V.A.: Lost Songs: The Basement Tapes Continued (Blu-ray)

V.A.: Lost Songs: The Basement Tapes Continued (Blu-ray)

Eagle Vision/Edel

VÖ: 25.05.2015

 

Wertung: 10/12

Tipp!

 

Die „Basement Tapes“ von Bob Dylan sind für seine Fans der heilige Gral. Nach und nach wird das Material ja auf offiziellem Wege zugänglich gemacht. Ein Teil daraus tauchte vor Jahrzehnten als Bootleg auf. Wenn man so will, dann hat Bob Dylan für das erste Studiobootleg der Musikgeschichte gesorgt. 1967 war er unglaublich produktiv. Mit dem ganzen Summer of Love-Gedöns hatte er nichts zu tun. Er mietet sich den Sommer über in ein Haus in der Nähe von Woodstock, welches aufgrund seiner Außenfarbe The Big Pink genannt wurde, ein. Im Keller des Hauses musizierten sie zusammen und trafen sich zu Jam-Sessions. Teile dieser Sessions wurden später anderen Künstlern als Demos angeboten. Von Manfred Mann dürfte man „Mighty Quinn“ noch in bester Erinnerung haben, entwickelte sich die Nummer doch zum Nummer-Eins-Hit. Jetzt wird mit „Lost Songs: The Basement Tapes Continued“ ein weiteres Kapitel aufgeschlagen.

 

Rhiannon Giddens, Elvis Costello, Taylor Goldsmith, Jim James, Marcus Mumford und T Bone Burnett trafen sich für zwei Wochen um Texte von Dylan aus dem Sommer 67 zu vertonen. Dylan hatte damals nämlich auch jede Menge Texte und Gedichte verfasst, die nie mit Musik unterlegt wurden und seit diesen Tagen verschollen und fast vergessen waren. Dylan schrieb zu dieser Zeit ständig, egal ob mit Bleistift, Kugelschreiber oder der Schreibmaschine. Bei dem vorliegenden Projekt wurde sich auf 16 Texte von Dylan konzentriert. Bob Dylan höchstpersönlich gab seinen Segen dazu.

 

Die Kamera war bei diesem außergewöhnlichen Vorhaben dabei und hat ganz besondere und intime Momente eingefangen. Derartige Dokumentationen sind zur Zeit ja schwer angesagt. Dave Grohl hat da glücklicherweise eine kleine Lawine losgetreten. „Lost Songs: The Basement Tapes Continued“ ist für Musikfans eine extrem schöne Geschichte. Wann hat man schon mal die Möglichkeit Künstlern bei der Entwicklung eines Songs über die Schulter zu gucken? Man ist hier als Zuschauer nämlich hautnah dabei, wie die fünf Musiker – auch in unterschiedlichen Konstellationen – und T Bone Burnett als Produzent und Mann, der den Laden zusammenhält, die einzelnen Tracks erarbeiten. Man ist dabei, wie ein Marcus Mumford zweifelt und hadert ob sein Material denn gut genug wäre und er erstmal nicht möchte, dass die anderen das zu Gehör bekommen. Man ist dabei wie Rhiannon Giddens ihren Part einsingt, während die Band live dazu spielt, aber über das Ergebnis unzufrieden ist. Man ist dabei, wenn T Bone Burnett alle ermuntert statt eines neuen und nochmaligen Takes eines Songs, lieber mit dem Nächsten zu beginnen. Als Zuschauer kriegt man da auch mal das Scheitern und die Frustration zu sehen. Großartiges kann eben manchmal nur entstehen, wenn vorher alles ausweglos erschien.

 

Großartiges scheinen diese Sessions auf jeden Fall abgeworfen zu haben. Man braucht sich dazu ja nur die Bonus Tracks „Diamond Ring“, „Down On The Bottom“, „Hidee Hidee Ho #16“, „Kansas City“, „Six Month In Kansas City (Liberty Street)“ und „The Whistle Is Blowing“ anzugucken. Große Kunst von großen Musikern und Künstlern, die die Vorlagen von Dylan ganz toll umgesetzt haben. Der Film lässt einen am Arbeitsprozess teilhaben. Dieser kann mal in der Küche stattfinden, auf dem Sofa und dann wieder von allen gemeinsam im Studio. Man befruchtet sich künstlerisch gegenseitig und man merkt, wie sich die Dame und die Herren gegenseitig zu Höchstleistungen anstacheln, aber nicht aus einem sportlichen Gedanken heraus, sondern weil sich diese Menschen einfach gegenseitig inspirieren. Warum Johnny Depp plötzlich auch noch mit musiziert ist dann schon egal.

 

Es sollte im Grunde hier der Geist des Sommers 67 eingefangen werden. Dylan und seine Band arbeiteten damals ja auch einfach drauflos und korrigierten sich nicht ständig. Es wurde eben schnell gearbeitet und das ist auch bei diesem Projekt hier der Fall. Es geht nicht um das Perfekte, sondern um den Moment. Dazu wird hin und wieder mit grobkörnigen Bildern die Geschichte von Dylan und seiner Band in „The Big Pink“ (nach)erzählt. Die Stimme von Dylan hört man sogar aus dem Off dazu!

 

Die Aufnahmen aus dem Studio sind vom Ton und Bild tadellos. Wenn die Geschehnisse von 67 ins Spiel kommen, wird es entsprechend schlechter. Einige (wenige) bewegte Bilder von Dylan gibt es übrigens auch noch zu sehen. Insgesamt macht die Blu-ray auch aus technischer Sicht eine Menge Laune und auch die Bonussektion ist recht ordentlich!

 

Fazit: „Lost Songs: The Basement Tapes Continued“ ist eine wundervolle Dokumentation über fünf Musiker aus völlig unterschiedlichen Genres und ihren Produzenten, die sich bisher verschollene Texte von Dylan annehmen und diese gemeinsam zu Songs ausarbeiten. Man darf als Zuschauer mit ins Studio und verschiedene Phasen der Entstehungsgeschichte eines Songs erleben. Spaß und konzentriertes Arbeiten sieht man da. Hätte Marcus Mumford doch nur etwas von der Musik zu seiner Band rübergerettet. Das dritte Album seiner Band entstand ja auch während dieser Zeit. Diese Blu-ray hier ist jedenfalls für Musikliebhaber eine tolle Geschichte.

 

Text: Torsten Schlimbach

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