Henning Wehland: Der Letzte An Der Bar

Henning Wehland: Der Letzte An Der Bar

Universal

VÖ: 21.01.2017

 

Wertung: 9/12

 

Henning Wehland ist also der Letzte, der irgendwo noch an der Bar rumgammelt. Ist er das wirklich? Es gibt ja genug vom Leben gezeichnete Personen, die irgendwo auf diesem Planeten am Tresen sitzen und über ihr eigenes Ich sinnieren. Was ist gut gelaufen, was weniger? Oftmals sind das Menschen in der Mitte ihres Lebens, die instinktiv merken, dass da irgendwas mächtig falsch gelaufen ist. Henning Wehland scheint nun auch an diesem Punkt angekommen zu sein. Der Rocker, der nie erwachsen werden wollte, hat nun mit „Der Letzte An Der Bar“ sein erstes Soloalbum aufgenommen. Das ist insofern erstaunlich, da man von dem Sänger, der einst mit den H-Blockx deutsche Crossover-Geschichte geschrieben hat und später bei den Söhnen Mannheims eine neue gesangliche Heimat fand, gefühlt schon mindestens zehn Soloalben aufgenommen. So kann man sich täuschen. Erst 2017 ist die Zeit reif dafür.

 

Warum ausgerechnet der gute Henning „Der Letzte An Der Bar“ ist, erklärt er im gleichnamigen Song ganz anschaulich. Er erklärt und erzählt sowieso sehr viel auf diesem Album. Oftmals in der Ich-Perspektive zu Papier gebracht, liegt der Verdacht mehr als nahe, dass diese Songs zur Selbstreflexion dienen. Tragisch, wenn die Geschichte von „Geister“ stimmt. Wehland singt da im Grunde von einer unerfüllten Liebe, nur weil man (er?) es nicht auf die Reihe bekommen hat, die magischen drei Worte zu sagen. Die Geister verfolgen einen dann ein Leben lang.

 

Es gibt aber auch tragische Altagsbeobachtungen, wie bei „Der Alte Mann Und Das Leergut“. Es geht aber nicht nur um die Gestrandeten der Gesellschaft. Es gibt nämlich auch Hoffnung, wie er beim ruppigen „Anfang Vom Ende Der Welt“ bellt. Beißend bellt. Es ist nie zu spät….richtig so! „Der Affe Und Ich“ - heute wird gesoffen. Muss ja auch mal sein. Augenzwinkernd natürlich. Und dazu feiern wir dann alle mit „Tanz Um Dein Leben“ und LaBrassBand im Ohr. Wenn man gerade schon sentimental drauf ist, darf ja auch mal ordentlich auf den Putz gehauen werden.

 

Henning Wehland hat hier ein ehrliches Album aufgenommen. Er lässt sein Herz sprechen. Das hat alles sehr viel Seele. Und musikalisch? Da gibt es keine Grenzen. Das ist mal Pop, mal Rock, mal Singer/Songwriter. Manchmal hört sich das sogar an wie die deutsche Ausgabe von Everlast. Und das ist bitte als Kompliment zu verstehen! „Mein Leben Ist Der Wahnsinn“ geht deutlich in diese Richtung. Bei „Panzer“ fließt dann auch noch ein Hauch von Blues mit rein. Reggae, Beatbox oder Steeldrum – nichts muss, alles kann. Insofern ist „Der Letzte An Der Bar“ ein mutiges Album. Henning Wehland versucht nämlich überhaupt nicht, irgendwelchen Trends nachzurennen. Er weiß sicher auch, dass dieses aus der Zeit gefallene Album kommerziell fürchterlich in die Hose gehen kann. Und ja, eine Ballade wie „Der Beste Beat Der Welt“ ist alles andere als peinlich. Da kann die Geschmackspolizei noch so viel meckern. Dies gilt übrigens auch für das Duett mit Sarah Connor bei „Bonnie & Clyde“.  Und so eine lässige Nummer wie „Zombie“ sollte sowieso alle wieder gemeinsam an die Theke bringen.

 

Fazit:  Henning Wehland ist der Letzte an der Bar und erzählt dem Kellner seine Lebensgeschichte. Die ist ganz schön schmerzhaft. Nicht immer, aber auch. Es gibt allerdings hin und wieder Licht am Ende des Tunnels. Sind die Texte nun autobiografischer Natur? Spielt das überhaupt eine Rolle? Der eine oder andere Zuhörer wird sich da sowieso wiedererkennen. Musikalisch ist das erste Soloalbum von Wehland sehr breit aufgestellt. Das klingt aber nicht kalkuliert, sondern hat sich einfach so ergeben. Im Grunde seines Herzens ist das sowieso ein astreines Liedermacher-Werk. Ein gutes noch dazu!

 

www.facebook.com/wehlandhenning

 

Text: Torsten Schlimbach

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