William Fitzsimmons: Mission Bell

William Fitzsimmons: Mission Bell

Grönland/Rough Trade

VÖ: 21.09.2018

 

Wertung: 9/12

 

Die Geschichte des neuen Albums von William Fitzsimmons ist eine ziemlich ungewöhnliche. Im Sommer 2017 begann er mit einem langjährigen Freund die Arbeiten für sein neues Album. Als die Aufnahmen beendet waren, offenbarte ihm seine Frau, dass sie während des Entstehungsprozesses eine Affäre mit eben besagtem Freund hatte. Logischerweise wollte der Singer/Songwriter das Album nun so nicht mehr veröffentlichen. Zudem musste die Trennung von der Mutter seiner Kinder ja auch noch verarbeitet werden. Anfang 2018 ging er dann nach Nashville um das Werk nun noch mal komplett neu aufzunehmen. Einen Monat verbrachte Fitzsimmons damit die Songs neu zu gestalten und Beiträge von Freunden unterzubringen. „Mission Bell“ ist nun das Ergebnis.

 

Hört man sich die Platte an, dann wird ganz schnell klar, dass Fitzsimmons seine Trennung verarbeitet. Wut, Verrat, aber auch Versöhnung und Hoffnung sind die Themen, mit denen er sich hier auseinandersetzt. Es ist übrigens sein erstes rein analoges Album. Auf „Mission Bell“ sind aber auch Geigen oder E-Gitarren zu hören. Auch „Mission Bell“ ist wieder ein sehr gutes und berührendes Werk geworden. Der Mann hat in seiner Karriere ja sowieso noch nie mit belangloser Musik genervt. Das ist alles immer nachhaltig und berührend.

 

Die Albumeröffnung „Second Hand Smoke“ ist musikalisch gar nicht so depressiv ausgefallen. Das ist recht forsch und aufgrund der elektrischen Gitarre sogar im Americana-Fach einzusortieren. Das feine Fingerpicking bei „Distant Lovers“ und der sehr zurückgenommene Gesang sind dann schon eher ein dicker Drücker auf die Tränendrüsen. Mit „17 + Forever“ ist man dann endgültig im Tal der Tränen angekommen. Die Geige treibt einem das Wasser in die Augen und der zärtliche, gehauchte Gesang verfehlt garantiert nicht seine Wirkung. „Angela“ kommt mit einer flirrenden Gitarre daher. Das Stück ist aufgrund des dezenten Schlagzeugbeats aber nicht tieftraurig. Auch bei dieser Nummer singt eine Dame im Hintergrund mit, wodurch die Intensität noch gesteigert wird. So ein bisschen erinnert das an Springsteen, nur eben nicht so kehlig.

 

Das verträumte „In The Light“ nimmt sich alle Zeit der Welt um die monotonen Klänge auszubreiten – aufgebrochen durch dieses wunderbare Stimme. Der Gesang ist sowieso mal wieder ganz speziell. Auf diesem Album hat man aber noch mehr das Gefühl, dass Fitzsimmons die Wörter mehr haucht denn singt. Das ist alles sehr zerbrechlich, aber immer wunderschön. Sehr intensiv nachzuhören bei „Loveley“. „Never Really Mine“ kommt mit schönen Soundscapes daher. „Leave Her“ hat dann aber nur wenig Variationen zu bieten und hier hat das Album musikalisch einen kleinen Hänger. „Wait For Me“ holt das Album aus der Lethargie wieder heraus, wobei das textlich natürlich auch wieder schwere Kost ist. Man sollte diese Songs vermutlich nicht mit Liebeskummer hören. „Afterlife“ kommt noch mal mit ungewöhnlicher Instrumentierung daher, ist letztlich aber der traurige Abgesang auf eine beendete Beziehung.

 

Fazit: Das neue Album von William Fitzsimmons ist schwere Kost. Nein, nicht musikalisch, aber textlich zieht es einen unglaublich herunter. Der Mann verarbeitet da das Ende seiner Beziehung. Freundlicherweise hatte seine Frau ausgerechnet eine Affäre mit dem Freund, mit dem er gerade an einem neuen Album arbeitete. Das Album sollte „Mission Bell“ werden, hätte aber vermutlich ganz anders geklungen. So ist es der tränenreiche Abschied geworden, der zutiefst berührend ist!

 

http://williamfitzsimmons.com/

 

Text: Torsten Schlimbach

William Fitzsimmons: Charleroi: Pittsburgh Volume 2

William Fitzsimmons: Charleroi: Pittsburgh Volume 2

Grönland/Rough Trade

VÖ: 01.04.2016

 

Wertung: 10/12

Tipp!

 

Mit „Charleroi: Pittsburgh Volume 2“ bringt William Fitszimmons seine hoch emotionale Familiengeschichte über die Großmütter zu einem Ende. Dieses Mal geht es um Thelma, seine Oma aus Charleroi, Penssyovania. Sein Vater wurde adoptiert und hatte nie die Chance seine Mutter Thelma kennenzulernen. Dieses Mini-Album handelt von ihr. Es wird also wieder hochemotional. „Pittsburgh“ und „Charleroi: Pittsburgh Volume 2“ werden übrigens auch als „The Pittsburgh Collection“ auf Vinyl veröffentlicht.

 

Die ganze Traurigkeit dieser Seite der Familiengeschichte wird mit „Fare The Wall“ zu Papier gebracht. Durch den Streichereinsatz kriegt das auch musikalisch eine Komponente verliehen, die den Zuhörer mit voller Wucht trifft. Im stillen Kämmerlein darf man dazu durchaus auch mal zwei bis drei Tränchen verdrücken. Die Hoffnungslosigkeit kommt mit dem sehr feinen instrumentierten „Nothing Can Be Changed“ zu einem tragischen Ende. Der gute William singt dazu engelsgleich und selbst der leichte Pathosanflug fällt nicht negativ auf.

 

„People Change Their Minds“ ist das vielleicht schönste Musikstück des Jahres. Kammermusik mit Cello und Gitarre - angereichert mit ein paar feinen Klaviermotiven - rühren einen da ja schon zu Tränen. So schön. So traurig. Das ist natürlich noch nichts gegen „Hear Your Heart“ - zumindest wenn man die Geschichte hinter den Songs kennt. „A Part“ baut danach dann erstmals so richtig auf ein paar Akkorde und somit kriegt „Volume 2“ an dieser Stelle ein wenig Drive verliehen. „Charleroi“ setzt wieder auf Fingerpicking und baut das Thema musikalisch wieder sehr eindrucksvoll, aber auch behutsam auf.

 

Fazit: William Fitzsimmons hat mit den beiden Mini-Alben „Pittsburgh“ und „Charleroi: Pittsburgh Volume 2“ berührende, schöne und traurige Songs aufgenommen. Der zweite Teil widmet sich sehr behutsam der tragischen Seite seiner Familiengeschichte: Seine Großmutter Thelma und sein Vater hatten leider nicht mehr die Chance sich kennenzulernen.

 

http://williamfitzsimmons.com/

 

Text: Torsten Schlimbach

William Fitzsimmons: Pittsburgh

William Fitzsimmons: Pittsburgh

Grönland/Rough Trade

VÖ: 15.05.2015

 

Wertung: 12/12

Tipp!

 

Wie oft hat schon so mancher Künstler verlauten lassen, dass die Geschichte seiner Songs rein fiktiv sind? William Fitzsimmons wählt meistens einen ganz anderen Ansatz. In seinen Songs verarbeitet er ganz persönliche Erinnerungen und Geschehnisse aus seinem Leben. Ein neues Album von dem bärtigen Schrat mit dem großen Herzen steht quasi in den Startlöchern, doch vorab veröffentlicht er noch zwei Minialben. Den Anfang macht nun „Pittsburgh“, abermals ein Album über ganz persönliche Erfahrungen.

 

Pittsburgh, Pennsylvania ist natürlich ein Begriff. Dort wurde die Großmutter von Fitzsimmons geboren und wuchs eben da auf. Seine Großmutter war es auch, die ihn über seine Mutter zur Musik brachte. Ihr Name war Virgina. Sie starb am 15. Oktober 2014. Fitzsimmons kehrte für drei Tage nach Hause zurück. Auf diese drei Tage beziehen sich nun diese sieben Songs. Der Titelsong „Pittsburgh“ gehört wahrscheinlich zum Schönsten und Liebevollsten, was man dieses Jahr unter Singer/Songwriter verbuchen kann. Dies kann eigentlich nur von Fitzsimmons selbst übertroffen werden. Das Fingerpicking, die Licks und die dezenten E-Gitarren-Elemente von „Beacon“ sind mindestens ebenbürtig. Und dann der Text, da kann man schon mal ein Tränchen verdrücken.

 

„I Had To Carry Her (Virginias Song)“ ist traurig und zärtlich zugleich. Wie er sich da entschuldigt, dass er seit Jahren nicht mehr zuhause war, weil er so beschäftigt war, erzeugt im Zusammenspiel mit der Musik eine ganz besondere Atmosphäre. Die weibliche Unterstützung bei „Falling On My Sword“ gibt diesem sakralen Stück eine noch berührendere Aura als es sowieso schon hat. „Matter“ ist der erste Track, der etwas forscher wirkt. Natürlich ist das immer noch William Fitzsimmons und somit ist auch das nicht unter Rock zu verbuchen. Das Kleinod „Ghosts Of Penn Hills“ beendet dieses Minialbum kongenial.

 

Fazit: „Pittsburgh“ ist ein tolles Minialbum. Ein berührendes Werk. Es gibt nicht so viele Platten über die Großmütter dieser Welt. Die Geschichten sind traurig und gleichzeitig wunderschön. Die behutsame Instrumentierung sitzt auf den Punkt genau. Manchmal sind es einfach die traurigen Anlässen, die einen Künstler zu einem Meisterwerk herausfordern. Virginia lebt durch diese Musik weiter. Ein schöneres Denkmal kann ein Enkel einer Oma eigentlich nicht setzen!

 

http://williamfitzsimmons.com/

 

Text: Torsten Schlimbach

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William Fitzsimmons: Lions

William Fitzsimmons: Lions

Grönland/Rough Trade

VÖ: 14.02.2014

 

Wertung: 8/12

 

William Fitzsimmons zählte einst zu der hoffnungsvollen Generation der neuen Singer/Songwriter. Das Genre erlebte ja nicht von ungefähr eine Art Renaissance. Manche Musikhörer sehnten sich förmlich nach ehrlicher und authentischer Musik und hatten den ganzen Plastikmüll satt. Fitzsimmons ist aber nicht nur ein schnöder Songlieferant, nein, bei ihm geht es auch immer in die Tiefe. Vielleicht liegt es an seiner besonderen Geschichte, denn als Sohn zweier blinder Eltern spielten Töne, Klänge und Musik immer eine ganz besondere Rolle. Die letzten Jahre wurde es aber merklich ruhiger um den Mann mit dem Rauschebart. Sein letztes Album hat da schon ein bisschen Staub angesetzt und gut und gerne auch schon vier Jahre auf dem Buckel. Jetzt folgt mit „Lions“ endlich ein neues Lebenszeichen.

 

Man müsste mal eine Umfrage machen, wie es sein kann, dass man die Musik von William Fitzsimmons nicht wunderschön findet! Kann doch eigentlich nicht sein. „Lions“ geht unter die Haut. Nicht alles, aber wenn, dann so richtig. Die Songs treffen einen mit ihrer Trauer mit voller Wucht und zwar ganz tief im Inneren. Das kann auch mal eine schmerzhafte Erfahrung sein. Man möchte weinen. „Lions“ ist aber auch ein ganz kleines Stück fröhlicher ausgefallen. Der Hoffnungsschimmer am Horizont ist da nicht weit. Der Mann hat sich ein Stück geöffnet und lässt jetzt auch eine positive Grundstimmung zu. Eine Stimmungskanone ist er natürlich noch nicht.

 

Seine Songs sind mit feinstem Fingerpicking durchzogen und neben der Gitarre ist das Piano das Instrument, welches die Atmosphäre der Songs bestimmt. Atmosphäre ist dann auch die Antriebsfeder von „Lions“ und Produzent und Mitmusiker Chris Walla – hauptberuflich bei Death Cab For Cutie – hat den Songs dafür sehr viel Raum gelassen. Kurioserweise krankt das Album dann auch genau daran. Gerade zum Schluss kann man „From You“, „Sister“, „Lions“ und „Speak“ kaum noch unterscheiden. Da fehlt es an der einen oder anderen zündenden Idee und dann versinkt dieses Album im schönsten Wohlklang ohne irgendeinen Akzent zu setzen.

 

Akzente gibt es in der ersten Hälfte dafür jede Menge. Dezent versteckt zwar, aber dafür umso nachhaltiger. Nach dem schönen Auftakt mit „Well Enough“, ist es das berührende „Josie´s Song“, welches mit einer gar ganz wundervollen Instrumentierung zu gefallen weiß. Der Gesang kommt dazu fast gehaucht ganz langsam angekrochen, erwischt den Zuhörer dafür aber umso mehr. „Brandon“ ist für William Fitzsimmons Verhältnisse ja fast schon tanzbar. „Took“ hat sogar noch ein paar Spielereien mit an Bord, die man von dem Mann gar nicht kennt. Drum Machines, Loops und Synthesizers gehen bei „Lions“ wohl auf das Konto von Walla. „Fortune“ fährt dabei noch ein paar Popelemente auf und „Blood/Chest“ ist einfach ein wundervolles Duett mit Rosie Thomas. Die Vocals von Thomas wurden übrigens von Sufjan Stevens aufgenommen! Dazu wird noch ein dezentes Violinenspiel gereicht und fertig ist der perfekte Song!

 

Fazit: „Lions“ ist ein weiterer Beleg dafür, dass William Fitzsimmons ein Großer seiner Zunft ist. Ein Trauerkloß ist er auch nicht mehr und in seine Musik hat teilweise eine luftig und leichte, fast schon fröhliche Grundnote Einzug gehalten. Nein, eine Partyplatte ist das sicher nicht, aber eben ein schönes Singer/Songwriteralbum mit einigen Popanleihen und Spielereien, die man von ihm bisher noch nicht kannte. Schade, dass im hinteren Drittel die Luft etwas dünn wird und er in alte Muster zurückfällt, denn das nimmt „Lions“ insgesamt etwas von seinem Zauber.

 

http://www.williamfitzsimmons.com/

 

Text: Torsten Schlimbach

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Dream Out Loud Magazin: © Torsten Schlimbach / Header: © Kai Knobloch