Billy Talent: dito 10th Anniversary Edition

Billy Talent: dito 10th Anniversary Edition

Warner

VÖ: 29.11.2013

 

Wertung: 10/12

Tipp!

 

Vor zehn Jahren trat mit Billy Talent im fernen Toronto eine Band in das Rampenlicht, von der man nicht unbedingt erwartet hätte, dass sie heute immer noch da ist und dies auch noch größer denn je. Gerade in Deutschland kann die Kapelle auf eine immens große Fansbasis bauen und ist ein gern gesehener Gast auf den Festivalgeländen dieser Republik. Man darf da durchaus mal das Wort von Superstars der alternativen Musik in den Mund nehmen. Dieser ganze Wahnsinn startete einst im September 2003 als das Debüt veröffentlicht wurde. Da kann man mal wieder sehen wie die Zeit doch rast. Dies spricht mitunter sogar für diese Platte, die nämlich nichts von ihrem Glanz verloren hat. Jetzt erscheint die Sause noch mal in einer schönen Neuauflage, die gerade für Fans einiges an Mehrwert bereithält.

 

Optisch kann sich das Set sehen lassen. Ausgeklappt hält das Digipack die beiden CDs bereit. Das umfangreiche Booklet ist in der Seitentasche zu finden und kann mit einem Vorwort von George Pettit von Alexisonfire punkten. Dazu gesellen sich dann noch alle Texte, jede Menge Fotos und die wichtigsten Informationen zu den Songs – so, wie es bei einer derartigen Veröffentlichung eben immer der Fall sein sollte. Man kann da durchaus von einer liebevollen und detailreichen Arbeit sprechen.

 

Selbiges gilt auch für die musikalische Zusammenstellung. Die zweite CD hat zwar die identische Tracklist in gleicher Reihenfolge am Start, hält aber einige Überraschungen bereit. Billy Talent wühlten sich durch ihre Archive und stießen dabei auf so manches unveröffentlichte Material. Es startet mit einem dreier Paket bestehend aus den Demoversionen von „This Is How It Goes“, „Living In The Shadows“ und „Try Honesty“ aus dem Jahre 2002. Eins zeigt sich hier ganz deutlich: die Band mag damals noch aus Grünschnäbeln bestanden haben, die mehr oder weniger die lokale Szene aufmischen wollten und doch waren sie zu diesem Zeitpunkt schon extrem versiert. Kein Wunder, immerhin hatten die vier Jungs da schon unter anderem Namen Musik veröffentlicht und knappe zehn Jahre des Übens haben eine traumwandlerische Sicherheit entstehen lassen, die schon beachtlich war.

 

„Line & Sinker“ vom Nova Rock Festival aus dem Jahre 2007 ist ein ziemliches Livebrett. Ben Kowalewicz singt und schreit sich die Stimmbänder wund, Jonathan Gallant und Aaron Solowoniuk legen dazu den tighten Rhythmusteppich aus und Ian D´Sa fräst sich schnell durch den Song – es ist eine Freude. Die größte Überraschung dürfte „Lies“ sein, denn selbiges liegt im windschiefen Akustikgewand vor und lässt einen den Song glatt noch mal mit ganz anderen Ohren hören. „The Ex“ - ebenfalls eine Demoversion von 2002 – ist schon recht nahe an der Albumversion dran. „River Below“ und „Standing In The Rain“ unterstreichen im Livegewand, dass die Band auf den Brettern, die die Welt bedeuten, einfach eine Macht ist und durch die vielen Auftritte und Konzerte extrem gut aufeinander eingespielt ist – wie ein Uhrwerk. Das langsame und verschleppte „Nothing To Loose“ dürfte dann auch die deutsche Fangemeinde erfreuen, handelt es sich hierbei doch um eine Liveaufnahme aus der der Düsseldorfer Phillipshalle aus dem Jahre 2007. Leider ist die Version nicht gerade mitreißend. Das schmissige „Voices Of Violence“ aus Norwegen von 2008 beendet diese Package standesgemäß.

 

Billy Talent werden ja nicht gerade von allen Kritikern geliebt. Manch einer sieht in dem Sound der Band auch nur die musikalische Begleitung für 15-jährige Skater. Gerade dieses Debüt zeigt aber, dass Billy Talent zwischen Punk, Posthardcore und alternativer Rockmusik sehr viel mehr zu bieten haben und ein immens gut geölter Motor sind, der läuft und läuft und läuft. Abgesehen davon nimmt man der Truppe durchaus ab, dass dies die Musik ist, die sie machen wollen und die den Herren auch am Herzen liegt. Dass dies derart erfolgreich ist, kann man ihnen ja nun nicht wirklich zum Vorwurf machen.

 

Fazit: Billy Talent machten sich vor zehn Jahren von Kanada auf die musikalische Welt mit einem aufregenden Gebräu alternativer Rockmusik zu erobern. Es hat geklappt. Die „10th Anniversary Edition“ des Debüts zeigt, dass die Platte überraschenderweise noch keinen Staub angesetzt hat. Eine zweite CD mit Liveaufnahmen und Demoversionen der Albumtracks bietet einen echten Mehrwert und ist der zusätzliche Kaufanreiz dieses liebevoll aufgemachten Sets! Kann man empfehlen!

 

http://www.billytalent.de/

 

Text: Torsten Schlimbach

Billy Talent: Dead Silence

Billy Talent: Dead Silence

Warner

VÖ: 07.09.2012

 

Wertung: 9/12

 

Die Truppe von Billy Talent hat im Vorfeld der neuen Platte einiges mitmachen müssen. Zunächst lief eigentlich alles gut und ein eigenes Studio sorgte zumindest dafür, dass die Band unabhängig ist und sich nicht mehr um die explodierenden Aufnahmekosten kümmern muß. Da aber selbst Billy Talent nicht über genug Geld in der Portokasse verfügen, mussten sie sich ganz konservativ Geld bei den Banken leihen. Gleichzeitig bedeutet dies, dass sie nun auch für eine längere Zeit aneinander gebunden sind. Fans wird es freuen, denn so schnell ist das Bandende somit sicher nicht in Sicht.

 

Neben den Schreibblockaden von Gitarrist Ian D´sa und Ben Kowalewicz mussten sie sich auch noch um Drummer Aaron Sorgen machen, der sich einer Herz-OP unterziehen musste. Er konnte so gerade noch seine Schlagzeugparts einprügeln und dann war er aus dem Aufnahmeprozess raus. Keine guten Vorzeichen. Fans und Presse wurde ein kleiner musikalischer Brocken vor die Füße geschmissen und dann tauchten die Mitglieder von Billy Talent erst mal ab. Man ging einfach davon aus, dass alles gut im Lager der Kanadier wäre. War es nicht, wusste aber nur ein kleiner Kreis.

 

Umso größer ist die Überraschung, dass sie nun mit „Dead Silence“ ein ziemliches Brett vorlegen. Ein gutes bis sehr gutes gar! Die Zeichen stehen sowieso auf Neuanfang, was sich schon am Albumtitel ablesen lässt. Die Tradition wird nämlich durchbrochen und die Platte eben nicht „4“, „Four“, „IV“ oder „IIII“ genannt. Musikalisch wird am ehesten noch eine Brücke zu „II“ gebaut. Trotzdem klingt „Dead Silence“ nach einem Quantensprung und ist nicht nur die reifste, sondern auch beste Platte von Billy Talent. Man muss da nicht lange um den heißen Brei herumreden. Bis jetzt ist nicht überliefert, was genau die Schreibblockade gelöst hat und ob das ganze Album dann noch mit vielen Anstrengungen und Verrenkungen verbunden war. Erstaunlicherweise hört sich das Endergebnis nämlich überhaupt nicht angestrengt oder bemüht an!

 

Billy Talent haben den Sound auf „Dead Silence“ gehörig erweitert – und dies ohne die eigenen Wurzeln zu vernachlässigen. Mehr Metal hat es wohl noch auf keinem Album gegeben. Mehr (Halb-)Balladen wohl auch nicht und mehr strukturierten Gesang von Kowalewicz ebenfalls niemals zuvor. Was ist da passiert? Gesangstrainer? Völlig egal, denn er liefert die beste Leistung seiner Karriere ab. Bisher neigten die vier Jungs ja auch gerne dazu dem Pathos und Bombast nicht nur eine Chance zu geben, sondern damit derart inflationär umzugehen, dass es manchmal die Grenze des Erträglichen überschritten hat. „Dead Silence“ ist auch in dieser Hinsicht gänzlich anders.

 

Die Uhr tickt beim Auftakt mit „Lonely Road To Absolution“ zwar, aber die Zeit von Billy Talent ist noch lange nicht abgelaufen. Zudem ist dieser barocke Auftakt recht ungewöhnlich. Die erste Singleauskopplung „Viking Death March“ verschreckt mit seinem Stakkato-Punk und den Screamoattacken zumindest die Fans nicht. Die Nummer lässt allerdings schon eine Düsternis erkennen, die man von Billy Talent bisher nicht gewohnt war. „Surprise Surprise“ ist dann auch genau das. Der Metalanteil des Stücks dürfte so manchen Billy Talent-Kenner überraschen. Schönes Brett und ein Schlag voll in die Fresse. Balladen? Wer braucht jetzt Balladen? „Runnin´ Across The Tracks“ drückt das Gaspedal noch mal durch. Das Stück gefällt aufgrund der tollen Arrangements, der Tempo- und Stilwechsel und der Rhythmusteil wird so manches Konzert zum Überschwappen bringen.

 

Erst mit dem sechsten Song „Stand Up And Run“ gibt es eine Art Ballade. Die Jungs von Billy Talent haben anscheinend begriffen, dass sie den ganzen Pathosquatsch doch gar nicht brauchen. Es funktioniert auch ohne Kirmesklimbim. Gesanglich wird das oft in noch nicht gekannte Höhen getrieben und so entwickelt sich ein straighter Rocksong wie „Man Alive!“ noch zum überraschenden Brett. „Hanging By A Thread“ erinnert von der Grundstimmung zunächst gar an einen neuen Track von Maximo Park, rockt natürlich wesentlich mehr. Neben den knallharten Tracks überraschen Billy Talent immer wieder mit den melancholischen Zwischentönen – nachzuhören bei „Cure For The Enemy“ oder mit dem Pianostück „Swallowed Up By The Ocean“. Und wenn „Don´t Count On The Wicked“ nicht eine neue Hymne der Band wird, dann muss irgendwas ganz gewaltig falsch laufen. Und wer hätte gedacht, dass es mal einen Song gibt, der an The Cure mit guter Laune erinnern würde? Bitte, hier ist „Show Me The Way“.

 

Fazit: „Dead Silence“ ist in vielerlei Hinsicht ein Neuanfang für Billy Talent. Dies verdeutlicht nicht nur der Albumtitel, der aus der Zahlenreihe herausbricht. Die Kanadier zeigen sich deutlich gereift, gar erwachsen. Das Ergebnis sind die härtesten Songs der Karriere, aber auch die schönsten. Bombast und Pathos bleiben dabei gänzlich vor der Tür. Die Produktion ist selbstverständlich auf dicke Hose getrimmt, aber dies ist sicher kein Nachteil. Mit diesem Album könnte es gar gelingen, nun doch noch alle wichtigen Musikmärkte zu knacken. Eindrucksvoller kann sich eine Band nicht zurückmelden und der pubertäre Quatsch der letzten Platten gehört nun auch der Vergangenheit an. Super Ding, dieses „Dead Silence“!

 

http://www.billytalent.com/

 

Text: Torsten Schlimbach

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