Frank Turner: 03.09.2015, Underground, Köln

Am Montag war es noch mal richtig heiß in Köln. Die magischen 30 Grad wurden ganz lässig geknackt und die Freibäder erfreuten sich noch mal einem immens großem Andrang. Ein paar Tage später ist der Herbst da. Die Sonne scheint zwar immer noch, aber das Thermometer zeigt mal einen geschmeidigen Temperatursturz von mehr als zehn Grad an. Dies wird später aber alles keine Rolle mehr spielen, weil Frank Turner mit seiner Band, den Sleeping Souls, das Underground in eine Sauna verwandeln wird. Man könnte nach diesem Abend auch sagen, dass man die Zukunft des Rock and Roll gesehen hat. Und das kam so.

 

Um es gleich vorweg zu nehmen: Frank Turner erfindet die Livemusik nicht neu. Im Gegenteil, er und seine Band machen im Grunde nichts, was man nicht schon kennen würde. An diesem Abend gibt es den guten, alten und ungefilterten Rock and Roll um die Ohren gehauen. Und doch unterscheidet sich der Auftritt im Underground ganz gewaltig von der heutigen Konzertkultur. Einige sehr positive Dinge wird man da mitnehmen. Wer kennt sie nicht, die kritischen Stimmen, die bei Konzerten den Handywald anprangern? Auch heute sieht man ganz vereinzelt ein paar Leute, die ein oder zwei Fotos machen, aber das war es auch schon. Den ganzen Firlefanz, den man von den größeren Hallen gewohnt ist, gibt es auch nicht.

 

Wir wollen an dieser Stelle natürlich nicht verheimlichen, dass es auch ein paar Leute gibt, die das Konzert frühzeitig verlassen. Warum auch immer. Anscheinend haben sie sich etwas anderes von diesem Abend erwartet. Aber das gibt es ja immer. Die Mischung im Publikum ist recht bunt. Man sieht viele Bärte. Die Hipster hat es also auch in das Underground gespült. Da steht aber auch das kleine Punkmädchen neben dem älteren Herrn, der tätowierte Hardcorefan neben dem schüchternen Slacker. Die Musik von Frank Turner scheint erstaunlich viele Menschen anzusprechen. Und er eint sie alle! Das ist ein Konzert unter Freunden. Fremde Menschen liegen sich in den Armen und singen diese Songs. Man merkt ganz deutlich, dass der Großteil tatsächlich zu dem harten Kern der Fans zu zählen ist. Da wird wirklich jede(!) Textzeile lauthals mitgesungen. Das erfreut die Musiker auf der Bühne sichtlich. Turner lässt das Publikum so auch immer wieder ganze Passagen singen. Es wird gefeiert, es wird getanzt und hin und wieder bildet sich ein amtlicher Moshpit. Trotzdem achtet jeder auf seinen Nebenmann. Frank Turner gehört zu den Guten und seine Fans auch! Schöne Sache.

 

Ganz zum Schluss wird ein nassgeschwitzter Turner in das Publikum springen. Bis es soweit ist, haut er seinen hemdsärmligen Rock zwischen Punk, Folk und Singer/Songwriter raus. Die Grenze zum Pop ist da oftmals in Sichtweite, wird aber nie überschritten. Die Songs umarmen einen wie ein guter Freund. Rauf- und Sauflieder für die Kneipen und Theken dieser Welt. Das macht Spaß, das ist zupackend und das nimmt einen mit. Mit auf die Reise in eine bessere Musikwelt. Und genau darum wird er zum Ende des Konzerts von den Fans auf den Händen getragen und „I Still Believe“ singen und schreien. Wir alle glauben hier und heute an eine bessere Zukunft für die Rockmusik – dank Frank Turner! Und der Sleeping Souls. Das Motto des Abends ist „Positive Songs For Negative People“. Das Plus- und Minus-Zeichen des Covers thront dann auch als Bühnendekoration über allem. Das ist das einzige Showelement. Mehr gibt es nicht. Der Rest ist pure Energie, die sich von der Bühne auf das Publikum und wieder zurück überträgt. Songs wie „The Next Storm“ oder „Demons“ spenden Mut. Lasst euch nur nicht unterkriegen ist das Motto. Die gereckten Fäuste zeigen deutlich, dass dies bei diesen Fans nicht passieren wird.

 

Die Songs, die mal nach Bruce Springsteen klingen, dann ein bisschen einen irischen Einschlag kriegen, aber auch deutlich seine Hardcorewurzeln erkennen lassen, sind im Grunde recht simpel gestrickt, aber eben mit derart viel Herzblut, Leidenschaft und Aufrichtigkeit versehen und dargeboten, dass die Songs an diesem Abend wie Backpfeifen wirken, weil einem ganz schmerzlich vor Augen geführt wird, was der heutigen Musik fehlt. Die Musik und der Mann selber sind vom Scheitel bis zur Sohle authentisch. Jeder Musikinteressierte sollte sich mal ein Frank Turner-Konzert angucken.

 

Das Publikum frisst ihm aus der Hand und so ist es auch kein Wunder, dass es Turner schafft, dass sich alle während „The Road“ hinknien und auf sein Kommando aufspringen. Das kennt man zwar auch alles von anderen Konzerten, aber hier wirkt das nicht wie Kindergeburtstagbespaßung. Der Mann, der vor sechseinhalb Jahren seine Deutschlandkarriere an eben diesem Ort begann und der heute Konzert 1.721 spielt, ist im Grunde nichts anderes als ein fahrender Troubadour, wie es diese mal vor langer Zeit gab. Und all dies spricht dafür, dass man hier und heute die Zukunft des Rock and Roll gesehen hat, auch – oder gerade – weil sich diese Zukunft aus längst vergangenen Tugenden speist. Ein ehrliches und aufrichtiges Konzert! Nicht mehr ABER auch nicht weniger!

 

Setlist:

Get Better

Long Live the Queen

Demons

Josephine

Polaroid Picture

Out of Breath

Glorious You

Peggy Sang the Blues

The Opening Act of Spring

The Ballad of Me and My Friends

Photosynthesis

Plain Sailing Weather

Glory Hallelujah

Reasons Not to Be an Idiot

Mittens

Recovery

The Road

The Next Storm

I Still Believe

Encore:

The Angel Islington

The Way I Tend to Be

Try This at Home

Four Simple Words

 

(Torsten Schlimbach bedankt sich bei Daniela C. Düssler von der Promotion Werft, Universal und natürlich Frank Turner für die freundliche Unterstützung!)

Empfehlen Sie diese Seite auf:

Druckversion | Sitemap
Dream Out Loud Magazin: © Torsten Schlimbach / Header: © Kai Knobloch