Lou Reed: Transformer – Live At Montreux 2000 (SD Blu-ray)

Lou Reed: Transformer – Live At Montreux 2000 (SD Blu-ray)

Edel/Eagle Vision

VÖ: 21.03.2014

 

Wertung: 10/12

Tipp!

 

Die Musikwelt trauert um Lou Reed. Ausnahmslos alle. Der Mann hat eine große Lücke hinterlassen und erst nach und nach wird man feststellen, dass da weit und breit keiner ist, der diese ausfüllen kann. Die Genialität dieses Poeten und Songschreibers bleibt unerreicht, da er sein ganz eigenes Genre über die Jahrzehnte immer wieder neu definiert hat. Wie kaum ein anderer Künstler war er stets mit seiner Stadt verbunden. Lou Reed und New York gehören einfach zusammen. Seine Musik und Kunst wurde von den Kritikern und Kollegen gleichermaßen geschätzt. In bare Münze hat sich dies allerdings nicht immer ausgezahlt, denn für ein großes Massenpublikum war seine Musik oftmals zu sperrig. Sein zweites Soloalbum – „Transformer“ – katapultierte ihn kurzfristig aber auch ein Stück in den Mainstream und in den Status eines Superstars. Die vorliegende Blu-ray beleuchtet dieses Meisterwerk nun noch mal eingehend. Aber nicht nur!

 

Es gibt ja viele Filmchen über „Classic Albums“, meist kann man die aber getrost in die Tonne kloppen. Der Mehrwert ist da kaum gegeben. Hier verhält es sich ein bisschen anders. Die einzelnen Tracks werden noch mal messerscharf analysiert. Da darf zwar auch ein Fan wie Dave Stewart seine Sicht der Dinge kundtun, aber auch die beiden Produzenten der Platte, Mick Ronson und David Bowie, haben reichlich Gelegenheit auf „Transformer“ einzugehen. David Fricke vom Rolling Stone ist ebenfalls mit sehr vielen O-Tönen vertreten. Die besten Kommentare – und wie könnte es anders sein? – kommen auf unnachahmliche Art und Weise von Lou Reed höchstpersönlich. Er geht noch mal auf den Entstehungsprozess ein, erläutert den Anteil von David Bowie an dieser Platte – der seiner Meinung nach immens groß war – und lässt noch mal Revue passieren was es mit den einzelnen Texten auf sich hat. Er gibt dabei auch unumwunden zu, dass er es manchmal selbst nicht weiß. Andere wiederum seien ganz klar von den Mitgliedern von „The Factory“ inspiriert worden. Hier gibt es nicht nur reichlich Aufnahmen dieser Zeit mit Andy Warhol zu sehen, es wurden für diese Dokumentation auch noch mal die alten Weggefährten aus der „Factory“ aufgetrieben, die dann auch noch ein bisschen aus dem Nähkästchen plaudern dürfen (was das eigentlich für Figuren aus „Walk On The Wild Side“ sind – nämlich sie selbst).

 

Lou Reed geht die Sache teilweise sehr lakonisch, dann wiederum bissig und auf seine knorrige Art an. Wenn dieses Album - oder er als Künstler - auf so viele Musikergenerationen Einfluss gehabt hätte, dann sollen sie ihm doch einfach ein paar Tantiemen zukommen lassen, er würde nämlich sonst nichts davon merken. Ob er die Songs denn für das Publikum geschrieben hätte, wird er da gefragt. Fast spöttisch antwortet er, dass er sich nicht hinsetzen könne um zu überlegen, was denn den Leuten wird. Ihm müsste es gefallen, das müsste reichen. Natürlich hätte er nichts dagegen, wenn es dann auch noch erfolgreich wäre. Man nimmt es ihm ab, er war in dieser Hinsicht immer authentisch und ehrlich. Davon können sich eine ganze Menge seiner Kollegen eine Scheibe abschneiden, die sich heutzutage in erster Linie hinsetzen und überlegen was denn relevant und erfolgreich sein könnte. Lou Reed hat einfach gemacht. Punkt.

 

Auf die einzelnen Schritte des Produktionsprozesses wird auch noch sehr intensiv eingegangen. Als Zuschauer bekommt man so beispielsweise einen Einblick, wie denn der markante Bass bei „Walk On The Wild Side“ zustande kam (es waren zwei völlig verschiedene Instrumente) oder „Transformer“ in London aufgenommen wurde. Auf die Rolle von Lou Reed als Poet wird auch noch eingegangen. Dave Stewart meint, dass man viele Texte der Populärmusik nicht losgelöst von der Musik betrachten kann, bei Lou Reed wäre das anders, denn dessen Texte würden auch als Gedicht funktionieren. Dazu werden noch intime Akustikversionen von „Perfect Day“ und „Satellite Of Love“ gereicht, die der alte Querkopf selbstverständlich völlig neu interpretiert. Ausschnitte vom späteren Video zu „Perfect Day“ gibt es auch noch. Insgesamt eine sehr gelungene Dokumentation.

 

Der zweite Teil der SD Blu-ray beinhaltet das einzige Konzert von Lou Reed in Montreux aus dem Jahre 2000. Das Konzert gab es ja bereits auf DVD. Da dieses ursprünglich nicht in High Definition gefilmt wurde, ist das Bildmaterial nach dem derzeitigen Stand der Technik restauriert worden und hat somit eine deutlich bessere Bildqualität. Eine Verbesserung ist schon sichtbar. Wenn man mal ein leichtes Graining außen vor lässt, dann ist das schon – mit einigen kleinen Abstrichen – nicht von schlechten Eltern. So ein kleiner Sepia-Effekt stellt sich zwar ein, aber daran hat man sich schnell gewöhnt. An der Soundqualität hat man kräftig poliert und diese klingt um ein Vielfaches besser! Zur Wahl stehen DTS-HD Master-Audio-Standard für die Surround-Freunde sowie eine hochwertige PCM-Stereo-Variante für die Puristen, die eher den klassischen Zweikanalton bevorzugen. Da kommt schon ordentlich Druck aus den Boxen. Die vierer Bandbesetzung hat auf der „Ecstasy“ Tour aber auch ungemein heavy gespielt. Lou Reed war an diesem Abend besonders gut drauf und hin und wieder huschte – für seine Verhältnisse – ein kleines Lächeln über seine Lippen. Er hat seinen Mi(e)tmusikern immer genau auf die Finger geschaut, aber auch diese scheinen offensichtlich ihren Spaß gehabt zu haben. Da war sogar Platz für ein episches Bass-Solo bei „Twilight“. Ansonsten gibt es viel Material von „Ecstasy“, aber auch Klassiker wie „Romeo Had Juliette“, „Dirty Blvd.“ und „Perfect Day“ – natürlich völlig neu interpretiert. Nach der Konzerteröffnung mit „Paranoia Key Of E“ wusste man aber sowieso, dass es hier ans Eingemachte geht und keine Veranstaltung für Zartbesaitete wird. Das lahme Publikum von Montreux wird übrigens komplett ausgespart und man sieht fast ausschließlich die Musiker und hat als Zuschauer reichlich Gelegenheit diesen auf die Finger zu gucken.

 

Fazit: „Transformer – Live At Montreux 2000“ ist in jeglicher Hinsicht eine sehr gelungene Veröffentlichung. Der Transfer auf Blu-ray ist durchaus geglückt. Die neue Generation der Zuschauer wird sicher meckern, da dies naturgemäß mit den Hochglanzproduktionen dieser Tage nicht mithalten kann, aber diese Generation dürfte sich eben kaum eine Lou Reed Blu-ray zulegen. Alle anderen können hier bedenkenlos zugreifen, denn das Bild des Konzerts ist schwer in Ordnung, der Sound amtlich und die Darbietung sowieso über jeden Zweifel erhaben. „Transformer“ aus der „Classic Albums“ Reihe ist auch sehr erhellend, da dieses Meisterwerk aus vielen Blickwinkeln beleuchtet und unter die Lupe genommen wird. Die beteiligten Protagonisten kommen dabei auch zu Wort, aber letztlich ist dies alles die große Lou Reed-Show. Empfehlenswert!

 

http://www.loureed.com/inmemoriam/

 

Text: Torsten Schlimbach

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