Earthside: Let The Truth Speak
Music Theories Recordings
VÖ: 17.11.2023
Wertung: 10/12
Tipp!
Earthside hätten es fast nicht geschafft. Nach dem gefeierten Debüt von 2015 ist viel passiert und die Band wäre fast daran zerbrochen. Zerbrochen an der Pandemie, aber auch fast zerbrochen an der Erkenntnis, dass viele Dinge und Personen, die man noch als Kind und Jugendlicher verehrt, sich bei genauer Betrachtung als heiße Luft entpuppen. Und nicht zuletzt fast an der Emotionalität der Musik zerbrochen, die sie gemeinsam kreiert haben, die nun in dem Album „Let The Truth Speak“ mündet.
Auf „Let The Truth Speak“ hat die Band ganz vielen Gästen sehr viel Raum zur Entfaltung eingeräumt. „Bei der neuen Platte erschien es uns viel sinnvoller, unsere Plattform zu nutzen, um Stimmen und Musiker zu präsentieren, die gehört werden müssen. Es erlaubte uns auch, größere kreative Risiken einzugehen.“ Trotzdem ist das natürlich in erster Linie ein Album der Musiker hinter Earthside: Jamie van Dyck [Gitarren, Backing Vocals, Programmierung, Keyboards], Ben Shanbrom [Schlagzeug, Backing Vocals], Frank Sacramone [Keyboards, Synthesizer, Programmierung, Percussion, Gitarre] und Ryan Griffin [Bass, Backing Vocals].
Mit „Watching The Earth Sink“ hat die Band über elf epische Minuten einen Klangteppich ausgerollt, der in keine Schublade passt. Der orchestrale und cineastische Ansatz wird mit Postrock gekreuzt. Man taucht als Zuhörer in Welten ein, die hochemotional sind. Dafür braucht es auch keinen Gesang. Das ist musikalische ein Hochgenuss. Hier sind wahre Könner am Werk, die einen auf eine Reise mitnehmen, die wehtut, aber auch Hoffnung und Trost spendet. Zwischen laut und leise, hart und sanft ist alles dabei.
Schon mit dem Auftakt „But What If We´re Wrong“ ist schnell klar, dass es sich hier nicht um gewöhnliche Musik handelt. Zurücklehnen, zuhören, nachdenken! „The Lesser Evil“ tönt dabei fast wie einer dieser wunderschönen Songs von Marillion. „We Who Lament“ hingegen verzaubert einen mit Landscape-Sounds, wie sie schöner nicht sein könnten. Der Gesang ist von einer Emotionalität durchzogen, die einen glatt zu Tränen rühren kann. „Pattern Of Rebirth“ klingt dabei wie eine Mischung aus Linkin Park und Tool – und das ist bitte ausdrücklich als Kompliment zu verstehen. Der Härtegrad nimmt da auch mal deutlich kantigere Züge an. Mit „Vespers“ gibt es sogar einen Track unter drei Minuten. Mit „Let The Truth Speak“ und „All We Ever Knew And Ever Loved“ folgen noch zwei Nummern, die sich über knapp zehn Minuten ausbreiten und in krassem Gegensatz musikalisch unglaublich ausgearbeitet wurden.
Fazit: „Let The Truth Speak“ von Earthside ist ein sensationelles Album, welches in seiner Emotionalität, Komplexität, Opulenz und Vielfalt dem Hörer einiges abverlangt. Die Klanglandschaften, in die man hier eintaucht, nehmen einen auf eine ganz besondere Reise mit. Was beim Debüt an Stilen noch fein säuberlich getrennt wurde, ist nun alles in einem Topf angerührt worden und somit ein ganz besonderes und einzigartiges Musikgericht!
https://www.earthsideband.com/
Text: Torsten Schlimbach