Beyoncé: dito

Beyoncé: dito

Sony

VÖ: 20.12.2013

 

Wertung: 7,5/12


Da hat die gute Beyoncé Knwoles dieses Jahr alle überrascht und ihr neues Werk mal eben auf iTunes veröffentlicht lassen und es vorher nicht angekündigt. Im Vorfeld gab es keine Werbung dafür und das übliche Tamtam fehlte ebenfalls. Da hat die Dame durchaus einen Coup gelandet, der hier und da für offene Münder gesorgt haben dürfte und an anderer Stelle fing das Rotieren an. Ein physischer Tonträger will schließlich auch noch vor dem Weihnachtsfest gepresst und in die Läden gestellt werden. Sind wir mal ehrlich, ein solches Vorgehen funktioniert logischerweise nur bei einem unumstrittenen Weltstar, denn sonst würde das Interesse ja auch gen Null tendieren. Eine bessere Werbung – zudem noch unbezahlt – konnte es für ihr neues Album nicht geben, denn sämtliche Medien berichteten aufgeregt über die Platte, die ohne Ankündigung plötzlich digital veröffentlicht wurde. Dazu kann man Beyoncé, ihrem Mann und dem ganzen Team nur gratulieren: Chapeau!

 

Ihr fünftes Studioalbum bezeichnet Beyoncé als „visual album“. Neben den vierzehn neuen Songs gibt es nämlich auch gleich noch siebzehn(!) Videos zu bewundern. Die Künstlerin erklärt ihr Vorgehen damit, dass sie Musik nicht nur hört, sondern auch sieht. „Wenn ich einen Bezug zu etwas habe, dann sehe ich sofort Bilder oder eine Abfolge von Motiven, die mit einem Gefühl, einer Kindheitserinnerung, Gedanken über mein Leben, meinen Träume oder meinen Fantasien zu tun haben. Und sie sind alle mit Musik verknüpft.“ Immerhin ein interessanter Ansatz, der zudem ein ganz neues Licht auf ihr Schaffen wirft. Die Videos wurden übrigens an verschiedenen Orten und Städten gedreht, u.a. Houston, New York, Paris, Sydney und Rio de Janeiro.

 

Beyoncé wagt sich jetzt auch künstlerisch auf neues Terrain. Wer ein R&B-Feuerwerk erwartet, wird die berühmten Bauklötze staunen. „Pretty Hurts“ ist dabei noch der sanfte Einstieg in die Platte, damit der Fan nicht gleich komplett mit der Keule eins übergezogen bekommt. „Haunted“ ist danach wesentlich elektronischer. Es wabert und pluckert und schwebt sphärisch dahin. Die Stimme von Beyoncé scheint von ganz weit entfernt zu kommen. Da werden Erinnerungen an Madonna und „Ray Of Light“ wach. „Drunk In Love“, bei dem der Gatte auch dabei ist, wird von minimalistischen Beats getrieben, bricht zwischendurch aber immer wieder ab. Im Zentrum steht die Stimme von Beyoncé, die hier zu alter Form aufläuft. Hier übertreibt sie es aber auch mal wieder – das ist sie wieder, die Klassenstreberin. „Blow“ schlägt danach noch mal einen kleinen Haken und macht es sich in der Lounge-Ecke gemütlich. „No Angel“ und „Partition“ lassen dann endgültig keine Zweifel mehr daran, dass sich die R&B-Queen verabschiedet hat und jetzt als Minimalismus-Elektronikmaus nett grüßt, auch mal fast rappend. Überraschenderweise war bisher gar keine Ballade dabei. Dies ändert sich auch mit „Jealous“ nicht – einer Art moderner Gospel.

 

„Rocket“ geht noch am ehesten als R&B-Ballade über die Ziellinie. „Mine“ mit Drake schleicht sich auch auf ganz leisen Sohlen an. Beyoncé singt aber auch als käme sie aus einer fernen Galaxie. Ein sehr ruhiges und zurückgenommenes Stück, so wie man es von Drake gewohnt ist. Beyoncé variiert hier den Gesang aber auch sehr schön und plötzlich wird die kühle Ästhetik durch eine warme Atmosphäre verdrängt. „XO“ gefällt mit seinem perkussiven Ansatz, während „*** Flawless“ teilweise an Nicki Minaj erinnert. „Superpower“ ist alles andere als das und dudelt etwas langweilig dahin, einer Zusammenarbeit mit Frank Ocean hätte man sich etwas mehr versprochen. „Heaven“ ist wieder auf den wabernden Zug aufgesprungen, hat aber auch nicht mehr viel zuzusetzen. Immerhin ist dies auf seine Art ein träumerischer Song, der eben auch für die neue Ausrichtung von Beyoncé steht. „Blue“ ist zum Schluss eine Art Schulterschluss und vereint die vielen Seiten der Künstlerin in einem Song.

 

Fazit: Da hat einer der größten Stars unserer Zeit einen echten Coup gelandet und ihr selbstbetiteltes Album ohne Vorankündigung veröffentlicht. Den üblichen Marktmechanismen hat sie so ein Schnippchen geschlagen und doch das Medium Internet perfekt für ihre Zwecke genutzt. Vielleicht werden andere ihrem Beispiel aus der Riege der A-Superstars folgen, aber sie ist es, die hier Pionierarbeit geleistet hat. Das Album ist dann auch noch überraschend anders. Stimmlich nimmt sich die Sängerin sehr zurück und ordnet dies dem Gesamtsound, der sehr minimalistisch ausgefallen ist, unter. Es wabert und pluckert und dezente Beats bestimmen das Klangbild. Erfreulicherweise ist nicht Timbaland und auch nicht Ryan Tedder - mit Sounds von der Stange - die treibende Kraft hinter der Platte. Mit Boots ist ein Produzent tonangebend, der nur Insidern bekannt sein dürfte. Alles in allem ist dieses Album eine große Wundertüte und damit hätte keiner gerechnet. Die Dame ist erwachsen geworden und biedert sich keineswegs beim Zeitgeist an. Damit hat Beyoncé zum Ende des Musikjahres in allen Belangen ein dickes Ausrufezeichen gesetzt.

 

http://www.beyoncé.com/

 

Text: Torsten Schlimbach

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