Pearl Jam: Let´s Play Two (Blu-ray)

Pearl Jam: Let´s Play Two (Blu-ray)

Universal

VÖ: 17.11.2017

 

Wertung: 10/12

Tipp!

 

Wenn es um die großen Volkssportarten geht, dann ist das meist mit sehr vielen Emotionen verbunden. Hierzulande beschäftigt der Fußball Millionen Menschen und bestimmt oftmals darüber, ob die Laune der Anhänger in der nächsten Woche positiv gestimmt ist oder eher in Richtung Keller tendiert. Baseball ist bei uns eine Randsportart, in den USA sieht das allerdings ganz anders aus und dort darf, nein man muss es sogar, als ein Massenphänomen bezeichnen. Der letzte Herbst war dann nicht nur von dem Ausgang der Wahlen zum US-Präsidenten bestimmt, sondern die Presse beschäftigte sich auch mit der Frage, ob die Chicago Cubs nach 108 Jahren Pause tatsächlich wieder die Baseball-Meisterschaft gewinnen können. Pearl Jam sind erklärte Fans dieser Sportart und besonders Eddie Vedder hat sich als Hardcore-Fan der Chicago Cubs entpuppt. Die beiden Geschichten – die der Band und die der Chicago Cubs - werden nun von dem wunderbaren Film „Let´s Play Two“ miteinander verbunden.

 

Die Band gastierte vor den entscheidenden Play Offs für zwei Konzerte im Wrigley Field, der Heimspielstätte der Cubs. Natürlich wurde das in Ton und Bild festgehalten, wobei die Tonaufnahmen jetzt keine Überraschungen darstellen, denn die Band lässt bekanntlich alles mitschneiden und veröffentlicht das dann auch später im Rahmen des offiziellen Bootleg-Programms auf CD und digital über die eigene Homepage. Die filmische Dokumentation selber ist mehr als nur obligatorisch und ein tolles Zeitdokument. Musik und Sport werden da wundervoll und mit sehr viel Liebe zum Detail verknüpft. Die Regie für „Let´s Play Two“ übernahm der renommierte Regisseur Danny Clinch, produziert wurde der Film von Monkeywrench Productions.

 

„Let´s Play Two“ wurde in ausgewählten Lichtspielhäusern gezeigt und wird nun selbstverständlich auch auf DVD und Blu-ray veröffentlicht. Danny Clinch hat das Auge für das Besondere. Man ist nämlich ganz nah dran und doch wird das nie zu kumpelig und die Distanz gewahrt. Die besondere Beziehung der Bandmitglieder untereinander wird hier sehr schön eingefangen, man wird aber logischerweise kein Teil davon und kann nur erahnen, wie diese Magie entsteht. Auch die Liebe des Publikums zu dieser Band – das gilt natürlich auch umgekehrt - wird wunderbar vermittelt. Dies gilt auch für die vielen Momente des Sports, wobei Baseball für uns Europäer wohl eher ein Buch mit sieben Siegeln bleiben und sich die Faszination dafür eher nicht erschließen wird. Trotzdem serviert einem Clinch und sein Team das schon so nahe wie nur möglich. Die vielen O-Töne der Fans, die es im Film zu hören gibt, tragen zum Verständnis und zur Begeisterung sehr schön bei.

 

Man konnte ja im Vorfeld hier und da ein paar kritische Fanstimmen lesen und hören, die bemängelten, dass die Vermischung der Musik von Pearl Jam und Baseball nicht funktionieren könnte, weil sich ein Großteil der Anhänger außerhalb der USA eben überhaupt nicht für diesen Sport interessieren würden. Jetzt, da „Let´s Play Two“ in Gänze vorliegt, kann und muss man das vollends entkräften. Man muss kein Faible für diesen Sport haben, es braucht nicht mal ein großes Spielverständnis. Der großartige Erfolg der Cubs wird filmisch nämlich über die Emotionen transportiert – und dies auch noch sehr oft von Eddie Vedder höchstpersönlich, der hier einfach zum Fanboy mutiert und dann auch mal mit dem vollbesetzen Stadion vor einem Entscheidungsspiel des Teams die Vereinshymne singt. Man sieht auch seine Anspannung während des Spiels. Das ist nichts, was man nicht auch – hierzulande beispielsweise aus dem Fußballstadion – kennen würde. Und das alles wurde derart schön in Szene gesetzt, dass sich die Begeisterung auch in die heimischen vier Wände überträgt. Es ist einfach wunderbar zu sehen, wie da eine ganze Stadt mitfiebert. Es ist ebenfalls schön zu sehen, dass die Band Pearl Jam mit diesem Verein ganz stark verbunden und ist die Poster der bisherigen Auftritte im Wrigley Field im Vereinsheiligtum hängen.

 

Es wurde auch ein kurzer Ausschnitt vom Auftritt der Band im Jahre 2013 in den Film eingewoben, als ein heftiges Gewitter für eine Konzertunterbrechung sorgte und die Fans sichere Zufluchtsorte suchen mussten – nach drei Stunden konnte es weitergehen und alle sind wieder gekommen. Auch Ausschnitte von 92 gibt es, als Pearl Jam noch am Beginn ihrer Karriere stand. Jeff Ament kriegt heute noch glänzende Augen, wenn er davon berichtet, dass U2 sich mehrere Shows angeguckt hätten und wie es für ihn damals war, als er mitgekriegt hatte, dass The Edge im Publikum stand.

 

„Let´s Play Two“ ist aber auch ein Film der Liebe zwischen einer Band und ihren Fans – und umgekehrt. So gibt es viele O-Töne von Fans, die schon am Abend vor dem Konzert vor dem Stadion campieren. Es sind nicht mehr die Jüngsten, man sieht, dass diese Menschen die Band schon eine ganze Weile begleiten. Später im Stadion wird Eddie Vedder auf die vielen Fahnen im Publikum – von Argentinien bis Südafrika haben die Fans eine lange Anreise in Kauf genommen – eingehen und später den ersten Reihen auch Wein in Becher ausschenken. Gut, dass er kein Brot gebrochen hat, das wäre dann zu viel gewesen. Bedeutungsschwanger ist das aber so oder so, zeigt aber eben auch die besondere Beziehung, die man miteinander pflegt. Das gibt es auf ähnliche Art und Weise sonst nur bei U2 und deren Anhängerschaft.

 

Die siebzehn enthaltenen Songs verdeutlichen auch noch mal, dass zwischen den einzelnen Bandmitgliedern eine besondere Magie herrscht. Vom erhabenen „Low Light“, über das Manifest „Black“, bis zu den ruppigen Krachern „Last Exit“ oder „Go“ reicht der Songreigen. Wenn man sieht, wie viel Spaß Stone Gossard und Jeff Ament immer noch an „Alive“ haben oder wie sich Mike McCready bei „Black“ in einen Rausch spielt, dann weiß man, dass da Menschen auf der Bühne stehen, die lieben was sie tun und dass dies keine lästige Pflichterfüllung ist. Und wenn bei „Release“ das Publikum lauter als Eddie Vedder singt, dann hat man auch auf der Couch eine Gänsehaut. Der Film ist voll von vielen kleinen und liebevollen Momenten. Einer davon ist „All The Way“, jenes Lied von Eddie Vedder für die Cubs – hier auch mit Bildern von den Proben unterlegt, als Vedder das Stück ganz alleine im leeren Stadion singt. Rührend.

 

Das Bild und der Ton sind sehr gut. Die Farben sind der natürlich, der Kontrast sehr gut eingestellt und auch Schnitt und Kameraführung sind für das Auge optimal. Es ist trotzdem kein Hochglanzprodukt, welches Wert auf Perfektion legt. Clinch ist sich durchaus im Klaren über die besonderen Momente. McCready steht bei „Black“ im Gegenlicht, welches ihn wie einen Engel erscheinen lässt. Den Song kann man eigentlich nicht ausblenden, Clinch macht das trotzdem und in der nächsten Szene steht man bei den Cubs im Keller. Es muss sich aber keiner ärgern, denn in der Bonussektion gibt es „Black“ dann in Gänze zu sehen. „Mind Your Manners“, „Masters Of War“, „Rearviewmirror“ und „Immortylity“ runden das Bonusmaterial sehr schön ab. Die ganze Geschichte kommt übrigens im Buchformat auch optisch und haptisch richtig gut!

 

Fazit: „Let´s Play Two“ lässt Sport und Musik miteinander verschmelzen. Beides wird ganz wundervoll mit einem unsichtbaren Band verknüpft und nimmt den Zuschauer bei bestem Bild und Ton mit auf eine wundervolle Reise. Im Grunde ist das eine liebevolle Hommage, die auch aus der Konserve zu berühren weiß. Ein Muss für Pearl Jam-Fans, aber auch für alle Musikliebhaber , die sich von besonderen Sportmomenten mitreißen lassen.

 

https://pearljam.com/

 

Text: Torsten Schlimbach

Empfehlen Sie diese Seite auf:

Druckversion | Sitemap
Dream Out Loud Magazin: © Torsten Schlimbach / Header: © Kai Knobloch