Kraftwerk: 12345678 3-D Der Katalog (Blu-ray/DVD)

Kraftwerk: 12345678 3-D Der Katalog (Blu-ray/DVD)

Warner/Klingklang

VÖ: 26.05.2017

 

Wertung: 8,5/12

 

Kraftwerk sind der deutsche musikalische Export schlechthin. Von Depeche Mode über Radiohead bis zu Sonic Youth ist die Liste der Bewunderer recht vielfältig. Unzählige Künstler betonen den Einfluss, den die Elektropioniere auf ihr eigenes Schaffen ausgeübt haben. Zwischen 1974 und 2003 erschienen acht Studioalben, die teilweise ihrer Zeit weit voraus waren und Standards gesetzt haben. Es dürfte kaum eine Elektroband geben, die sich nicht auf die Düsseldorfer beruft. In den Jahren 2012 bis 2016 gingen Kraftwerk auf Tournee, um ihre 3D-Shows in ganz speziellen Locations zu präsentieren. Man gastierte acht Abende an dem jeweiligen Spielort und präsentierte in chronologischer Reihenfolge jeweils eins der acht Alben. Fans mussten also jeden Abend – sofern sie in den Genuss aller Alben kommen wollten – am jeweiligen Ort dann auch den kompletten Konzertreigen mitnehmen. Es gibt aber sicher schlechtere Möglichkeiten, als seine Zeit auf einem Kraftwerkkonzert im MoMA in New York, der Neuen National Galerie in Berlin oder dem Guggenheim Museum in Bilbao zu verbringen. Jetzt wird das als „12345678 – 3D Der Katalog“ zusammengefasst veröffentlicht.

 

Wie es heutzutage so üblich ist, gibt es für jeden Geschmack und Geldbeutel eine Konfiguration. Wer sich das Komplettpaket geben möchte, der muss sich die Vier-Blu-ray-Disk-Variante nach Hause holen. Da erhält man dann auch wirklich das komplette Programm. Die Discs 1 und 2 haben nämlich die 8-Album-Performances in 2D/3D am Start, während die Discs 3 und 4 die Projektionen in 2D/3D bereithalten. Hier kann man also in den kompletten Kraftwerk-Kosmos eintauchen. Ein Hardcover-Buch mit 228 Seiten rundet das sicherlich sehr schön ab.

 

Die Blu-ray/DVD-Edition tut ES aber auch, wenn man nicht unbedingt zum Kreise der Hardcore-Fans zählt. Geliefert wird die ganze Geschichte im roten Pappschuber. Das sieht ganz nett aus, ist aber im Grunde enttäuschend! Wer nämlich ein Booklet mit weitergehenden Informationen erwartet, wird ganz schön in die Röhre gucken. Aber nun gut, bei Kraftwerk ist Minimalismus Trumpf und das Geheimnisvolle war immer Teil des Projekts. Ralf Hütter hat Kraftwerk ja stets als System hinter der Musik begriffen. Knapp 77 Minuten gibt es auf der jeweiligen Disc zu sehen und hören. Das ist jetzt auch nicht gerade opulent, aber natürlich im Universum der Düsseldorfer konsequent. Kein unnötiger Firlefanz wie bei anderen Bands.

 

Geboten wird eine Mischung der Bandperformance und der reinen Projektionen. Die vier Herren stehen aber ja bekanntlich eher unbeweglich hinter ihren Gerätschaften und von daher ist es nicht ungeschickt dem Zuschauer die Visuals mit voller Bildgewalt zu präsentieren. Zunächst muss man den Ton erwähnen. In dieser Hinsicht ist das nämlich ein absolutes Referenzwerk! 2.0-PCM-Stereo-Ton und einer Spur für headphone Surround sind nett, aber was die Dolby-Atmos-Fassung leistet, kann einen schon mal aus dem Sitz reißen. „12345678 3-D Der Katalog“ lief in der 77 Minuten Fassung am 23.05.2017 in ausgewählten Kinos. Wir durften in Köln dabei sein und das war klanglich schon ein besonderes Erlebnis. In der Amtos-Fassung kommt das absolut klar, differenziert und fein ausbalanciert rüber. Wie sich da die Musik im 3-D Raum verteilt, hat man so auch noch nicht gehört. Natürlich werden hier auch Sehgewohnheiten auf den Kopf gestellt, aber der Sound alleine reicht aus, um sich darin zu verlieren! Ein beeindruckendes, klangliches Raumgefühl – in jeglicher Hinsicht. „Boing Boom Tschak“ setzt - wenn die Stimmen aus allen Richtungen auf einen einprasseln - sogar noch mal neue Maßstäbe. Übrigens bestand ja eventuell die Gefahr, dass bei den vielen Tönen der Sound matschig werden könnte. Gefahr gebannt! Kraftwerk setzen mit dieser Veröffentlichung definitiv neue Soundmaßstäbe!

 

Der 3-D-Effekt ist ebenfalls beeindruckend. "Autobahn" besteht größtenteils – abgesehen von ein paar ganz kurzen Sequenzen mit der Band – aus den Projektionen und Animationen. Das ist derart plastisch, dass man wirklich das Gefühl hat, dass man sich auf einer Autobahn befindet. Leitplanken und Mittelstreifen kommen im 3-D-Effekt ebenfalls sehr beeindruckend rüber. Die Auflösung ist allerdings nicht sehr hoch und so kommt es zu einigen Abstufungen bei den Markierungslinien. Bei „Radioaktivität“ wähnt man sich glatt im Kopfkino während eines Rausches. Ach ja, natürlich wird „12345678“ auch mit durch den Raum fliegende Zahlen in Szene gesetzt. Da kann einem schon mal schwindelig werden. Das ist 3-D in Vollendung. Die Noten in „Musique Non Stop“ möchte man, wenn sie auf einen zu fliegen, sogar greifen. Die „Roboter“ dürfen im gleichnamigen Track natürlich nicht fehlen und sind einer der Höhepunkte dieser 77 Minuten. Wer nicht die technischen Möglichkeiten hat dies in 3-D zu gucken, kann auf der Blu-ray natürlich auch die 2-D-Option auswählen. Da geht allerdings einiges verloren und das wird dieser Veröffentlichung dann auch im Grunde nicht gerecht, da elementare Dinge fehlen werden.

 

Fazit: Ist das Kunst oder kann das weg? Diese Frage kann und muss man sich bei Kraftwerk fast immer stellen. Man muss sich auf diese 77 Minuten voll und ganz einlassen können und wollen, denn dann funktioniert das hervorragend. Der 3-D-Effekt ist schon beeindruckend und dieser kommt hier reichlich zur Anwendung. Die Projektionen werden so besonders herausragend zur Geltung gebracht, auch wenn es hier und da leichte Abzüge in der B-Note gibt. Der Ton ist schlichtweg brillant und wer die entsprechende Technik hat, wird in Soundhinsicht ein Referenzwerk vorfinden. Die Aufmachung von diesem Set ist allerdings etwas dürftig.

 

http://www.kraftwerk.com/

 

Text: Torsten Schlimbach

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