterlegt wird dies mit simpler, aber eben auch feinster Popmusik. Und was macht man mit „Sophie“? Einfach mal gut finden! Und selten war musikalischer Kitsch so schön wie bei „Konfetti“. Die Streicher tragen zwar etwas dick auf, aber als Albumabschluss ist diese Nummer genau richtig gesetzt.

 

Fazit: Bosse hat mit „Kraniche“ einen Quantensprung vollzogen. Hier hat alles Hand und Fuß, Sinn und Verstand. Dies ist eine wunderbare, deutschsprachige Platte, die derart herzlich ist, dass man Axel Bosse dafür umarmen müsste. Popmusik, die sich der Opulenz nicht verschließt, aber immer luftig und leicht daher schwebt. Die Texte treffen ins Schwarze und drücken die Gefühle abseits der Kitschgrenze aus. „Kraniche“ ist das bis dato beste Werk von Bosse! Abgesehen davon ist dies das Album, welches Selig mit "Magma" wohl im Sinn hatten.

 

http://www.axelbosse.de/3/home/

 

Text: Torsten Schlimbach

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