Foo Fighters: Sonic Highways (4 DVDs)

Foo Fighters: Sonic Highways (4 DVDs)

Sony

VÖ: 03.04.2015

 

Wertung: 11,5/12

Tipp!

 

Die Geschichte des letzten Foo Fighters Album „Sonic Highways“ dürfte ja hinlänglich bekannt sein. Dave Grohl hat sich damit – mal wieder – ein Mammutprojekt aufgehalst: 8 Songs, 8 Studios, 8 Städte und dazu auch noch 8 Dokumentationen sollten es sein. Nach seinem Regiedebüt „Sound City“ hatte der Mann offensichtlich Blut geleckt und so gibt es nun auch für „Sonic Highways“ eine visuelle und dokumentarische Aufarbeitung, die so manche hochgelobte Musikdokumentation ziemlich alt aussehen lässt. Auf 4(!) DVDs/Blu-rays verteilen sich die neun(!!) Stunden Material. Sehr sehenswertes Material! Dave Grohl unternahm mit seiner Band eine Art musikalische Reise durch die USA und so entstand eine achtteilige HBO-Serie, welche die Band nach Chicago, Washington, D.C., Nashville, Austin, Los Angeles, New Orleans, Seattle und New York begleitete.

 

In jeder Stadt wurde ein Song für „Sonic Highways“ in einem der legendären Studios aufgenommen. Die Texte dazu entstanden erst ganz zum Schluss. Als Zeitfenster musste jeweiles eine Woche reichen. Als besonderes Bonbon hat Grohl in jeder Stadt einen Gast für die Aufnahmen dazu gebeten. Selbige hinterließen mehr oder weniger gehaltvolle Beiträge zu den einzelnen Songs. Letztlich hielt man die Platte in den Händen und fragte sich dann doch ein bisschen, ob der Aufwand, welcher von den Foo Fighters betrieben wurde, nicht etwas zu groß war und das Album nicht zu wenig aussagekräftig dafür ausgefallen ist. Das Album ist zwar durchaus in Ordnung, zählt jetzt aber auch nicht zu den Sternstunden von den Foo Fighters. Im Gegensatz zu den dazugehörigen Dokumentationen. Diese sollte man sich unbedingt angucken, denn nur so wird man das große Ganze verstehen können. Ein Großteil der Texte erschließt sich dadurch auch wesentlich besser. Selbige sind entweder namentlich direkt von den interviewten oder in den Filmen gezeigten Personen inspiriert (Muddy Water, Earthling/Dave Catching) oder von jenen in den Mund gelegt worden. „...crossing the river...“ stammt eindeutig von Gary Clarke jr., der davon berichtet, dass er viele Jahre nie den Fluss, der seine Stadt teilt, überquert habe.

 

Dave Grohl wollte letztlich ja nichts anderes als den Vibe der einzelnen Städte festhalten. Mit der Musik ist ihm dies und den Foo Fighters nur bedingt gelungen – mit den Texten schon eher. Vollends geglückt ist dieses Vorhaben allerdings durch die Dokumentationen. Mehr noch, denn in Zukunft müsste man diese und die vorliegenden DVDs als Referenzwerke heranziehen. Mit den Foo Fighters hat dies dann aber nur noch am Rande zu tun. Das sind Filme von Musiknerds für Musiknerds! Da dürfte sich so manche Plattensammlung des einen oder anderen widerspiegeln. Die musikalische Vielfalt und Bandbreite ist selbstredend immens! Und genau da gelingt es jeder Episode den besonderen musikalischen Fingerabdruck der einzelnen Städte sehr anschaulich einzufangen. Die Erwartungen, die man daran hatte, werden meist übertroffen. Ausgerechnet die Folge über „Seattle“ kann da nicht ganz überzeugen. Dave Grohl ist sichtbar bewegt und mitgenommen, wenn die Zeit auf Nirvana zu sprechen kommt, die unweigerlich mit dem Tod von Kurt Cobain endet. „Seattle“ hätte viel zu bieten gehabt, kann aber nicht ganz die hohen Erwartungen erfüllen. Die Abgeschiedenheit der Stadt vom musikalischen Geschehen des Rests der USA wird thematisiert, der Aufstieg und Fall von Sub Pop und natürlich als Grunge explodierte. Mudhoney wird dabei noch etwas ausführlicher beleuchtet – und die Gruppe Heart. Chris Cornell darf noch ein paar mehr oder weniger erhellende Sätze in die Kamera sprechen und dann war es das fast auch schon. Pearl Jam werden immerhin noch mit ein paar Bildern gewürdigt, Alice In Chains fast komplett ausgespart. Letztlich wird aber auch hier die musikalische Besonderheit der Stadt herausgearbeitet und durch die Geschichte des Robert Lang Studios wird es dann doch wieder interessant.

 

Wesentlich aufschlussreicher sind die anderen Episoden. Es sind gar kleine, brillante Meisterwerke. Chicago und der Blues werden ganz vorzüglich abgebildet. Muddy Waters und Buddy Guy – Letzterer mit ausführlichen Statements – werden dabei in besonderem Maße gewürdigt. Die Stadt und deren musikalische Vergangenheit wird auf wundervolle Art und Weise in Szene gesetzt. „Sonic Highways“ ist dann immer besonders gut, denn dies ist gleichzeitig eine musikalische und politische Geschichtsstunde. Foo Fighters Fans, die sich nicht dafür interessieren, werden sich da allerdings schwer tun, denn die Band spielt an diesem Punkt der Dokumentation keine Rolle. Musikfans dürften aber begeistert sein, denn man taucht da ganz tief in die amerikanische Musikgeschichte ein. Man saugt dies auf wie ein Schwamm, denn hier werden einem die Geschichten der eigenen Musiksammlung auf dem Silbertablett serviert.

 

Wo findet man in einer zusammenhängenden Dokumentation schon so unterschiedliche Künstler wie Dolly Parton, Buddy Guy, Muddy Waters, Elvis, Bad Brains, Nirvana, Kyuss, Gary Clarke jr., die Eagles und und und wieder? Eben, nie, denn meist beschränkt sich das alles auf ein Spezialgebiet. Insofern muss man Dave Grohl für dieses Projekt ein dickes Kompliment machen! Alleine „Washington, D.C.“ spiegelt die Entwicklung des Punkrock der USA wieder, wie man es bisher noch nicht gesehen hat. Fixpunkt sind hier die Bad Brains, die auch mit reichlich altem Bildmaterial in Szene gesetzt werden. Die Qualität von Bild und Ton sind da natürlich schwankend und manchmal besitzt das eben nur Bootlegcharakter – was übrigens oftmals auf das verwendetet und alte Material in allen Episoden zutrifft – aber das ist natürlich nicht weiter tragisch und verleiht dem dokumentarischen Charakter einige schöne Farbtupfer. Legende Steve Albini wird ebenfalls ausführlich beleuchtet. „Nashville“ ist eine Countrygeschichtsstunde und besonders Dolly Parton spielt da eine große Rolle. Auch Emmylou Harris und ihre Verdienste werden über mehrere Episoden immer wieder zur Sprache gebracht. Großartig, dass Dave Grohl die Künstler auch allesamt interviewt hat. Und dann kann „Nashville“ dem geneigten Zuschauer mit Zac Brown auch noch einen der jungen Wilden schmackhaft machen – muss man sich in Zukunft mal näher mit beschäftigen.

 

„Austin“ mit Gary Clarke jr. und besonders „Los Angeles“ haben wieder einen ganz anderen musikalischen Hintergrund. In der Stadt der Engel schlägt dann auch die große Stunde von Pat Smear, der nicht nur Gitarrist bei den Foo Fighters ist und bei Nirvana war, sondern auch mit The Germs Indiegeschichte geschrieben hat. Er begibt sich da quasi auf die Spurensuche seiner eigenen Wurzeln. Ein weiterer großer Teil ist der Rancho De La Luna in Kalifornien gewidmet. Da landet man natürlich schnell bei Kyuss, Josh Homme und den Desert Sessions. Große Erzählungen aus den 90ern erwarten da den Zuschauer.

 

„New Orleans“ hat sowieso eine ganz eigene Geschichte und da wird es dann auch wieder politisch und die Rassentrennung wird thematisiert. Ebenfalls werden die Ereignisse rund um den Hurrikan Katrina aufgearbeitet. Es ist zudem schon herzig, wie die Foo Fighters da an der wöchentlichen Parade teilnehmen oder die Studiotüren und Fenster öffnen, damit die Leute von der Straße zugucken können. Da wird die Bodenständigkeit nicht nur gespielt, nein, man nimmt es allen Beteiligten auch ab. Und ja, Dave Grohl hat für „Sonic Highways“ auch Barack Obama getroffen. Dies ist aber sicher nicht der wichtigste Teil der DVDs und nur ein Mosaikstückchen von vielen. Letztlich wird ein Großteil der amerikanischen Musikgeschichte der letzten Jahrzehnte dem Zuschauer auf eindrucksvolle Weise näher gebracht und man staunt, dass es von Willie Nelson bis zu Joan Jett, Dan Auerbach (Black Keys), Chuck D oder Billy Gibbons (ZZ Top) nur ein kleiner Schritt in einem großen Land ist. Und wenn sich Dave Grohl über die Beteiligung von Rick Nielsen von Cheap Trick an "Sonic Highways" ein Loch in den Bauch freut oder Taylor Hawkins über das Gitarrensolo von Joe Walsh bei „Outside“ fast verrückt wird, dann sieht man, dass auch diese Musikstars letztlich Fans sind und dann wieder zu kleinen Jungs mutieren.

 

Jede Folge endet mit dem fertigen Song, der als eine Art Live-Performance-Video mit den Lyrics präsentiert wird. Die Kameraführung ist dabei allerdings etwas zu hektisch und dynamisch geraten, was natürlich unter dem Strich immer Geschmackssache bleibt. Insgesamt sind die jeweiligen Folgen aber sehr gut geschnitten und angenehm zu verfolgen. Immer dann, wenn die Foo Fighters spielen, ist der Ton auch amtlich.

 

Für Foo Fighters Fans dürfte die vierte DVD eine kleine Schatztruhe sein. Jeder, aber auch wirklich jeder Song wird da erneut präsentiert. Man folgt der Band in die einzelnen Studios und sieht selbige beim konzentrierten Arbeiten. Wann erhält man schon mal einen so tiefen Einblick in diesen Prozess und auch die technische Seite kommt nicht zu kurz und es gibt auch Gelegenheit Butch Vig über die Schulter zu gucken. Und wenn Dave Grohl seine Lyrics einsingt oder schreit – ohne Musik – dann hat das auch einen ganz besonderen Charme. Und immer nur Party ist einfach nicht angesagt, meist ist das eine höchst konzenierte und professionelle Angelegenheit – sonst würde das auch nicht hinhauen. Ein paar Freizeitaktivitäten gehören aber auch dazu, typisch amerikanisch: Schießübungen oder ein Barbecue. Nun denn.

 

Fazit: „Sonic Highways“ setzt für die Zukunft Maßstäbe. Die vier DVDs befassen sich sehr umfangreich mit allen Facetten der amerikanischen Musikgeschichte der letzten Jahrzehnte. Man beschränkte sich letztlich auf acht Städte, aber die Bandbreite und Vielfalt ist schon immens. Auch die politische Lage kommt dabei oftmals zu Sprache, weil diese unweigerlich mit der Entstehung der Musik verbunden ist. Es sind tolle, kleine Geschichtsstunden, die einem hier kredenzt werden. In der immensen Flut der Musikdokumentationen wird „Sonic Highways“ zukünftig in der ersten Liga zu finden sein. Chapeau, Herr Grohl! Foo Fighters Fans kommen dann bei der Dokumentation aus den Studios und der Erarbeitung der Songs auf ihre Kosten – sofern einen dieser Aspekt interessiert. Schade, dass man sich bei diesem tollen Projekt nicht ein bisschen mehr Mühe bei der Aufmachung gegeben hat – ein Booklet mit Bildern und Informationen wären schon nett gewesen. Dies gibt einen klitzekleinen Abzug in der B-Note, aber unter dem Strich bleibt, nimmt man alles zusammen, eine der besten Dokumentationen über die amerikanische Musikgeschichte! Ich bedanke mich!

 

http://foofighters.com/

 

Text: Torsten Schlimbach

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